Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:121217B2STR414.17.0
bei uns veröffentlicht am12.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 414/17
vom
12. Dezember 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
ECLI:DE:BGH:2017:121217B2STR414.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2017 auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 16. Februar 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung dagegen nicht stand. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
Das Landgericht hat ausgeschlossen, dass der Angeklagte bei Begehung der Taten vermindert schuldfähig gewesen wäre (UA S. 8). Bei seiner Bewertung hat es sich auf die 'ausführlichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen S. ' gestützt (UA S. 8). Dieser hat festgestellt, 'dass bei dem Angeklagten pädophile Neigungen in mindestens einer pädophilen Nebenströmung vorliegen und dass deren Gewichtung unter Berücksichtigung vor allem des massiven Umfangs bei ihm aufgefundenen kinderpornographischen Materials weitaus stärker in Richtung einer Kernpädophilie einzuordnen ist, als in anderen Fällen, in denen Täter, wie der Angeklagte, sexuelles Interesse nicht nur an Kindern , sondern auch an erwachsenen Frauen haben' (UA S. 7). Das Vorliegen einer 'psychischen Störung' bei dem Angeklagten hat er nach den durchgeführten diagnostischen Untersuchungen ausgeschlossen (UA S. 8). Das Landgericht hat diese 'Sichtweise' des Sachverständigen als richtig beurteilt und sieht dieses Ergebnis dadurch bestätigt, dass der Angeklagte 'stets reflektiert handelte, Grenzen der Geschädigten akzeptierte und zugleich darauf bedacht war, die Tatumstände so zu gestalten, dass seine Taten in ihrem eigentlichen Kern lange unentdeckt blieben' (UA S. 8).
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung , ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688, 689). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei
dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (BGHSt 49, 45, 53; BGH aaO). Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt mit der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29 ff.; BGH aaO).
Mit der Feststellung, dass bei dem Angeklagten 'pädophile Neigungen in Richtung einer Kernpädophilie' vorliegen, konnte sich das Landgericht nicht auf die Mitteilung beschränken, dass der Sachverständige psychische Störungen ausgeschlossen hat (UA S. 8). Abgesehen davon, dass die Ausführungen des Sachverständigen hierzu nicht nachvollziehbar mitgeteilt werden, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, ob der Sachverständige neben den festgestellten Persönlichkeitsakzentuierungen bei der Prüfung der psychischen Störungen die festgestellten pädophilen Neigungen des Angeklagten noch im Blick hatte und sich hiermit auch im Einzelnen auseinandergesetzt hat.
Es ist nicht auszuschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten anzunehmen ist. Nicht jede Devianz im Sexualverhalten in Form einer Pädophilie ist zwar ohne weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Es kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht (BGH Beschluss vom 10. September 2013 – 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall aber eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen , wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch eine abnehmende Befriedigung , zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des
Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH Beschluss vom 23. Februar 2017 – 1 StR 362/16, StraFo 2017, 247 ff.; BGH Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29 ff.; BGH Urteil vom 20. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688, 689). Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10; BGH Beschluss vom 23. Februar 2017 – 1 StR 362/16, StraFo 2017, 247 ff.). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, StV 2017, 29 ff.).
Es ist nicht auszuschließen, dass die gebotene Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes sowie der ihm zur Last gelegten Taten und der ihnen zugrunde liegenden Motive, vor allem die Verurteilung des Angeklagten wegen des Besitzes kinderpornographischen Bildmaterials, wobei zu berücksichtigen ist, dass das ausgesprochen umfangreiche Bildmaterial im November 2013 und damit in zeitlicher Nähe zum Tatzeitraum bei dem Angeklagten sichergestellt wurde, bereits auf eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und insoweit süchtige Entwicklung des Angeklagten hindeuten können.
Dabei darf auch die Art und Weise, wie der Angeklagte den sexuellen Kontakt zu dem Kind hergestellt und sodann fortgesetzt hat, nicht unberücksichtigt bleiben. Der Heiratsantrag gegenüber der Mutter und das Schaffen finanzieller Anreize oder Abhängigkeiten (monatliches Haushaltsgeld , Handy) ist in Bezug auf den Ausbau des Raffinements des Angeklagten zur Erlangung ungestörter sexueller Kontakte mit Kindern in den Blick zu nehmen."
3
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
4
Der neue Tatrichter wird auch die einbezogenen Einzelstrafen aus dem früheren Urteil in den Urteilsgründen mitzuteilen haben, damit die Gesamtstrafenbildung nachvollzogen werden kann.
RiBGH Dr. Appl ist krank- Eschelbach Bartel heitsbedingt an der Unterschrift gehindert. Eschelbach
Grube Schmidt

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 321/13

bei uns veröffentlicht am 10.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 321/13 vom 10. September 2013 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Be

Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2015 - 2 StR 409/14

bei uns veröffentlicht am 25.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 4 0 9 / 1 4 vom 25. März 2015 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März 2015, an der

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2010 - 2 StR 48/10

bei uns veröffentlicht am 26.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 48/10 vom 26. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2010, an der teilgenom

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2017 - 1 StR 362/16

bei uns veröffentlicht am 23.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 362/16 vom 23. Februar 2017 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:230217B1STR362.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Genera

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2016 - 1 StR 526/15

bei uns veröffentlicht am 15.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 526/15 vom 15. März 2016 in der Strafsache gegen wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a. ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2017 - 2 StR 414/17.

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16

bei uns veröffentlicht am 23.04.2018

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben. 2. Die durch das Urteil

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 321/13
vom
10. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. September 2013
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2013 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Nötigung und versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Sein Rechtsmittel ist, was den Schuldspruch anbelangt, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; hinsichtlich des Strafausspruchs führt es zur Aufhebung und Zurückverweisung.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Angeklagten um einen Alkoholiker, der darüber hinaus abhängig ist von Opioiden, Sedativa und Hypnotika und der zudem gelegentlich Cannabis konsumiert. Diese Faktoren hatten jedoch - wie von der sachverständig beratenen Strafkammer zutreffend dargelegt - aus unterschiedlichen Gründen keinen Einfluss auf seine Schuldfähigkeit bei den von ihm verübten Missbrauchstaten.
3
Weiterhin liegt seine intellektuelle Leistungsfähigkeit im Bereich der Grenzbegabung (IQ-Wert-Bereich von 70-84), weshalb er seit 2007 in einer betreuten Sozialwohnung für psychisch Kranke lebt und unter gesetzlicher Betreuung steht. Schließlich hat der Sachverständige bei dem Angeklagten eine homosexuelle Pädophilie vom nicht ausschließlichen Typus diagnostiziert; eine genuine Pädophilie hat er hingegen ausgeschlossen, weil der Angeklagte erst im fortgeschrittenen Lebensalter mit pädophilen Handlungen in Erscheinung getreten sei und bis dahin auch befriedigende sexuelle Kontakte zu gleichaltrigen Frauen gehabt habe.
4
Das Landgericht hat angesichts dieser Diagnose eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung ausgeschlossen. Seine Ausführungen hierzu begegnen rechtlichen Bedenken.
5
So stellt die Strafkammer maßgeblich darauf ab, dass es nach Darlegung des Sachverständigen keine über die Pädophilie als solche hinausgehende Persönlichkeitsstörung pathologischen Ausmaßes gebe. Ein solcher Ansatz ist jedoch rechtlich nicht tragfähig, da es unerheblich ist, ob die Persönlichkeitsveränderung "Krankheitswert" erreicht; das Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit erfasst gerade solche Veränderungen in der Persönlichkeit , die nicht pathologisch bedingt sind, also gerade keine krankhaften seelischen Störungen darstellen (BGH StGB § 21 Seelische Abartigkeit 33).
6
Eine Devianz im Sexualverhalten in Form einer Pädophilie ist zwar nicht ohne weiteres mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichzusetzen. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Ob eine Persönlichkeitsstörung im sexuellen Bereich das Wesen des Täters so nachhaltig verändert hat, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt, kann nur im Wege einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Täters unter Einbeziehung seiner Entwicklung, seines Charakterbildes sowie der ihm zur Last gelegten Taten einschließlich der ihnen zugrundeliegenden Motive festgestellt werden (BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 37). Eine solche Gesamtbetrachtung wird der neu entscheidende Tatrichter vorzunehmen und sich insbesondere damit auseinanderzusetzen haben, ob und ggf. in welchem Ausmaß sich die gravierende Intelligenzminderung des Angeklagten auf seine Fähigkeit ausgewirkt hat, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 362/16
vom
23. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230217B1STR362.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 10. März 2016 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) mit den zugrundeliegenden Feststellungen im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zahlreicher Fälle des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, überwiegend begangen in Tateinheit mit weiteren Delikten wie Vergewaltigung, Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, gefährlicher Körperverletzung, Entziehung Minderjähriger, Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften mit Realitätsgehalt sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, und in einem weiteren Fall wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Entziehung Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ihm für immer verboten, den Beruf des Arztes auszuüben. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte ist Arzt. Im Jahr 2007 wurde ihm das Recht zum Füh- ren der Facharztbezeichnung „Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin“ verlie- hen. Seit Juli 2010 war er an der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums A. beschäftigt. Daneben war er ab März 2009 Chefarzt des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband A. . Im September 2013 wechselte der Angeklagte als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an die Medizinische Hochschule H. .
4
Seit einer kurzzeitigen Beziehung mit einer Studentin während seines Studiums hatte der Angeklagte keine nennenswerten sexuellen Kontakte zu erwachsenen Personen mehr. Wenn sich Möglichkeiten ergaben, altersadäquate partnerschaftliche und sexuelle Beziehungen aufzubauen, wahrte er stets Distanz und lehnte eine engere Bindung ab. Andererseits wurde sein sexuelles Interesse an Kindern immer größer. Im Alter von 20 oder 21 Jahren unternahm der Angeklagte erste Versuche, Kinder anzusprechen, um sexuelle Handlungen an oder mit ihnen durchzuführen. Mit Ausnahme eines Falles in der Anfangszeit , in dem er ein Mädchen angesprochen hatte, handelte es sich ausschließlich um Jungen. Der sexuelle Drang nach Kindern und auch der zeitliche Umfang der Beschäftigung mit kinderpornographischem Material nahmen insbesondere nach dem Umzug des Angeklagten nach H. und der damit einhergehenden beruflichen und persönlichen Veränderung zu.
5
2. Ab dem Jahr 1998 fanden die verfahrensgegenständlichen sexuellen Übergriffe auf Jungen statt, die jeweils unter vierzehn Jahre alt waren.
6
a) Im Zeitraum von September 1998 bis September 2004 kam es bei Übernachtungen, Urlauben oder Ausflügen zu regelmäßigen sexuellen Übergriffen auf den am 1. November 1990 geborenen R. . Dessen alleinerziehende Mutter hatte der Angeklagte im Jahr 1995 kennengelernt und wurde in der Folge zum Ersatzvater des Geschädigten. Die sexuellen Übergriffe liefen als Art Einschlafritual so ab, dass der Angeklagte im jeweils gleichen Bett wie der Geschädigte schlief, diesen am Penis streichelte und in vielen Fällen auch den Oralverkehr am Geschädigten ausführte.
7
b) Im August 2007 sprach der Angeklagte auf einem Spielplatz zwei im Jahr 2001 geborene Jungen an, die er in eine Tiefgarage führte. Dort übergab er den Kindern eine Geldmünze und forderte sie auf, ihre Hosen herunterzuziehen. Er übte sodann an beiden Jungen den Oralverkehr aus.
8
c) Im Jahr 2008 kam es zu sexuellen Übergriffen auf den im Jahr 1997 geborenen S. , mit dessen alleinerziehender Mutter der Angeklagte eine platonische Beziehung führte und der ihn als Ersatzvater ansah. Die Taten fanden bei zwei Hotelaufenthalten statt, bei denen sich der Angeklagte jeweils mit dem Geschädigten ein Doppelzimmer teilte. Um an dem schlafenden Kind sexuelle Handlungen vornehmen zu können, holte er jeweils aus dem von ihm mitgeführten Medikamentenkoffer eine Schmelztablette des den Wirkstoff Lorazepam enthaltenden Medikaments Tavor und legte es dem Kind in die Backentasche. Sodann führte er sexuelle Handlungen an dem widerstandsunfähigen Kind durch; dabei führte er jeweils seinen erigierten Penis in den After des bewusstlosen Kindes ein. Von seinen Handlungen fertigte er jeweils Lichtbilder und speicherte sie ab.
9
d) Im Juni 2013 veranlasste der Angeklagte in A. zwei auf der Straße spielende fünf- bzw. sechsjährige Jungen mit dem Versprechen, ihnen Geld zu geben, zum Mitkommen. Nachdem er sie in einen Keller geführt hatte, ließ er sie ihre Hosen und Unterhosen herunterziehen und entblößte seinen eigenen erigierten Penis. Sodann fertigte er Fotos von den beiden Kindern, die sich zuvor auf dem Kellerboden auf den Rücken zu legen, die Beine anzuziehen und mit den Händen das entblößte Gesäß zu spreizen hatten. Sein Vorhaben , zu erreichen, dass die Kinder zunächst seinen Penis in den Mund nehmen und anschließend er ihre Penisse in seinen Mund nehmen kann, scheiterte trotz mehrerer Überredungsversuche und Geschenkangebote an der Ablehnung der Kinder.
10
e) Im Mai 2014 sprach der Angeklagte abermals zwei in A. auf der Straße spielende Brüder im Alter von fünf bzw. acht Jahren an und erklärte ihnen, dass er ihnen Spielzeug schenken würde, wenn sie mit ihm in ein Versteck gehen würden und Fotos von sich anfertigen ließen. Er forderte die Jungen auf, in einen auf der Straße abgestellten Mietwagen einzusteigen. Während sich der fünfjährige O. daraufhin auf die Rücksitzbank setzte, lehnte es sein älterer Bruder D. ab, in das Fahrzeug zu steigen. Da- raufhin packte ihn der Angeklagte und schob den Jungen gegen dessen Willen und Widerstand in das Fahrzeug. Er schloss die Fahrzeugtür und fuhr mit den Jungen zu einem nicht näher feststellbaren Haus in der W. straße in A. , wo er sie in den Keller führte. Seiner Aufforderung, ihre Hosen herunterzuziehen , kamen die Kinder nach. Nachdem sie jeweils ihre Unterhose und ihren Bauch entblößt hatten, fertigte der Angeklagte hiervon Lichtbilder. Als der Angeklagte sie aufforderte, auch noch ihre Unterhosen auszuziehen, lehnten die Jungen dies ab. Daraufhin verließen der Angeklagte und die Kinder das Anwesen. Der gesamte Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten dauerte etwa 30 bis 45 Minuten. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause (Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe

).


11
f) Im Juli und August 2014 folgten noch weitere Taten in A. , bei denen der Angeklagte jeweils spielende Jungen auf der Straße ansprach, sie anschließend in einen Keller führte und dort sexuelle Handlungen an bzw. vor ihnen vornahm. An zwei der Kinder führte er den Oralverkehr aus.
12
g) Ähnliche Taten, bei denen der Angeklagte zudem jeweils Lichtbilder von den Kindern fertigte, beging der Angeklagte im Juni 2012 und Mai 2014 auch in M. und im Januar und August 2014 in bzw. im Umkreis von H. .
13
In einem Fall veranlasste der Angeklagte in G. einen fünfjährigen Jungen mit dem Versprechen, ihm ein Geschenk zu geben, dazu, zu ihm in sein Fahrzeug einzusteigen. Der Angeklagte brachte den Jungen in seine Wohnung in H. und flößte ihm dort ein Glas Eistee ein, in dem er zuvor eine Tablette des den Wirkstoff Midazolam enthaltenden Medikaments Dormi- cum aufgelöst hatte, um anschließend ungestört sexuelle Handlungen an dem Kind vornehmen zu können (UA S. 17). Wie der Angeklagte als Arzt wusste, wird dieser Wirkstoff in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin bei Kurznarkosen und in der Analgosedierung eingesetzt. Er sediert bzw. induziert Schlaf, wirkt angstlösend, das Bewusstsein dämpfend und krampflösend. Zudem ruft Midazolam anterograde Amnesien, d.h. Erinnerungstrübungen und -ausfälle hervor. Da der Junge das Teeglas wegen des bitteren Geschmacks des Getränks nicht austrinken wollte, überwand der Angeklagte den Widerstand des Jungen, indem er ihm das Glas fest an den Mund hielt. Anschließend nahm er sexuelle Handlungen, darunter Oralverkehr, an dem Kind vor und fertigte hiervon Lichtbilder, die er abspeicherte. Zudem onanierte er vor den Augen des Kindes bis zum Samenerguss. Anschließend fuhr er den Jungen, an einen anderen Ort im Stadtgebiet von H. und ließ ihn – etwa zwei Stunden nachdem er ihn angesprochen hatte – benommen an einer Häuserwand zurück und fuhr weg. Der aufgrund des Einflusses des Wirkstoffs Midazolam unter Gleichgewichtsstörungen leidende Geschädigte stürzte anschließend zu Boden.
14
h) Unter dem Vorwand, das Bayerische Rote Kreuz organisiere kostenlose Kinderausflüge mit Übernachtung für Jungen im Grundschulalter, die aus sozial benachteiligtem Umfeld stammten oder gesundheitlich eingeschränkt seien, nahm der Angeklagte in den Jahren 2013 und 2014 Kontakt zu mehreren Grundschulen in A. auf. Er trat dabei jeweils als „Dr. med. H. , Klinikum A. “ oder in seiner Funktion als Chefarzt des Kreis- verbandes A. des Bayerischen Roten Kreuzes auf, wobei er dessen offizielles Logo verwendete (UA S. 18). Tatsächlich handelte es sich um von ihm in Eigenregie organisierte, finanzierte und durchgeführte Kinderausflüge , an denen die vorgeschobenen Organisationen nicht beteiligt waren und au- ßer ihm keine weiteren Personen und Gruppen mehr teilnahmen. Bereits bei der Planung und Organisation hatte der Angeklagte das Ziel, die Kinder während der Kinderausflüge selbst zu missbrauchen (UA S. 19).
15
Im Rahmen von drei im November 2013 sowie Februar und Juni 2014 durchgeführten Ausflügen, bei denen die Übernachtung jeweils in einer Pension stattfand, führte der Angeklagte an den teilnehmenden Jungen sexuelle Handlungen durch, wobei er insbesondere deren Penisse streichelte. In einem Fall spreizte er unter gezielter Ausnutzung der Bewusstlosigkeit eines auf dem Rücken schlafenden Kindes dessen Beine so weit auseinander, dass dessen After und Penis präsentiert wurden. Hiervon fertigte er mit seinem Mobiltelefon zwei Videos, die er abspeicherte. In einem anderen Fall führte der Angeklagte den an einem Kinderausflug teilnehmenden Jungen zudem auf seinem Laptop kinderpornographische Videos vor, auf denen zu sehen war, wie Jungen unter 14 Jahren den Oralverkehr an anderen Jungen ausüben. Hierbei erklärte der An- geklagte den Jungen, dass „das Weiße Sperma“ sei (UA S. 20).

II.


16
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.
17
1. Keinen Bestand hat allerdings die Verurteilung des Angeklagten in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe wegen Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlichen Fällen. Sie weist hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Entziehung Minderjähriger einen durchgreifenden Darlegungsmangel auf.

18
a) Ein Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter den wesentlichen Inhalt des Rechts auf Personensorge, nämlich Pflege, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 BGB) durch räumliche Trennung von gewisser Dauer beeinträchtigt (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Den Eltern „entzogen“ ist ein Minderjähriger dabei schon dann, wenn das Recht zur Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht ganz vorübergehende Dauer so beeinträchtigt wird, dass es nicht ausgeübt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1951 – 1 StR 202/51, BGHSt 1, 199, 200; vom 13. September 1957 – 1 StR 269/57, BGHSt 10, 376, 378 und vom 21. April 1961 – 4 StR 20/61, BGHSt 16, 58, 61).
19
aa) Zur Erfüllung des Tatbestands reicht jede Handlung aus, durch welche die Sorgeberechtigten faktisch gehindert werden, ihr Obhutsrecht zu verwirklichen (vgl. Krehl in LK-StGB, 12. Aufl., § 235 Rn. 43 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Ein Entziehen kann selbst dann gegeben sein, wenn der Sorgeberechtigte sein Obhutsrecht im Tatzeitpunkt tatsächlich nicht ausübt. Auch muss die Tat nicht im Herrschaftsbereich des Berechtigten seinen Ausgang nehmen; sie kann vielmehr auch an einem Kind begangen werden, das unbeaufsichtigt auf der Straße spielt (vgl. BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 f.; Urteil vom 23. April 1963 – 1 StR 90/63, NJW 1963, 1412, 1413; Krehl aaO Rn. 47; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 235 Rn. 6).
20
bb) Wann die Dauer einer Entziehung so erheblich ist, dass sie dem Tatbestand unterfällt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Zwecks der Strafvorschrift zu entscheiden, also Tatfrage (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 35/96, BGHR § 235 Abs. 1 Entziehung 1; BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 und BGHSt 10, 376, 378). Maßgeblich sind dafür auch das Alter des Kindes, seine Schutz- und Zuwendungsbedürftigkeit sowie Aufsichtserfordernisse und die Intensität des Eingriffs (vgl. Schluckebier in SSWStGB , 3. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann daher bei einem vierjährigen Kind auch bereits eine Dauer von zehn Minuten für ein Entziehen genügen (BGH aaO, BGHSt 16, 58). Für die Beurteilung im Einzelfall, ob das Sorgerecht durch die Trennung erheblich beeinträchtigt worden ist, ist auch von Bedeutung, ob der Minderjährige durch die Tat Nachteile erlitten hat, insbesondere, ob er in körperlicher oder geistiger Hinsicht gefährdet worden ist (vgl. Krehl aaO, Rn. 54; Wieck-Noodt in MüKoStGB , 2. Aufl., § 235 Rn. 44). Lässt sich feststellen, dass es schon in kurzen Zeiträumen zu konkreten Gefahren für das körperliche oder geistige Wohl des Kindes gekommen ist, können auch kleinere Zeiteinheiten genügen (vgl. Krehl aaO, Rn. 56).
21
b) Den sich hieraus für das Vorliegen eines Entziehens ergebenen Darstellungsanforderungen genügen die Urteilsgründe nicht.
22
In den Urteilsgründen wird schon die Dauer der räumlichen Trennung nicht mitgeteilt. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten etwa 30 bis 45 Minuten dauerte. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause zurück. Die Urteilsgründe enthalten jedoch keine Feststellungen dazu, wann die Kinder dort eingetroffen sind, wie lange sie für den Rückweg gebraucht haben, ob der Weg gefährlich oder ungefährlich war und ob die Kinder den Weg schnell oder nur unter Schwierigkeiten gefunden haben. Auch verhält sich das Urteil nicht dazu, ob die beiden Kinder aus der Tat Nachteile erlitten haben. Angesichts der möglicherweise nur sehr kurzen Trennung der Kinder von den sorgeberechtigten Eltern hätte es hierzu jedoch Feststellungen bedurft.
23
Zwar kommt es für das Vorliegen eines Entziehens nicht auf die Frage an, ob die Sorgeberechtigten zur Tatzeit wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten und ob sie durch die Tat faktisch gehindert werden, ihre elterliche Sorge auszuüben (vgl. Krehl aaO Rn. 43). Allerdings wurden hier die beiden Kinder an einen Ort gebracht, der den Erziehungsberechtigten unbekannt war, so dass sie ihre Kinder überhaupt nicht erreichen konnten (vgl. dazu BGH aaO, BGHSt 1, 199, 200 und BGHSt 10, 376, 378 f.). Andererseits war die Zeit des Kontakts des Angeklagten mit den beiden Kindern von möglicherweise nur 30 Minuten sehr kurz; von sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte Abstand, als die Kinder dies ablehnten. Jedenfalls waren beide in der Lage, allein wieder nach Hause zurückzukehren.
24
Im Hinblick auf diese Umstände durfte das Landgericht nicht unerörtert lassen, wie lange die räumliche Trennung insgesamt dauerte, ob die Rückkehr nach Hause für die Kinder gefährlich war und welche psychischen oder physischen Folgen diese Trennung bei den Kindern hatte. Eine lediglich dreißigminütige räumliche Trennung von den Sorgeberechtigten allein kann die Würdigung als Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB nicht rechtfertigen. Damit entfällt auch die – an sich fehlerfreie – tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung.
25
c) Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese im Hinblick auf die erforderlichen Darlegungen nur lücken-, aber nicht rechtsfehlerhaft sind. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
26
2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
27
Auch soweit das Landgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) verurteilt hat, hält das angefochtene Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar wurde diese Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. 2016 I, 2460) mit Wirkung vom 10. November 2016 aufgehoben, was gemäß § 354a StPO i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB auch im Revisionsverfahren zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Oktober 1964 – 1 StR 358/64, BGHSt 20, 74). Jedoch ist mit dem Änderungsgesetz gleichzeitig der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 177 StGB erweitert worden, so dass das bei Tatbegehung nach § 179 StGB strafbare Verhalten des Angeklagten nun von § 177 StGB erfasst wird (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 23 f.). Diese Vorschrift stellt damit im Sinne der für eine fortbestehende Strafbarkeit erforderlichen Unrechtskontinuität (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1993 – 2 BvR 292/93, NStZ 1993, 432) eine Nachfolgeregelung zu § 179 StGB dar. Sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung werden nun von § 177 StGB erfasst. Da die nun geltende Strafvorschrift kein milderes Gesetz darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB), ist die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB rechtsfehlerfrei.

III.


28
Der Rechtsfolgenausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
29
1. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand; denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
30
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO). Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 und vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244).
31
b) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine Paraphilie in Form einer ausschließlich homophilen pädophilen Störung und damit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB gegeben ist. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung hat das Landgericht dagegen abgelehnt. Es ist der Auffassung, dass sich die Einschränkungen des Angeklagten im Wesentlichen nur auf sein Sexualleben beziehen. Ansonsten sei er in der Lage gewesen, sowohl ein erfolgreiches Berufsleben zu führen als auch umfangreiche soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.
32
Das Landgericht folgt dem Sachverständigen Dr. Gr. auch in der Wertung, dass der Angeklagte bei der Begehung der Taten die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkontrolle besessen habe. Trotz der „quantitativen Progredienz der Taten“ bestünden keine Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Insbesondere lägen keine abrupten impulshaften Tatabläufe vor. Vielmehr habe der Angeklagte die Taten zumindest teilweise von langer Hand geplant und sich stets solange beherrschen können, bis er die von ihm gewünschte Tatsituation herbeigeführt habe. Er sei auch in der Lage gewesen, die Taten bei Stopp-Signalen der Kinder zu beenden. Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kinderarzt Missbrauchstaten begangen oder sich auch nur distanzloses Verhalten erlaubt habe (UA S. 40 f.).

33
c) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Indem das Landgericht – insoweit beiden Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen, musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist , die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen, wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16 mwN). Wird aber eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens nahe (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 16. Mai 1991 – 4 StR 204/91, BGHR StGB Seelische Abartigkeit 20 und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 31).
35
bb) Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die pädophile Störung des Angeklagten schwer genug sein müssen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, nur geringe Aussagekraft zu. Die Erwägung, der Angeklagte sei stets in der Lage gewesen, sich so lange zu beherrschen, bis die gewünschte Tatsituation eingetreten sei, steht zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis mit anderen Urteilsfeststellungen. So hat das Landgericht die Annahme, der Angeklagte habe einen Hang zu er- heblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch damit begründet , dass er bei einigen der Taten ein hohes Entdeckungsrisiko in Kauf genommen habe (UA S. 56), was – jedenfalls ohne weitere Erörterungen – darauf schließen lässt, dass die gewünschten Tatsituationen nicht mehr uneingeschränkt abgewartet werden konnten (UA S. 40). Zudem sind die Ausführungen des Landgerichts zum Teil auch widersprüchlich. Während es einerseits davon ausgeht, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten (UA S. 40), nimmt es andererseits an, dass „die Häufung der Delikte in den Jahren 2013 und 2014 sowie seine zunehmende Beschäftigung mit kinderpornographi- schem Material gepaart mit dem Abbruch sozialer Kontakte“ zeigten, dass sich die Verhaltensmuster des Angeklagten immer weiter verfestigten (UA S. 60). Dies sei so weit gegangen, dass der Angeklagte sich selbst bei der Arbeit mit kinderpornographischem Material beschäftigt habe und auch sein gesamter sonstiger Alltag hiervon geprägt gewesen sei (UA S. 60). Schließlich habe der Angeklagte, dem es stets wichtig gewesen sei, dass sich seine Pädophilie nicht auf die Berufsausübung als Kinderarzt auswirkt, diese Trennung nicht mehr bewerkstelligen können (UA S. 61).
36
d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) anzunehmen oder jedenfalls nicht auszuschließen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall nicht nur die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit , sondern auch einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 10. September 2013 – 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vom 20. Mai 2010 – 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben.
37
Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt. Die Sache bedarf insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung. Demgegenüber lässt der Rechtsfehler den verbliebenen Schuldspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war.
38
2. Die Aufhebung im Strafausspruch zieht die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) nach sich.
39
3. Die Aufhebung des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung des Berufsverbots (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1993 – 5 StR 263/93, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 5). Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
40
a) Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf dem Täter lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144 und vom 6. Juni 2003 – 3 StR 188/03, wistra 2003, 423 mwN); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (BGH, Urteil vom 9. März 2011 – 2 StR 609/10, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 8). Einen solchen Zusammenhang hat das Landgericht bislang nicht festgestellt. Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte die Straftaten nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt.
41
b) Eine Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter bei Tatbegehung gegen eine der speziellen Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes auferlegt sind, verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80 sowie Hanack in LK-StGB, 12. Aufl., § 70 Rn. 23). Auch dafür bedarf es eines berufstypischen Zusammenhangs der Tat zu der beruflichen Tätigkeit, der beim Angeklagten bislang nicht festgestellt wurde. Hierfür genügt es nicht, dass der Angeklagte bei einigen der Taten zur Betäubung der Opfer Medikamente eingesetzt hat, auf die er möglicherweise als Arzt Zugriff hatte (vgl. BGH aaO für die Berufspflichten eines Krankenpflegers ). Insoweit besteht lediglich ein äußerer Bezug zur Tätigkeit des Angeklagten als Arzt. Auch ließe sich durch ein Berufsverbot die Ausnutzung der medizinischen Kenntnisse des Angeklagten zu Straftaten außerhalb seines beruflichen Umfelds nicht verhindern. Raum Graf Jäger Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 48/10
vom
26. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30. September 2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass für die Tat II.5 der Urteilsgründe eine Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro festgesetzt wird. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in jeweils vier Fällen, wegen Freiheitsberaubung in zwei Fällen sowie wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und dessen Laptop nebst externer Festplatte eingezogen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Nichtverurteilung des Angeklagten auch wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften, den Strafausspruch sowie die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Nachholung eines unterbliebenen Einzelstrafausspruchs ; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der heute 24jährige nicht vorbestrafte Angeklagte vor seinem 18. Lebensjahr alterstypische, mit Geschlechtsverkehr einhergehende Beziehungen zu geringfügig jüngeren Mädchen. Von Oktober 2003 bis Juni 2008 lebte er in einer festen Beziehung mit der gleichaltrigen H. . Im Anschluss hatte er ein sexuelles Verhältnis mit einem 17jährigen Mädchen. Während des Zusammenlebens mit H. war es zu Spannungen gekommen, weil der Angeklagte pornographisches, zum Teil kinderpornographisches Bildmaterial konsumiert hatte und sich zu jüngeren Mädchen, auch unter 14 Jahren, hingezogen fühlte.
3
a) Im November 2007 führte der damals 22jährige Angeklagte mit einem 13 Jahre und zehn Monate alten, sexuell noch unerfahrenen Mädchen, das er bereits seit längerem kannte, einvernehmlich Geschlechtsverkehr durch.
4
b) Im Frühjahr 2008 steigerten sich die Spannungen zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin und mündeten bei vier Gelegenheiten in körperlichen Auseinandersetzungen. Während dieses Zeitraums lud der Angeklagte zwei Bilddateien mit kinderpornographischen Darstellungen aus dem Internet auf seinen Rechner. In zwei Fällen schloss der Angeklagte seine Lebensgefährtin nach Streitigkeiten in der Wohnung ein.
5
c) Im Frühjahr 2009 schließlich führte der Angeklagte mit einem sexuell bereits erfahrenen, 13 Jahre und zwei Monate alten Mädchen, das er seit ca. einem halben Jahr kannte, bei drei Gelegenheiten jeweils einverständlich Geschlechtsverkehr durch.
6
2. In Übereinstimmung mit dem gehörten psychiatrischen Sachverständigen stellte die Strafkammer bei dem geständigen, sein Verhalten bedauernden Angeklagten pädophile Neigungen fest, zu denen dieser sich auch bekennt. Die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie sei jedoch - anders als der Sachverständige meine - nicht von solchem Ausmaß, dass sie als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB zu werten sei. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Störung der Persönlichkeit, die keinen Einfluss auf die strafrechtliche Verantwortung i.S.d. §§ 20, 21 StGB habe.

II.

7
1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen seine Aufklärungs- und Fürsorgepflicht verstoßen, in dem es ohne vorherigen Hinweis dem Sachverständigen hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB nicht gefolgt sei, ist unbegründet. Das Gericht war unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gehalten, die Prozessbeteiligten über die vorläufige Bewertung von Beweismitteln - hier des Sachverständigengutachtens - zu informieren. Erst in der Urteilsberatung hat der Tatrichter darüber zu befinden, wie er die erhobenen Beweise einschätzt. Ein Zwischenverfahren , in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären müsste, ist nicht vorgesehen (vgl. BGHSt 43, 212, 214; BGH NStZ-RR 2008, 180).
8
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler des Urteils zum Vorteil des Angeklagten auf.
9
a) Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Die im Fall II.8 der Urteilsgründe zwar erfüllte Tatbestandsalternative des Besitzes kinderpornogra- phischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB ist ein Auffangtatbestand , der - was die Revision verkennt - hinter dem hier ausgeurteilten Tatbestand des Sichverschaffens dieser Schriften gemäß § 184 b Abs. 4 Satz 1 StGB zurücktritt (BGH NStZ 2009, 208; Fischer, StGB 57. Aufl. § 184 b Rdn. 28).
10
b) Ebenso wenig ist der Rechtsfolgenausspruch zu beanstanden. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen, womit die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB ausgeschlossen war. Es ist dem Sachverständigen in dessen Einschätzung gefolgt, dass bei dem Angeklagten pädophile Neigungen vorliegen. Ob dieses Störungsbild unter eines der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB zu subsumieren ist und dadurch die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich eingeschränkt ist, entscheidet nach sachverständiger Beratung das Gericht (BGH NStZ-RR 2006, 73). Bei seiner Beurteilung ist der Tatrichter nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen. Dabei ist er - wie vorliegend geschehen - gehalten, sich mit dessen Darlegungen in einer Weise auseinanderzusetzen , die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (BGH NStZ 2007, 114). Hier hat das Landgericht die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen in nachprüfbarer Weise wiedergegeben , sich damit auseinandergesetzt und seine abweichende Auffassung nachvollziehbar begründet. Da nicht jede Devianz in Form einer Pädophilie ohne Weiteres gleichzusetzen ist mit einer schweren anderen seelischen Abhängigkeit (BGH StV 2005, 20), war aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten darauf abzustellen, ob seine Neigungen den Angeklagten im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt. Eine solche Prüfung hat die Strafkammer vorgenommen und im Einzelnen begründet, weshalb sie bei dem Angeklagten eine zwanghafte gedankliche Einengung auf Sexualver- kehr mit Kindern ebenso wenig zu erkennen vermochte wie eine süchtige Entwicklung bzw. einen Ausbau des Raffinements zur Erlangung ungestörter Kontakte mit Kindern. Vielmehr sei der Angeklagte in der Lage, seine pädophilen Neigungen zu beherrschen. Diese gut und nachvollziehbar begründete Einschätzung ist möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen und gegen die Strafzumessung im Übrigen erhobenen Einwände der Revision erschöpfen sich in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung - teils sogar auf urteilsfremder Grundlage - an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
11
c) Die fehlende Festsetzung der Einzelstrafe im Fall II.5 der Urteilsgründe war vom Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nachzuholen. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Nachholung der Festsetzung nicht entgegen (BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 10 m.w.N.). Auf Antrag des Generalbundesanwalts verhängt der Senat mit Blick auf die in jeder Hinsicht vergleichbaren Fälle II.2 bis 4 der Urteilsgründe im Fall II.5 ebenfalls eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro. Fischer Roggenbuck Appl Cierniak Schmitt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 362/16
vom
23. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230217B1STR362.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 23. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 10. März 2016 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) mit den zugrundeliegenden Feststellungen im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zahlreicher Fälle des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, überwiegend begangen in Tateinheit mit weiteren Delikten wie Vergewaltigung, Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, gefährlicher Körperverletzung, Entziehung Minderjähriger, Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften mit Realitätsgehalt sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, und in einem weiteren Fall wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Entziehung Minderjähriger zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ihm für immer verboten, den Beruf des Arztes auszuüben. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte ist Arzt. Im Jahr 2007 wurde ihm das Recht zum Füh- ren der Facharztbezeichnung „Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin“ verlie- hen. Seit Juli 2010 war er an der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums A. beschäftigt. Daneben war er ab März 2009 Chefarzt des Bayerischen Roten Kreuzes im Kreisverband A. . Im September 2013 wechselte der Angeklagte als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an die Medizinische Hochschule H. .
4
Seit einer kurzzeitigen Beziehung mit einer Studentin während seines Studiums hatte der Angeklagte keine nennenswerten sexuellen Kontakte zu erwachsenen Personen mehr. Wenn sich Möglichkeiten ergaben, altersadäquate partnerschaftliche und sexuelle Beziehungen aufzubauen, wahrte er stets Distanz und lehnte eine engere Bindung ab. Andererseits wurde sein sexuelles Interesse an Kindern immer größer. Im Alter von 20 oder 21 Jahren unternahm der Angeklagte erste Versuche, Kinder anzusprechen, um sexuelle Handlungen an oder mit ihnen durchzuführen. Mit Ausnahme eines Falles in der Anfangszeit , in dem er ein Mädchen angesprochen hatte, handelte es sich ausschließlich um Jungen. Der sexuelle Drang nach Kindern und auch der zeitliche Umfang der Beschäftigung mit kinderpornographischem Material nahmen insbesondere nach dem Umzug des Angeklagten nach H. und der damit einhergehenden beruflichen und persönlichen Veränderung zu.
5
2. Ab dem Jahr 1998 fanden die verfahrensgegenständlichen sexuellen Übergriffe auf Jungen statt, die jeweils unter vierzehn Jahre alt waren.
6
a) Im Zeitraum von September 1998 bis September 2004 kam es bei Übernachtungen, Urlauben oder Ausflügen zu regelmäßigen sexuellen Übergriffen auf den am 1. November 1990 geborenen R. . Dessen alleinerziehende Mutter hatte der Angeklagte im Jahr 1995 kennengelernt und wurde in der Folge zum Ersatzvater des Geschädigten. Die sexuellen Übergriffe liefen als Art Einschlafritual so ab, dass der Angeklagte im jeweils gleichen Bett wie der Geschädigte schlief, diesen am Penis streichelte und in vielen Fällen auch den Oralverkehr am Geschädigten ausführte.
7
b) Im August 2007 sprach der Angeklagte auf einem Spielplatz zwei im Jahr 2001 geborene Jungen an, die er in eine Tiefgarage führte. Dort übergab er den Kindern eine Geldmünze und forderte sie auf, ihre Hosen herunterzuziehen. Er übte sodann an beiden Jungen den Oralverkehr aus.
8
c) Im Jahr 2008 kam es zu sexuellen Übergriffen auf den im Jahr 1997 geborenen S. , mit dessen alleinerziehender Mutter der Angeklagte eine platonische Beziehung führte und der ihn als Ersatzvater ansah. Die Taten fanden bei zwei Hotelaufenthalten statt, bei denen sich der Angeklagte jeweils mit dem Geschädigten ein Doppelzimmer teilte. Um an dem schlafenden Kind sexuelle Handlungen vornehmen zu können, holte er jeweils aus dem von ihm mitgeführten Medikamentenkoffer eine Schmelztablette des den Wirkstoff Lorazepam enthaltenden Medikaments Tavor und legte es dem Kind in die Backentasche. Sodann führte er sexuelle Handlungen an dem widerstandsunfähigen Kind durch; dabei führte er jeweils seinen erigierten Penis in den After des bewusstlosen Kindes ein. Von seinen Handlungen fertigte er jeweils Lichtbilder und speicherte sie ab.
9
d) Im Juni 2013 veranlasste der Angeklagte in A. zwei auf der Straße spielende fünf- bzw. sechsjährige Jungen mit dem Versprechen, ihnen Geld zu geben, zum Mitkommen. Nachdem er sie in einen Keller geführt hatte, ließ er sie ihre Hosen und Unterhosen herunterziehen und entblößte seinen eigenen erigierten Penis. Sodann fertigte er Fotos von den beiden Kindern, die sich zuvor auf dem Kellerboden auf den Rücken zu legen, die Beine anzuziehen und mit den Händen das entblößte Gesäß zu spreizen hatten. Sein Vorhaben , zu erreichen, dass die Kinder zunächst seinen Penis in den Mund nehmen und anschließend er ihre Penisse in seinen Mund nehmen kann, scheiterte trotz mehrerer Überredungsversuche und Geschenkangebote an der Ablehnung der Kinder.
10
e) Im Mai 2014 sprach der Angeklagte abermals zwei in A. auf der Straße spielende Brüder im Alter von fünf bzw. acht Jahren an und erklärte ihnen, dass er ihnen Spielzeug schenken würde, wenn sie mit ihm in ein Versteck gehen würden und Fotos von sich anfertigen ließen. Er forderte die Jungen auf, in einen auf der Straße abgestellten Mietwagen einzusteigen. Während sich der fünfjährige O. daraufhin auf die Rücksitzbank setzte, lehnte es sein älterer Bruder D. ab, in das Fahrzeug zu steigen. Da- raufhin packte ihn der Angeklagte und schob den Jungen gegen dessen Willen und Widerstand in das Fahrzeug. Er schloss die Fahrzeugtür und fuhr mit den Jungen zu einem nicht näher feststellbaren Haus in der W. straße in A. , wo er sie in den Keller führte. Seiner Aufforderung, ihre Hosen herunterzuziehen , kamen die Kinder nach. Nachdem sie jeweils ihre Unterhose und ihren Bauch entblößt hatten, fertigte der Angeklagte hiervon Lichtbilder. Als der Angeklagte sie aufforderte, auch noch ihre Unterhosen auszuziehen, lehnten die Jungen dies ab. Daraufhin verließen der Angeklagte und die Kinder das Anwesen. Der gesamte Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten dauerte etwa 30 bis 45 Minuten. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause (Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe

).


11
f) Im Juli und August 2014 folgten noch weitere Taten in A. , bei denen der Angeklagte jeweils spielende Jungen auf der Straße ansprach, sie anschließend in einen Keller führte und dort sexuelle Handlungen an bzw. vor ihnen vornahm. An zwei der Kinder führte er den Oralverkehr aus.
12
g) Ähnliche Taten, bei denen der Angeklagte zudem jeweils Lichtbilder von den Kindern fertigte, beging der Angeklagte im Juni 2012 und Mai 2014 auch in M. und im Januar und August 2014 in bzw. im Umkreis von H. .
13
In einem Fall veranlasste der Angeklagte in G. einen fünfjährigen Jungen mit dem Versprechen, ihm ein Geschenk zu geben, dazu, zu ihm in sein Fahrzeug einzusteigen. Der Angeklagte brachte den Jungen in seine Wohnung in H. und flößte ihm dort ein Glas Eistee ein, in dem er zuvor eine Tablette des den Wirkstoff Midazolam enthaltenden Medikaments Dormi- cum aufgelöst hatte, um anschließend ungestört sexuelle Handlungen an dem Kind vornehmen zu können (UA S. 17). Wie der Angeklagte als Arzt wusste, wird dieser Wirkstoff in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin bei Kurznarkosen und in der Analgosedierung eingesetzt. Er sediert bzw. induziert Schlaf, wirkt angstlösend, das Bewusstsein dämpfend und krampflösend. Zudem ruft Midazolam anterograde Amnesien, d.h. Erinnerungstrübungen und -ausfälle hervor. Da der Junge das Teeglas wegen des bitteren Geschmacks des Getränks nicht austrinken wollte, überwand der Angeklagte den Widerstand des Jungen, indem er ihm das Glas fest an den Mund hielt. Anschließend nahm er sexuelle Handlungen, darunter Oralverkehr, an dem Kind vor und fertigte hiervon Lichtbilder, die er abspeicherte. Zudem onanierte er vor den Augen des Kindes bis zum Samenerguss. Anschließend fuhr er den Jungen, an einen anderen Ort im Stadtgebiet von H. und ließ ihn – etwa zwei Stunden nachdem er ihn angesprochen hatte – benommen an einer Häuserwand zurück und fuhr weg. Der aufgrund des Einflusses des Wirkstoffs Midazolam unter Gleichgewichtsstörungen leidende Geschädigte stürzte anschließend zu Boden.
14
h) Unter dem Vorwand, das Bayerische Rote Kreuz organisiere kostenlose Kinderausflüge mit Übernachtung für Jungen im Grundschulalter, die aus sozial benachteiligtem Umfeld stammten oder gesundheitlich eingeschränkt seien, nahm der Angeklagte in den Jahren 2013 und 2014 Kontakt zu mehreren Grundschulen in A. auf. Er trat dabei jeweils als „Dr. med. H. , Klinikum A. “ oder in seiner Funktion als Chefarzt des Kreis- verbandes A. des Bayerischen Roten Kreuzes auf, wobei er dessen offizielles Logo verwendete (UA S. 18). Tatsächlich handelte es sich um von ihm in Eigenregie organisierte, finanzierte und durchgeführte Kinderausflüge , an denen die vorgeschobenen Organisationen nicht beteiligt waren und au- ßer ihm keine weiteren Personen und Gruppen mehr teilnahmen. Bereits bei der Planung und Organisation hatte der Angeklagte das Ziel, die Kinder während der Kinderausflüge selbst zu missbrauchen (UA S. 19).
15
Im Rahmen von drei im November 2013 sowie Februar und Juni 2014 durchgeführten Ausflügen, bei denen die Übernachtung jeweils in einer Pension stattfand, führte der Angeklagte an den teilnehmenden Jungen sexuelle Handlungen durch, wobei er insbesondere deren Penisse streichelte. In einem Fall spreizte er unter gezielter Ausnutzung der Bewusstlosigkeit eines auf dem Rücken schlafenden Kindes dessen Beine so weit auseinander, dass dessen After und Penis präsentiert wurden. Hiervon fertigte er mit seinem Mobiltelefon zwei Videos, die er abspeicherte. In einem anderen Fall führte der Angeklagte den an einem Kinderausflug teilnehmenden Jungen zudem auf seinem Laptop kinderpornographische Videos vor, auf denen zu sehen war, wie Jungen unter 14 Jahren den Oralverkehr an anderen Jungen ausüben. Hierbei erklärte der An- geklagte den Jungen, dass „das Weiße Sperma“ sei (UA S. 20).

II.


16
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.
17
1. Keinen Bestand hat allerdings die Verurteilung des Angeklagten in Teil 2, Fall A.IV. der Urteilsgründe wegen Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger (§ 235 Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlichen Fällen. Sie weist hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Entziehung Minderjähriger einen durchgreifenden Darlegungsmangel auf.

18
a) Ein Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter den wesentlichen Inhalt des Rechts auf Personensorge, nämlich Pflege, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung (§ 1631 BGB) durch räumliche Trennung von gewisser Dauer beeinträchtigt (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Den Eltern „entzogen“ ist ein Minderjähriger dabei schon dann, wenn das Recht zur Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung durch räumliche Trennung für eine gewisse, nicht ganz vorübergehende Dauer so beeinträchtigt wird, dass es nicht ausgeübt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 1951 – 1 StR 202/51, BGHSt 1, 199, 200; vom 13. September 1957 – 1 StR 269/57, BGHSt 10, 376, 378 und vom 21. April 1961 – 4 StR 20/61, BGHSt 16, 58, 61).
19
aa) Zur Erfüllung des Tatbestands reicht jede Handlung aus, durch welche die Sorgeberechtigten faktisch gehindert werden, ihr Obhutsrecht zu verwirklichen (vgl. Krehl in LK-StGB, 12. Aufl., § 235 Rn. 43 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Ein Entziehen kann selbst dann gegeben sein, wenn der Sorgeberechtigte sein Obhutsrecht im Tatzeitpunkt tatsächlich nicht ausübt. Auch muss die Tat nicht im Herrschaftsbereich des Berechtigten seinen Ausgang nehmen; sie kann vielmehr auch an einem Kind begangen werden, das unbeaufsichtigt auf der Straße spielt (vgl. BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 f.; Urteil vom 23. April 1963 – 1 StR 90/63, NJW 1963, 1412, 1413; Krehl aaO Rn. 47; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 235 Rn. 6).
20
bb) Wann die Dauer einer Entziehung so erheblich ist, dass sie dem Tatbestand unterfällt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Zwecks der Strafvorschrift zu entscheiden, also Tatfrage (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 35/96, BGHR § 235 Abs. 1 Entziehung 1; BGH aaO, BGHSt 16, 58, 61 und BGHSt 10, 376, 378). Maßgeblich sind dafür auch das Alter des Kindes, seine Schutz- und Zuwendungsbedürftigkeit sowie Aufsichtserfordernisse und die Intensität des Eingriffs (vgl. Schluckebier in SSWStGB , 3. Aufl., § 235 Rn. 6 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann daher bei einem vierjährigen Kind auch bereits eine Dauer von zehn Minuten für ein Entziehen genügen (BGH aaO, BGHSt 16, 58). Für die Beurteilung im Einzelfall, ob das Sorgerecht durch die Trennung erheblich beeinträchtigt worden ist, ist auch von Bedeutung, ob der Minderjährige durch die Tat Nachteile erlitten hat, insbesondere, ob er in körperlicher oder geistiger Hinsicht gefährdet worden ist (vgl. Krehl aaO, Rn. 54; Wieck-Noodt in MüKoStGB , 2. Aufl., § 235 Rn. 44). Lässt sich feststellen, dass es schon in kurzen Zeiträumen zu konkreten Gefahren für das körperliche oder geistige Wohl des Kindes gekommen ist, können auch kleinere Zeiteinheiten genügen (vgl. Krehl aaO, Rn. 56).
21
b) Den sich hieraus für das Vorliegen eines Entziehens ergebenen Darstellungsanforderungen genügen die Urteilsgründe nicht.
22
In den Urteilsgründen wird schon die Dauer der räumlichen Trennung nicht mitgeteilt. Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass der Vorgang von der Mitnahme der Geschädigten im Fahrzeug bis zum Entfernen des Angeklagten etwa 30 bis 45 Minuten dauerte. Anschließend liefen die Kinder allein nach Hause zurück. Die Urteilsgründe enthalten jedoch keine Feststellungen dazu, wann die Kinder dort eingetroffen sind, wie lange sie für den Rückweg gebraucht haben, ob der Weg gefährlich oder ungefährlich war und ob die Kinder den Weg schnell oder nur unter Schwierigkeiten gefunden haben. Auch verhält sich das Urteil nicht dazu, ob die beiden Kinder aus der Tat Nachteile erlitten haben. Angesichts der möglicherweise nur sehr kurzen Trennung der Kinder von den sorgeberechtigten Eltern hätte es hierzu jedoch Feststellungen bedurft.
23
Zwar kommt es für das Vorliegen eines Entziehens nicht auf die Frage an, ob die Sorgeberechtigten zur Tatzeit wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten und ob sie durch die Tat faktisch gehindert werden, ihre elterliche Sorge auszuüben (vgl. Krehl aaO Rn. 43). Allerdings wurden hier die beiden Kinder an einen Ort gebracht, der den Erziehungsberechtigten unbekannt war, so dass sie ihre Kinder überhaupt nicht erreichen konnten (vgl. dazu BGH aaO, BGHSt 1, 199, 200 und BGHSt 10, 376, 378 f.). Andererseits war die Zeit des Kontakts des Angeklagten mit den beiden Kindern von möglicherweise nur 30 Minuten sehr kurz; von sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte Abstand, als die Kinder dies ablehnten. Jedenfalls waren beide in der Lage, allein wieder nach Hause zurückzukehren.
24
Im Hinblick auf diese Umstände durfte das Landgericht nicht unerörtert lassen, wie lange die räumliche Trennung insgesamt dauerte, ob die Rückkehr nach Hause für die Kinder gefährlich war und welche psychischen oder physischen Folgen diese Trennung bei den Kindern hatte. Eine lediglich dreißigminütige räumliche Trennung von den Sorgeberechtigten allein kann die Würdigung als Entziehen im Sinne des § 235 Abs. 1 StGB nicht rechtfertigen. Damit entfällt auch die – an sich fehlerfreie – tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung.
25
c) Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese im Hinblick auf die erforderlichen Darlegungen nur lücken-, aber nicht rechtsfehlerhaft sind. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
26
2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
27
Auch soweit das Landgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) verurteilt hat, hält das angefochtene Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar wurde diese Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. 2016 I, 2460) mit Wirkung vom 10. November 2016 aufgehoben, was gemäß § 354a StPO i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB auch im Revisionsverfahren zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Oktober 1964 – 1 StR 358/64, BGHSt 20, 74). Jedoch ist mit dem Änderungsgesetz gleichzeitig der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 177 StGB erweitert worden, so dass das bei Tatbegehung nach § 179 StGB strafbare Verhalten des Angeklagten nun von § 177 StGB erfasst wird (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 23 f.). Diese Vorschrift stellt damit im Sinne der für eine fortbestehende Strafbarkeit erforderlichen Unrechtskontinuität (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1993 – 2 BvR 292/93, NStZ 1993, 432) eine Nachfolgeregelung zu § 179 StGB dar. Sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung werden nun von § 177 StGB erfasst. Da die nun geltende Strafvorschrift kein milderes Gesetz darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB), ist die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB rechtsfehlerfrei.

III.


28
Der Rechtsfolgenausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
29
1. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand; denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
30
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 mwN). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO). Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 2016 – 1 StR 526/15, BGHR StGB § 63 Zustand 45 und vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244).
31
b) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine Paraphilie in Form einer ausschließlich homophilen pädophilen Störung und damit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB gegeben ist. Das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung hat das Landgericht dagegen abgelehnt. Es ist der Auffassung, dass sich die Einschränkungen des Angeklagten im Wesentlichen nur auf sein Sexualleben beziehen. Ansonsten sei er in der Lage gewesen, sowohl ein erfolgreiches Berufsleben zu führen als auch umfangreiche soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.
32
Das Landgericht folgt dem Sachverständigen Dr. Gr. auch in der Wertung, dass der Angeklagte bei der Begehung der Taten die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkontrolle besessen habe. Trotz der „quantitativen Progredienz der Taten“ bestünden keine Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Insbesondere lägen keine abrupten impulshaften Tatabläufe vor. Vielmehr habe der Angeklagte die Taten zumindest teilweise von langer Hand geplant und sich stets solange beherrschen können, bis er die von ihm gewünschte Tatsituation herbeigeführt habe. Er sei auch in der Lage gewesen, die Taten bei Stopp-Signalen der Kinder zu beenden. Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kinderarzt Missbrauchstaten begangen oder sich auch nur distanzloses Verhalten erlaubt habe (UA S. 40 f.).

33
c) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
aa) Indem das Landgericht – insoweit beiden Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen, musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist , die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen, wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16 mwN). Wird aber eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens nahe (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 16. Mai 1991 – 4 StR 204/91, BGHR StGB Seelische Abartigkeit 20 und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 31).
35
bb) Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die pädophile Störung des Angeklagten schwer genug sein müssen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, nur geringe Aussagekraft zu. Die Erwägung, der Angeklagte sei stets in der Lage gewesen, sich so lange zu beherrschen, bis die gewünschte Tatsituation eingetreten sei, steht zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis mit anderen Urteilsfeststellungen. So hat das Landgericht die Annahme, der Angeklagte habe einen Hang zu er- heblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch damit begründet , dass er bei einigen der Taten ein hohes Entdeckungsrisiko in Kauf genommen habe (UA S. 56), was – jedenfalls ohne weitere Erörterungen – darauf schließen lässt, dass die gewünschten Tatsituationen nicht mehr uneingeschränkt abgewartet werden konnten (UA S. 40). Zudem sind die Ausführungen des Landgerichts zum Teil auch widersprüchlich. Während es einerseits davon ausgeht, der Angeklagte sei in der Lage gewesen, ein erfolgreiches Berufsleben zu führen und umfangreiche soziale Kontakte aufrechtzuerhalten (UA S. 40), nimmt es andererseits an, dass „die Häufung der Delikte in den Jahren 2013 und 2014 sowie seine zunehmende Beschäftigung mit kinderpornographi- schem Material gepaart mit dem Abbruch sozialer Kontakte“ zeigten, dass sich die Verhaltensmuster des Angeklagten immer weiter verfestigten (UA S. 60). Dies sei so weit gegangen, dass der Angeklagte sich selbst bei der Arbeit mit kinderpornographischem Material beschäftigt habe und auch sein gesamter sonstiger Alltag hiervon geprägt gewesen sei (UA S. 60). Schließlich habe der Angeklagte, dem es stets wichtig gewesen sei, dass sich seine Pädophilie nicht auf die Berufsausübung als Kinderarzt auswirkt, diese Trennung nicht mehr bewerkstelligen können (UA S. 61).
36
d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) anzunehmen oder jedenfalls nicht auszuschließen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall nicht nur die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit , sondern auch einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 10. September 2013 – 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vom 20. Mai 2010 – 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben.
37
Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt. Die Sache bedarf insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung. Demgegenüber lässt der Rechtsfehler den verbliebenen Schuldspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war.
38
2. Die Aufhebung im Strafausspruch zieht die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) nach sich.
39
3. Die Aufhebung des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung des Berufsverbots (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1993 – 5 StR 263/93, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 5). Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
40
a) Ein Missbrauch von Beruf oder Gewerbe im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter unter bewusster Missachtung der ihm gerade durch seinen Beruf oder sein Gewerbe gestellten Aufgaben seine Tätigkeit ausnutzt, um einen diesen Aufgaben zuwiderlaufenden Zweck zu verfolgen. Dazu genügt ein bloß äußerer Zusammenhang in dem Sinne, dass der Beruf dem Täter lediglich die Möglichkeit gibt, Straftaten zu begehen, nicht. Die strafbare Handlung muss vielmehr Ausfluss der jeweiligen Berufs- oder Gewerbetätigkeit sein und einen berufstypischen Zusammenhang erkennen lassen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144 und vom 6. Juni 2003 – 3 StR 188/03, wistra 2003, 423 mwN); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (BGH, Urteil vom 9. März 2011 – 2 StR 609/10, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Pflichtverletzung 8). Einen solchen Zusammenhang hat das Landgericht bislang nicht festgestellt. Nach den Urteilsfeststellungen beging der Angeklagte die Straftaten nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt.
41
b) Eine Verletzung der mit dem Beruf oder Gewerbe verbundenen Pflichten im Sinne des § 70 StGB liegt nur dann vor, wenn der Täter bei Tatbegehung gegen eine der speziellen Pflichten, die ihm bei der Ausübung seines Berufs oder Gewerbes auferlegt sind, verstößt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 182/07, StV 2008, 80 sowie Hanack in LK-StGB, 12. Aufl., § 70 Rn. 23). Auch dafür bedarf es eines berufstypischen Zusammenhangs der Tat zu der beruflichen Tätigkeit, der beim Angeklagten bislang nicht festgestellt wurde. Hierfür genügt es nicht, dass der Angeklagte bei einigen der Taten zur Betäubung der Opfer Medikamente eingesetzt hat, auf die er möglicherweise als Arzt Zugriff hatte (vgl. BGH aaO für die Berufspflichten eines Krankenpflegers ). Insoweit besteht lediglich ein äußerer Bezug zur Tätigkeit des Angeklagten als Arzt. Auch ließe sich durch ein Berufsverbot die Ausnutzung der medizinischen Kenntnisse des Angeklagten zu Straftaten außerhalb seines beruflichen Umfelds nicht verhindern. Raum Graf Jäger Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 526/15
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. März 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 1. Juni 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sichverschaffens von kinderpornographischen Schriften in Tateinheit mit Besitzverschaffen von jugendpornographischen Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von jugendpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zudem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.
2
Sein auf Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts nutzte der Angeklagte spätestens seit Juni 2012 unter verschiedenen Benutzernamen das filesharingNetzwerk Gigatribe. Dies ermöglicht u.a. den Austausch von Dateien zwischen den Nutzern des Netzwerks im Wege einer peer-to-peer-Verbindung. Kenntnisnahme der ausgetauschten Dateien sowie das Mitlesen der Inhalte des über das Netzwerk ebenfalls möglichen Chatverkehrs sind für Außenstehende nicht möglich. Die für die Nutzung des Netzwerks erforderliche Software hatte der Angeklagte auf einem von ihm genutzten Laptop installiert.
4
Der Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde:
5
1. Am Nachmittag des Tattages stellte der Angeklagte unter einem seiner Benutzernamen des Netzwerks Gigatribe über dieses einem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten eine im Urteil näher bezeichnete Videodatei zum Download zur Verfügung. Die Datei hat Oralverkehr zwischen 14 bis 16Jahre alten, unbekleideten Jugendlichen zum Inhalt. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, den Polizeibeamten zur Freigabe kinder- und jugendpornographischer Dateien über das Netzwerk zu bewegen. Der Polizeibeamte begann kurze Zeit später mit dem Download.
6
Im Gegenzug fing der Angeklagte damit an, eine von dem nicht offen ermittelnden Polizeibeamten zum Download bereit gestellte, mit typisch kinder- pornographischen Begrifflichkeiten (etwa „…Kinderficker Rape Little Girls for Daddy …“) versehene Dummydatei herunter zu laden. Nach rund 20 Minuten beendete der Angeklagte die peer-to-peer-Verbindung, weil ihm die Ladevorgänge zu lange dauerten (II.2. Fall 1 der Urteilsgründe).
7
2. Am Tattag der zweiten Tat befanden sich auf dem in seiner Wohnung befindlichen, von ihm genutzten Laptop sowie auf einem USB-Stick insgesamt 727 Bilddateien mit kinderpornographischen Inhalten, 198 jugendpornographische Bilddateien sowie 78 kinderpornographische und 18 jugendpornographische Videodateien. Die Inhalte der fraglichen, dem Angeklagten bekannten Dateien hat das Landgericht näher festgestellt (II.2. Fall 2 der Urteilsgründe).
8
3. Sachverständig beraten hat das Landgericht bei beiden Taten eine aus einer Pädophilie herrührende erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten angenommen.

II.

9
1. Der Schuldspruch wird von den auf einer insoweit rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen getragen.
10
Eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit und erst recht eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit kommen von vornherein nach den zur Person des Angeklagten und seinen sexuellen Präferenzen getroffenen Feststellungen nicht in Betracht.
11
2. Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
Die insbesondere auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gestützte Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Taten sicher jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) gehandelt, findet in den erhobenen Beweisen keine ausreichende Grundlage. Angesichts dessen bedarf es keiner Entscheidung, ob die Annahme sicher verminderter Schuldfähigkeit schon deshalb rechtsfehlerhaft wäre, weil das Landgericht die bei dem Angeklagten vorliegende Pädophilie an einer Stelle des Urteils dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuordnet (UA S. 20), an anderer Stelle – was allein in Betracht käme – dagegen der schweren anderen seelischen Abartigkeit (UA S. 23).
13
a) Ein abweichendes Sexualverhalten, wie es für den Angeklagten in Form einer Pädophilie festgestellt worden ist, kann nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 und vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304 f.; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688 f.; BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 9). Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen , Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (BGH jeweils aaO).
14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).
15
b) Diesen Anforderungen an die auf eine entsprechende Beweiswürdigung gestützte Feststellung der schweren anderen seelischen Abartigkeit und der dadurch bedingten erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit genügt das angefochtene Urteil nicht.
16
Nach den dort wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen habe der Angeklagte seine sexuelle Präferenz durch den Konsum von kinderpornographischen Bildern und Videos befriedigt und „hierbei deutlich suchtartiges Verhalten gezeigt“ (UA S. 19).Das Suchtartige des Verhaltens stützt der Sachverständige ausweislich der Urteilsgründe darauf, dass der Angeklagte in „zunehmenden Maße“ bis zu vierStunden täglich kinderpornographische Medien konsumiert und „zuletzt sein (nahezu) komplettes Freizeitverhalten auf den Konsum kinderpornographischer Medien ausgerichtet“ hat (UA S. 19 und UA S. 23). Anhaltspunkte für den suchtartigen Charakter des Konsums sieht das dem Sachverständigen folgende Landgericht zudem darin, dass auch eine einschlägige Bewährungsstrafe und eine parallel durchgeführte Therapie den Angeklagten nicht von weiterem Konsum hätten abhalten kön- nen. Es zeigten sich bei ihm „eine progrediente Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse, die zunehmend das Erleben beherrschen“ und den Angeklagten zur Umsetzung auf der Verhaltensebene (dem Konsum) drängen würden. Die Pädophilie habe an seiner Sexualstruktur einen sehr hohen Anteil, die paraphilen Verhaltensweisen seien in das Persönlichkeitsgefüge integriert; trotz der genannten Bewährungsstrafe und der Therapie sei er nicht zur Kontrolle seiner paraphilen Impulse in der Lage gewesen (UA S. 19 und

23).

17
Die vorstehend genannten Umstände können zwar grundsätzlich eine aus der Pädophilie abgeleitete schwere andere seelische Abartigkeit und daraus resultierend eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit begründen. Allerdings enthält das angefochtene Urteil selbst in seinem Gesamtzusammenhang beweiswürdigend keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen , aus denen die vom Tatgericht geteilte Einschätzung des Sachverständigen des suchtartigen Verhaltens des Angeklagten, des progredienten Verlaufs seiner sexuellen Ausrichtung und der fehlenden Kontrolle der paraphilen Impulse abgleitet werden können.
18
Worauf die Annahme eines nahezu ausschließlich auf das den Konsum kinder- bzw. jugendpornographischer Medien ausgerichteten Freizeitverhaltens beruht, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Die familiäre Situation wird über den Umstand einer derzeitigen Trennung und der noch offenen Frage einer Fortführung der Ehe in Bezug auf die Tatzeiträume nicht näher dargestellt. Den auszugsweisen Wiedergaben des vom Angeklagten geführten Chat-Verkehrs lässt sich entnehmen, dass er eine solche in den späten Abendstunden geführte Kommunikation mit dem Hinweis darauf abbrach, er müsse jetzt ins Bett, weil seine „bessere Hälfte“ misstrauisch werde (UA S. 12). Derartige Verhaltenswei- sen können jedenfalls ein suchtartiges Konsumverhalten und einen Verlust der Fähigkeit, sexuelle Impulse zu kontrollieren, nicht tatsachengestützt unterlegen. Nähere Darlegungen über die konkrete Zeitgestaltung des Angeklagten außerhalb seiner in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit fehlen. Anknüpfungstatsachen für einen progredienten Verlauf des Konsums kinder- und jugendpornographischer Medien enthält das Urteil ebenfalls nicht in einer die erforderlichen Feststellungen belegenden Weise. Auch aus dem Gesamtzusammenhang lassen sich solche nicht entnehmen. Die Wiedergabe der vom Amtsgericht im früheren, gegen den Angeklagten u.a. wegen Sichverschaffens und Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften ergangenen Urteil getroffenen Feststellungen vermag das suchtartige Verhalten nicht zu tragen. Die dort ermittelten zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Downloads (UA S. 4 und 5) ließen rechtfehlerfrei einen solchen Schluss im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu. Mangels näherer Ausführungen im hier angefochtenen Urteil finden sich auch keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, die als Grundlage für die Feststellung einer „progredienten Zunahme und Überflutung durch dranghafte pädophile Impulse“ herangezogen werden könnten.
19
Die vom Landgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigten Umstände, dass der Angeklagte trotz seiner einschlägigen Vorstrafe mit bewährungsweiser Aussetzung der Vollstreckung und laufender Therapie nicht in der Lage gewesen ist, seine paraphilen Impulse zu kontrollieren, allein können die Anforderungen des auf einer Pädophilie beruhenden Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit angesichts der erforderlichen Voraussetzungen (Rn. 13 und 14) nicht tragen.
20
c) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) war daher bereits wegen der beweiswürdigend nicht belegten Annahme sicher erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) aufzuheben. Auf die allein die Voraussetzungen des § 63 StGB betreffenden Verfahrensbeanstandungen, die im Übrigen nicht in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise erhoben sind, kommt es wegen des Erfolgs der Sachrüge nicht mehr an.
21
d) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und den Maßregelausspruch entfallen lassen.
22
Nach den bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus durchaus in Betracht, sollte sich auf der Grundlage einer umfassenden Beweiswürdigung eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten feststellen lassen. Die weiteren Anforderungen der Unterbringung sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Wie das Landgericht – im rechtlichen Ansatz zutreffend – zugrunde gelegt hat, kommt es für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen von § 63 StGB darauf an, dass die zukünftig zu erwartenden Straftaten eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen. Die den Anlass der Unterbringung bildenden verfahrensgegenständlichen Taten müssen dabei selbst nicht erheblich sein (BGH, Beschlüsse vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. und vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Allerdings müssen nach geltendem Recht die zukünftig zu erwartenden Straftaten, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (st. Rspr.; siehe BGH jeweils aaO mwN). Das ist bei Taten wie dem Besitz und dem Verbreiten von Kinderpornographie der Fall (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340; BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475). Für die vom Landgericht ebenfalls als zukünftig drohend prognosti- zierten „hands-on-Delikte“ (also zumindest§ 176 StGB) zu Lasten von Kindern gilt das erst recht.
23
3. Der auf die Annahme sicher erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bezogene Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlicher die Voraussetzungen der Maßregel des § 63 StGB insgesamt betreffenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). So werden dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen hinsichtlich aller für die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlichen Umstände ermöglicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475 f. und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76, 77).
24
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll der Rechtsfehler bei der Beurteilung der (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit trotz deren Doppelrelevanz für den Strafausspruch und den Maßregelausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15, StraFo 2015, 473, 475) nicht nur den Schuldspruch, sondern auch den Strafausspruch unberührt lassen, wenn – wie hier (Rn. 10) – eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit von vornherein ausscheidet (BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337, 338; vom 6. Juli 2010 – 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305 und vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 13; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. April 2006 – 4 StR 60/06, StraFo 2006, 295, 296).
25
b) Ob dem angesichts der Doppelrelevanz der die Voraussetzungen des § 21 StGB betreffenden Feststellungen und der hier vom Tatrichter hergestellten Verknüpfung zwischen der Strafhöhe und der Anordnung der Maßregel (UA S. 21) selbst bei einer allein vom Angeklagten eingelegten Revision uneingeschränkt zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch bei Aufhebung des Strafausspruchs wegen der rechtsfehlerhaften, aber insoweit ausschließlich zugunsten des Angeklagten wirkenden Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit stünde das Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer höheren Gesamtstrafe selbst bei Wegfall der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB entgegen. § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst lediglich die Auswechselung einer isoliert – im Fall der Schuldunfähigkeit – verhängten Maßregel gemäß § 63 oder § 64 StGB gegen eine Verurteilung zur Strafe, wenn sich im neuen Verfahren die schuldhafte Begehung der Tat ergibt.
26
4. Der Strafausspruch enthält keinerlei zu Lasten des Angeklagten wirkende Rechtsfehler.
27
a) Die Annahme des § 21 StGB und die deshalb erfolgte Strafrahmenverschiebung beschwert den Angeklagten hinsichtlich der Strafzumessung nicht.
28
Da das Landgericht bei der Bemessung der Strafen innerhalb des jeweils ohnehin gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens die parallele Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus zu dessen Gunsten berücksichtigt hat (UA S. 21), schließt der Senat aus, dass der Tatrichter ohne die rechtsfehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu niedrigeren Strafen gelangt wäre. Allerdings war eine solche mildernde Berücksichtigung der neben Freiheitsstrafe(n) angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtlich nicht geboten (anders offenbar Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 71). Die Anordnungsvoraussetzungen der vom Maß der Einzeltatschuld abhängigen Strafe (§ 46 Abs. 1 StGB) und der stationären Maßregel unterscheiden sich kategorial. Die Vollstreckung der Strafe dient zudem dem Schuldausgleich, der Vollzug der Maßregel dagegen allein der Abwehr zukünftiger Gefährlichkeit des Täters. Wechselwirkungen zwischen beiden betreffen lediglich die Ebene der Vollstreckung (etwa § 67 Abs. 1 und Abs. 4 StGB).
29
b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vor allem auf den Bewährungsbruch aus einer einschlägigen vorangegangenen Verurteilung und die bewusst unwahren Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Therapeuten gestützte negative Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) hält sich nicht nur innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten weiten Wertungsspielraums (siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Mai 2015 – 4 StR 89/15, StV 2015, 564), sondern liegt angesichts der insoweit rechtsfeh- lerfrei getroffenen Feststellungen besonders nahe.

III.

30
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Sollte der neue Tatrichter die Voraussetzungen einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Taten wiederum feststellen können, wird er im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose in den Blick nehmen, dass es – wie im angefochtenen Urteil insoweit im rechtlichen Ausgangspunkt zutref- fend erfolgt – auf eine individuelle Prognose auf der Grundlage einer differenzierten Einzelfallanalyse ankommt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 StR 469/15 Rn. 2 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 407/15 Rn. 12 mwN). Dabei ist es bei entsprechenden Anknüpfungstatsachen möglich, individualprognostisch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Straftaten anzunehmen, die den Anlasstaten nicht entsprechen, sondern – wie Sexualdelikte zu Lasten von Kindern mit körperlichem Kontakt (hands-on-Delikte) – über diese im Unrechtsschweregrad hinausgehen. Graf Jäger Cirener Radtke Bär