Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2017 - 2 StR 410/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:171017B2STR410.17.0
bei uns veröffentlicht am17.10.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 410/17
vom
17. Oktober 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:171017B2STR410.17.0


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2017
beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 2. Juni 2017 wirksam zurückgenommen worden ist.
Die (erneut eingelegte) Revision des Beschuldigten gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat am 2. Juni 2017 die Unterbringung des Beschuldig1 ten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Angeklagten Revision ein.
2
Mit Schreiben vom 7. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am 10. Juli 2017, nahm der Beschuldigte die Revision zurück und erklärte, dass er das „Urteil vom 2. Juni 2017 (…) anerkenne“ und „explizit nicht in Revision gehen“ wolle.
3
Mit Schreiben vom 18. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am 21. Juli 2017, teilte der Beschuldigte mit, dass er den „Revisionsantrag“ nunmehr „doch aufrechterhalten möchte“ und fügte hinzu, dass er „zur Not“ erneut Revision einlege. Mit am 24. Juli 2017 beim Landgericht eingegangenem Schreiben vom 20. Juli 2017 teilte der Verteidiger mit, dass das Rechtsmittel nicht zurückgenommen werde. Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 begründete der Verteidiger die Revision fristgemäß.
1. Bei dieser Sachlage ist eine feststellende Klärung der Wirksamkeit der
4
Revisionsrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2005 – 2 StR 522/05, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 4 StR 491/15, NStZ-RR 2016, 180, 181). Der Beschuldigte hat mit seinem Schreiben vom 7. Juli 2017 die zuvor eingelegte Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Die Rücknahmeerklärung des Beschuldigten wahrt die hierfür erforder5 liche Form (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 302 Rn. 7 mwN). Der Inhalt der Erklärung ist zweifelsfrei auf die Beendigung des Revisionsverfahrens und den Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils gerichtet.

b) Der Beschuldigte war bei der Abgabe seiner Rücknahmeerklärung
6
verhandlungs- und damit prozessual handlungsfähig.
aa) Die prozessuale Handlungsfähigkeit setzt bei Abgabe einer Rechts7 mittelrücknahmeerklärung voraus, dass der Beschuldigte die Tragweite seiner Erklärung erkennt. Der Beschuldigte muss sich in einem Zustand geistiger Freiheit und Klarheit befinden, in dem er seine Interessen vernünftig abwägen
und wahrnehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 4 StR 491/15, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 302 Rn. 8a). Eine etwaige Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit des Beschuldigten schließt seine prozessuale Handlungsfähigkeit nicht zwingend aus. Die Annahme einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung kommt erst in Betracht, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er bei Abgabe der Erklärung nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der Rechtsmittelrücknahme zu erfassen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; MeyerGoßner /Schmitt, aaO, § 302 Rn. 8a). Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit gehen hierbei zu Lasten des Beschuldigten (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, aaO; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07).
bb) Gemessen hieran hat der Senat keine Zweifel an der Verhandlungs8 und prozessualen Handlungsfähigkeit des Beschuldigten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
Das handschriftlich gefertigte Schreiben vom 7. Juli 2017 enthält keine
9
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte Inhalt und Bedeutung der Rücknahmeerklärung vor dem Hintergrund der prozessualen Lage verkannt haben könnte. Unter Bezugnahme auf die durch seinen Verteidiger eingelegte Revision ist die Erklärung inhaltlich und sprachlich präzise gefasst, wobei der Beschuldigte das zutreffende Aktenzeichen wiedergibt. Durch die Formulierung bringt der Beschuldigte seinen Willen zum Ausdruck, das Revisionsverfahren zu beenden und die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils herbeizuführen.
10
Das sachverständig beratene Landgericht hat zwar festgestellt, dass der Beschuldigte an einer psychischen Erkrankung in Form einer bipolaren affektiven Störung leidet, die mit wahnhaftem Erleben einhergeht, das die Bereiche Sexualität und Gewalt umfasst; der Beschuldigte litt unter Vergewaltigungsfantasien , die zum Tatzeitpunkt zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt haben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschuldigte bei Abgabe der Rechtsmittelrücknahmeerklärung – wie vom Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 behauptet – in einem wahnhaften Zustand befunden habe und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite seiner Prozesserklärung zu erkennen, bestehen hingegen nicht.
2. Die wirksame Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht
11
unwiderruflich und unanfechtbar geworden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Dezember 1994 – 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356, 357; vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, aaO).
3. Die von dem Beschuldigten (hilfsweise) erneut eingelegte Revision ist
12
unzulässig, da eine wirksame Rücknahmeerklärung regelmäßig den Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels enthält (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, aaO mwN; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16).
Krehl Eschelbach Zeng Bartel Grube

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Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


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(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 491/15
vom
15. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs des Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:151215B4STR491.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. Dezember 2015
beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 6. Juli 2015 wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Diebstahls mit Waffen u.a. freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Hiergegen hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten rechtzeitig Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 17. August 2015, das am 24. August 2015 beim Landgericht eingegangen ist, teilte der Angeklagte jedoch mit, dass er „die Re- vision ... mit sofortiger Wirkung“ zurückziehe. Nach einem weiteren,an seinen Verteidiger gerichteten Schreiben des Angeklagten vom 30. August 2015, in dem er mitteilte, doch bei der Revision bleiben zu wollen, beantragte der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 9. September 2015 eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung und begründete das Rechtsmittel noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist mit der allgemeinen Sachrüge.
3
1. Der Angeklagte hat die Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).
4
a) Dabei ist ohne Bedeutung, dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt wurde, die Rücknahme indes der Angeklagte selbst erklärt hat (vgl. § 297 StPO; BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07; vom 20. Mai 2014 – 5 StR 531/13 jeweils mwN). Die Rücknahmeerklärung wahrt auch die hierfür erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl., § 302 Rn. 7 mwN). Sie ist inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei auf eine Beendigung des Revisionsverfahrens und damit den Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils gerichtet.
5
b) Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bei Abgabe der Rücknahmeerklärung verhandlungs- und damit prozessual handlungsfähig war.
6
aa) Ein Angeklagter muss bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, Einl. Rn. 97, § 302 Rn. 8a). Dies wird – wie etwa § 415 Abs. 1 und 3 StPO für das Sicherungsverfahren gegen einen Schuldunfähigen belegt – allein durch eine Geschäfts - oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht notwendig ausgeschlossen (Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 8a mwN). Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung – wie ausgeführt – erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07). Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten (BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07 mwN).
7
bb) Hiervon ausgehend hat der Senat keine Zweifel an der Verhandlungs - und prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
8
Schon das Schreiben vom 17. August 2015 gibt keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte Inhalt und Bedeutung der von ihm selbst handschriftlich verfassten Rücknahmeerklärung verkannt haben könnte. Sie ist sprachlich korrekt sowie inhaltlich eindeutig abgefasst und gibt die Daten des Urteils – einschließlich des vollständigen (auch staatsanwaltschaftlichen) Aktenzeichens – zutreffend wieder. Dementsprechend hatte ersichtlich selbst sein Verteidiger keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Erklärung. Denn er hat – Bezug nehmend auf die ihm vom Landgericht übersandte Rücknahmeerklärung – ein mit der Revisionseinlegung gestelltes, erkennbar auf die Fertigung der Revisionsbegründungsschrift abzielendes Akteneinsichtsersuchen zurückgenommen (Bd. 17 Bl. 108, 112 d.A.); in seinem Schriftsatz vom 9. September 2015 erklär- te er zudem, dass ihm sein Mandant mitgeteilt habe, die Revision „nunmehr doch“ durchführen zu wollen.
9
Auch die vom Verteidiger in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend gemachten – wie oben dargelegt indes nicht ausreichenden – „Zweifel“ an der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung aufgrund der „gesundheitlichen Defizite“ des Angeklagten, nämlich seiner „schizophrenen Erkrankung“, teilt der Senat nicht. Der Angeklagte hat – wie schon im landgerichtlichen Verfahren, in dem er sowohl die Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen (UA S. 10, 38) als auch eine Schweigepflichtentbindung für die ihn während der zunächst vollzogenen Untersuchungshaft betreuende Ärztin abgelehnt hat (UA S. 33) – auf die der freibeweislichen Klärung seines Zustandes bei Abgabe der Rücknahmeerklärung abzielende Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er nicht dazu bereit sei, das ihn im Landeskrankenhaus am 17. August 2015 behandelnde Personal (Ärzte u.a.) von der Schweigepflicht zu entbinden. Allein die im landgerichtlichen Verfahren festgestellte, zur Annahme von Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten führende Erkrankung des Angeklagten bietet indes keinen hinreichenden Anlass, an der Verhandlungs- und prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung zu zweifeln. Denn es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass er auch diese Erklärung während eines akuten Schubs seiner „paranoidhalluzinatorischen“ und „schizo- phrenen Grunderkrankung“ (UA S. 23, 37; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 5 StR 292/14 mwN) abgegeben hat.
10
Bei Abgabe der Erklärung befand sich der Angeklagte bereits seit 13. März 2015 ununterbrochen in einem Landeskrankenhaus für Psychiatrie (UA S. 10). Schon bei seiner polizeilichen Vernehmung Ende Januar 2015 war seine Vernehmungsfähigkeit und Glaubhaftigkeit nicht geschmälert (UA S. 29). Auch während der (zeitweise) in Anwesenheit des psychiatrischen Sachverständigen durchgeführten Hauptverhandlung bestanden ersichtlich keine Bedenken hinsichtlich seiner Verhandlungsfähigkeit (vgl. dazu auch den Vermerk des Vorsitzenden der Strafkammer vom 22. September 2015, Bd. 17 Bl. 142 d.A. sowie Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 8a am Ende mwN). Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der Hauptverhandlung infolge fehlender medikamentöser Behandlung und „Auslösungsfaktoren wie zum Beispiel Stress oder auch Kon- sum von Alkohol und Drogen“ (UA S. 44; vgl. dazu auch UA S. 40, 45) erneut ein Krankheitsschub entwickelt und im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung bestanden hat, liegen nicht vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte, der geltend macht, bevorstehende Krankheitsschübe zu erkennen (vgl. UA S. 28, 39), sich selbst in seinem Schreiben vom 30. August 2015 nur darauf beruft, „in letzter Zeit etwas durcheinander gewesen“ zu sein. Deshalb kommt es, zumal die Verhandlungs- und prozessuale Handlungsfähigkeit des Angeklagten – wie ausgeführt – ohnehin allein durch eine Geschäfts - oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht ausgeschlossen wird, auch nicht darauf an, dass der Verteidiger des Angeklagten mit dem weiteren Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 einen Auszug aus einem Gutachten vorgelegt hat, in dem die Frage, ob der Patient in seiner Geschäftsfähigkeit „beein- trächtigt“ sei, (ohne nähere Erläuterung) bejaht wird.
11
2. Eine Anfechtung der Rücknahme wegen Motivirrtums ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen; die Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; vom 29. Juli 2014 – 5 StR 314/14; vom 8. Oktober 2015 – 2 StR 103/15 jeweils mwN).
12
3. Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen hat, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss fest (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 11a mwN).
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Sie wurde bereits vom Landgericht getroffen (Bd. 17 Bl. 113 d.A.).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 491/15
vom
15. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs des Diebstahls mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:151215B4STR491.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. Dezember 2015
beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 6. Juli 2015 wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Diebstahls mit Waffen u.a. freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Hiergegen hat der Pflichtverteidiger des Angeklagten rechtzeitig Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 17. August 2015, das am 24. August 2015 beim Landgericht eingegangen ist, teilte der Angeklagte jedoch mit, dass er „die Re- vision ... mit sofortiger Wirkung“ zurückziehe. Nach einem weiteren,an seinen Verteidiger gerichteten Schreiben des Angeklagten vom 30. August 2015, in dem er mitteilte, doch bei der Revision bleiben zu wollen, beantragte der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 9. September 2015 eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung und begründete das Rechtsmittel noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist mit der allgemeinen Sachrüge.
3
1. Der Angeklagte hat die Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).
4
a) Dabei ist ohne Bedeutung, dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt wurde, die Rücknahme indes der Angeklagte selbst erklärt hat (vgl. § 297 StPO; BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07; vom 20. Mai 2014 – 5 StR 531/13 jeweils mwN). Die Rücknahmeerklärung wahrt auch die hierfür erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl., § 302 Rn. 7 mwN). Sie ist inhaltlich eindeutig und zweifelsfrei auf eine Beendigung des Revisionsverfahrens und damit den Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils gerichtet.
5
b) Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bei Abgabe der Rücknahmeerklärung verhandlungs- und damit prozessual handlungsfähig war.
6
aa) Ein Angeklagter muss bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen (vgl. Meyer-Goßner, aaO, Einl. Rn. 97, § 302 Rn. 8a). Dies wird – wie etwa § 415 Abs. 1 und 3 StPO für das Sicherungsverfahren gegen einen Schuldunfähigen belegt – allein durch eine Geschäfts - oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht notwendig ausgeschlossen (Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 8a mwN). Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung – wie ausgeführt – erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07). Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten (BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 368/07 mwN).
7
bb) Hiervon ausgehend hat der Senat keine Zweifel an der Verhandlungs - und prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
8
Schon das Schreiben vom 17. August 2015 gibt keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte Inhalt und Bedeutung der von ihm selbst handschriftlich verfassten Rücknahmeerklärung verkannt haben könnte. Sie ist sprachlich korrekt sowie inhaltlich eindeutig abgefasst und gibt die Daten des Urteils – einschließlich des vollständigen (auch staatsanwaltschaftlichen) Aktenzeichens – zutreffend wieder. Dementsprechend hatte ersichtlich selbst sein Verteidiger keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Erklärung. Denn er hat – Bezug nehmend auf die ihm vom Landgericht übersandte Rücknahmeerklärung – ein mit der Revisionseinlegung gestelltes, erkennbar auf die Fertigung der Revisionsbegründungsschrift abzielendes Akteneinsichtsersuchen zurückgenommen (Bd. 17 Bl. 108, 112 d.A.); in seinem Schriftsatz vom 9. September 2015 erklär- te er zudem, dass ihm sein Mandant mitgeteilt habe, die Revision „nunmehr doch“ durchführen zu wollen.
9
Auch die vom Verteidiger in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend gemachten – wie oben dargelegt indes nicht ausreichenden – „Zweifel“ an der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung aufgrund der „gesundheitlichen Defizite“ des Angeklagten, nämlich seiner „schizophrenen Erkrankung“, teilt der Senat nicht. Der Angeklagte hat – wie schon im landgerichtlichen Verfahren, in dem er sowohl die Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen (UA S. 10, 38) als auch eine Schweigepflichtentbindung für die ihn während der zunächst vollzogenen Untersuchungshaft betreuende Ärztin abgelehnt hat (UA S. 33) – auf die der freibeweislichen Klärung seines Zustandes bei Abgabe der Rücknahmeerklärung abzielende Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er nicht dazu bereit sei, das ihn im Landeskrankenhaus am 17. August 2015 behandelnde Personal (Ärzte u.a.) von der Schweigepflicht zu entbinden. Allein die im landgerichtlichen Verfahren festgestellte, zur Annahme von Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten führende Erkrankung des Angeklagten bietet indes keinen hinreichenden Anlass, an der Verhandlungs- und prozessualen Handlungsfähigkeit des Angeklagten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung zu zweifeln. Denn es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass er auch diese Erklärung während eines akuten Schubs seiner „paranoidhalluzinatorischen“ und „schizo- phrenen Grunderkrankung“ (UA S. 23, 37; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 5 StR 292/14 mwN) abgegeben hat.
10
Bei Abgabe der Erklärung befand sich der Angeklagte bereits seit 13. März 2015 ununterbrochen in einem Landeskrankenhaus für Psychiatrie (UA S. 10). Schon bei seiner polizeilichen Vernehmung Ende Januar 2015 war seine Vernehmungsfähigkeit und Glaubhaftigkeit nicht geschmälert (UA S. 29). Auch während der (zeitweise) in Anwesenheit des psychiatrischen Sachverständigen durchgeführten Hauptverhandlung bestanden ersichtlich keine Bedenken hinsichtlich seiner Verhandlungsfähigkeit (vgl. dazu auch den Vermerk des Vorsitzenden der Strafkammer vom 22. September 2015, Bd. 17 Bl. 142 d.A. sowie Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 8a am Ende mwN). Anhaltspunkte dafür, dass sich nach der Hauptverhandlung infolge fehlender medikamentöser Behandlung und „Auslösungsfaktoren wie zum Beispiel Stress oder auch Kon- sum von Alkohol und Drogen“ (UA S. 44; vgl. dazu auch UA S. 40, 45) erneut ein Krankheitsschub entwickelt und im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung bestanden hat, liegen nicht vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte, der geltend macht, bevorstehende Krankheitsschübe zu erkennen (vgl. UA S. 28, 39), sich selbst in seinem Schreiben vom 30. August 2015 nur darauf beruft, „in letzter Zeit etwas durcheinander gewesen“ zu sein. Deshalb kommt es, zumal die Verhandlungs- und prozessuale Handlungsfähigkeit des Angeklagten – wie ausgeführt – ohnehin allein durch eine Geschäfts - oder Schuldunfähigkeit des Angeklagten nicht ausgeschlossen wird, auch nicht darauf an, dass der Verteidiger des Angeklagten mit dem weiteren Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 einen Auszug aus einem Gutachten vorgelegt hat, in dem die Frage, ob der Patient in seiner Geschäftsfähigkeit „beein- trächtigt“ sei, (ohne nähere Erläuterung) bejaht wird.
11
2. Eine Anfechtung der Rücknahme wegen Motivirrtums ist aus Rechtsgründen ausgeschlossen; die Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; vom 29. Juli 2014 – 5 StR 314/14; vom 8. Oktober 2015 – 2 StR 103/15 jeweils mwN).
12
3. Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen hat, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss fest (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 302 Rn. 11a mwN).
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Sie wurde bereits vom Landgericht getroffen (Bd. 17 Bl. 113 d.A.).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 368/07
vom
11. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Oktober 2007 beschlossen
:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Juni 2007 wirksam zurückgenommen
ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den unter Betreuung stehenden, derzeit im Landeskrankenhaus W. einstweilen untergebrachten Angeklagten mit Urteil vom 7. Juni 2007 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Sein Verteidiger hat hiergegen mit Schriftsatz vom 8. Juni 2007 Revision eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat der Angeklagte mit Schreiben vom 12. Juni 2007 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. Juni 2007 zurückgenommen und zugleich beantragt, das Landeskrankenhaus umgehend von der Rechtskraft des Urteils vom 7. Juni 2007 in Kenntnis zu setzen, damit "die Maßnahmen der U-Haftbedingungen (§ 126a StPO) aufgehoben werden" könnten.
2
Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2007 hat sein Verteidiger namens und im Auftrage des Angeklagten dessen Revisionsrücknahme vom 12. Juni 2007 an- gefochten. Es solle bei der eingelegten Revision und bei der Durchführung dieses Verfahrens bleiben. Der Angeklagte verstehe nicht, warum er die Revisionsrücknahmeerklärung vom 12. Juni 2007, die nicht von ihm selbst angefertigt worden sei, unterzeichnet habe. Diesem Schriftsatz des Verteidigers vom 22. Juni 2007 war eine eidesstattliche Versicherung des Bruders des Angeklagten beigefügt, nach deren Inhalt ihm der Angeklagte folgendes mitgeteilt habe: Das Schreiben vom 12. Juni 2007 habe er nicht selbst verfasst. Er sei in der Haft von einem Dritten, wohl einem inhaftierten Anwalt, angesprochen worden und habe gutgläubig das entsprechende Schreiben unterschrieben, ohne jedoch von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen. Die Revision solle durchgeführt werden.
3
Auf Rückfrage des Vorsitzenden der Strafkammer bei der den Angeklagten im Landeskrankenhaus behandelnden Stationsärztin, wie es zu der Rücknahme der Revision mit Schreiben vom 12. Juni 2007 gekommen sei, hat diese mitgeteilt, der Angeklagte habe ihr folgenden Sachverhalt berichtet: Er sei von seiner Ehefrau davon unterrichtet worden, dass seine Brüder durch die Weiterführung der Strafsache mit der eingelegten Revision finanziell sehr belastet seien. Er sei nicht nur dadurch gekränkt gewesen, sondern auch deshalb, weil seine Brüder ihm dies nicht persönlich gesagt hätten. Aus diesem Grund habe er die Rücknahmeerklärung aufsetzen lassen und unterschrieben.

II.


4
Der Angeklagte hat die Revision mit seinem Schreiben vom 12. Juni 2007 wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Da er und sein Verteidiger dies bestreiten, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss förmlich fest (s. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 302 Rdn. 11 a m. w. N.). Für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ist es ohne Belang, dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, da der Wille des Angeklagten vorgeht (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7 m. w. N.). Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten vom 12. Juni 2007 wahrt auch die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 7 m. w. N.), sie ist eindeutig und zweifelsfrei.
5
Auch die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten unterliegt keinen Zweifeln , so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung bestehen. Dies stellt der Senat im Wege des Freibeweises auf Grundlage des Akteninhalts fest (vgl. BGH NStZ 1983, 280; NStZ-RR 2007, 210 f.).
6
Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten zwar eine Persönlichkeitsstörung festgestellt und die Voraussetzungen des § 21 StGB für gegeben erachtet, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert gewesen sei. Für die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung ist die Verminderung der Steuerungsfähigkeit jedoch ohne Bedeutung. Eine Beeinträchtigung der Geschäfts- oder Schuldfähigkeit eines Erklärenden hat nicht zwangsläufig dessen prozessuale Handlungsunfähigkeit zur Folge (BGH, Beschl. vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04; Meyer-Goßner aaO Rdn. 8 a m. w. N.). Hiervon ist erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Beteiligter nicht in der Lage ist, die Bedeutung von ihm abgegebener Erklärungen zu erkennen, wobei Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit zu seinen Lasten gehen (vgl. BGH NStZ 1984, 181 und 329).
7
Hier ergibt sich weder aus dem Vorbringen des Bruders des Angeklagten , dieser habe gutgläubig und irrtümlich die "wohl von einem inhaftierten Anwalt" aufgesetzte Revisionsrücknahme unterzeichnet, noch aus der Erklärung des Angeklagten gegenüber der Stationsärztin, er habe die Rücknahmeerklärung aus Ärger über seine Brüder aufsetzen lassen und unterschrieben, dass er in seiner Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung (vgl. MeyerGoßner aaO Rdn. 8 a i. V. m. Einl. Rdn. 97) beeinträchtigt war oder es ihm sonst an der prozessualen Handlungsfähigkeit gefehlt haben könnte. Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte Inhalt und Reichweite seiner Rücknahmeerklärung verkannt hat. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Fassung seines Schreibens vom 12. Juni 2007, insbesondere seinem ausdrücklichen Antrag, das Landeskrankenhaus umgehend von der Rechtskraft des Urteils in Kenntnis zu setzen, dass er die Bedeutung der Rechtsmittelrücknahme kannte.
8
Nach alledem hat der Senat keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme. Diese ist unwiderruflich und unanfechtbar (BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2; NStZ-RR 2007, 210 f.).
9
Nach wirksamer Rücknahme der Revision hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 558/16
vom
6. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:061216B4STR558.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2016 beschlossen :
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19. September 2016 wirksam zurückgenommen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf einen Kraftfahrer und gefährlicher Körperverletzung sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Pflichtverteidiger form- und fristgerecht Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, hat der Verteidiger erklärt, er nehme die Revision „namens und im Auftrag des Angeklagten“ zurück. In einem selbst verfassten, undatierten Schreiben, das am 14. Oktober 2016 beim Landgericht eingegangen ist, hat der Angeklagte unter Bezugnahme auf das Schreiben seines Verteidigers vom 7. Oktober 2016 vorgetragen , er nehme die Revision nicht zurück, habe seinen Verteidiger mit der Revisionsrücknahme auch nicht beauftragt oder einer solchen Rücknahme zugestimmt.
2
Auf Anfrage des Landgerichts hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 anwaltlich versichert, er sei mit dem Angeklagten im Rahmen einer Besprechung am 28. September 2016 mündlich übereingekommen, die Revision zurückzunehmen. Der Angeklagte habe ihn hierbei gebeten, mit der Rücknahme noch mindestens eine Woche zu warten. Daraufhin habe er mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 die Revisionsrücknahme erklärt.
3
Mit Schriftsatz vom 24. November 2016 hat der Verteidiger das Rechtsmittel vorsorglich begründet.

II.


4
Die am 26. September 2016 eingelegte Revision ist wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 StPO).
5
1. Der Verteidiger war zur Rechtsmittelrücknahme ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung lag die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben; sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, NStZ-RR 2016, 24 f.; Beschluss vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, NStZ-RR 2005, 583; SSWStPO /Hoch, 2. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme als Ergebnis einer Besprechung mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt am 28. September 2016 zustande kam und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln, die vor dem Hintergrund des Verfahrensgangs ein schlüssiges Bild ergeben.
6
2. Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2005 – 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211). Das vom Angeklagten selbstverfasste, undatierte Schreiben ging dem Landgericht jedoch erst am 14. Oktober 2016 und damit nach Eingang der Rücknahmeerklärung zu.
7
3. An die danach wirksame Revisionsrücknahme ist der Angeklagte gebunden. Diese ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO). Durch sein beim Landgericht am 14. Oktober 2016 eingegangenes Schreiben konnte die Revisionsrücknahme daher nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden.
8
4. Ob dem vorerwähnten Schreiben des Angeklagten eine erneute Revisionseinlegung zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Da die Revisionsrücknahme einen Verzicht auf die Revisionseinlegung enthält, wäre eine danach erneut eingelegte Revision grundsätzlich unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 StR 112/15, aaO; vom 3. Mai 1957 – 5 StR 52/57, BGHSt 10, 245, 247; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 302 Rn. 12 mwN).

III.


9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1999 – 4 StR 549/99).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin