Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2016 - 2 StR 376/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte im Sommer 2015 für mazedonische Hintermänner, für die er bereits im Jahre 2009 tätig gewesen war, Heroin in Frankfurt am Main. Er brach diese Tätigkeit ab und kehrte nach Bulgarien zurück, nachdem ihn eine Nervenerkrankung des Kiefers befallen hatte. Dort erklärte er seinen Hinterleuten, dass er aussteigen wolle. Diese willigten jedoch nur unter der Bedingung ein, dass er eine „geordnete Übergabe“ der Wohnung und des Rauschgiftbunkers vornehmen werde. Dies sollte auch die Übergabe von weiterem, aus dem Ausland angeliefertem Heroin an den nächsten Läufer beinhalten. Der Angeklagte war damit zunächst nicht einverstanden, erklärte sich schließlich bereit, nachdem ihm gedroht worden war, dass seinen Kindern ansonsten etwas geschehen werde. Geld sollte er dafür nicht erhalten; seine Tätigkeit sollte durch den zuvor bereits gezahlten Lohn ausgeglichen sein.
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- So reiste er am 15. Oktober 2015 mit dem Bus nach Frankfurt. Am Hauptbahnhof angekommen traf er eine ihm bekannte, als Kurierin eingesetzte Frau, die ihm eine schwarze Winterjacke übergab, in deren Futter zum Weiterverkauf bestimmtes Heroin eingenäht war. Der Angeklagte ging davon aus, dass es sich dabei um Heroin und Streckmittel handelte, das er an seinen Nachfolger weitergeben sollte. Obwohl eine Übergabe am Hauptbahnhof nicht vereinbart war, nahm der Angeklagte die Jacke entgegen und begab sich damit in seine Wohnung. Dort wurde er von der Polizei festgenommen, 754,89 Gramm Heroingemisch mit einer Wirkstoffmenge von 211,9 Gramm He- roinhydrochlorid sowie 198,2 Gramm Paracetamol und Coffein wurden sichergestellt.
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- Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens nicht. Es fehlt schon an der hierfür erforderlichen Eigennützigkeit. Der Angeklagte hat für den hier allein abgeurteilten Transport von Betäubungsmitteln am 15. Oktober 2015 keine Entlohnung erhalten, hat vielmehr aufgrund der Drohung seiner Auftraggeber ohne erkennbaren eigenen Vorteil fremdnützig die Drogen entgegengenommen und in seine Wohnung verbracht. Dass diese Tätigkeit durch zuvor erlangten Lohn abgegolten sein sollte, besagt nichts anderes, als dass er für die jetzt abgeurteilte Tat kein weiteres Entgelt erhalten sollte und damit nicht eigennützig gehandelt hat.
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- Im Übrigen stellt sich das Handeln des Angeklagten entsprechend der nach allgemeinen Kriterien vorzunehmenden Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe lediglich als bloße Unterstützungshandlung einer fremden Tat dar. Der Angeklagte handelte ohne erkennbar eigenes Interesse beim Transport der Drogen, der ihm von seinen Auftraggebern - ohne dass dieser so vereinbart worden wäre - vorgegeben war. Er hatte als bloßer Kurier, der nicht wusste, was mit den Betäubungsmitteln weiter geschehen sollte, keine Tatherrschaft, handelte ohnehin nur aufgrund der ihm gegenüber ausgesprochenen Drohung und förderte insoweit lediglich eine fremde Tat. Sein Tun erweist sich als bloße Beihilfe zum Handeltreiben seiner Auftraggeber, zu dem tateinheitlich der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinzutritt. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch wegen täterschaftlichen Handeltreibens tragen könnte. Er stellt deshalb den Schuldspruch um.
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- 2. Die Schuldspruchänderung bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Die Strafe ist zwar weiterhin dem (gleichbleibenden) Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu entnehmen. Doch stellt der bloße täterschaftliche Besitz nach Umfang und Bedeutung der tatbestandsmäßigen Handlung weniger größeres Unrecht dar als das Handeltreiben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996 - 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 164; Senat, Urteil vom 4. Februar2015 - 2 StR 266/14, NStZ 2015, 344, 345). Deswegen lässt sich nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei veränderter rechtlicher Bewertung eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
Zeng Bartel
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.