Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14

bei uns veröffentlicht am06.08.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 5 5 / 1 4
vom
6. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 6. August 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 17. Januar 2014 hinsichtlich dieses Angeklagten aufgehoben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg; die Sachrüge führt zur Aufhebung der Bewährungsentscheidung.
3
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe habe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, „da sie mehr als ein Jahr betrug und keine besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorla- gen“. Dazu hat es auf die bei der Strafzumessungsentscheidung genannten Strafmilderungsgründe Bezug genommen und angemerkt, diese ergäben weder einzeln noch in der Gesamtschau besondere Umstände in diesem Sinne.
4
2. Die Begründung der Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung trägt nicht. Das Landgericht hat die Prüfung versäumt, ob zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB). Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB). Dies ist stets vorrangig zu prüfen, denn zu den besonderen Umständen im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB können auch solche gehören, die bereits für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, ferner solche Umstände , die erst nach der Tat eingetreten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 13. März 2014 - 2 StR 4/14, NStZ-RR 2014, 138 f.). Es ist rechtsfehlerhaft, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB zu verneinen, ohne sich zuvor mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu stellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 StR 305/12, StV 2013, 85).
5
Auf diesem Mangel kann die Entscheidung beruhen, weil nicht auszuschließen ist, dass das Tatgericht dem erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten, dessen frühere, nicht einschlägige Straftaten nur zu Auflagen nach Jugendstrafrecht geführt haben und bereits mehrere Jahre zurückliegen , eine günstige Kriminalprognose gestellt und - bei Würdigung dieses Gesichtspunkts im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB - die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hätte. Über die Bewährungsfrage ist daher nochmals zu befinden.
6
Einer Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - 1 StR 343/12, StV 2013, 84, 85). Appl Schmitt Eschelbach Ott Zeng

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2012 - 1 StR 343/12

bei uns veröffentlicht am 22.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 343/12 vom 22. August 2012 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revis

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2012 - 3 StR 305/12

bei uns veröffentlicht am 28.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 305/12 vom 28. August 2012 in der Strafsache gegen wegen Wohnungseinbruchdiebstahls Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. August 2012

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2014 - 2 StR 4/14

bei uns veröffentlicht am 13.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 4 / 1 4 vom 13. März 2014 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2014 - 2 StR 255/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2015 - 4 StR 152/15

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR152/15 vom 22. September 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Erpressung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 22. September 201

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 / 1 4
vom
13. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am
13. März 2014 beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. September 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass bei der Angeklagten trotz nicht näher ausgeführter positiver Sozialprognose keine besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorlägen. Zwar seien die "Voraussetzungen des § 31 BtMG in einer beeindruckenden Weise" gegeben, doch sei dem bereits durch Verhängung einer relativ moderaten Strafe Rechnung getragen worden. Auch wenn die Angeklagte in vorbildlicher Weise Aufklärungshilfe geleistet und dadurch sogar zur Aufklärung einer weiteren Straftat beigetragen habe, habe man dies bereits im Rahmen des ermäßigten Strafrahmens sehr weitgehend in Rechnung gestellt. Eine weitergehende Berücksichtigung sei nicht angezeigt.
3
2. Diese Begründung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB sind Milderungsgründe von erheblichem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der über einem Jahr liegenden Strafhöhe widerspiegelt, nicht unangebracht erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 StR 305/12, StV 2013, 85). Dabei ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen; zu den zu berücksichtigenden Faktoren können solche gehören, die bereits für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB von Bedeutung waren sowie Umstände, die erst nach der Tat eingetreten sind (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1980 - 3 StR 376/80, BGHSt 29, 370, 372; Fischer StGB, 61. Aufl. § 56 Rdn. 20, 21 m.w.N.).
4
Diesen Maßstäben wird die Ablehnung der Strafaussetzung nicht gerecht. Die Begründung des Landgerichts lässt besorgen, dass es rechtsfehlerhaft nur auf den Unrechts- und Schuldgehalt des eigentlichen Tatgeschehens abgestellt hat, ohne die erforderliche Gesamtbewertung aller relevanten Faktoren vorzunehmen. Insoweit war der Gesichtspunkt, dass die Angeklagte "in vorbildlicher Weise Aufklärungshilfe geleistet hat" - die Benennung ihrer Auftrag- geberin hatte zu deren Festnahme mit ca. 1 kg Kokainzubereitung geführt - entgegen der Ansicht der Kammer für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nicht bereits durch die Anwendung des gemilderten Strafrahmens gewissermaßen "verbraucht", sondern als nach der Tat eingetretener Umstand bei der gebotenen Gesamtwürdigung mit zu berücksichtigen. Dies gilt gleichermaßen für die unerwähnt gebliebene Tatsache, dass die Angeklagte in Deutschland nicht vorbestraft und bisher auch weder in der Dominikanischen Republik, noch in Italien polizeilich aufgefallen ist. Schließlich ist es rechtsfehlerhaft, bei der Prüfung des § 56 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, dass sich die Angeklagte "noch nicht sehr lange in Untersuchungshaft befindet und eine nahe Entlassungsperspektive hat"; insoweit wird in unzulässiger Weise die mutmaßliche Dauer der Vollstreckung der Freiheitsstrafe mit der vorrangig und unabhängig davon zu prüfenden Frage verknüpft, ob die verhängte Strafe überhaupt zu vollstrecken ist.
5
3. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung ist mit der partiellen Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung an das Landgericht gegenstandslos. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 305/12
vom
28. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchdiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. August 2012 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 13. März 2012, soweit es den Angeklagten P. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die wirksam auf die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist begründet.
2
Das Landgericht hat die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt, da es "in der Person des Angeklagten P. oder in der Tat keine besonderen Umstände zu erkennen" vermochte, "aus denen sich ergeben würde, dass eine Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr geboten wäre".
3
Diese Begründung hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. § 56 Abs. 2 StGB ermöglicht dem Gericht, besondere, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten vorliegende Umstände zu berücksichtigen. Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1, also bei Vorliegen einer günstigen Sozialprognose , die stets vorrangig zu prüfen ist, und wenn der Ausschlussgrund des Abs. 3 nicht gegeben ist, auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung aussetzen. Besondere Umstände in diesem Sinne sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des sich in der Strafhöhe widerspiegelnden Unrechts- und Schuldgehalts als nicht unangebracht erscheinen lassen (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56 Rn. 19 f. mwN).
4
Diesen Maßstäben wird die Ablehnung durch das Landgericht nicht gerecht. Sie lässt bereits die Prüfung der Sozialprognose des Angeklagten gemäß § 56 Abs. 1 StGB vermissen. Es ist aber schon im Ansatz rechtsfehlerhaft, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB zu verneinen, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu stellen ist. Dies gilt schon deshalb, weil zu den nach Abs. 2 zu berücksichtigenden Faktoren auch solche gehören, die schon für die Prognose nach Abs. 1 von Belang sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 StR 112/09, NStZ 2009, 441). Die Erwägung, dass "keine besonderen Umstände zu erkennen" seien, nach denen eine Strafaussetzung "geboten wäre", gibt zudem Anlass zu der Besorgnis, dass das Landgericht bei seiner versagenden Entscheidung zu hohe Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB gestellt haben könnte.
Zu den danach zu berücksichtigenden Umständen können - neben denen, die schon für eine günstige Prognose nach Abs. 1 von Bedeutung waren - auch solche gehören, die bei der Findung des Strafrahmens oder der Festsetzung der konkreten Strafhöhe von Bedeutung sind, hier etwa der Umstand, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist sowie der Umfang der bereits durch Anrechnung der Untersuchungshaft als verbüßt geltenden Freiheitsstrafe (vgl. Fischer, aaO, Rn. 20 mwN).
5
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 343/12
vom
22. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 28. Februar 2012 aufgehoben, soweit es das Landgericht abgelehnt hat, die Vollstreckung der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, Bandendiebstahls in sieben Fällen sowie versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und die Bemessung der verhängten Strafen wendet. Dagegen hat die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
Das Landgericht hat diese Entscheidung zwar damit begründet, es lägen keine besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor. Es hat sich aber nicht mit der vorrangigen Frage befasst, ob dem Angeklagten eine positive Kriminalprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann. Dies begegnet deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die ggf. bestehende Erwartung, der Angeklagte werde sich künftig straffrei führen, auch für die Beurteilung bedeutsam sein kann, ob besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB angenommen werden können (BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - 4 StR 323/06, NStZ-RR 2006, 375 mwN); ebenso verhält es sich mit den einer eventuellen günstigen Prognose zugrunde liegenden Umständen.
3
Auf diesem Mangel kann die Entscheidung beruhen, weil nicht auszuschließen ist, dass das Tatgericht dem erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Angeklagten, dessen letzte festgestellte Tat schon zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils mehr als anderthalb Jahre zurücklag (zu diesem Gesichtspunkt vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 - 2 StR 297/91), eine günstige Kriminalprognose gestellt und - bei Würdigung dieses Gesichtspunktes im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB - die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hätte. Über die Bewährungsfrage ist daher nochmals zu befinden.
4
Einer Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen worden sind. Hierzu nicht in Widerspruch stehende ergänzende Feststellungen sind zulässig. Nack Wahl Jäger Sander Cirener