Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:230118B2STR238.17.1
bei uns veröffentlicht am23.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 238/17
vom
23. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub
ECLI:DE:BGH:2018:230118B2STR238.17.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziff. 2 auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 23. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten A. hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten, gegen den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten F. und gegen den Mitangeklagten Z. jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheits- strafen von vier Jahren und neun Monaten bzw. fünf Jahren und vier Monaten erkannt.
2
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Mitangeklagten A. , F. und Z. planten in Litauen , einen Raubüberfall in Deutschland zu verüben, um Schmuck und Uhren zu erbeuten. Zu diesem Zweck besorgten sie sich eine Spielzeugpistole, zwei Hämmer und drei Pfeffersprays. Der Mitangeklagte F. kontaktierte den ihm bekannten Angeklagten und vereinbarte mit ihm, dass dieser für die Durchführung eines Überfalls – insbesondere für die Flucht – drei Fahrräder nach Deutschland transportieren sollte. Am 10. Oktober 2016 fuhren A. , F. und Z. gemeinsam nach F. , der Angeklagte brachte mit einem Mietwagen drei Fahrräder nach Deutschland. Ein bis zwei Tage vor dem Überfall übergab F. dem Angeklagten in F. den in Litauen versprochenen Lohn für den Transport in Höhe von 500 Euro. Die Angeklagten entschlossen sich, einen Juwelier in B. zu überfallen und kundschafteten am 13. Oktober 2016 das Juweliergeschäft R. aus. Nach näherer Absprache mit F. stellte der Angeklagte die drei Fahrräder im Bereich des Kurparks – etwa 100 Meter vom Juweliergeschäft entfernt – ab.
Dabei war ihm bewusst, dass die Mitangeklagten die Räder zur Flucht nach dem Raubüberfall verwenden wollten.
5
Die Mitangeklagten A. , F. und Z. verabredeten spätestens jetzt den genauen Tatablauf. Der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten bei dem Überfall neben einer Spielzeugpistole auch Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, womit er sich billigend abfand. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begaben sich die Mitangeklagten am späten Vormittag des 14. Oktober 2016 zum Juweliergeschäft. A. betrat als erster das Geschäft, bedrohte den Zeugen Ö. mit der Spielzeugpistole und sprühte ihm Pfefferspray in das Gesicht. Während er den zu Boden gegangenen Zeugen Ö. trat und mit der Pistole in Schach hielt, schlugenF. und Z. mit ihren Hämmern die Vitrinen ein und erbeuteten 52 hochwertige Uhren im Wert von ca. 76.000 Euro. Als der Zeuge Ö. versuchte, sich durch den Einsatz von Reizgas zu verteidigen, traten die Mitangeklagten den Rückzug aus dem Geschäft an. Sie flohen anschließend mit den bereitgestellten Fahrrädern. Auf der Flucht legten sie an einem zuvor bestimmten Platz am Teich des Kurparks die Rucksäcke mit der Tatbeute ab und fuhren mit dem Zug nach F. . Dort trafen sie den Angeklagten und bestimmten ihn, am Abend die Beute aus B. abzuholen. Nachdem ein erster Versuch des Angeklagten, die geraubten Uhren zu holen, gescheitert war, wurden die Rucksäcke mit der Beute von der Polizei aufgefunden; die Uhren gelangten dadurch an den Ladeninhaber zurück. Der Angeklagte und die Mitangeklagten wurden am nächsten Tag festgenommen.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe in dem Wissen , dass die Mitangeklagten einen Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft unter Einsatz von Pfefferspray und unter Vorhalt einer Spielzeugpistole verüben wollten , die Fluchtfahrräder bereitgestellt.

II.

7
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht seine Überzeugung, der Einsatz des Pfeffersprays beim Überfall sei vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen, nicht tragfähig begründet hat.
8
1. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. So ist es ihm verwehrt , seine eigene Überzeugung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Zu prüfen ist aber, ob die tatrichterliche Überzeugung in den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen eine ausreichende Grundlage findet. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen nicht nur eine Vermutung darstellen (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 - 2 StR 29/15, StV 2015, 740; BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, StV 2014, 610).
9
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte wusste, dass die Mitangeklagten beim Überfall eine Spielzeugpistole und Pfefferspray zumindest zur Drohung einsetzen wollten, aus einer „Gesamtschau aller Um- stände und Indizien“ hergeleitet. Dabeihat es indes im Einzelnen lediglich auf den auf eigene Kosten erfolgten Transport der Fahrräder nach Deutschland, die Übergabe des Transportlohns zwei Tage vor dem Überfall, das Bereitstellen der Fahrräder in der Nähe des im Navigationsgerät des Angeklagten gespeicherten Tatorts, den Auftrag zum Abholen der Beute und die gemeinsame Nutzung eines Hotelzimmers mit dem Mitangeklagten F. abgestellt.
10
Diese Umstände vermögen zwar zu belegen, dass der Angeklagte wusste , dass die Mitangeklagten einen Überfall auf das Juweliergeschäft planten, und er sie dabei durch das Bereitstellen der Fahrräder am Tatort unterstützen wollte. Sie tragen aber nicht die Annahme, der Angeklagte sei im Vorfeld über die näheren, zwischen den Tätern abgesprochenen Details des Überfalls – insbesondere die zum Einsatz zu bringenden Tatmittel – informiert worden.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Schäfer Appl Eschelbach Zeng Grube

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2013 - 1 StR 378/13

bei uns veröffentlicht am 22.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 378/13 vom 22. August 2013 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2013 gemäß § 349 Ab

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2015 - 2 StR 29/15

bei uns veröffentlicht am 16.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 2 9 / 1 5 vom 16. Juni 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des G
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2018 - 2 StR 238/17.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2020 - 5 StR 529/19

bei uns veröffentlicht am 09.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 529/19 vom 9. Januar 2020 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2020:090120B5STR529.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhöru

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Juli 2018 - 1 StR 264/18

bei uns veröffentlicht am 03.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 264/18 vom 3. Juli 2018 in der Strafsache gegen alias: wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2018:030718B1STR264.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 2 9 / 1 5
vom
16. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. Juni 2015 gemäß §§ 349 Abs. 4,
357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und N. wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 1. Oktober 2014, soweit sie verurteilt wurden, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, im Fall II.3. der Urteilsgründe auch, soweit es den Angeklagten A. betrifft. 2. Das Verfahren gegen den Angeklagten N. in den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe wird eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten N. der Staatskasse zur Last. 3. Im weiteren Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freisprechung im
1
Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Sichergestelltes Methamphetamin hat das Landgericht eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten F. und N. mit der Sachrüge, das Rechtsmittel des Angeklagten N. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Revisionen haben Erfolg. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO im Fall II.3. der Urteilsgründe auch auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2

a) Die Angeklagten N. und F. vereinbarten Ende Mai oder
3
Anfang Juni 2012 die Einfuhr von Methamphetamin aus T. zum gewinnbringenden Verkauf im Inland. Zur Umgehung von Entdeckungsrisiken beim Transport im Inland sollten die Betäubungsmittel nach der Einfuhr mit einem Postpaket von dem grenznahen J. an eine Adresse in einem unbewohnten Haus in No. verschickt werden, wo sie von einem der Täter in Empfang genommen werden sollten. Die Angeklagten N. und F. erwarben in T.
4
194,77 g Methamphetamin. Ob sie die Betäubungsmittel selbst einführten oder die Verbringung über die Grenze durch den Verkäufer oder einen Boten erfolgte , konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Sie ging aber davon aus, dass die Angeklagten zumindest den Transportweg mit dem Lieferanten vereinbart hatten. Der Angeklagte F. verpackte das Methamphetamin unter Verwen5 dung einer zuvor in No. kostenlos verteilten Zeitung in ein Postpaket, das er von J. an die angebliche Anschrift der Zeugin E. in einem tatsächlich unbewohnten, ihm gehörenden Haus in No. zur Übergabe an " P. " versandte. Der Angeklagte N. verfügte über einen gefälschten Reisepass auf diesen Namen, mit dessen Hilfe er die Aushändigung des Pakets erwirken sollte. Der Name " P. " wurde auch am Briefkasten des Hauses auf einer Klebefolie angegeben. Später wurden die Namen " F. " und " E. " hinzugefügt. Die Paketzustellung an dem sonst unbewohnten Haus unterblieb auf6 grund einer allgemeinen Vorsorgemaßnahme der Post im Hinblick auf Warenkreditbetrügereien. Verschiedene Versuche unbekannt gebliebener Personen, das im Postrücklauf befindliche Paket zu erlangen, schlugen fehl; es wurde schließlich sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Ende Januar oder Anfang Februar 2012 erwarb der Angeklagte N.
7
mindestens 100 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer in T. . Wie die Betäubungsmittel nach Deutschland kamen, blieb ungeklärt. Wiederum wurden sie aber in ein Postpaket verpackt und an dieselbe Zu- stelladresse in No. verschickt, wobei das Landgericht nicht feststellen konnte, wer dies bewirkt hatte. Der Angeklagte N. nahm das Paket unter Verwendung des gefälschten Reisepasses entgegen. Die Jugendkammer ging davon aus, dass die Betäubungsmittel danach
8
in den Verkehr gelangten und der Angeklagte N. daraus "einen Verkaufserlös erzielt hat" (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Am 17. April 2012 fuhren die Angeklagten N. und A.
9
mit einem Pkw nach J. . Der Angeklagte N. schaltete sein Mobiltelefon aus. Er parkte in unmittelbarer Nähe zur Grenze und überquerte diese zusammen mit dem Angeklagten A. zu Fuß. In T. erwarb er mindestens 400 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer, nahm die Betäubungsmittel aber nicht sogleich mit. Bei seiner Rückkehr über die Grenze wurde er einer Zollkontrolle unterzogen, die nicht zum Auffinden von Betäubungsmitteln oder größeren Bargeldbeträgen führte. Kurz darauf ging der Angeklagte N. erneut zu Fuß über die Grenze und kam mit dort erworbenem Kaffee zurück. Die Jugendkammer nahm an, das Betäubungsmittelgeschäft sei von
10
dem Angeklagten N. wegen der Zollkontrolle storniert worden (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Der Angeklagte N. meldete sich mit dem gefälschten Reise11 pass auf den Namen " P. " bei der Stadtverwaltung M. an (Fall II.6. der Urteilsgründe). Er verwendete diesen Reisepass auch beim Abschluss zweier Mobilfunkverträge, deren monatliche Raten er, wie von vornherein beabsichtigt, nicht bezahlte (Fälle II.7. und II.8. der Urteilsgründe).
12
2. a) Das Landgericht hat zu Fall II.1. der Urteilsgründe im Wesentlichen aus den Umständen der Versendung des sichergestellten Postpakets mit den Betäubungsmitteln an die Adresse eines leerstehenden Hauses im Eigentum des Angeklagten F. , aus der Adressierung des Pakets zur Übergabe an " P. ", der auch im gefälschten Reisepass des Angeklagten N. genannt war, und aus dem Auffinden von DNA-Spuren des Angeklagten F. am Verpackungsmaterial in dem Paket darauf geschlossen, dass die Angeklagten N. und F. an dem Versand des sichergestellten Methamphetamin beteiligt waren. Für den Ankauf der Betäubungsmittel in T. und deren Einfuhr
13
konnte das Landgericht nicht auf konkrete Beweismittel zurückgreifen, nahm aber mit Hinweis darauf, dass kein Fall bekannt geworden sei, "in dem ein Zwischenhändler auf deutscher Seite Crystal angeboten hätte", an, dass es von den Angeklagten als Mittäter in T. erworben worden war. Für die Annahme eines Erwerbs im Inland gebe "es keinen Grund, wenn man das Crystal relativ unproblematisch in T. erwerben und selbst einführen kann". Der Angeklagte N. habe die Postzustellerin auf das Paket an14 gesprochen. Diese habe sich zwar nicht an die Person erinnert, die sie angesprochen hatte. Sie habe aber eine dunkle Limousine Marke BMW gesehen, und der Angeklagte N. habe zur fraglichen Zeit einen grauen Pkw BMW gefahren.
b) Zu Fall II.2. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht allein auf In15 formationen über eine weitere Postsendung auf demselben Weg gestützt. Es gebe zwar keinen direkten Hinweis darauf, dass der Angeklagte N. Methamphetamin erworben und dieses in das Postpaket verpackt und nach No. versandt habe. Aus der Tatsache, dass ein weiteres Paket mit gleicher Versandstrecke auf den Weg gebracht wurde, ergebe sich aber, dass es sich erneut um eine Drogensendung gehandelt habe. Der identische Vorgang deute auch darauf hin, dass es sich nach Art und Menge der Betäubungsmittel um eine ähnliche Menge Methamphetamin gehandelt habe, wie sie im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellt wurde.
c) Die Feststellungen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht
16
darauf gestützt, dass der Angeklagte N. vor der Fahrt nach J. in zunehmender Frequenz im Internet Wetterrecherchen für diese Gemarkung durchgeführt und über Webcams die Örtlichkeiten beobachtet, vor Ort sein Mobiltelefon ausgeschaltet und ein später leer vorgefundenes Geldkuvert mitgeführt habe. Ferner hat sie angenommen, die Angabe des Angeklagten N. , er habe ein Gebrauchtfahrzeug gesucht, sei nicht glaubhaft. Schließlich sei der wiederholte Grenzübertritt zu Fuß auffällig. Die Art der Drogen hat das Landgericht aus der im Fall II.1. der Urteils17 gründe erfolgten Sicherstellung gefolgert. Die Drogenmenge hat es anhand der nach seiner Auffassung mit Blick auf ein im Internet recherchiertes Fahrzeugangebot mitgeführten Geldmenge geschätzt.

II.

Hinsichtlich der Vorwürfe zu den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe
18
gegen den Angeklagten N. besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Jugendkammer eine Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt hat. 1. Mit Anklageschrift vom 8. Mai 2014 (820 Js 81/14) erhob die Staats19 anwaltschaft Gera gegen den Angeklagten N. insoweit Anklage. Die Jugendkammer übernahm durch Beschluss vom 20. Mai 2014 das Verfahren und verband es zu dem bisher dort anhängigen Verfahren (820 Js 12758/13 3 KLs jug.) hinzu. Danach verfügte der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten N. und gab ihm Gelegenheit zur Erklärung, ob er Beweisanträge stellen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erheben wolle. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde danach nicht getroffen. In dienstlichen Erklärungen, die der Generalbundesanwalt eingeholt
20
hat, haben die Berufsrichter der Jugendkammer ausgeführt, sie hätten bereits am 20. Mai 2014 zugleich mit der Übernahme des Verfahrens und dessen Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe beraten. 2. Der Übernahme- und Verbindungsbeschluss enthält keine wirksame
21
Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 8. Mai 2014. Das folgt nicht nur aus dem alleine auf die Übernahme der Sache und die Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren bezogenen Beschlusstext, sondern auch aus der Verfügung des Vorsitzenden , mit der dem Angeklagten N. anschließend das rechtliche Gehör zur Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt wurde. Soweit der Generalbundesanwalt dem Text der Verfügung keine Be22 deutung beimessen will, weil diese auf einem Formular niedergelegt wurde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Prozessverlauf und der Urkundeninhalt sprechen einzeln und in der Gesamtschau gegen eine konkludente Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Anhörung des Angeklagten N. . Wenn die Richter der Jugendkammer bei der Beschlussfassung vom 20. Mai 2014 auch die Eröffnung des Hauptverfahrens vorberaten haben, ändert dies nichts daran, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss danach weder gefasst noch dokumentiert wurde.
23
Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Feststellbarkeit der Beschlussfassung regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Erforderlich ist aus Gründen der Rechtsklarheit, dass die Urkunde aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Daran fehlt es hier; denn nach der Anhörung des Angeschuldigten wäre - unbeschadet der durchgeführten Vorberatung - eine abschließende Beschlussfassung der Jugendkammer erforderlich gewesen, die auch nach den dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Jugendkammer nicht erfolgt ist. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem
24
Verfahrenshindernis hinsichtlich der Fälle II.6. bis II.8. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO einzustellen (§ 206a StPO).

III.

Die Verurteilung der Angeklagten F. und N. in den Fällen
25
II.1. bis II.3. hat aufgrund ihrer Sachbeschwerden keinen Bestand. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ist die Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat. 1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchreifenden
26
rechtlichen Bedenken. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtli- chen Überzeugung zu setzen. Allerdings muss überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatgerichts in den Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Diese müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). 2. Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu
27
den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe nicht tragfähig.
a) Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht bei seiner
28
Feststellung einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Es hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein Fall des Erwerbs von Crystal im Inland anstelle einer Einfuhr aus T. im Grenzgebiet durch einen Zwischenhändler bisher nicht bekannt geworden sei. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Angeklagten solche Betäubungsmittel aus T. eingeführt haben. Zudem ist der behauptete Erfahrungssatz weder belegt noch erläutert worden. Allein die Ungewöhnlichkeit eines hypothetisch möglichen Vorkommnisses schließt einen solchen Vorgang nicht aus. Die Tatsache, dass die Jugendkammer kein konkretes Indiz für die Annahme einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten feststellen konnte, kann nicht durch eine vage Behauptung einer allgemeinen Erfahrung überwunden werden.
29
Ähnliches gilt für die Begründung der Mittäterschaft der Angeklagten F. und N. , bei der sich das Landgericht auf den Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten F. gestützt hat, der "unorganisiert und unselbständig" erscheine und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, alleine zur Durchführung des Drogengeschäfts aus Th. nach J. zu reisen. Deshalb sei sicher davon auszugehen, dass beide Angeklagten gemeinsam "die Tat wie festgestellt begangen haben". Das trägt nicht. Das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten reicht nicht aus, um konkrete Schlüsse auf die Art seiner Beteiligung an einem komplexen Handlungsablauf zu ziehen. Hat das Gericht somit zur Frage der Einfuhr der Betäubungsmittel durch
30
die Angeklagten einen falschen Maßstab angelegt, ist weiter zu besorgen, dass die zur Grundlage der Verurteilung wegen Handeltreibens gemachte Feststellung einer Postversendung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten F. in J. mit der Abrede, dass der Angeklagte N. sie in No. in Empfang nehmen solle, auf einer unzureichenden Beweisgrundlage beruht. Allerdings sind mit der Feststellung des Besitzes eines gefälschten Rei31 sepasses bei dem Angeklagten N. und der DNA-Spur des Angeklagten F. auf dem Verpackungsmaterial im Postpaket Indizien vorhanden, die auf ihre Beteiligung am Postversand der Drogen schließen lassen. Andererseits wirkt die Bewertung zusätzlicher Indizien durch die Jugendkammer erneut spekulativ , so dass zumindest einige Elemente der Gesamtwürdigung durchgreifend in Frage gestellt sind. So ist die Person, welche die Postzustellerin in No. angespro32 chen hat, um das Paket zu erlangen, nicht identifiziert worden. Das Landgericht hat aus der vagen Beschreibung des von ihr geführten Fahrzeugs möglicher- weise zuweit gehend auf die Identität dieser Person mit dem Angeklagten N. geschlossen. Das Landgericht hat ergänzt: "Schließlich macht ein gefälschter Pass auch nur dann Sinn, wenn die Person, die auf dem Lichtbild abgebildet ist, den Pass auch später benutzt". Damit wird nichts darüber ausgesagt , dass der gefälschte Pass gerade zur Annahme einer Postsendung mit Methamphetamin eingesetzt werden sollte. Die Überlegung der Jugendkammer lässt besorgen, dass sie ihre Würdigung von Umständen mit beschränkter Aussagekraft zu sehr am erwarteten Beweisergebnis orientiert und den begrenzten Beweiswert der Indizien überbewertet hat.
b) Sind die Feststellungen zur ersten Tat der Angeklagten F. und
33
N. nicht tragfähig begründet, kann die Verurteilung wegen der zweiten Tat, die ohne konkrete Hinweise auf den Erwerb von Betäubungsmitteln, ihren grenzüberschreitenden Transport und die Weiterversendung auf dem Postweg alleine wegen der Ähnlichkeit des Verlaufs einer Postsendung festgestellt wurde , mit der mitgeteilten Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie enthält nicht mehr als einen Verdacht.
c) Im Kern dasselbe gilt für die Feststellungen zur dritten Tat des Ange34 klagten N. , die er mit Unterstützung durch den Angeklagten A. begangen haben soll. Hierfür hat das Landgericht sich auf intensive Wetterrecherchen des
35
Angeklagten N. im konkreten Grenzgebiet, die Fragwürdigkeit der Suche nach einem Fahrzeug aus Kaufinteresse, das Mitführen eines Fahrrads, das Ausschalten des Mobiltelefons, das Auffinden eines leeren Geldkuverts und die Umstände des zweifachen Grenzübertritts durch den Angeklagten N. zu Fuß gestützt. Daraus hat es die "nahe liegende Möglichkeit" entnommen, dass die Angeklagten eine Drogeneinfuhr geplant hatten, bei der die Betäu- bungsmittel vom Verkäufer "entlang der grünen Grenze übergeben oder abgelegt und von dort mit dem Fahrrad abtransportiert werden sollten". Nach der ersten Zollkontrolle sei der Angeklagte N. nach T. zurückgekehrt , weil er "offensichtlich etwas ganz Dringliches und Wichtiges in der T. zu klären hatte". Diese Überlegungen lassen erneut besorgen, dass das Landgericht
36
aufgrund jeweils für sich genommen wenig aussagekräftiger Umstände konkrete Schlüsse auf das erwartete Beweisergebnis gezogen hat, ohne die geringe Aussagekraft der Einzelindizien genügend zu beachten. Auch eine Summe von Beweisanzeichen, die jeweils geringe Aussagekraft haben und keinen zwingenden Schluss zulassen, der alle in Frage kommenden Alternativhypothesen ausschließt , gestattet im Einzelfall nicht mehr als die Annahme eines Verdachts. Diesen hat die Jugendkammer überbewertet, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu der Überzeugung gelangt ist, "dass allein der Angeklagte N. die Tat plante und das Tatgeschehen lenkte", während der Angeklagte A. , zu dessen Mitwirkung sie keine Feststellungen treffen konnte, nur eine untergeordnete Rolle spielte. 3. Die Urteilsaufhebung ist im Fall II.3. der Urteilsgründe auf den Ange37 klagten A. zu erstrecken, der nach Ansicht des Landgerichts bereits "durch seine Anwesenheit und die Begleitung nach T. " den Angeklagten N. in dessen Tatentschluss und bei der Tatausführung unterstützt und damit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet habe. Der sachlich-rechtliche Fehler bei der Feststellung der Haupttat erstreckt sich insoweit auf die Feststellung der Beihilfehandlung. Die Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.4. und II.5. der Urteilsgründe bleibt dagegen unberührt. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 378/13
vom
22. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 16. April 2013
a) unter Erstreckung auf den Mitangeklagten P. dahingehend abgeändert, dass die Angeklagten der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes schuldig sind,
b) aufgehoben, aa) soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen, bb) bezüglich des Angeklagten P. mit den Feststellungen im Strafausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Angeklagten P. jeweils wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines verbotenen Gegenstandes in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von sieben Jahren verhängt sowie dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

II.


3
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Juli 2013 ohne Erfolg.
4
2. Das Urteil hat allerdings keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Insoweit entbehrt der Schuldspruch einer ihn tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
5
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte mit dem Mitangeklagten P. überein, mit dem Pkw des Angeklagten von Erfurt aus nach Cheb (Tschechien) zu fahren, um dort Methamphetamin für den gewinnbringenden Weiterverkauf im Inland zu erwerben. In Umsetzung dieses Plans erstand P. dort 38,38 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 15,66 g Methamphetaminbase. Er füllte die Drogen in die Kunststoffverpackungen von drei Überraschungseiern, zog darüber jeweils Kondome und führte sich die Verpackungen rektal selbst sein. Dieses Vorgehen von P. war dem Angeklagten bekannt. Bei der Wiedereinreise wurden die Angeklagten kontrolliert und die Drogen entdeckt. Auf dem Asia-Markt hatten beide Angeklagte zudem jeweils einen Schlagring erworben. Die Ringe verwahrten sie während der Rückfahrt im Fahrzeuginneren in einer an der Rückseite des Beifahrersitzes angebrachten Tasche.
6
b) Seine in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Überzeugung, der Angeklagte habe gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten P. Methamphetamin erworben und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt, um damit gewinnbringend Handel zu treiben, stützt das Tatgericht einerseits auf die desolate wirtschaftliche Situation beider Angeklagter sowie andererseits auf die Preisspanne zwischen dem jeweils näher festgestellten Einkaufspreis des Methamphetamins in Tschechien und dem in Erfurt erzielbaren Verkaufspreis sowie der aus dieser Differenz folgenden Gewinnspanne (UA S. 15 f.). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, bieten diese vom Landgericht herangezogenen Indizien keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, der Erwerb der Drogen in Tschechien habe für den Angeklagten dem gewinnbringenden Weiterverkauf und damit dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gedient.
7
Zwar muss das Revisionsgericht die subjektive Überzeugung des Tatrichters von dem Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen (Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 177 mwN). Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtlichen Überzeugung zu setzen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Allerdings kann und muss vom Revisionsgericht überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatrichters in den getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage findet (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar2008 - 3 StR 486/07). Die entsprechenden Grundlagen müssen den Schluss erlauben , dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - 5 StR 520/01, StV 2002, 235 mwN; siehe auch KMR/Stuckenberg, StPO, § 261 Rn. 26 und 166 jeweils mit zahlr. Nachw.).
8
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Tatgerichts im Hinblick auf die für das Vorliegen der Voraussetzungen des Handeltreibens erforderlichen Feststellungen nicht gerecht. Zwar können an sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Täters im Zusammenspiel mit der möglichen Gewinnspanne des Vertriebs von Betäubungsmitteln eine tragfähige Grundlage für die Annahme der Bestimmung erworbener Drogen für den gewinnbringenden Weiterverbrauch sein. Vorliegend trägt der vom Tatgericht gezogene Schluss angesichts der sonstigen vom ihm festgestellten Indizien als von einer „verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage“ aus gezogen aber nicht. Denn das Tatgericht hat festgestellt, der Mitangeklagte P. konsumiere täglich selbst zwischen 1 bis 1 ½ g Methamphetamin. Dementsprechend hatte P. sich eingelassen, bei der transportierten Drogenmenge von etwas mehr als 38 g Methamphetamin handele es sich um den Monatsbedarf seines Eigenkonsums. Das Urteil ist, wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, in sich widersprüchlich, wenn einerseits die genannte Tageskonsummenge festgestellt wird, andererseits aber die Einlassung des Mitangeklagten, es handele sich um Drogen für den Eigenkonsum, obwohl die Gesamtmenge gerade der monatlich benötigten Menge entspricht, für nicht glaubhaft gehalten wird (UA S. 16). Dass P. sich die monatlich für den Eigenbedarf benötigten Drogen anderweitig als durch die verfahrensgegenständliche Tat beschafft hat, wurde vom Tatrichter nicht festgestellt.
9
Vor diesem Hintergrund bildet allein die Differenz zwischen Einkaufsund Verkaufspreis keine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch wegen durch den Angeklagten mittäterschaftlich betriebenen Handels mit Betäubungsmitteln. Weitere Beweisanzeichen, die allein oder im Zusammenhang mit anderen tatsächlichen Umständen als objektive Grundlage aus rationalen Gründen den Schluss auf Handeltreiben zulassen würden, finden sich nicht. Die in den Urteilsgründen wiedergegebene Einlassung des Mitangeklagten P. („Wir haben uns drüben eingedeckt“) trägt zwar den Schluss des Tatgerichts auf die Kenntnis des Angeklagten von dem Ankauf und dem Transport der Drogen durch den Mitangeklagten, gibt aber für die Merkmale des Handeltreibens nichts her.
10
Zudem fehlt es, wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend aufgezeigt hat, an Feststellungen, aus denen tragfähig auf den für das Handeltreiben erforderlichen Eigennutz des Angeklagten geschlossen werden kann.
11
3. Die im Übrigen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen über die Kenntnis des Angeklagten von dem Vorhaben des Mitangeklagten P. , Methamphetamin in Cheb zu erwerben und in die Bundesrepublik einzuführen, tragen allerdings einen Schuldspruch wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Senat vermag auszuschließen, dass durch einen neuen Tatrichter noch Feststellungen getroffen werden können, die die Voraussetzungen des Handeltreibens tragen könnten. Er stellt den Schuldspruch daher auf bewaffnete Einfuhr mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge um. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.
12
4. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen tateinheitlichen Führens und Besitzes eines verbotenen Gegenstandes hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: „Der Schuldspruch ist auch hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Waffendelikte zu korrigieren. Zwar steht das Führen mit Besitz regelmäßig in Tateinheit (vgl. nur Pauckstadt-Maihold in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 180. ErgLfg, WaffG § 52, Rn. 95 m.w.N.). Wird die tatsächliche Gewalt über einen verbotenen Gegenstand aber wie hier nur außerhalb der eigenen Wohnung ausgeübt, kommt nur eine Verurteilung wegen Führens in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 – 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2). Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes muss daher entfallen.“
13
Dem stimmt der Senat zu.
14
5. Die vorgenommenen Änderungen im Schuldspruch ziehen die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Dies bedingt hier gleichfalls die Aufhebung der Feststellungen, die von dem Mangel beeinflusst sind.
15
6. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

III.


16
Die Umstellung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten P. zu erstrecken.
17
1. Die vorstehend unter II.2. dargelegten rechtlichen Erwägungen, die zu der Schuldspruchänderung und der Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch in Bezug auf den Angeklagten geführt haben, müssen auch bei dem Mitangeklagten zu der entsprechenden Änderung des Schuldspruchs führen (zu diesem Maßstab Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 357 Rn. 17; SK-StPO/ Wohlers, 38. Lfg., Stand: 2004, § 357 Rn. 34 jeweils mwN). Da ersichtlich auch gegen den Mitangeklagten keine anderweitigen Erkenntnismöglichkeiten vorhanden sind, beruht die Annahme von Handeltreiben auf keiner hinreichend sicheren Tatsachengrundlage.
18
Die ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen aber auch hier die Verurteilung des Mitangeklagten wegen (gemeinschaftlicher) bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Führens eines verbotenen Gegenstandes.
19
2. Dies bedingt gleichfalls die Aufhebung des Strafausspruchs mit den Feststellungen.
20
Die Anordnung der Unterbringung des Mitangeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB weist dagegen keinen Rechtsfehler auf. Diese bleibt daher bestehen. Um dem neuen Tatrichter eine auf die neu festzulegende Strafe abgestimmte Anwendung von § 67 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB zu ermöglichen, bedarf es allerdings der Aufhebung der bisherigen Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Maßregel gemäß § 64 StGB.
21
3. Einer Erstreckung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten P. , in Bezug auf den die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt sind, steht die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Dieser hat zwar in seinem Beschluss vom 25. Juni 2013 (5 StR 276/13) die Auffassung vertreten, eine Erstreckung auf einen nicht revidierenden Angeklagten komme nicht in Betracht, wenn ihn betreffend gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Urteilsgründe verfasst worden sind. Dem lag aber eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde. Abgesehen davon, dass abgekürzte Urteilsgründe bei einem nicht revidierenden Angeklagten gemäß § 267 Abs. 4 StPO stets rechtlich zulässig sind und schon deshalb einer Anwendung von § 357 StPO nicht grundsätzlich entgegenstehen können, weil anderenfalls die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich unangemessen eingeschränkt wäre, ist es ausgeschlossen, dass bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten Gesichtspunkte denkbar sind, die den Schuldspruch stützen könnten.

IV.


22
Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat zu bedenken, dass angesichts der vom ersten Tatrichter getroffenen Feststellungen über den eigenen Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten eine nähere Beschäftigung mit den Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommen dürfte. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht ausgeführt hat, lässt sich der vom Tatgericht angenommene, lediglich sporadische Konsum des Angeklagten von THC und Amphetamin nicht ohne Weiteres mit den im Urteil mitgeteilten Ergebnissen der Haaranalyse des Angeklagten in Einklang bringen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu geben, über den Rechtsfolgenausspruch vollständig neu und ohne Bindung an die bisherigen - partiell widersprüchlichen - Feststellungen zu entscheiden.
Raum Wahl Jäger
Radtke Mosbacher

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.