Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12
Bundesgerichtshof
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Der Ausspruch über die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren hat keinen Bestand. Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG rechtsfehlerhaft verneint. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl eine Reihe strafmildernder Zumessungsgesichtspunkte aufgezählt: So war der Angeklagte geständig und nicht vorbestraft. Außerdem konnte ein erheblicher Teil des vom Angeklagten gelieferten Amphetamins (379 Gramm von insgesamt 500 Gramm) sichergestellt werden. Als strafschärfend hat das Landgericht lediglich angeführt, dass im Fall II. 2 "das 1,8-fache der nicht geringen Menge gegeben" sei und es "deshalb" beim Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG verbleibe (UA S. 12).
- 3
- Damit hat das Landgericht rechtsfehlerhaft das Handeltreiben mit einer Betäubungsmittelmenge, welche die Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur unwesentlich überschreitet, straferschwerend bewertet. Tatsächlich stellt das Handeltreiben mit einer noch im näheren Grenzbereich liegenden Betäubungsmittelmenge indes einen Umstand dar, der eher für die Annahme eines minder schweren Falls sprechen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2000 - 5 StR 87/00, StV 2000, 620; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG 7. Aufl., § 29a Rn. 122). Das Landgericht hat neben den strafmildernden Gesichtspunkten nichts angeführt, was in diesem Fall zu Lasten des Angeklagten wirkt und dazu führen könnte, das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Vorgehensweise zur Anwendung des § 29a Abs. 2 BtMG und deshalb zu einer milderen Einzelstrafe gelangt wäre.
- 4
- Die Aufhebung der Einzelstrafe entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage; diese kann daher ebenfalls nicht bestehen bleiben.
- 5
- Die Feststellungen werden von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb aufrechterhalten bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Becker
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2012 - 2 StR 166/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und einen Bargeldbetrag nach § 73d StGB für verfallen erklärt. Schuldspruch und erweiterter Verfall sind rechtsfehlerfrei. Indes hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil er auf einem Wertungsfehler des Tatrichters bei der Strafrahmenwahl beruhen kann.
Zwar verstieß der festgestellte Einsatz der polizeilichen Vertrauensperson angesichts des gegen den Angeklagten bestehenden Verdachts und der von ihm erklärten Mitwirkungsbereitschaft nach den Maßstäben des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99 – (StV 2000, 57, zum Abdruck in BGHSt bestimmt) nicht gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Angesichts dessen, daß der nur geringfügig und nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte lediglich eine die Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unwesentlich überschreitende Rauschgiftprobe geliefert hat, die in staatlichen Gewahrsam gelangt ist, und daß darüber hinaus ein bloßes „Luftgeschäft” mit polizeilichen Vertrauenspersonen vorlag, ist die tatrichterliche Wertung, ohne zusätzliche Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes aus § 21 StGB liege noch kein minder schwerer Fall vor, im Ergebnis nicht vertretbar (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 35 m.w.N.).
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrichter wird die Strafe auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen , die allenfalls durch neue widerspruchsfreie ergänzbar sind, aus dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG zu entnehmen haben.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Raum
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.