Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2019 - 2 StR 155/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 3. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Der Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts vom 27. November 2018 vom Vorwurf des erpresserischen Menschenraubes zum Nachteil von W. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Das dagegen von Rechtsanwältin L. als Nebenklägervertreterin eingelegte Rechtsmittel ist unzulässig. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt: „Der entführte W. ist durch die verfahrensgegenständli- che, rechtswidrige Tat nach § 239a Abs. 1 StGB verletzt und deshalb gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 4 StPO dazu befugt, sich der öffentlichen Klage mit der Nebenklage anzuschließen. Die für ihn von Rechtsanwältin L. am 3. September 2018 schriftlich bei dem Landgericht eingereichte Anschlusserklärung war indes wegen fehlender Vertretungsmacht unwirksam. Denn Rechtsanwältin L. handelte dabei im Auftrag und mit Vollmacht seiner Mutter, C. W. (vgl. Bl. 1394 ff., 1410 ff. d.A. Bd. V). Diese ist zwar ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts – Betreuungsgericht – Alsfeld vom 29. Oktober 2015 zur Betreuerin ihres am 4. März 1965 geborenen (vgl. Bl. 11 UA), mithin volljährigen Sohnes bestellt (vgl. auch Bl. 12 UA). Ihr Aufgabenkreis, innerhalb dessen sie gesetzlich zu seiner gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung berechtigt ist (§ 1902 BGB), umfasst aber lediglich die Berei- che Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge sowie die Geltendmachung von Ansprüchen auf Altersversorgung (vgl. Bl. 1396 f., 1412 f. d.A. Bd. V). Die Wahrnehmung seiner höchstpersönlichen Rechte als Verletzter einer Straftat in einem Strafverfahren fällt unter keinen dieser Aufgabenbereiche, sondern bedarf grundsätzlich einer gesonderten Übertragung durch das Betreuungsgericht (vgl. zur Strafantragsbefugnis des Betreuers LG Hamburg, Urteil vom 7. März 2001 – 725 Ns 3/01 –, juris, Rn. 16 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 20. Mai 2005 – 8 Ss 66/05 –, juris, Rn. 10 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 21. Februar 2012 – 32 Ss 8/12 –, juris, Rn. 3 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Dezember 2012 – 3 Ws 397/12 –, juris, Rn. 7 ff.; offen gelassen von BGH, Urteil vom 29. Juli 2014 – 5 StR 46/14 –, juris, Rn. 9 [= BGHSt 59, 278]). Etwas anderes kann beispielsweise dann gelten, wenn der Betreuer anlässlich der Aufdeckung einer bestimmten, zum Nachteil des Betreuten begangenen Straftat eigens bestellt und mit umfassenden vermögensrechtlichen und persönlichen Befugnissen ausgestattet wird und das Betreuungsgericht hiermit erkennbar bezweckt, ihm die Durchsetzung der dem Betreuten aus der Straftat erwachsenen Schadensersatzansprüche gerade auch mit den Mitteln des Strafverfahrensrechts zu ermöglichen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 9 f., 13 f.). Denn der das Betreuungsrecht beherrschende Grundsatz, dass ein Betreuer nur für solche Aufgabenbereiche bestellt werden darf, in denen die Betreuung – zur Überzeugung des zur Prüfung und Entscheidung berufenen Betreuungsgerichts – erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 BGB), gebietet bei einer solchen Fallgestaltung ausnahmsweise nicht die ausdrückli- che Übertragung (auch) des Aufgabenbereichs „Vertretung in Strafverfahren“ (vgl. BGH, a.a.O.). Für einen derartigen Ausnahmefall ist hier al- lerdings nichts ersichtlich. Nach den Urteilsfeststellungen ist C. W. vielmehr bereits „seit vielen Jahren als gesetzliche Betreuerin ein- gesetzt“ (vgl. Bl. 12 UA). Durch den bei den Akten befindlichen Be- schluss des Amtsgerichts Alsfeld vom 29. Oktober 2015 wurde die be- stehende Betreuung lediglich „verlängert“, ohne dass dabei der bisherige Aufgabenkreis in irgendeiner Form modifiziert worden wäre (vgl. Bl. 1396 f., 1412 f. d.A. Bd. V). Aus dem Beschluss ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der etwa vier Monate zuvor zum Nachteil des Betreuten verübte erpresserische Menschenraub dem Betreuungsgericht bei seiner Entscheidung bekannt war. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass das Betreuungsgericht die bestehende Betreuung erweitern und der Betreuerin (trotz unveränderter Beschreibung des Aufgabenkreises) nunmehr auch die Wahrnehmung der höchstpersönlichen Rechte des Betreuten in Strafverfahren übertragen wollte. Dass W. aufgrund seiner intellektuellen Ein- schränkungen zweifelsfrei nicht dazu in der Lage ist, diese Rechte selbst wahrzunehmen (vgl. Bl. 12, 67 UA), weshalb eine entsprechende Erweiterung des Aufgabenkreises ohne Weiteres zulässig und geboten wäre, macht die nach dem Gesetz notwendige Entscheidung hierüber durch das zuständige Betreuungsgericht nicht entbehrlich; die Strafgerichte sind nicht – auch nicht in Evidenzfällen – dazu befugt, an dessen Stelle über den Umfang der Betreuung zu entscheiden (Art. 101 Abs. 1 GG). Dass das Landgericht die Nebenklage ungeachtet der unwirksamen Anschlusserklärung mit Beschluss vom 7. September 2018 zugelassen hat (vgl. Bl. 1414 d.A. Bd. V), kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Ebenso wie die Anschlussbefugnis des revidierenden Nebenklägers ist auch die Wirksamkeit der gemäß § 396 Abs. 1 Satz 1 StPO schriftlich einzureichenden Anschlusserklärung eine im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Die vorausgehende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger gemäß § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO hat lediglich deklaratorische Bedeutung und bindet das Revisionsgericht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995 – 2 StR 470/95 –, juris, Rn. 5 [= BGHSt 41, 288]; Beschluss vom 18. November 2008 – 4 StR 301/08 –, juris, Rn. 5, 8; Beschluss vom 5. November 2013 – 4 StR 423/13 –, juris, Rn. 1).“
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- Dem schließt sich der Senat an und weist darauf hin, dass die Revision – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.
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- Eine Kostenentscheidung ist hier nicht veranlasst. Der Senat sieht davon ab, die Kosten des Rechtsmittels Rechtsanwältin L. aufzuerlegen. Zwar können dem vollmachtlosen Vertreter, der ein Rechtsmittel einlegt, die hierdurch entstandenen Kosten auferlegt werden. Hier durfte Rechtsanwältin L. jedoch auf Grund der Zulassung des W. als Nebenkläger , und der ihr als dessen Vertreterin gestatteten Teilnahme an der Hauptverhandlung darauf vertrauen, zur Einlegung des Rechtsmittels befugt zu sein (BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 4 StR 301/08).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.
(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.
(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach
- 1.
den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k des Strafgesetzbuches, - 2.
den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches, die versucht wurde, - 3.
den §§ 221, 223 bis 226a und 340 des Strafgesetzbuches, - 4.
den §§ 232 bis 238, 239 Absatz 3, §§ 239a, 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches, - 5.
§ 4 des Gewaltschutzgesetzes, - 6.
§ 142 des Patentgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 des Sortenschutzgesetzes, den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
(2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,
- 1.
deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder - 2.
die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.
(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189, 229, 244 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 4, §§ 249 bis 255 und 316a des Strafgesetzbuches, verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.
(4) Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.
(5) Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1 oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.
(1) Die Anschlußerklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen. Eine vor Erhebung der öffentlichen Klage bei der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht eingegangene Anschlußerklärung wird mit der Erhebung der öffentlichen Klage wirksam. Im Verfahren bei Strafbefehlen wird der Anschluß wirksam, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls abgelehnt worden ist.
(2) Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. In den Fällen des § 395 Abs. 3 entscheidet es nach Anhörung auch des Angeschuldigten darüber, ob der Anschluß aus den dort genannten Gründen geboten ist; diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(3) Erwägt das Gericht, das Verfahren nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2, § 153b Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 einzustellen, so entscheidet es zunächst über die Berechtigung zum Anschluß.