Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 684/18
vom
26. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:260319B1STR684.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 26. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. September 2018 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags unter Einbeziehung einer vom Landgericht Landshut verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Weiter wurde vom Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der Angeklagte hatte in der Haft von einem Mitgefangenen 11 oder 12 Subutex-Tabletten gekauft, die er mit mehreren Packungen Tabak bezahlen sollte. Da der Angeklagte dazu jedoch nicht in der Lage war, kam es in der Folge durch den Mitgefangenen zu Drohungen ihm gegenüber. Um bei einer Auseinandersetzung vorbereitet zu sein, bewaffnete sich der Angeklagte mit einer Kinderbastelschere, die er in zwei Teile auseinandergebrochen hatte, so dass ihm zwei Stich- bzw. Schneidewerkzeuge zur Verfügung standen. Diese hatten jeweils eine ca. 7 cm lange Schneidefläche, welche stumpf zulief und mit einem Plastikgriff versehen war. Als es am 27. August 2016 gegen 13.18 Uhr bei einem Hofgang zu einem unvermittelten Faustschlag des Mitgefangenen kam, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, versetzte der Angeklagte diesem zwei heftige Stiche mit den Scherenhälften, was zu zwei stark blutenden Einstichwunden führte. Dem Mitgefangenen und weiteren Häftlingen gelang es, die Flucht zu ergreifen und ins Gebäudeinnere zu entkommen. In der Folge war der Angeklagte nicht bereit, den Hafthof zu verlassen und die Stichwerkzeuge abzugeben , nachdem die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt zur Sicherung den Einschluss aller auf dem Hof befindlichen Mithäftlinge veranlasst hatten. Daher wurde die Sicherungsgruppe der Justizvollzugsanstalt informiert, die den Angeklagten entwaffnen und festsetzen sollte.
5
Gegen 13.45 Uhr betrat die aus insgesamt sechs Bediensteten bestehende Sicherungsgruppe den Hof der Haftanstalt. Die Mitglieder der vom Zeugen Z. angeführten Sicherungsgruppe trugen Einsatzkleidung, u.a. mit schützenden Westen und Helmen. Jedoch waren beim Zeugen Z. derKopf- und Halsbereich weitgehend ungeschützt, da er zur besseren Beweglichkeit keinen Helm trug und der Halsbereich nur ansatzweise durch den Kragen der Einsatzkleidung bedeckt war. Der Angeklagte erkannte in der Sicherungsgruppe den Zeugen Z. , von dem er meinte, dieser habe ihn einige Tage vorher beieiner Durchsuchung im Rahmen einer Sicherungsmaßnahme nicht mit dem ihm gebührenden Respekt behandelt und ihm absichtlich Schmerzen zugefügt. Daher beschloss der Angeklagte, den Zeugen herauszufordern und ihn anzugreifen. Nachdem der Zeuge Z. auf Aufforderung des Angeklagten aber nichtbereit war, sich allein einer körperlichen Auseinandersetzung mit diesem zu stellen, rannte und sprang der Angeklagte mehrfach im Hof der Haftanstalt umher, um der Formation der Sicherungsgruppe auszuweichen, die ihn festsetzen wollte.
6
Als sich der Zeuge Z. mehrmals aus der Sicherungsgruppe löste, sah der Angeklagte seine Chance gekommen, diesen massiv zu verletzen. Als sich der Zeuge in der Nähe des Zauns befand und auf den Angeklagten zubewegte, zielte dieser mit der rechten Hand, in der er einen Teil der Bastelschere hielt, mit einer schwunghaften Drehbewegung auf den Hals des Zeugen Z. . Dieser erkannte jedoch rechtzeitig die Absicht des Angeklagten und konnte dem Stichwerkzeug durch eine Seitenbewegung ausweichen. Kurz darauf näherte sich der Zeuge Z. erneut dem Angeklagten. Dieser nahm Anlauf und sprang auf den Zeugen zu, wobei er mit der rechten Hand, in welcher sich die Scherenhälfte befand, mit einem abwärts gerichteten Stoß den Zeugen Z. im Halsbereich treffen wollte. Dieser Stich verfehlte den Zeugen nur deswegen, da dieser zurückwich und den Stich mit seinem Schlagstock blockieren konnte. In beiden Fällen rechnete der Angeklagte damit, dass er den Zeugen mit seinem Stichwerkzeug im Halsbereich tödlich treffen könnte, und nahm dies billigend in Kauf. Nachdem dem Angeklagten bewusst geworden war, dass er mit seinen Möglichkeiten den Zeugen Z. im Hof der Justizvollzugsanstalt nichtmehr erfolgreich angreifen konnte, und er zudem auf Grund der stattgefundenen Auseinandersetzung so sehr erschöpft war, dass er sich nicht mehr im Stande sah, auf den Zeugen Z. erneut einzustechen, kniete er etwa 40 Sekunden nach dem letzten Angriff auf dem Asphalt des Hofes nieder, legte seine Scherenhälften auf den Boden und hob die Hände, um seine Aufgabe zu signalisieren. Er konnte daraufhin von den Bediensteten widerstandslos festgenommen werden.
7
2. Das sachverständig beratene Landgericht ist im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser psychopathologische Auffälligkeiten in Form einer labilen Affektivität, einer mangelnden Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub und Defizite bei der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen aufweise, so dass letztlich von einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ausgegangen werden müsse. Insoweit liege zwar das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB vor. Dies führe jedoch nicht zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten.

II.

8
Die Revision hat in Bezug auf die erhobene Sachrüge teilweise Erfolg. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es die Annahme einer vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten begründet hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
10
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (BGH, Beschluss vom 11. April 2018 – 4 StR 446/17, StV 2019, 232; Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319, 3320; Beschlüsse vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520 und vom 14. Juli 2016 – 1 StR 285/16 Rn. 7). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist das Gericht jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung der aufgehobenen oder erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 und vom28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135).
11
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nur teilweise gerecht.
12
aa) Zutreffend geht das Landgericht von einer solchen mehrstufigen Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten aus und kommt zunächst nachvollziehbar zum Ergebnis, dass das vom Sachverständigen dargestellte Gesamtbild des Zustandes des Angeklagten mit seinen Verhaltensauffälligkeiten zu einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ führt, die als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB einzustufen ist (UA S. 61). Dabei berücksichtigt das Landgericht auch zahlreiche Vorfälle, welche der Sachverständige im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Angeklagten schilderte. So sei der Angeklagte sehr fordernd aufgetreten, habe nach Tabletten verlangt und habe bei einer Nichterfüllung seiner Forderungen sehr ungehalten mit Bedrohungen anderer Personen und der Androhung von Selbstverletzungen reagiert. Es sei auch oftmals zu Fixierungen des Angeklagten in Haft gekommen, weil sich der Angeklagte nicht beruhigen konnte und selbst in solchen Situationen noch versucht habe, sich zu verletzen, indem er irgendwelche Gegenstände verschluckt habe. Weiter habe es den Angeklagten sehr umgetrieben , dass er beruhigende Medikamente bekomme, um schlafen zu können , die er sich gegebenenfalls auch bei Mitgefangenen beschaffen musste.
13
Im Folgenden lehnt das Landgericht aber eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten deshalb ab, weil es zwischen der grundsätzlich bestehenden Erkrankung des Angeklagten mit deren dargestellten Ausprägungen und der Tat keinen symptomatischen Zusammenhang sieht (UA S. 65). Dies wird vor allem damit begründet, dass der Angriff des Angeklagten auf den Zeugen Z. auf seiner freien Entscheidung beruhte und ein planvolles und rationales Vorgehen darstellte. Weiter habe sich der Angeklagte auch freiwillig ergeben und damit ein ganz anderes Verhalten gezeigt als bei den Fällen, bei welchen er im Strafvollzug in Erregungszustände geriet. Auch wenn sich der Angeklagte eigentlich einem aussichtslosen Kampf aussetzte, da er der Sicherungsgruppe deutlich unterlegen war, sei ausnahmsweise von keiner erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auszugehen (UA S. 68).
14
bb) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
15
Indem das Landgericht eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen, musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2017 – 1 StR 362/16 Rn. 34 und vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16 Rn. 16 mwN). Wird aber eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens nahe (vgl. BGH, Urteile vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 31 sowie Beschluss vom 16. Mai 1991 – 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 20). Dies gilt hier umso mehr, als gerade aus dem Vorverhalten des Angeklagten im Vollzug und unmittelbar vor der verfahrensgegenständlichen Tat mit den Stichen gegenüber dem Mitgefangenen die erheblichen emotionalen Regulationsschwierigkeiten deutlich geworden sind, die es im Ergebnis nicht nachvollziehbar erscheinen lassen, weshalb sich der Angeklagte beim festgestellten Sachverhalt einem eigentlich aussichtslosen Kampf aussetzten sollte. Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die emotional instabile Persönlich- keitsstörung schwer genug sein müssen, um zur Anwendung eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, hat die Erwägung des Landgerichts , der Angeklagte sei planvoll und rational vorgegangen, nur geringe Aussagekraft und begründet ein unaufgelöstes Spannungsverhältnis mit den übrigen Urteilsfeststellungen.
16
2. Da der Senat auf Grund der bisherigen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht ausschließen kann, dass sich im Rahmen der neuen Verhandlung Erkenntnisse ergeben könnten, die sich auf den Schuldspruch auswirken, kann auch dieser keinen Bestand haben, auch um dem neuen Tatgericht insoweit insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Die Sache bedarf insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines weiteren Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
17
3. Die Feststellungen des Landgerichts zum objektiven Tatgeschehen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler aber nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Raum Bellay Bär Hohoff Pernice

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 11. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 12. Mai 2017 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen der ausgeurteilten Taten zu II. 2 b) und c) der Urteilsgründe aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine Jugendkammer des Landgerichts Hagen verwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensbeanstandungen bleiben ohne Er- folg, jedoch führt das Rechtsmittel mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lockte der im Iran aufgewachsene Angeklagte, der Mitte des Jahres 2016 im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit seinen Eltern als Flüchtling nach Deutschland gekommen und in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht war, zwischen Mitte September und Anfang Oktober 2016 in zwei Fällen den damals neunjährigen, ebenfalls mit seiner Familie dort untergebrachten Nebenkläger in einen Duschraum der Unterkunft und vollzog an ihm – in einem Fall unter Anwendung von Gewalt – jeweils den analen Geschlechtsverkehr.
3
Zur Person des Angeklagten hat das Landgericht weiter festgestellt, dass er etwa ab dem Alter von 17 Jahren unter nächtlichen Samenergüssen litt, „wobei diese möglicherweise auch lediglich das Resultat häufigen Masturbierens waren“. Er wurde deswegen im Iran einem Arzt vorgestellt, der eine Hypersexualität diagnostizierte und dem Angeklagten das Medikament Androcur mit dem Wirkstoff Cyproteronacetat verordnete, das die Bildung von Sexualhormonen unterdrückt. Weil der Vorrat des Angeklagten an Androcur während seiner Flucht nach Deutschland aufgebraucht war, nahm er dieses Medikament seither nicht mehr ein.
4
2. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen.
Dieser hat ausgeführt, der Angeklagte weise eine leichte Intelligenzminderung auf. Darüber hinaus sei bei ihm „angesichts der angegebenen kontinuierlichen Medikation mit Cyproteronacetat und der fremdanamnestischen Angaben der Eltern von einer Hypersexualität auszugehen“. Zwar gebe die Sexualanamnese hierauf keine Hinweise, dies sei aber durch Schamgefühle und die Tabuisierung dieses Themenkreises im Iran erklärbar. Diesen Diagnosen folgend hat die Strafkammer angenommen, dass der bei dem Angeklagten „krankheitsbedingt bestehende und nun nicht mehr medikamentös regulierte starke Sexualtrieb auf infolge der intellektuellen Minderbegabung ohnehin herabgesetzte Möglichkei- ten zur vernunftgesteuerten Triebregulation“ getroffen sei. Bei dem Angeklagten liege eine schwere andere seelische Abartigkeit vor, durch welche seine Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt der Taten im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert , aber nicht gemäß § 20 StGB aufgehoben gewesen sei.

II.


5
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Schon dadurch werden auch die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.
6
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft und ermöglichen dem Senat weder die Nachprüfung, ob es zu Recht eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten ausgeschlossen hat, noch ob es zu Recht eine erhebliche Verminderung der Schuld bejaht hat.
7
a) Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2015 – 2 StR 137/15, NJW 2015, 3319; Beschlüsse vom 12. März 2013 – 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519; vom 14. Juli 2016 – 1 StR 285/16, juris Rn. 7). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Hierzu ist das Gericht jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds wie bei der Prüfung der aufgehobenen oder erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit um Rechtsfragen. Deren Beurteilung erfordert konkretisierende und widerspruchsfreie Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts - und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146; vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht, da das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne des § 20 StGB bereits nicht hinreichend belegt ist.
9
aa) Soweit das Landgericht bei dem Angeklagten das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit in einer Kombination des nicht mehr medikamentös regulierten Sexualtriebs und einer intellektuellen Minderbegabung begründet sieht, bleibt bereits unklar, welches konkrete Krankheitsbild es mit dem Begriff der Hypersexualität verbindet.
10
Darüber hinaus lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, welche Symptome einer Hypersexualität der Angeklagte aufweist und welchen Schweregrad diese besitzen.
11
Die Ausführungen des Landgerichts zum Vorliegen einer Hypersexualität des Angeklagten halten aber auch deshalb revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, weil das Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Sachverständigen bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit nicht so wiedergegeben hat, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2011 – 2 StR 72/11, NStZ-RR 2011, 241; vom 8. April 2003 – 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232). Der Umstand, dass dem Angeklagten in der Vergangenheit triebdämpfende Medikamente gegeben worden waren, vermag weder die Darlegung des konkreten Krankheitsbilds der Hypersexualität noch ihrer Symptomatik beim Angeklagten zu ersetzen.
12
bb) Zudem widersprechen sich die Ausführungen der Strafkammer zum Krankheitsbild des Angeklagten. Während sie im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung die Taten auf die Hypersexualität sowie die Intelligenzminderung des Angeklagten zurückgeführt hat, hat sie bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen für die Maßregel nach § 63 StGB festgestellt, dass die Taten „Ausfluss der festgestellten psychischen Erkrankung, insbesondere der auf einer Hypersexualität aufgesattelten Paraphilie im Sinne einer Pädophilie vom regressiven Typus“ seien (UA 25). Angesichts dieser widersprüchlichen Ausführungen erschließt sich nicht, von welchem konkreten Krankheitsbild die Strafkammer letztlich ausgegangen ist.
13
cc) Schließlich bleibt auch die Diagnose einer „leichten Intelligenzminderung“ des Angeklagten unklar. Der Senat kann anhand des angefochtenen Urteils insbesondere nicht nachvollziehen, welches konkrete Ausmaß die diagnostizierte Intelligenzminderung hat. Angaben dazu, wie sie ermittelt wurde, fehlen. Im Übrigen sind die Angaben zur Verstandesleistung des Angeklagten auch teilweise widersprüchlich. So teilt das Urteil im Rahmen der Feststellungen zur Person des Angeklagten mit, dass er im Iran einen „höheren Schul- abschluss“ erreicht habe (UA 3).Allerdings stellt die Strafkammer auch fest, dass der Angeklagte eine „geistige Behinderung“ aufweise(UA 4). Dazu, wie sich dies beides miteinander und mit der diagnostizierten „leichten Intelligenz- minderung“ vereinbaren lässt, verhält sich das Urteil nicht.
14
2. Mit Blick auf die unklaren und teilweise widersprüchlichen Ausführungen des Urteils zum Krankheitsbild des Angeklagten vermag der Senat einerseits nicht auszuschließen, dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit und nicht nur im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte, andererseits ist auch das Vorliegen eines überdauernden, die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Zustands im Sinne des § 63 StGB nicht tragfähig begründet. Daher muss über den Schuldspruch und die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat einschließlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
15
3. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der ausgeurteilten Taten sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Hagen verwiesen. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, einen Sachverständigen mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet krankhafter Störungen des Sexualtriebs hinzuzuziehen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 1 3 7 / 1 5
vom
1. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juli 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Nach Aufhebung eines ersten Urteils durch Senatsbeschluss vom 17. April 2014 - 2 StR 405/12 (NJW 2014, 2738), wobei aber die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten wurden, hat das Landgericht den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen Betrugs in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ausgesprochen, dass davon zwei Monate als bereits vollstreckt gelten. In den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft hat es im Verhältnis von eins zu eins angerechnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der das Rechtsmittel in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkt hat. Die Revision hat in diesem Umfang Erfolg.

I.

2
Nach den bindend gewordenen Feststellungen zur Tat beschloss der Angeklagte im Herbst 2005 noch während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Taten, Kunden in schwierigen finanziellen Verhältnissen eine Leasingfinanzierung anzubieten und dabei Vorschusszahlungen zu verlangen. Im Februar 2006 gründete er mit dem gesondert verfolgten S. die H. mit Sitz in M. . Das Unternehmen unterbreitete Interessenten jeweils Angebote für eine Finanzierung, wobei eine Vorausgebühr ab Erteilung einer Darlehenszusage in Höhe von fünf vom Hundert der Darlehenssumme verlangt wurde. Unmittelbar nach Erbringung dieser "Sonderzahlung" übernahm eine "Refinanzierungsabteilung" des Unternehmens die Sachbearbeitung und forderte umfangreiche Bonitätsauskünfte sowie die Vorlage weiterer Unterlagen ein. Danach wurde der Vertrag jeweils mit Hinweis auf ein Verschulden des Kunden gekündigt, und die H. machte gegen die Kunden auch Schadensersatzansprüche geltend, bis diese einer Aufhebungsvereinbarung unter Verzicht auf die Rückzahlung der Vorausgebühr zustimmten. Über ausreichende Mittel oder Refinanzierungsmöglichkeiten zur Darlehensgewährung an die Kunden verfügte die H. nicht.
3
Gegenstand der Verurteilung sind Sonderzahlungen von Kunden aufgrund von Darlehenszusagen durch Mitarbeiter der H. . In einem Teil der Fälle hatte der Angeklagte, der als faktischer Geschäftsführer des Unternehmens aufgetreten war, neben anderen Personen selbst am Vertragsabschluss mitgewirkt. Andere Fälle hat ihm das Landgericht als uneigentliches Organisationsdelikt zugerechnet.

II.

4
Die Rechtsmittelbeschränkung in der Revisionshauptverhandlung, welcher der Generalbundesanwalt zugestimmt hat, ist wirksam.
5
Der Senat schließt - unbeschadet des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Prüfung der §§ 20, 21 StGB (dazu sogleich unter III.) - aus, dass ein neues Tatgericht zu der Feststellung der Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gelangen würde. Dagegen sprechen unter anderem die Vorausplanung der Tat bereits in der Haft und die lange Dauer des komplexen Tatgeschehens.

III.

6
Die Revision hat im verbleibenden Umfang Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind, auch soweit sie doppelrelevant wirken , bereits bindend geworden, was der Senat klargestellt hat.
7
1. In dem vom Senat aufgehobenen ersten Urteil war das Fehlen der Fähigkeit des Angeklagten zur Einsicht in das Unrecht der Betrugshandlungen nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen worden. Nunmehr hat das Landgericht angenommen, zur Tatzeit habe der Angeklagte mit Unrechtseinsicht gehandelt. Seiner Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung nach dieser Einsicht habe keine schwere andere seelische Abartigkeit entgegengestanden. Seine Feststellung vorhandener Unrechtseinsicht ist rechtsfehlerfrei. Jedoch unterliegt die Verneinung einer erheblichen Verminderung des Hemmungsvermögens durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
2. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der heute 62jährige Angeklagte unter einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen. Schon als Kind hatte er Geld entwendet, um sich mit Zuwendungen Freundschaften zu erkaufen. Nie nahm er später eine intime Beziehung auf. Sein gesamtes Streben als Erwachsener war darauf gerichtet, die Mitarbeiter seiner Unternehmungen an sich zu binden, die er als „Ersatzfamilie“ betrachtete und in eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten einbezog. Er unterstützte nicht nur seine Mitarbeiter finanziell, sondern sogar die Eltern der zum Personal der H. gehörenden Brüder S. . Der Angeklagte reagierte "indigniert bis beleidigt", wenn sich die Mitarbeiter seinem Wunsch nach engem Kontakt verschlossen.
9
Das Landgericht hat ausgeführt, zwar liege das Vollbild einer Persönlichkeitsstörung vor; jedoch habe diese Störung nicht dasselbe Belastungsgewicht wie eine seelische Krankheit. Sie erfülle nicht das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne von § 20 StGB.
10
Die Störung habe allerdings dazu geführt, dass der Angeklagte sich in der gesamten Tatstruktur ein Konstrukt geschaffen habe, in welchem er nicht nur beruflich, sondern auch im Persönlichen der "Chef" gewesen sei. Die Störung sei in seiner Persönlichkeit absolut prägend. Aufgrund einer Selbstwertstö- rung habe er eine Rolle eingenommen, die ihn besonders „großartig“ erschie- nen ließ. In Fantasien über einen Finanzierungserfolg und der Behandlung des gesondert verfolgten S. als seinen künftigen "Nachfolger" im Sinne dynastischer Großkonzerne seien narzisstische Züge zu erkennen. Er habe sich in Beziehungen verstrickt, über deren Motivation man nur spekulieren könne und die scheitern mussten, weil er seine "Ziehsöhne" stets nach seinen Vorstellungen "umzugestalten" versucht habe.
11
Gleichwohl habe die Störung das Leben des Angeklagten nicht vergleichbar schwer und mit ähnlichen sozialen Folgen beeinträchtigt, wie eine krankhafte seelische Störung. Sein "soziales Funktionsniveau" sei dafür zu hoch gewesen. Eine stereotype Lebensgestaltung wie bei einem Drogenabhängigen habe nicht vorgelegen, sondern ein unauffällig strukturierter Tagesablauf, der sowohl Arbeit als auch Freizeitverhalten eingeschlossen habe. Beruflich wie privat habe der Angeklagte ein Maß an Flexibilität gezeigt, das von einem Menschen mit einer krankhaften seelischen Störung nicht erwartet werden könne. Er sei auch grundsätzlich in einer Weise kontaktfähig gewesen, wie sie "von einem Patienten mit einer krankhaften seelischen Störung - etwa mit einem psychotischen Residualsyndrom - keinesfalls zu erwarten" gewesen sei. Probleme bei der Affektregulation und ähnliche störungsbedingte Beeinträchtigungen seien nicht zu beobachten gewesen. Vor diesem Hintergrund sei festzustellen , dass die Einsicht des Angeklagten in das Unrecht der Serientaten nicht ausgeschlossen gewesen sei.
12
b) Gegen diese Beurteilung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Sie lenken den Blick auf die Unrechtseinsicht des Angeklagten und vernachlässigen die Frage einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens.
13
aa) Richtig ist zwar, dass nicht bereits die gesicherte Diagnose einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Anteilen mit einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" in § 20 StGB gleichzusetzen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52). Jedoch kann das Eingangsmerkmal im Einzelfall bei einem solchen Befund erfüllt sein. Dabei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit von Bedeutung.
14
Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist im Allgemeinen maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des Delikts zu Einschränkungen des sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH aaO). Insoweit ist die Unterscheidung von beruflichen und privaten Aktivitäten des Angeklagten dadurch erschwert, dass seine vielfältigen "privaten" Aktivitäten - "durchgängig" unter Einbeziehung der Mitglieder seiner "Ersatzfamilie" - gerade Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung waren. Im Vordergrund der Prüfung müssten daher die Wahrnehmung der eigenen und anderer Personen, die emotionalen Reaktionen , die konkrete Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und die Impulskontrolle stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6). Damit hat sich das Landgericht unter einem falschen Blickwinkel beschäftigt.
15
So wäre etwa auch die Unfähigkeit des Angeklagten, eine intime Partnerschaft einzugehen und deren vollständige Ersetzung durch die intensive berufliche wie private Beziehung zu den Mitarbeitern als Ausdruck der Störung in die Gesamtschau einzubeziehen. Deshalb grenzt die landgerichtliche Annahme des Vorliegens eines normalen Sozialverhaltens mit "hohem Funktionsniveau" ein nur scheinbar intaktes Privatleben in unzutreffender Weise von Störungssymptomen ab. Zumindest hat das Landgericht die Bedeutung dieses Aspekts im Unklaren gelassen, indem es angemerkt hat, über die Gründe dafür, dass der Angeklagte zweifelhafte Beziehungen mit Personen aufgenommen hat, die ihn - wie er wusste - stets ausgenutzt haben, können "nur spekuliert" werden.
16
bb) Das Landgericht hat die Zielrichtung der Prüfung, ob ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB vorliegt und die Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB erheblich beeinträchtigt war, im Hinblick auf die Frage des Hemmungsvermögens vernachlässigt, weil es sich auf die Frage der Unrechtseinsicht konzentriert hat. Auch deshalb hat es eine fragwürdige Gewichtung der Störung vorgenommen.
17
Die Entscheidung, ob das Hemmungsvermögen des Angeklagten zur Tatzeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfolgt prinzipiell mehrstufig (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2012 - 1 StR 15/12, StV 2013, 694); jedoch sind die Prüfungspunkte miteinander verzahnt (vgl. zur Problematik Fischer, StGB 62. Aufl. § 20 Rn. 5, 5a m.w.N.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine Störung im psychiatrischen Sinn vorliegt, was hier mit dem "Vollbild einer Persönlichkeitsstörung" eindeutig der Fall ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung im Hinblick auf das Vorliegen eines Eingangsmerkmals und anschließend die Erheblichkeit des Einflusses auf das Hemmungsvermögen gemäß § 21 StGB zu untersuchen. Hierzu ist der Richter jeweils für die Tatsachenbewertung auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen. Gleichwohl handelt es sich bei der Frage des Vorliegens eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befundes wie bei der Prüfung erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit um Rechtsfragen. Diese Fragen hat das Landgericht nicht in einer nachvollziehbaren Weise beantwortet.
18
Sein Vergleich der Bedeutung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten mit der Beeinträchtigung eines Drogensüchtigen wirkt unpassend. Jedenfalls hat die Strafkammer nicht näher überprüft, inwieweit die störungsbedingte Sucht des Angeklagten danach, die Mitglieder seiner Ersatzfamilie an sich zu binden, sein Sozialverhalten und das hiermit auf das Engste verknüpfte Tatverhalten beherrscht hat. In diese Prüfung wäre zudem der festgestellte Konsum des angstlösenden Medikaments Lorazepam (Tavor) als konstellativer Faktor einzubeziehen gewesen.
19
Schließlich liegt der Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe die Abläufe in dem - ausschließlich auf Betrug ausgerichteten - Unternehmen zu organisieren und dabei auch Verträge zu entwerfen vermocht, was ein Mensch im Residualsyndrom einer Psychose nicht hätte leisten können, ein fehlerhafter Vergleich zu Grunde. Die Fähigkeit zu einem bestimmten Handeln des Täters enthält keine abschließende Aussage über seine Möglichkeit, ausreichende Hemmungen gegen dieses Handeln aufzubauen. Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 417/12
vom
19. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. bestehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Nachstellung, in drei Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatri- schen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte leidet an einer schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), die sich in den letzten zehn bis zwanzig Jahren entwickelt hat und seit dem Jahr 2009 ausgeprägt vorliegt. Neben formalen und inhaltlichen Denkstörungen treten massive Affektstörungen und paranoide Symptome auf. Die Persönlichkeit des Angeklagten weist dar- über hinaus autistische Züge auf. Auf Grund eines sog. „Liebeswahns“nimmt er die Beziehung zu einer Frau vollkommen irreal wahr. Deren für jedermann ersichtliche Abwehrhaltung deutet er als ein Zeichen von Zuneigung. Die paranoide Symptomatik kommt darin zum Ausdruck, dass er sich sehr leicht angegriffen fühlt und dann aggressiv reagiert. Im Affekt zeigen sich Auffälligkeiten im Sinne einer situativ auslösbaren Aggressivität und Explosivität. Es kommt zu unangemessenen affektiven Reaktionen. Kritikfähigkeit, Realitätsprüfung und Empathiefähigkeit fehlen völlig. Insgesamt bietet er das Bild eines hochgradig verschrobenen, bizarr wirkenden, autistischen und chronischen Schizophrenen (UA S. 23). Das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB ist erfüllt. Nach Auffassung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Angeklagte bei Begehung der verfahrensgegenständli- chen Taten „bei abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ in seiner Steuerungs- fähigkeit erheblich vermindert. Bei den Taten zum Nachteil der Zeugin V. (Nebenklägerin) beruhe dies auf dem stark ausgeprägten Liebeswahn, hinsichtlich der Taten zum Nachteil der Zeugin B. und der Polizeibeamten auf paranoidem Erleben und Störungen des Affekts.
4
Taten im Zusammenhang mit der Nebenklägerin (Fälle III. 1 a und b)
5
a) Tatzeitraum vom 20. Mai 2009 bis 3. März 2011
6
In einer Vielzahl von Fällen parkte der Angeklagte seinen Pkw in der Nähe der Wohnung der Nebenklägerin und beobachtete diese. Als die Nebenklägerin an einem Tag zur Bank fahren wollte, verfolgte sie der Angeklagte mit seinem Pkw über einen Zeitraum von ca. einer Stunde, wobei er immer wieder dicht und bedrängend auffuhr. In dem Tatzeitraum warf der Angeklagte mindestens 22 Briefe persönlich in den Briefkasten der Nebenklägerin ein, in denen er in konfuser und zum Teil bedrohlicher Art zum Ausdruck brachte, dass die Zeugin und er füreinander bestimmt seien. Sie habe sich seinem Willen unterzuordnen. Er habe ein moralisches Recht auf die Nebenklägerin, die sein Lebenselixier sei. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 untersagte das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, sich der Nebenklägerin, ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Der Angeklagte empfand den Antrag auf Anordnung eines Näherungsverbotes nicht als Ablehnung seiner Person, sondern reagierte erfreut , weil ihm dies aus seiner Sicht zeigte, dass die Nebenklägerin sich mit ihm beschäftigte. Fortan war er nahezu ständig präsent. Unter anderem wartete er am Bahnsteig, als die Nebenklägerin von einer Geschäftsreise zurückkehrte. Anlässlich einer Fahrradfahrt, die die Nebenklägerin unternahm, stellte sich der Angeklagte auf einsamer Strecke plötzlich und unerwartet in den Weg. Ab Februar 2011 begann der Angeklagte, auch den Bereich der Arbeitsstelle der Ne- benklägerin aufzusuchen, schrieb einen Brief an deren Arbeitgeber und beobachtete stundenlang das Firmengebäude.
7
Am 9. Oktober 2010 trafen die Polizeibeamten K. und D. den Angeklagten in unmittelbarer Nähe der Wohnung der Nebenklägerin an und wollten eine Personalienfeststellung durchführen. Als der Polizeibeamte K. den eine ablehnende Haltung einnehmenden Angeklagten am Arm fasste, drehte sich dieser abrupt um und holte mit dem Arm zum Schlag aus. Er wurde daraufhin fixiert und zur Wache verbracht. Als die Polizeibeamtin D. versuchte , dem Angeklagten die Schuhe auszuziehen, trat er ihr gegen den linken Unterarm. Dabei erlitt die Beamtin Hautabschürfungen.
8
b) Tatzeitraum vom 11. August 2011 bis 27. November 2011
9
Wegen Zuwiderhandlung gegen das mit Beschluss des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 28. Oktober 2010 angeordnete Näherungsverbot wurde gegen den Angeklagten am 1. März 2011 Ordnungshaft verhängt, die er in dem Zeitraum vom 18. Juli 2011 bis zum 7. August 2011 verbüßte. Nach Vollzug der Ordnungshaft intensivierte er seine Annäherungshandlungen gegenüber der Nebenklägerin. Bis zu der am 2. Dezember 2011 beginnenden erneuten Ordnungshaft erhielt sie nahezu täglich Briefe des Angeklagten, deren Inhalte zunehmend bizarrer wurden. Am 15. August 2011 verfolgte er die Nebenklägerin mit dem Fahrrad, als diese einen Bekannten aufsuchte. Am 16. und 18. August 2011 stand er gut sichtbar vor ihrem Wohnhaus und am 24. August 2011 hielt er sich auf dem Gelände des Arbeitgebers der Nebenklägerin auf, so dass diese ihn wahrnehmen musste. Mit Briefen vom 31. August und 4. September 2011 übersandte er eine Damenquarzuhr bzw. drei Musik-CDs als Geschenke. Ebenfalls am 4. September 2011 warf er einen ausführlichen Brief, dem Glüh- birnen für die Kfz-Beleuchtung beigefügt waren, in den Briefkasten der Arbeitsstelle der Nebenklägerin. In einem Brief vom 7. September 2011 pries er – wie häufig – das Aussehen der Nebenklägerin und entwickelte eine abstruse For- mel, in der er den „Schönheitsfinanzierungsidealwert“ ihrer „Emanzipationsfeminisierungsautoselbstfahrfreizeitlichkeitsrealitätsperson“ zu dem Gesamtge- wicht der Erde in „imaginären 1039 DM-Scheinen“ in Relation setzte. Ferner teilte er mit, dass er „das Recht“ habe,sie und ihren Sohn J. „entlästigend umsonst zu erhalten“ (UA S. 17).
10
Am 10. September 2011 begab sich der Angeklagte wiederum zum Wohnhaus der Nebenklägerin, die daraufhin die Polizei benachrichtigte. Die Polizeibeamten Kl. und S. trafen den Angeklagten ca. 150 Meter von der Wohnung der Nebenklägerin entfernt an und forderten ihn auf, sich zu entfernen. Dies verweigerte der Angeklagte. Er wurde aggressiv und fing zu schreien an, wobei er den Polizeibeamten S. als „dämlich“ bezeichnete. Nach Ingewahrsamnahme des Angeklagten weigerte er sich, in den Zellentrakt zu gehen und sperrte sich dagegen, indem er sich wegdrehte und stehen blieb. Die Polizeibeamten brachten ihn schließlich „gegen seinen Widerstand“ in eine Zelle und zogen dem sich sträubenden Angeklagten die Schuhe aus. Am 21. September 2011 trafen ihn die Polizeibeamten Kl. und D. beim Einwerfen eines Briefes in den Hausbriefkasten der Nebenklägerin an. Zur Durchsetzung des ausgesprochenen Platzverweises wurde der aggressiv reagierende Angeklagte auf die Polizeiwache Wanne-Eickel verbracht. Dort spuckte er auf das Hemd des Polizeibeamten Kl. .
11
Zu den Tatfolgen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
12
Die Nebenklägerin ist durch die Handlungen des Angeklagten psychisch und physisch erheblich beeinträchtigt (Schlafstörungen, Panikattacken, Unruhezustände , Atemnot, schwere Magen-Darmprobleme, Tinnitus). Sie nimmt seit ca. Oktober 2009 in akuten Phasen Anti-Depressiva ein und hat sich in therapeutische Behandlung begeben. Auf Grund psychosomatischer Beschwerden entwickelte sie Essstörungen, die zu einer Gewichtsabnahme führten. Zeitweise konnte sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes ihrer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und war in drei Fällen für mehrere Tage arbeitsunfähig. Bevor sie abends nach Hause zurückkehrte, erkundigte sie sich zunächst telefonisch bei Nachbarn, ob der Angeklagte ihr in seinem Pkw in Wohnungsnähe auflauerte. Aus Angst vor dem Angeklagten konnte sie nicht mehr allein spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Sie hat das Grundvertrauen, sicher zu sein, wenn sie ihre Wohnung verlässt, verloren (UA S. 13 und S. 20). Dieser Zustand hat sich nach der erneuten Inhaftierung des Angeklagten am 3. Dezember 2011 nur eingeschränkt gebessert. Bei Fortsetzung seines Tuns ist davon auszugehen , dass die Nebenklägerin an einer schweren Depression erkranken werde (UA S. 21).
13
Taten zum Nachteil der Zeugin B. (Fälle III. 2 a und b)
14
Als die Nachbarin B. am 17. Juni 2011 gegen 23.25 Uhr in den Kellerräumen des Wohnanwesens des Angeklagten diesen höflich fragte, ob er seine Wohnung wegen der austretenden Gerüche künftig gelegentlich lüften könnte, nahm er dies auf Grund „seiner paranoiden Vorstellungswelt und seiner Affektstörungen“ zum Anlass, die Zeugin gegen eine Wand des Kellerraums zu sto- ßen (schmerzhafte Prellung am linken Arm).
15
Bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Zeugin B. am 30. Juni 2011 gegen 23.00 Uhr wiederholte diese ihre Bitte um bessere Lüftung der Wohnung. Der Angeklagte drückte die Zeugin daraufhin mit der flachen Hand gegen eine Wand (starke Schwellung und Hämatom am Unterarm).
16
2. Das Landgericht geht – sachverständig beraten – davon aus, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der keine Krankheitseinsicht zeigende Angeklagte werde in Freiheit mit größter Wahrscheinlichkeit erneut ähnliche Handlungen, insbesondere Nachstellungen und Körperverletzungen, begehen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch Straftaten von höherem Gewicht begehen könnte. Erheblichere Körperverletzungen seien möglich. Sollte er sich künftig von der Nebenklägerin fernhalten, sei ein Wechsel des Stalkingopfers zu erwarten (UA S. 24).

II.


17
Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Tatbestand der Nachstellung in zwei Fällen erfüllt ist.
19
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (BGH, Beschlüsse vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 193, und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 654/10, WuM 2011, 295, 296). Die Handlungen des Angeklagten erfüllen in beiden Tatzeiträumen die Voraussetzungen des Nachstellens in den Tatvarianten des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. Auch das tatbestandlich vorausgesetzte beharrliche Handeln des Täters ist hier gegeben. Da der Tatbestand vom Gesetzgeber jedoch als Erfolgsdelikt ausgestaltet worden ist, muss die Tathandlung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führen. Der Begriff der Lebensgestaltung umfasst ganz allgemein die Freiheit der menschlichen Entschlüsse und Handlungen (BT-Drucks. 16/575 S. 7). Sie wird beeinträchtigt, wenn durch die Handlung des Täters eine Veränderung der äußeren Lebensumstände erzwungen wird. Die Beeinträchtigung muss zudem schwerwiegend sein (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 196 f.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 22 ff.).
20
Insofern zeigen die Urteilsgründe nicht hinreichend auf, dass dieser Erfolg bereits durch die verfahrensgegenständlichen einzelnen Handlungen des Angeklagten eingetreten ist. Denn das Landgericht stellt im Rahmen des Grundtatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB rechtsfehlerhaft in erster Linie auf die erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin und deren psychosomatische Auswirkungen ab. Zu der entscheidenden Frage, ob und inwieweit die Nebenklägerin zu gravierenden, nicht mehr hinzunehmenden Modifikationen ihrer äußeren Lebensgestaltung gezwungen war (z.B. Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Treffen besonderer Schutzvorkehrungen beim Verlassen der Wohnung bzw. in den Nachtstunden, Aufgeben erheblicher Teile von Freizeitaktivitäten), werden ohne jede zeitliche Einordnung nur knappe und pauschale Feststellungen getroffen, die sich konkreten Nachstellungs- handlungen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einer sukzessiven Tatbegehung einzelne Handlungen des Täters erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen können – nicht zuordnen lassen. Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen in zwei tatmehrheitlich begangenen Fällen jeweils zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der äußeren Lebensgestaltung geführt haben, ist somit nicht möglich.
21
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen verurteilt hat, fehlt jegliche rechtliche Subsumtion. Angesichts der Vielzahl von möglicherweise strafbaren Verhaltensweisen des Angeklagten , die in dem Urteil geschildert werden (UA S. 9 – 22), ist unklar, welche Handlungen des Angeklagten – über die beiden Taten zum Nachteil der Nachbarin B. hinaus – das Landgericht als tatbestandsmäßig im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB gewertet hat. Gleiches gilt, soweit das Landgericht von einer tateinheitlich verwirklichten Beleidigung ausgegangen ist. Auch hier ist unklar, welche Verhaltensweise des Angeklagten dem Schuldspruch zu Grunde liegt.
22
3. Die Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei Fällen (§ 113 Abs. 1, § 53 StGB) begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
Hinsichtlich der Tat vom 9. Oktober 2010 sind die Feststellungen widersprüchlich und tragen die Verurteilung nicht. Auf UA S. 14 wird ausgeführt, dass dem Angeklagten der „Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Herne-Wanne“ bekannt gewesen sei und er gewusst habe, „dass die Beamten zur Durchsetzung des Beschlusses berechtigt waren“. Demgegenüber stellt das Landgericht auf UA S. 11 fest, dass das Amtsgericht Herne-Wanne dem Angeklagten erst mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 verboten hat, sich der Nebenklägerin bzw. ihrer Wohnung oder Arbeitsstelle auf weniger als 200 Meter zu nähern. Danach ist ausgeschossen, dass die Polizeibeamten zur Durchsetzung dieses Näherungsverbots tätig geworden sind.
24
Bei der Tat vom 10. September 2011 ist die Tathandlung des „Widerstandleistens“ nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Indem der Angeklagte sich weigerte, in den Zellentrakt zu gehen, und sich lediglich wegdrehte, hat er noch nicht „mit Gewalt“ Widerstand geleistet. Es fehlt an einem auf körperlicher Kraftentfaltung beruhenden, tätigen Handeln gegen die Polizeibeamten (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 113 Rn. 23). Soweit die Polizeibeamten den Angeklagten „gegen seinen Widerstand“ in die Zelle brachten und „dem sich sträu- benden Angeklagten“ die Schuhe auszogen, lassen sich dem Urteil keine kon- kreten Feststellungen zur Art und Weise der Tathandlung entnehmen.
25
Zur Tat vom 21. September 2011 teilt das Landgericht lediglich mit, dass der „aggressiver werdende Angeklagte“ zur Durchsetzung des Platzverweises auf die Polizeiwache verbracht wurde. Ein im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiges Widerstandleisten ist nicht ersichtlich.
26
4. Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind rechtsfehlerhaft.
27
Die Strafkammer kommt nach sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis , der Angeklagte sei bei der Tatbegehung, wenn auch erheblich vermin- dert, schuldfähig gewesen; bei „abstrakt bestehender Einsichtsfähigkeit“ sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Woraus sich die (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt, ist jedoch nicht dargelegt. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte seit vielen Jahren an einer unbehandelten schizophrenen Psychose des Typs undifferenzierte Schizophrenie (ICD 10 F 20.3), wobei es zu massiven formalen und inhaltlichen Denkstörungen sowie zu erheblichen Affektstörungen und paranoidem Erleben kommt. Seit dem Jahr 2009 ist eine stetige Steigerung seines krankhaften Verhaltens zu beobachten. Er wirkte hochgradig verschroben und bizarr. Dieses schizophrene Krankheitsbild war auch während der Hauptverhandlung offen erkennbar (UA S. 27/28). Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer konkret darlegen müssen, woraus sich (nach der von ihr geteilten Meinung des Sachverständigen) trotz der chronischen Schizophrenie des Angeklagten seine (nur erheblich verminderte) Schuldfähigkeit ergibt. Jedenfalls bei akuten Schüben einer Schizophrenie und in der „Endphase“ einer Schizophrenie – die Erkrankung des Angeklagten besteht seit geraumer Zeit – ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist. Häufig wird bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/95, MDR 1995, 1090; Beschluss vom 16. Januar 2003 – 1 StR 531/02, bei Theune NStZ-RR 2004, 161, 166; Beschluss vom 16. Mai 2007 – 2 StR 96/07; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Der Tatrichter wäre daher gehalten gewesen , unter Würdigung des gesamten Beweisergebnisses und unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Gutachters sich mit der Frage auseinanderzusetzen , ob der Angeklagte die Taten während akuter Schübe (oder während eines lang dauernden Schubes) begangen hat. Nach dem mitgeteilten Ergebnis der Beweisaufnahme liegen deutliche Anzeichen dafür vor, dass die Taten während akuter Schübe begangen wurden. Denn der Angeklagte wurde ab dem Jahr 2009 zunehmend aggressiver und steigerte sich immer weiter in seine wahnhafte Vorstellung hinein, die Nebenklägerin und er seien auf ewige Zeiten füreinander bestimmt.
28
§ 20 StGB setzt voraus, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit „bei Begehung der Tat“ aufgehoben sind. Die Schuldfähigkeit ist in Bezug auf jede einzelne Tat zu prüfen. Erforderlich ist stets die konkretisierende Darstellung , in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307; vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 47). Dies verkennt die Straf- kammer, indem sie – dem Sachverständigen folgend – allein auf die „abstrakt bestehende Einsichtsfähigkeit“ abstellt.
29
Nach alledem kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Hiervon unberührt bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der Nachstellungshandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin (§ 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) und der vorsätzlichen Körperverletzungen zum Nachteil der Zeugin B. . Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen wurden, können sie bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.

III.


30
Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat keinen Bestand.
31
1. Da das Landgericht die Voraussetzungen von § 20 StGB oder § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bedarf die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12). Eine Unterbringungsanordnung kann nicht auf die Prognose des Revisionsgerichts gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 – 1 StR 268/05, MDR 1995, 1090).
32
2. Die Gefährlichkeitsprognose begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
33
Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Dies muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die Annahme einer gravierenden Störung des Rechtsfriedens setzt regelmäßig voraus, dass die zu erwartenden Delikte wenigstens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen. Die gebotene Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschlüsse vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12 und vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12). Diesem Maßstab werden die Erwägungen des Landgerichts nicht gerecht. Die bislang getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten belegen die wegen des gravierenden Eingriffs in die persönliche Freiheit erforderliche Tatschwere nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als sich die Kammer bei der Feststellung der Tatfolgen der Nachstellungen nicht erkennbar hat sachverständig beraten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10). Wesentliche Grundlage der Entscheidung des Landgerichts zu § 63 StGB ist zudem die Prognose, dass erheblichere Körper- verletzungen lediglich „möglich“ seien und Straftaten von höherem Gewicht „nicht ausgeschlossen“ werden könnten (UA S. 24). Damit fehlen Feststellun- gen zum Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades.
34
Die Sache bedarf daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Zur Vorbereitung der erforderlichen umfassenden und gründlichen Exploration des Angeklagten, die bislang unterblieben ist, wird das Tatgericht die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

34
aa) Indem das Landgericht – insoweit beiden Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen, musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist , die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen, wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16 mwN). Wird aber eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens nahe (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 43 sowie Beschlüsse vom 16. Mai 1991 – 4 StR 204/91, BGHR StGB Seelische Abartigkeit 20 und vom 6. Mai 1997 – 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 31).
16
aa) Indem das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen , musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137 und vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Denn für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist es maßgebend , ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN).

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 0 9 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerinnen O. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin D. ,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 17. Februar 2014 1. im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon - in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, - in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und - in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon - in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, - in sieben Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und des Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig ist, 2. im Straf- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 119 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern, in elf Fällen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in zwei Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, ferner wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger und in neun Fällen in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen , außerdem wegen Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Außerdem hat es ausgesprochen , dass der Angeklagte allen Nebenklägerinnen jeweils ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro nebst "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" zu zahlen hat, für die Nebenklägerinnen A. und S. O. ab dem 29. Januar 2014, für die Nebenklägerinnen W. und Or. ab dem 14. Februar 2014. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte an einer sexuellen Deviation im Sinne einer Kernpädophilie. Seit Anfang der 1980er Jahre empfindet er sexuelles Interesse an Mädchen im vorpubertären Alter. Im Herbst 1980 kam es zu einem ersten sexuellen Übergriff auf die damals fünf oder sechs Jahre alte Schwester seiner Freundin. Es folgte eine Vielzahl sexueller Übergriffe auf Mädchen aus dem Umfeld des Angeklagten.
3
Im Zeitraum von 1994 bis 1996 beging der Angeklagte mehrfach sexuellen Missbrauch der Nebenklägerin D. dadurch, dass er das Kind an der Scheide streichelte. Ab 1998 missbrauchte er die Nebenklägerin Or. , indem er das Kind an der Scheide streichelte, es dazu veranlasste, an seinem Glied zu reiben oder versuchte, mit seinem Glied einzudringen. Ab 2003 beging er ähnliche Taten zum Nachteil der Nebenklägerin W. , wobei er in einem Teil der Fälle mit seinem Glied oder mit einem Finger in sie eindrang und in einer Reihe von Fällen den Missbrauch beging, während sich das Kind schlafend stellte. Von 2007 bis 2013 missbrauchte der Angeklagte die Nebenklägerin A. O. und von 2009 bis 2013 auch die Nebenklägerin S. O. . Einige der Vorfälle filmte er mit einer Kamera.
4
Vom 5. April 2011 bis zum 31. Juli 2012 machte der Angeklagte kinderpornographische Filmdateien über eine Internettauschbörse anderen Internetnutzern zugänglich. Weil der Angeklagte seinen Computer über ein bis zwei Wochen hinweg durchgängig laufen ließ, hat das Landgericht sieben selbständige Handlungen des Zugänglichmachens kinderpornographischer Schriften angenommen.
5
Der Angeklagte verfügte zurzeit der Durchsuchung seiner Wohnung über mindestens 2.000 kinderpornographische Dateien.

II.

6
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
7
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 24. Oktober 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
8
2. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen den Schuldspruch richtet, führt sie nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs, weil das Landgericht übersehen hat, dass § 201a StGB erst nach Begehung der Taten in den Fällen 59 bis 61 in Kraft getreten ist. Insoweit muss die tateinheitliche Verurteilung wegen dieses Tatbestands in diesen Fällen entfallen.
9
3. Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
10
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei keiner der Taten gemäß § 21 StGB in seiner Unrechtseinsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
11
Die Strafkammer hat sich bei ihrer Einschätzung auf den gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Dieser ist zunächst davon ausgegangen, eine schwere andere seelische Abartigkeit des Angeklagten sei nicht anzunehmen. Zu den Auswirkungen der festgestellten Pädophilie hat er später angemerkt, es sei nicht auszuschließen, dass die sexuelle Deviation das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht habe; jedoch sei nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. Daraus hat das Landgericht entnommen, selbst wenn man die Pädophilie "als schwere andere seelische Abartigkeit einstufe", habe diese "keine Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten gehabt.
12
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei der Begehung der jeweiligen Tat erheblich vermindert war, besteht in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13, NStZ 2013, 519, 520). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Die anschließende Frage der Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens ist eine Rechtsfrage, die das Tatgericht selbst zu beantworten hat, nicht der Sachverständige (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 - 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 77; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53).
13
Wird im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit als Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB bejaht, so liegt wegen der damit festgestellten Schwere der Abartigkeit auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Steuerungsvermögens gemäß § 21 StGB nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - 4 StR 204/91, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 20; Beschluss vom 6. Mai 1997 - 1 StR 17/97, BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 31; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 21 Rn. 8). Dies hat das Landgericht nicht bedacht , als es die Frage nach dem Vorliegen eines Eingangsmerkmals offen gelassen und die Frage der Erheblichkeit einer hieraus gegebenenfalls resultierenden Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit verneint hat.
14
Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung jedenfalls für einen Teil der abgeurteilten Taten eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten anzunehmen ist. Eine festgestellte Pädophilie kann im Einzelfall die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer hierdurch erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit rechtfertigen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements beim Vorgehen und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170; Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; Beschluss vom 10. September 2013 - 2 StR 321/13, NStZ-RR 2014, 8, 9). Insoweit könnten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine gedankliche Einengung des Angeklagten auf sexuelle Handlungen mit Kindern und eine Progredienz der lange andauernden Fehlentwicklung festzustellen sein, die in den letzten Jahren, in denen der Angeklagte zur gleichen Zeit sexuelle Handlungen an mehreren sehr jungen Kindern vornahm und auch nicht mehr mit seiner Ehe- frau sexuell verkehrte, zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB geführt haben. Ob und in welchem zeitlichen Umfang dies der Fall ist, kann der Senat anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, weshalb er den Strafausspruch im Ganzen aufhebt.
15
b) Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler bei der Prüfung von § 21 StGB auch Auswirkungen auf die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat, die gemäß § 66 Abs. 2 StGB eine Ermessensentscheidung anhand aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls erfordert. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls zu erwägen haben, ob der Angeklagte bei Eingreifen von § 21 StGB gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 5 StR 104/10; NStZ-RR 2011, 170).
16
4. Der Ausspruch über die Adhäsionsanträge bleibt von der Aufhebung des strafrechtlichen Rechtsfolgenausspruchs unberührt. Über seine Aufhebung ist vom neuen Tatrichter auf der Grundlage der Ergebnisse der neuen Hauptverhandlung zu entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, StV 2015, 292, 293).
17
Der Senat weist darauf hin, dass er mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 (ZfSch 2015, 203 ff.) bei den anderen Strafsenaten und bei dem Großen Senat des Bundegerichtshofs für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt hat, ob an Rechtsprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermö- gensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem fordert. Der Senat beabsichtigt , diese Rechtsprechung, von der das Landgericht ausgegangen ist, aufzugeben. Nach seiner Ansicht kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht an. RiBGH Dr. Appl ist Krehl Eschelbach an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl Ott RiBGH Zeng ist an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Krehl

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.