Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2016 - 1 StR 501/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 14. Juni 2016 im Strafausspruch und hinsichtlich der Anordnung von Vorwegvollzug der angeordneten Maßregel aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug zu einem Jahr Freiheitsstrafe angeordnet.
- 2
- Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber hinsichtlich des Straf- ausspruchs und der getroffenen Anordnung zum Vorwegvollzug der Maßregel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
II.
- 3
- Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung des Strafausspruchs sowie der Anordnung des Vorwegvollzugs der angeordneten Maßnahme. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 4
- Die Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB und die darauf beruhende Strafrahmenbestimmung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Schwurgericht eine mögliche Alkoholerkrankung des Angeklagten nicht erwogen hat. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer abgelehnt, denn der Angeklagte habe gewusst, dass er unter Alkoholeinfluss zu Kontrollverlusten und zur Begehung von Straftaten neige. Weder eine mehrjährige Entziehungstherapie im Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB noch eine mehrwöchige stationäre Entwöhnungstherapie , die er nach seiner Haftentlassung im Jahr 2015 durchführte, hätten zu einer Alkoholabstinenz geführt (UA S. 30). Die Strafrahmenbestimmung kann keinen Bestand haben. Zwar können Umstände, welche die Schuld erhöhen, zur Versagung der Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen. Dies kann bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit dann der Fall sein, wenn sie auf einer selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist, insbesondere wenn der Täter wusste, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt, aber trotzdem Alkohol trinkt. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist nur dann nicht verschuldet, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung , bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als ein die Schuld erhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08, NStZ 2009, 258; Beschluss vom 23. April 2014 - 1 StR 105/13). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen lassen es als naheliegend erscheinen, dass der Angeklagte im dargestellten Sinne alkoholkrank war. Eine Alkoholproblematik besteht bei ihm bereits seit seinem 14. Lebensjahr (UA S. 5, 27 f.), längere Phasen der Abstinenz erlebte er nur in den Jahren 2003 bis 2006 (Haft und Maßregel gemäß § 64 StGB - UA S. 4) und 2012 bis 2015 (Haft und freiwillige Therapie - UA S. 4 f.). Ende Mai oder Anfang Juni 2015 erlitt er mit seiner neuen Lebensgefährtin einen erneuten Rückfall. Bis zur Inhaftierung im vorliegenden Verfahren konsumierte er täglich bereits in den Morgenstunden gegen 6.00 Uhr die ersten ein bis zwei Flaschen Bier, sodann im Tagesverlauf insgesamt sechs bis acht Flaschen Bier und drei bis vier kleine Flaschen (0,1 oder 0,2 Liter) Schnaps (UA S. 5). Nach der Festnahme litt er etwa drei Tage lang unter erheblichen körperlichen Entzugserscheinungen (UA S. 5, 28). Der Sachverständige, dessen Ausführungen die Kammer beigetreten ist, ging unter klinischen Aspekten von einem schweren Abhängigkeitssyndrom aus (UA S. 28). Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer mit der Frage einer krankhaften Alkoholsucht näher auseinandersetzen müssen (vgl. BGH aaO). Daran ändert sich auch nichts, falls die Kammer ein vorwerfbares Verhalten darin gesehen haben sollte, dass der Angeklagte nach Haftentlassung und Abbruch der Therapie im Jahr 2015 nicht abstinent geblieben ist (vgl. UA S. 30). Zum einen ergeben die Feststellungen nichts zu den für eine Vorwerfbarkeit relevanten Umständen des Rückfalls, den der Angeklagte 'erlitt' (UA S. 5), nachdem er die Therapie nicht länger wahrnehmen konnte, 'da ihm hierfür eine entsprechende Kostenzusage nicht erteilt wurde' (UA S. 4). Zum ande- ren fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Rückfall und der etwa zweieinhalb Monate später begangenen Tat." Dem schließt sich der Senat an.
- 5
- Dementsprechend war der Strafausspruch sowie die Anordnung über den Vorwegvollzug der Maßnahme aufzuheben. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt. Graf Cirener Radtke Mosbacher Fischer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.