Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2011 - 1 StR 317/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
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- Soweit sich die Revision des Angeklagten gegen den Schuldspruch richtet , ist sie unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 21. Juli 2011 dargelegten Gründen, die durch die Gegenerklärung hierzu nicht entkräftet werden, insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- Demgegenüber hat der Rechtsfolgenausspruch wegen der Verletzung sachlichen Rechts - Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG - keinen Bestand.
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- Gemäß § 51 Abs. 1 BZRG dürfen dem Betroffenen - hier dem Angeklagten - eine Verurteilung und die zugrunde liegende Tat im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt worden ist oder wenn sie hätte getilgt werden müssen (Tilgungsreife).
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- In den Feststellungen zur Person des Angeklagten findet sich der Hinweis auf seine Verurteilung durch das Landgericht Aurich vom 17. Oktober 1990 - rechtskräftig am selben Tag - wegen versuchter Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Versicherungsbetrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, unter kurzer Schilderung des zugrunde liegenden Sachverhalts.
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- Bei jener Verurteilung aus dem Jahre 1990 beträgt die Tilgungsfrist 15 Jahre (§ 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG). Zum Zeitpunkt der Verurteilung des Angeklagten in diesem Verfahren am 22. November 2010 war somit längst Tilgungsreife eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass der Ablauf der Frist gehemmt war (§ 47 BZRG) - etwa wegen weiterer noch nicht tilgungsreifer Vorverurteilungen oder weil die Bewährungsstrafe noch nicht erlassen ist - sind nicht ersichtlich.
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- Schon die - vorbehaltslose - Erwähnung der früheren Verurteilung in der Hauptverhandlung und in den Urteilsgründen stellt einen unzulässigen Vorhalt und daher einen Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG dar (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 1992 - 2 StR 454/91). Dies könnte den Bestand des Rechtsfolgenausspruchs allerdings dann nicht gefährden, wenn auszuschließen wäre, dass sich der Rechtsfehler bei der Strafzumessung zum Nachteil des Ange- klagten ausgewirkt hat. Dies ist hier indes nicht der Fall; die Strafkammer hat die Vorverurteilung zum Nachteil des Angeklagten verwertet.
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- Zwar hat das Landgericht dem Angeklagten bei den allgemeinen Strafzumessungserwägungen zur Festsetzung der Einzelstrafen einen - bis zu den nunmehr abgeurteilten Taten - untadeligen Lebenslauf bescheinigt. Bei den Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung hat es festgestellt, dass die Vorstrafe einer günstigen Sozialprognose nicht entgegenstehe.
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- Jedoch hat die Strafkammer bei ihrer Entscheidung, bei allen Taten (Einzel-)freiheitsstrafen zu verhängen, auch wenn diese unter sechs Monaten liegen (§ 47 Abs. 1 StGB), die Vorverurteilung des Angeklagten einbezogen. Von den 17 Einzelfreiheitsstrafen liegen 14 unter sechs Monaten (sechs mal drei Monate, acht mal vier Monate). Die Strafkammer hat dazu folgende Erwägungen angestellt: "Die besonderen Umstände, die die Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich machen, liegen bereits in Form der Vielzahl der Taten, der organisierten Arbeitsweise und der jeweils entstandenen nicht unerheblichen Schäden vor, die insgesamt eine nicht unerhebliche kriminelle Energie des Angeklagten offenbaren. Im Übrigen ist auch die - wenn auch nicht einschlägige - Vorstrafe (vgl. Stree in Schönke /Schröder, StGB § 47 Rn. 11) zu berücksichtigen. Zwar lässt sich bei Wiederholungstätern die Unerlässlichkeit einer Freiheitsstrafe nicht schematisch bejahen (vgl. OLG Schleswig NJW 1982, 116). Die Beurteilung der Frage, ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten zur Einwirkung auf einen Wiederholungstäter wegen der in der Tat oder Persönlichkeit liegenden Umständen unerlässlich ist, hängt vielmehr - ebenso wie beim Ersttäter - von den Umständen des Einzelfalls ab. Vor dem Hintergrund der Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren im Jahr 1990, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, zeichnet sich nach dem vom Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindruck klar ab, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe das einzige Mittel ist, den Angeklagten vom Fortsetzen strafbaren Verhaltens abzubringen."
- 10
- Damit hat die Strafkammer auch der Vorverurteilung wesentliches Gewicht bei der Entscheidung nach § 47 Abs. 1 StGB beigemessen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die Vorstrafe insoweit anders entschieden hätte, und ebenso wenig, dass diese die Festsetzung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe auch sonst zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst hat.
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- Der Rechtsfolgenausspruch hat daher keinen Bestand. Mit Ausnahme derjenigen zur Vorverurteilung sind die zugehörigen Feststellungen vom Rechtsfehler nicht erfasst und können insoweit bestehen bleiben. Sie dürfen durch weitere Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, ergänzt werden.
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- Der Schriftsatz des Verteidigers vom 22. August 2011 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen. Nack Wahl Hebenstreit Graf Sander
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
(1) Die Tilgungsfrist beträgt
- 1.
fünf Jahre bei Verurteilungen - a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist, - b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist, - c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr, - d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist, - f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist, - g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
- 1a.
zehn Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn - a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt, - b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
- 2.
zehn Jahre bei Verurteilungen zu - a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen, - b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist, - c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f, - d)
(weggefallen)
- 3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, - 4.
fünfzehn Jahre in allen übrigen Fällen.
(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.
(1) Für die Feststellung und Berechnung der Frist gelten die §§ 35, 36 entsprechend.
(2) Die Tilgungsfrist läuft nicht ab, solange sich aus dem Register ergibt, daß die Vollstreckung einer Strafe oder eine der in § 61 des Strafgesetzbuchs aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung noch nicht erledigt oder die Strafe noch nicht erlassen ist. § 37 Abs. 1 gilt entsprechend.
(3) Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Eintragung einer Verurteilung, durch die eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis für immer angeordnet worden ist, hindert die Tilgung anderer Verurteilungen nur, wenn zugleich auf eine Strafe erkannt worden ist, für die allein die Tilgungsfrist nach § 46 noch nicht abgelaufen wäre.
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.