Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2010 - 1 StR 259/10
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
a) Die Verteidigung hatte in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen gestellt, der bekunden sollte, dass zwischen dem Angeklagten und einem anderen Angeklagten keine „strafbaren Beziehungen“ bestanden. Die Strafkammer hatte diesen Antrag abgelehnt, weil aus näher dargelegten Gründen nur ein Beweisermittlungsantrag vorliege und die Aufklärungs- pflicht aus ebenfalls näher dargelegten Gründen die Vernehmung des Zeugen nicht gebiete. Die auf die unterbliebene Vernehmung dieses Zeugen gestützte Aufklärungsrüge ist im Wesentlichen wie folgt begründet: Im Hinblick auf den nicht mitgeteilten und auch den Urteilsgründen nicht detailliert zu entnehmenden Inhalt von „Telefongesprächen“ - insoweit werden von der Revision nicht einmal die jeweiligen Gesprächspartner der nur durch die Angabe von Aktenseiten und anderer formaler Kriterien gekennzeichneten Gespräche genannt - „Textmeldungen und Vermerken“ sei „möglicherweise nicht gänzlich ausschließbar“, dass der Zeuge - von der Revision nicht konkret benannte - „Ausführungen machen oder Indizien benennen“ könne, die Schlüsse auf das Fehlen der strafbaren Beziehungen ermöglichten.
b) Damit ist das zu erwartende Beweisergebnis weder konkret bezeichnet (vgl. demgegenüber BGH bei Sander/Cirener NStZ-RR 2008, 4; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 51 jew. m.w.N.), noch bestimmt behauptet (vgl. demgegenüber BGH NStZ 2004, 112; Bachler in Graf StPO § 244 Rdn. 115 m.w.N.). Das Aufzeigen der bloßen - hier sogar nach eigenem Vortrag lediglich nicht gänzlich ausschließbaren - Möglichkeit, es könnten sich irgendwelche Indizien hinsichtlich der genannten ohnehin sehr abstrakt formulierten und weit gefassten Behauptung ergeben, reicht nicht aus. Schließlich erscheint die Annahme, ein Zeuge könne in umfassender Weise Angaben zu den Beziehungen zwischen zwei anderen Personen machen („keine strafbaren Beziehungen“), sehr fern liegend; daher wäre besonders eingehend darzulegen gewesen, welche Umstände zur Aufklärung drängten (vgl. BGH NStZ 2007, 165). Der bloße Hinweis auf Urkunden , deren konkreten Inhalt der Senat auf Grund der Revisionsrechtfertigung nicht erkennen kann, wird dem nicht gerecht (vgl. zusammenfassend Kuckein aaO Rdn. 39 m.w.N.). Auch die wegen der zugleich erhobenen Sachrüge ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründe (vgl. BGH bei Sander/Cirener aaO, 3 m.w.N.) ergeben keine Anhaltspunkte für das behauptete (bzw. für möglich gehaltene ) Wissen des Zeugen.
c) Ist aber eine Verfahrensrüge auch dann, wenn sie rechtzeitig angebracht worden wäre, inhaltlich nicht zulässig erhoben, so kann offen bleiben, ob ein für sich genommen ins Leere gehender Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist in einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung dieser Verfahrensrüge umgedeutet werden kann und ob die Gründe der Fristversäumung für sich genommen eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten (in vergleichbarem Sinne BGH StV 2007, 514; BGH, Beschl. vom 27. Juli 2006 - 1 StR 147/06
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.