Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2016 - 2 StR 514/15
Gericht
Tenor
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1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29. April 2015 auch soweit es die Mitangeklagten R. und N. betrifft mit den Feststellungen aufgehoben.
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2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten L. , mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils, auch soweit es die Mitangeklagten R. und N. betrifft.
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Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung des angefochtenen Urteils hat ergeben, dass das Landgericht das Verfahren 932 Ls 55/14 jug Amtsgericht Güstrow nicht wirksam übernommen hat.
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1. Nachdem das Amtsgericht Güstrow die alle drei Angeklagte betreffende Anklage der Staatsanwaltschaft Rostock wegen des Vorwurfs des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung mit Beschluss vom 9. Oktober 2014 unverändert zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet hatte, hat es das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 5. November 2014 gemäß § 225a Abs. 1 Satz 1 StPO dem Landgericht zur Übernahme vorgelegt (VA Bd. II Bl. 144 ff.). Ein Übernahmebeschluss der Strafkammer in einer von allen mitwirkenden Richtern unterzeichneten schriftlichen Fassung befindet sich nicht bei den Akten. Allerdings hat der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 11. November 2014 angeordnet, dem Amtsgericht Güstrow, der Staatsanwaltschaft Rostock und den Verteidigern der Angeklagten mitzuteilen, dass „das Verfahren u. dem Az 12 KLs 264/14-3 hier übernommen wurde“ (VA Bd. II 149R). Mit Beschluss vom selben Tag hat die Strafkammer zudem einen - noch an das Amtsgericht Güstrow gerichteten - Antrag der Staatsanwaltschaft Rostock auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Mitangeklagten N. zurückgewiesen.
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2. Es besteht ein von Amts wegen zu beachtendes (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 3 StR 164/11, NStZ 2012, 46; vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 2 StR 106/11; Deiters/Albrecht in: SK-StPO, 5. Aufl., § 225a Rn. 30) Verfahrenshindernis, weil es an einem wirksamen Übernahmebeschluss fehlt.
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Die Form des Übernahmebeschlusses, der den Eröffnungsbeschluss insoweit abändert, als er die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts abweichend von diesem regelt (§ 207 Abs. 1 StPO im Verhältnis zu § 225a Abs. 3 Satz 1 StPO), und seine Anfechtbarkeit richten sich nach den für den Eröffnungsbeschluss geltenden Bestimmungen (§ 225a Abs. 3 Sätze 2 und 3 StPO). Ein ordnungsgemäßer Eröffnungsbeschluss muss schriftlich abgefasst werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400, 401; Beschluss vom 3. April 2012 - 2 StR 46/12, NStZ 2012, 583, jew. mwN); hingegen ist die Unterzeichnung eines solchen Beschlusses durch den oder die erlassenden Richter keine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f. mwN). Dies gilt auch für den Übernahmebeschluss (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2015 - 4 StR 603/14, NStZ-RR 2015, 250, 251 mwN). An einem schriftlich abgefassten Übernahmebeschluss fehlt es indes hier.
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Die Vorsitzendenverfügung vom 11. November 2014 stellt - unbeschadet der äußeren Form und der fehlenden Unterschriften der beteiligten Richter - keine hinreichend deutliche schriftliche Dokumentation des Willens der Strafkammer dar, das Verfahren zu übernehmen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Übernahmebeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens und aus Gründen der Rechtssicherheit (vgl. auch BT-Drucks. 8/976, S. 49) ist eine schriftliche Niederlegung der - ggfls. mit Änderungen versehenen - Entscheidung erforderlich. Weder aus der Vorsitzendenverfügung vom 11. November 2014 noch aus oder in Verbindung mit dem am selben Tage gefassten, von allen drei mitwirkenden Richtern unterzeichneten Beschluss der Strafkammer betreffend den Antrag auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen den Mitangeklagten N. lässt sich dieses entnehmen.
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Auf der Grundlage der dienstlichen Erklärungen der drei Berufsrichter steht zwar im Raum, dass die Strafkammer durch diese drei Richter und damit in ordnungsgemäßer Besetzung die Übernahme des Verfahrens beschlossen und lediglich die schriftliche Abfassung dieser Entscheidung versäumt hatte. Ein solches Verfahren ersetzt jedoch nicht einen ordnungsmäßigen Übernahmebeschluss, zu dessen wesentlichen Förmlichkeiten jedenfalls die schriftliche Abfassung durch die mitwirkenden Richter gehört.
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3. Die Aufhebung des Urteils ist gemäß § 357 StPO auf die Mitangeklagten zu erstrecken. Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn ein Urteil wegen Fehlens einer von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung aufgehoben wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 1986 - 1 StR 646/85, NStZ 1986, 275, 276 mwN).
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4. Der Senat verweist die Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück. Zwar ist das Verfahren bei dem Amtsgericht - Schöffengericht - Güstrow anhängig geblieben. Dieses Gericht hat aber nicht nur das Hauptverfahren eröffnet, sondern die Sache auch wirksam gemäß § 225a Abs. 1 Hs. 1 StPO dem Landgericht zur Übernahme vorgelegt. In diesem Stadium befindet sich das Verfahren erneut nach der Aufhebung des Urteils durch den Senat. Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer (§ 354 Abs. 2 StPO) wird daher zunächst gemäß § 225a Abs. 1 Satz 2 StPO über die Übernahme der Sache zu befinden haben (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2015 - 4 StR 603/14, NStZ-RR 2015, 250, 251).
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Appl Mutzbauer Eschelbach
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Ott Zeng
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(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.
(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.
(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.
(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.
(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.
(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn
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wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, - 2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden, - 3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder - 4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.
(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.
(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.
(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.
(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.
(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.
(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.
(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.
(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.