Bundesfinanzhof Beschluss, 25. Mai 2011 - VIII R 25/09

published on 25/05/2011 00:00
Bundesfinanzhof Beschluss, 25. Mai 2011 - VIII R 25/09
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Gericht

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Tatbestand

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I. Auf die Beschwerde des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 23. Januar 2009  5 K 327/05 hat der Senat mit Beschluss vom 29. April 2009 die Revision zugelassen. Der Zulassungsbeschluss wurde dem als selbstständiger Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft tätigen Kläger am 7. Mai 2009 zugestellt. Die bis zum 8. Juni 2009 laufende Frist zur Begründung der Revision wurde zwar bis zum 10. August 2009 verlängert, die Revisionsbegründung ist jedoch binnen dieser Frist nicht eingegangen.

2

Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, die Revisionsbegründungsfrist sei versäumt, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 11. August 2009 --hier eingegangen am 12. August 2009-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete die Revision. Hinsichtlich des Wiedereinsetzungsgesuchs führte der Kläger aus, er habe bereits am Donnerstag, den 6. August 2009, eine Revisionsbegründung gefertigt und diese nach einer Besprechung mit einer Mandantin, die von 15:00 Uhr bis ca. 15:45 Uhr gedauert habe, in einem frankierten Briefumschlag zu einem etwa 150 m von der Kanzlei entfernten Briefkasten der Deutschen Post AG gebracht und eingeworfen. Die im elektronischen Terminkalender des Anwaltsprogramms "…" vorsorglich auf den 7. August 2009 eingetragene Frist sei gelöscht worden, da er davon ausgegangen sei, dass der Brief mit Sicherheit spätestens am 10. Juli 2008 --gemeint ist offenbar der 10. August 2009-- beim Gericht eingegangen sein würde. Zwecks Glaubhaftmachung versichere er das anwaltlich. Zur Begründung seines Antrags fügte der Kläger ein Blatt mit der Überschrift "Aufgaben für den 7.08.09" bei, auf dem unter der Aktennr. … (Akte A ./. Finanzamt B) das Wort "Revisionsbegründung" durchgestrichen ist. Ferner übersandte der Kläger das Kalenderblatt für den 6. August 2009, auf dem es unter der Rubrik 15:00 Uhr lautet, "16/2006 Besprechung mit CD in Sachen D ./. D bis: 15:45".

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) erachtet die Revision für unzulässig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben. Der Kläger habe seinen Vortrag nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die Revisionsbegründung bereits am 6. August 2009 verfasst und an diesem Tag zur Post gebracht habe. Die vorgelegten Kalenderausdrucke gäben weder Hinweise darauf, wann die Revisionsbegründung tatsächlich erstellt worden noch ob und wann diese zur Post gegeben worden sei. Zur Glaubhaftmachung seiner Behauptung hätte der Kläger zumindest Auszüge aus dem Postausgangs- und dem Fristenkontrollbuch vorlegen müssen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist wegen Versäumung der Begründungsfrist durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Der Kläger hat die Revision verspätet begründet. Die Frist zur Begründung der Revision endete am 10. August 2009 (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Revisionsbegründung vom 6. August 2009 ging nicht innerhalb der Begründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, sondern wurde vom Kläger erst mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 11. August 2009 beim BFH eingereicht.

6

2. Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Begründungsfrist kann nicht bewilligt werden.

7

a) Einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; innerhalb dieser Frist muss die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Wird der Wiedereinsetzungsantrag --wie im Streitfall-- mit der fristgerechten Absendung des beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im Einzelnen darzulegen, wann, von wem und in welcher Weise es zur Post gegeben wurde. Der Vortrag ist durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1997 III B 146/96, BFH/NV 1997, 674, m.w.N.; vom 13. Dezember 2001 X R 42/01, BFH/NV 2002, 533; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 42, m.w.N.).

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b) Die vom Kläger abgegebene Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags nebst Übersendung von Kopien der elektronischen Kalenderblätter vom 6. und 7. August 2009 reicht zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung der Revisionsbegründung nicht aus. Soll die rechtzeitige Aufgabe eines Schriftstücks zur Post nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, reicht die anwaltliche Versicherung allein hierfür auch dann nicht aus, wenn der Bevollmächtigte darlegt, er selbst habe das fristwahrende Schriftstück zur Post gegeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. November 2003 V R 3/03, BFH/NV 2004, 524; in BFH/NV 2002, 533; vom 10. Dezember 2010 V R 60/09, BFH/NV 2011, 617; vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002). Vielmehr sind nach ständiger Rechtsprechung zusätzliche objektive Beweismittel notwendig. Als solche kommen insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung in einem Postausgangsbuch und die Löschung der Frist auf der Grundlage der Eintragung im Postausgangsbuch als objektive Beweismittel in Betracht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 1002; in BFH/NV 2002, 533). Diese objektiven Beweismittel --vor allem die Eintragung der Frist im Fristenkontrollbuch und deren Löschung aufgrund der Eintragung im Postausgangsbuch-- müssen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag präsent sein (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 533, m.w.N.).

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Können derartige objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden, muss dargelegt werden, weshalb die Vorlage nicht möglich ist (vgl. dazu auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1976  2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332).

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Im Streitfall hat der Kläger weder das Postausgangsbuch noch das Fristenkontrollbuch vorgelegt. Gründe für die Nichtvorlage hat er nicht genannt. Die von ihm vorgelegten Kopien elektronischer Kalenderblätter können diese Unterlagen nicht ersetzen und sind nicht geeignet, die Fertigung der Revisionsbegründung sowie deren rechtzeitige Absendung glaubhaft zu machen.

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Vers

(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt we
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published on 23/01/2009 00:00

Tatbestand   1 Der Kläger (Kl) ist als selbständiger Rechtsanwalt in einer Bürogemeinschaft tätig. 2 Während seines Urlaubs im Sommer 1996 in Frankreich fasste er anlässlich einer Annonce des Maklers X den Entschluss, das in einer Wohnla
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Annotations

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 116 Abs. 2 Satz 3 geschehen ist. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Revisionseinlegung.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen; im Fall des § 116 Abs. 7 beträgt die Begründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

(3) Die Begründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.