Bundesfinanzhof Urteil, 19. Juni 2013 - VII R 31/12

bei uns veröffentlicht am19.06.2013

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte vom 16. September 2008 bis zum 10. Februar 2009 in 13 Fällen elektronische Bilderrahmen (photo frames) in das Zollgebiet der Union ein, die gemäß der jeweiligen Zollanmeldung der Klägerin als Waren der Unterpos. 8543 70 90 (Zollsatz 3,7 %) der Kombinierten Nomenklatur (KN) abgefertigt wurden.

2

Mit der am 11. Dezember 2008 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1156/2008 (VO Nr. 1156/2008) der Kommission vom 20. November 2008 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 310/9) wurden solche digitalen Bilderrahmen in die Unterpos. 8528 59 90 KN (Zollsatz 14 %) eingereiht.

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Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) erhob mit Bescheid vom 30. März 2010 den auf die Einfuhren des Zeitraums 11. Dezember 2008 bis 10. Februar 2009 entfallenden Zoll nach dem höheren Zollsatz nach. Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Abgabenbescheid auf. Zwar seien die eingeführten Waren nach der VO Nr. 1156/2008 in die Unterpos. 8528 59 90 KN einzureihen. Von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben sei jedoch nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK) abzusehen. Dass die Einfuhrabgaben nicht in der zutreffenden Höhe erhoben worden seien, beruhe auf einem Irrtum des zuständigen Zollamts, den die Klägerin vernünftigerweise nicht habe erkennen können. Der Rechtssatz, ein Wirtschaftsbeteiligter könne sich nicht auf seine Unkenntnis der im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen, gelte nicht absolut. Vielmehr sei auch in solchen Fällen die Sorgfalt des Beteiligten aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen. Im Streitfall habe die Klägerin sich bemüht, Informationen über die zutreffende Tarifierung der Einfuhrwaren zu erhalten. Sie habe sich so verhalten, wie es von einem sorgfältig handelnden Kaufmann zu erwarten sei.

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Mit seiner Revision macht das HZA geltend, das FG weiche mit seinem Urteil von der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs ab, der zufolge sich der Zollschuldner zur Anfechtung der Abgabennacherhebung nicht auf seine Unkenntnis der maßgebenden Vorschriften des Unionsrechts berufen könne. Mit dem Erlass der VO Nr. 1156/2008 sei die Tarifierung der eingeführten elektronischen Bilderrahmen eindeutig geklärt worden. Frühere anders lautende Auskünfte des abfertigenden Zollamts und der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) begründeten keinen Vertrauensschutz, zumal es sich nicht um verbindliche Auskünfte gehandelt habe.

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Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Das FG habe zu Recht entschieden, dass der Rechtssatz, ein Zollschuldner müsse die im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsnormen ab deren Bekanntmachung kennen, nicht ausnahmslos gelte. Auch durch nicht verbindliche Auskünfte der Zollverwaltung, wie sie im Streitfall der Klägerin erteilt worden seien, könne ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der angefochtene Abgabenbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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Für die eingeführten elektronischen Bilderrahmen, die nach der VO Nr. 1156/2008 in die Unterpos. 8528 59 90 KN einzureihen sind, ist eine Zollschuld nach dem für Waren dieser Art vorgeschriebenen Zollsatz von 14 % entstanden. Da der entsprechende Abgabenbetrag für die streitigen Einfuhren seinerzeit nicht buchmäßig erfasst wurde, ist er gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben.

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Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK hindert die Nacherhebung des geschuldeten Abgabenbetrags nicht.

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Nach der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung verwendeten Zusammenfassung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift hat die Zollbehörde von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nicht erhobener Einfuhrabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Die Nichterhebung muss auf einem Irrtum der zuständigen Behörden beruhen, es muss sich um einen Irrtum handeln, der für einen gutgläubigen Abgabenschuldner vernünftigerweise nicht erkennbar war, und dieser muss alle geltenden Vorschriften über seine Zollerklärung eingehalten haben (vgl. EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-499/03 P --Biegi Nahrungsmittel, Commonfood--, Slg. 2005, I-1751, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 228, m.w.N.).

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Die im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten allein streitige Voraussetzung der fehlenden Erkennbarkeit des zollbehördlichen Irrtums bei der Abgabenfestsetzung liegt --anders als das FG entschieden hat-- nicht vor.

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Die Erkennbarkeit des Irrtums ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats unter Berücksichtigung seiner Art, d.h. unter Berücksichtigung der Komplexität der betreffenden Regelung, sowie der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 2004 VII R 20/03, BFHE 205, 366, ZfZ 2004, 270, m.w.N.). Allerdings entspricht es ebenfalls ständiger EuGH- sowie Senatsrechtsprechung, dass sich ein Wirtschaftsbeteiligter nicht auf die Unkenntnis der im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen kann (EuGH-Urteile vom 12. Juli 1989  161/88 --Binder--, Slg. 1989, 2415 Rz 19, ZfZ 1990, 78; vom 26. November 1998 C-370/96 --Covita--, Slg. 1998, I-7711 Rz 26, ZfZ 1999, 86; EuGH-Beschluss vom 11. Oktober 2001 C-30/00 --William Hinton & Sons--, Slg. 2001, I-7511 Rz 71; Senatsurteile vom 23. März 1999 VII R 16/98, BFHE 188, 164, 167, ZfZ 1999, 271, und in BFHE 205, 366, ZfZ 2004, 270).

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Kann daher der Zollschuldner anhand der Rechtsvorschriften der Union erkennen, dass die Zollbehörde die Einfuhrabgaben irrtümlich in nicht zutreffender Höhe erhoben hat, kommen die vom FG für erforderlich gehaltene weitere "Gesamtbetrachtung" unter Berücksichtigung der vom Zollschuldner aufgewandten Sorgfalt und ein daraus ggf. herzuleitendes Überwiegen des Vertrauensschutzes nicht in Betracht. Anders als die Klägerin meint, sprechen auch die EuGH-Urteile in Slg. 1989, 2415, ZfZ 1990, 78, in Slg. 1998, I-7711, ZfZ 1999, 86 und vom 28. Juni 1990 C-80/89 --Behn Verpackungsbedarf-- (Slg. 1990, I-2659, ZfZ 1990, 352) nicht für die vom FG vertretene Auffassung. Der vom EuGH stets hervorgehobene Grundsatz, dem zufolge die uniotären Rechtsvorschriften ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt das einzige positive Recht in der Union sind, welches nicht zu kennen niemand für sich geltend machen kann, ist vom EuGH in jenen Entscheidungen nicht durch weitere Voraussetzungen eingeschränkt worden.

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Anderes kann nur gelten, wenn auch die im Amtsblatt veröffentlichten Rechtsvorschriften den Irrtum nicht deutlich werden lassen, diese also selbst unklar sind und zu Zweifeln Anlass geben. In einem solchen Fall können für die Frage der Erkennbarkeit des behördlichen Irrtums wiederum die Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und seine Sorgfalt sowie seine Bemühungen, sich über die Rechtslage Klarheit zu verschaffen, von Bedeutung sein. Im Streitfall gab es jedoch keine unklare Tariflage. Vielmehr war --wie auch das FG angenommen hat-- die (zuvor möglicherweise zweifelhafte) zolltarifliche Einreihung der eingeführten elektronischen Bilderrahmen mit dem Inkrafttreten der VO Nr. 1156/2008 geklärt. Dass die Klägerin wegen der geringfügigen Unterschiede zwischen der in dieser Verordnung beschriebenen Ware und den Einfuhrwaren noch unsicher hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung hätte sein können, hat das FG zu Recht verneint.

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Aus dem vom FG für seine Entscheidung herangezogenen EuGH-Urteil vom 26. Juni 1990 C-64/89 --Deutsche Fernsprecher-- (Slg. 1990, I-2535, ZfZ 1990, 351) folgt lediglich, dass eine zwar irrtümliche, aber von der Zollbehörde wiederholt bestätigte Rechtsauffassung ein Anhaltspunkt dafür sein kann, dass die betreffende Frage schwierig und nicht eindeutig zu beantworten ist. Hiervon auszugehen bieten die Feststellungen des FG jedoch keinen Anlass, denn das HZA hat nach dem Inkrafttreten der die Tarifierungsfrage klärenden Einreihungs-VO Nr. 1156/2008 keine von dieser Verordnung abweichende Tarifauffassung gegenüber der Klägerin mehr vertreten oder ihr weiterhin die bisherige Tarifierung empfohlen. Wie sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt, hat das zuständige Zollamt der Klägerin zuletzt unter dem 21. November 2008, also vor dem Inkrafttreten der VO Nr. 1156/2008, die Angabe der Unterpos. 8543 70 90 KN für die elektronischen Bilderrahmen empfohlen. Nach dem Inkrafttreten dieser Einreihungsverordnung wurden lediglich einige Einfuhren noch wie angemeldet abgefertigt. Dass dem HZA insoweit "etwas entgangen" sein musste, hätte anhand der bereits vorliegenden VO Nr. 1156/2008 unschwer erkannt werden können.

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Auf die ihr vor dem Erlass der VO Nr. 1156/2008 erteilten unverbindlichen Tarifauskünfte durch das zuständige Zollamt und die ZPLA kann die Klägerin --anders als das FG meint-- den beanspruchten Vertrauensschutz nicht stützen. Nur eine verbindliche Zolltarifauskunft bindet nach Art. 12 Abs. 2 ZK die Zollbehörde hinsichtlich der tariflichen Einreihung und kann, falls sie gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i ZK wegen einer anderslautenden Einreihungsverordnung ungültig geworden ist, von dem Berechtigten für einen in dieser Verordnung festgelegten Zeitraum noch verwendet werden (Art. 12 Abs. 6 Unterabs. 2 ZK).

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Die Klägerin kann nach alledem nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätte den behördlichen Irrtum bei der Abgabenerhebung auch unter Heranziehung der im Amtsblatt veröffentlichten VO Nr. 1156/2008 nicht erkennen können. Es verbleibt nur der ihr nicht zugutekommende Einwand, von dem Erlass dieser Einreihungsverordnung keine Kenntnis gehabt zu haben. Bei bloßer Unkenntnis von maßgebenden Vorschriften kann aber der vom FG vertretenen Ansicht, die Klägerin habe "mit angemessener Sorgfalt" gehandelt, nicht gefolgt werden. Wie der erkennende Senat mit Urteil in BFHE 205, 366, ZfZ 2004, 270 ausgeführt hat, besteht die Pflicht des Wirtschaftsteilnehmers, sich über das auf seine Geschäfte anwendbare Unionsrecht durch die Lektüre des Amtsblatts zu informieren, in jedem Fall und unabhängig von dem Maß an Erfahrung, über das er verfügt.

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Der Senat hat aus den dargelegten Gründen keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK und sieht deshalb keine Verpflichtung, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 118


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

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Finanzgericht München Urteil, 20. Okt. 2016 - 14 K 1770/13

bei uns veröffentlicht am 20.10.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Gründe I. Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA) zu Recht Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt hat. D

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.