Bundesfinanzhof Urteil, 13. Apr. 2017 - IV R 25/15

ECLI:ECLI:DE:BFH:2017:U.130417.IVR25.15.0
bei uns veröffentlicht am13.04.2017

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 24. März 2015 1 K 2217/12 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, wurde nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Jahr 2006 mit dem Ziel des gewerblichen Grundstückshandels gegründet. Gesellschafter zu gleichen Teilen sind J, eine Steuerberaterin, und A. Da die Bank für die Finanzierung von Objekten weitere Sicherheiten verlangte, stellte J ihr Wertpapierdepot als zusätzliche Sicherheit zur Verfügung.

2

In ihren Bilanzen zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008, deren Aufstellungsdatum den Aktenausfertigungen nicht zu entnehmen ist, bilanzierte die Klägerin das Wertpapierdepot im Sonderbetriebsvermögen der J und ermittelte hierfür für das Streitjahr 2007 einen Gewinn und für das Streitjahr 2008 einen Verlust. Im Anschluss an eine Außenprüfung berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Sonderbetriebseinnahmen bzw. Sonderbetriebsausgaben in den geänderten Feststellungsbescheiden 2007 und 2008 vom 9. März 2011 nicht mehr, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Wertpapiere schon vor der Erzielung von Verlusten in das Sonderbetriebsvermögen der J eingelegt wurden. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

3

Das FG wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 24. März 2015  1 K 2217/12 ab. Die Wertpapiere seien kein gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen geworden, denn es fehle an der Klarheit und Eindeutigkeit des Widmungsakts.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe die allgemeinen Regeln des Beweisrechts und die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Einlage von Wertpapieren in das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters nicht beachtet. Sie, die Klägerin, habe den Nachweis der Einlage der Wertpapiere in das Sonderbetriebsvermögen auf mehrere Arten erbracht. So habe sie die Primanota und Ausdrucke nicht festgeschriebener Buchungen zum März 2008 vorgelegt, der Bank die Einlage angezeigt, und zudem seien die Wertpapiere notwendiger Teil eines Finanzierungskonzepts der Bank gewesen.

5

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angegriffene FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2012 aufzuheben und die geänderten Feststellungsbescheide für 2007 und 2008, jeweils vom 9. März 2011, dahin zu ändern, dass darin der Sonderbetriebsgewinn von J für 2007 auf 5.863 € und für 2008 auf ./. 83.318 € festgestellt wird.

6

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, J zum Verfahren notwendig beizuladen. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2016 IV R 27/13, Rz 17, m.w.N.).

8

1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte (notwendig) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden (z.B. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372, unter II.A.).

9

Geht es, wie im Streitfall, darum, ob und ggf. in welcher Höhe ein Sonderbetriebsgewinn eines Mitunternehmers festzustellen ist, ist dieser Mitunternehmer nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt und für den Fall, dass er nicht selbst Klage erhebt, nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen. Danach ist J zu dem Verfahren notwendig beizuladen.

10

2. § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffnet dem BFH die Möglichkeit, eine notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nachzuholen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 4. September 2014 IV R 44/13, Rz 14, m.w.N.).

11

Der Senat übt dieses Ermessen dahingehend aus, die unterbliebene Beiladung nicht nachzuholen und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dies ist im Streitfall zweckmäßig und ermessensgerecht. J hatte bisher weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren die Möglichkeit, sich zu dem angegriffenen Feststellungsbescheid als Verfahrensbeteiligte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern, obwohl es im Streitfall allein um ihr Sonderbetriebsergebnis geht und darüber hinaus sie diejenige ist, die als Steuerberaterin der Klägerin die streitigen Buchungen vorgenommen hat.

12

3. Bei seiner erneuten Entscheidung muss das FG auch prüfen, ob die Klage, soweit sie sich gegen die Feststellung des Sonderbetriebsergebnisses der J im Jahr 2007 richtet, überhaupt zulässig ist. Bedenken bestehen insoweit, als in dem angegriffenen Änderungsbescheid der Sonderbetriebsgewinn der J für dieses Jahr mit 0 € festgestellt ist, so dass eine Beschwer durch diese Feststellung fraglich ist.

13

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 143


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. (2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheid

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 60


(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 48


(1) Gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können Klage erheben: 1. zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollmächtigte im Sinne des Absatzes 2

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 123


(1) Klageänderungen und Beiladungen sind im Revisionsverfahren unzulässig. Das gilt nicht für Beiladungen nach § 60 Abs. 3 Satz 1. (2) Ein im Revisionsverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 Beigeladener kann Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Mon

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Finanzgericht Köln Urteil, 24. März 2015 - 1 K 2217/12

bei uns veröffentlicht am 24.03.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird zugelassen. 1Tatbestand 2Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Wertpapieren als Sonderbetriebsvermögen. 3Die Klägerin wurde im Jahre 200

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.


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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

(1) Gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können Klage erheben:

1.
zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollmächtigte im Sinne des Absatzes 2;
2.
wenn Personen nach Nummer 1 nicht vorhanden sind, jeder Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte;
3.
auch wenn Personen nach Nummer 1 vorhanden sind, ausgeschiedene Gesellschafter, Gemeinschafter oder Mitberechtigte, gegen die der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte;
4.
soweit es sich darum handelt, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, jeder, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird;
5.
soweit es sich um eine Frage handelt, die einen Beteiligten persönlich angeht, jeder, der durch die Feststellungen über die Frage berührt wird.

(2) Klagebefugt im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 ist der gemeinsame Empfangsbevollmächtigte im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung oder des § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2663). Haben die Feststellungsbeteiligten keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt, ist klagebefugt im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 der nach § 183 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung fingierte oder der nach § 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 der Abgabenordnung oder nach § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung von der Finanzbehörde bestimmte Empfangsbevollmächtigte; dies gilt nicht für Feststellungsbeteiligte, die gegenüber der Finanzbehörde der Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten widersprechen. Die Sätze 1 und 2 sind nur anwendbar, wenn die Beteiligten spätestens bei Erlass der Einspruchsentscheidung über die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten belehrt worden sind.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

(1) Klageänderungen und Beiladungen sind im Revisionsverfahren unzulässig. Das gilt nicht für Beiladungen nach § 60 Abs. 3 Satz 1.

(2) Ein im Revisionsverfahren nach § 60 Abs. 3 Satz 1 Beigeladener kann Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beiladungsbeschlusses rügen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.