Bundesfinanzhof Beschluss, 15. Juli 2010 - IV B 55/09

bei uns veröffentlicht am15.07.2010

Tatbestand

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I. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --T-GbR-- waren im Streitjahr (2006) neben Frau E. drei weitere Gesellschafter beteiligt. Die Gesellschaft wurde aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 30. Juni 2000 aufgelöst; sie bestand jedoch --wie zwischen den Beteiligten unstreitig-- als Liquidationsgesellschaft jedenfalls bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) fort. Für die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2006 erhobene Klage haben die Prozessbevollmächtigten zunächst nur eine von Frau E. unterschriebene Prozessvollmacht vorgelegt. Die Bevollmächtigten (Steuerberater …) hatten in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2009 Sachanträge gestellt; der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte beantragt, die Klage abzuweisen. Letzterem hat das FG entsprochen, da --so die Vorinstanz-- die Prozessvollmacht lediglich von Frau E. unterzeichnet worden sei und es demnach an einer wirksamen Vertretung der T-GbR fehle. Die Prozessbevollmächtigten haben am 3. April 2009 dem FG eine von den Mitgesellschaftern am 8. September 2007 unterzeichnete Vollmacht eingereicht, die Frau E. dazu ermächtigt, die T-GbR in allen steuerlichen Angelegenheiten (einschließlich etwaiger Rechtsstreitigkeiten vor den Finanzgerichten) zu vertreten.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet.

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1. Der Vortrag der Klägerin, das FG habe unter Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts die Klage als unzulässig abgewiesen, ist auf die Geltendmachung eines Verfahrensmangels gerichtet (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Die Rüge muss bereits deshalb durchgreifen, weil das FG gegen § 89 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO verstoßen hat. Da die Vorinstanz den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Steuerberatern … gestattet hat, für die Klägerin (Sach-)Anträge zu stellen, und das FA dem nicht widersprochen hat, war hiermit die einstweilige Zulassung der Steuerberater … zur Prozessführung gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 ZPO verbunden. Folge hiervon war, dass --was die Vorinstanz offensichtlich verkannt hat-- ein Endurteil erst nach Ablauf der für die Nachreichung der Prozessvollmacht (bzw. Beibringung der Genehmigungen bezüglich der bisherigen Prozessführung) zu setzenden (angemessenen) Frist ergehen durfte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. September 1989 II R 62/87, BFHE 158, 203, BStBl II 1989, 1021; BFH-Beschluss vom 6. Februar 2009 IV B 63/08, juris; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 62 Rz 76). Der Umstand, dass das FA bereits vor der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2009 --schriftsätzlich-- auf die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis aller Gesellschafter einer aufgelösten BGB-Gesellschaft hingewiesen hat (vgl. §§ 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2, 714 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. §§ 58 Abs. 2, 62 Abs. 6 FGO; dazu z.B. BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2006 V B 165/05, BFH/NV 2007, 747), vermag hieran nichts zu ändern.

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2. Der Senat übt das ihm nach § 116 Abs. 6 FGO zustehende Ermessen dahin aus, dass er das vorinstanzliche Urteil aufhebt und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 65).

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Referenzen - Gesetze

Bundesfinanzhof Beschluss, 15. Juli 2010 - IV B 55/09 zitiert 8 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 89 Vollmachtloser Vertreter


(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Da

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 58


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach dem bürgerlichen Recht Geschäftsfähigen,2.die nach dem bürgerlichen Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts f

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.

(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.

(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach dem bürgerlichen Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach dem bürgerlichen Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, für Personen, die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, für alle Fälle der Vermögensverwaltung und für andere einer juristischen Person ähnliche Gebilde, die als solche der Besteuerung unterliegen, sowie bei Wegfall eines Steuerpflichtigen handeln die nach dem bürgerlichen Recht dazu befugten Personen. §§ 53 bis 58 der Zivilprozessordnung gelten sinngemäß.

(3) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.