Bundesfinanzhof Beschluss, 03. Aug. 2015 - III B 154/14

bei uns veröffentlicht am03.08.2015

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 4. Dezember 2014  9 K 1932/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die aus X eingewanderte Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt Kindergeld für die beiden Mädchen A (geboren am …. April 1992) und B (geboren am …. Februar 1991). Im Antrag auf Kindergeld hatte sie angegeben, die beiden seien ihre Stiefkinder. Später kam die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) aufgrund von polizeilichen Ermittlungen zur Überzeugung, dass die Klägerin mit dem angeblichen Vater der Kinder, einem Herrn C, eine Scheinehe eingegangen sei. Die beiden Mädchen seien die Nichten der Klägerin. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Februar 2007 auf. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

2

Im anschließenden Klageverfahren führte das Finanzgericht (FG) am 23. Oktober 2014 eine mündliche Verhandlung durch, in der es die beiden Mädchen sowie Herrn C als Zeugen vernahm. Nach dem Inhalt der Niederschrift wurde die Klägerin aufgefordert, bis zum 10. November 2014 einen Vaterschaftstest vorzulegen. Außerdem verzichteten die Beteiligten für die weitere Entscheidung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Durch Beschluss vom 3. November 2014 ordnete das Gericht die Beweiserhebung über die Vaterschaft durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Am 4. Dezember 2014 erging ohne eine weitere mündliche Verhandlung ein klageabweisendes Urteil. Das FG war aufgrund der Beweisaufnahme der Überzeugung, die beiden Mädchen seien nicht die leiblichen Töchter des C und damit nicht die Kinder des Ehegatten des Kindergeldberechtigten i.S. von § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes.

3

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt in erster Linie einen Verfahrensmangel, weil das FG sein Urteil ohne abschließende mündliche Verhandlung gefällt habe, obwohl ein wirksamer Verzicht darauf nicht vorgelegen habe. Im Termin vom 23. Oktober 2014 hätten die Beteiligten lediglich erklärt, dass sie für die weitere Entscheidung auf eine mündliche Verhandlung verzichteten. Die weitere Entscheidung des Gerichts sei jedoch der Beweisbeschluss vom 3. November 2014 gewesen. Eine Einverständnis- und Verzichtserklärung beziehe sich nur auf die nächste Sachentscheidung. Eine Entscheidung, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, sei bei einem nicht wirksamen Verzicht fehlerhaft, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2010 VIII R 36/08 (BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126) ergebe.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

5

1. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) sowie § 90 Abs. 1 FGO verletzt, da das Urteil ohne weitere mündliche Verhandlung ergangen ist. Zwar hatten die Beteiligten im Termin vom 23. Oktober 2014 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Allerdings ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass sich der Verzicht nur auf die jeweils nächste Sachentscheidung bezieht (BFH-Beschluss vom 10. März 2005 X B 182/03, BFH/NV 2005, 1068; BFH-Urteil in BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126). Die Verzichtserklärung wurde durch den Beweisbeschluss vom 3. November 2014 "verbraucht". Das Gericht hätte deshalb einen weiteren Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung herbeiführen oder einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung durchführen müssen.

6

2. Der Senat hält es für sachgerecht, die Vorentscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

7

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 143


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. (2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheid

Einkommensteuergesetz - EStG | § 63 Kinder


(1) 1Als Kinder werden berücksichtigt 1. Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,2. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,3. vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel. 2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 119


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn 1. das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2. bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes

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Finanzgericht München Urteil, 04. Dez. 2014 - 9 K 1932/14

bei uns veröffentlicht am 04.12.2014

Tatbestand Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für das Kind T, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 und das Kind N, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis ei

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Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für das Kind T, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 und das Kind N, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich November 2009 hat.

Die Familienkasse – Abteilung C – (Beklagte) setzte zuletzt mit Verfügung vom 1. April 2009 Kindergeld für die Kinder T und N für die Klägerin fest. Nach einem Antrag auf Weiterzahlung von Kindergeld und der Einreichung einer Bestätigung über den Schulbesuch von T gewährte die Familienkasse mit Verfügung vom 4. März 2010 weiterhin befristet bis Juli 2010 Kindergeld. Die Festsetzung wurde ab August 2010 mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 aufgehoben. Mit Verwaltungsakt vom 18. Februar 2010 bewilligte die Familienkasse Kindergeld für das Kind N befristet bis November 2009.

Aus einem der Familienkasse zugeleiteten Ermittlungsergebnis der KPI P vom 8. Februar 2013, auf das Bezug genommen wird, ergab sich, dass die Kinder T und N nicht die Stiefkinder der Klägerin sind, wie diese angegeben hatte. Der angebliche Vater der Kinder, Herr M, gab bei einer polizeilichen Vernehmung an, dass es sich bei der zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Ehe nur um eine Scheinehe gehandelt habe, um für ihn einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu bekommen. Bedingung sei gewesen, dass er sich als Vater der beiden Nichten der Klägerin ausgebe und den Familiennachzug beantrage. T und N seien im Mai 2007 nach Deutschland gekommen und bei der Klägerin und ihm, Herrn M, eingezogen. Die Klägerin habe von T und N jeweils 7.500 € gefordert.

Die Familienkasse hob daraufhin die Festsetzung für T und N jeweils mit Bescheiden vom 15. Mai 2014 ab Februar 2007 auf und forderte das für T gezahlte Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 7.012 € und das für das für N gezahlte Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich November 2009 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 6.237 € zurück, da es sich bei T und N nicht um die Stiefkinder der Klägerin handle. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies sie mit Einspruchsentscheidungen, jeweils vom 21. Juli 2014, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheide begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, es handle sich um die Kinder des damaligen Ehemannes. Das habe dieser jedenfalls so erklärt. Das ergebe sich auch aus dem ausgefüllten und von Herrn M unterschriebenen Kindergeldantrag sowie aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Als Beweis würden die beiden Kinder N und T als Zeuginnen angeboten.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 14. August und 6. und 14. Oktober 2014 samt Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheide, jeweils vom 15. Mai 2014 und die Einspruchsentscheidung, jeweils vom 21. Juli 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Mit Beschluss vom 23. September 2014 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 zog das Gericht die Akten des Amtsgerichts K im Verfahren … betreffend das Verfahren … der Staatsanwaltschaft C bei. Aus dem übersandten Ermittlungsergebnis der KPI P vom 2. August 2012 unter Fall 7 und 8, N und T, auf das Bezug genommen wird, ergibt sich, dass es sich um Töchter der vierten Schwester der Klägerin handelt. Sie seien aufgrund eines irregulären Familiennachzugs gegen Entgelt mit einer Falscherklärung beim Landratsamt K durch den zweiten Ehemann der Klägerin, M, geboren am …, nach Deutschland gekommen. Durch das Ausländeramt sei angezweifelt worden, ob Herr M der biologische Vater sei. Aufgrund der durchgeführten Telefonüberwachung habe sich ergeben, dass N nach den Angaben der Klägerin erst 16 Jahre alt sei, auf dem Papier jedoch 18. Die Telefonüberwachung habe auch ergeben, dass die Klägerin Unterstützung für die irreguläre Einreise gewährt habe. Sie habe L Ratschläge gegeben, wie man jemanden von der Familie nach Deutschland holen könne. Hier seien exemplarisch N und T genannt worden. In einem Telefongespräch vom 10. April 2012 habe sie erwähnt, dass N und T nicht die Töchter von M seien. Beide wären nicht in Deutschland, wenn es die Klägerin nicht gebe. Zudem habe sich die Klägerin geäußert, dass Herr M die Klägerin nicht wegen N und T anzeigen könne, weil er selbst mit drinstecke. Aus der Telefonüberwachung ergebe sich zudem, dass sich die Klägerin mehrmals rühme, ihre Verwandtschaft nach Deutschland geholt zu haben.

Bei den Unterlagen seien jeweils mit Siegel versehene Blankogeburtsurkunden, ausgestellt u.a. von H in A, gefunden worden. Im Feld „Personalien des Geborenen“ seien keine Eintragungen gewesen. Aufgrund eines vom Bundeskriminalamt gefertigten Gutachtens zur Echtheit der Urkunden ist die Echtheit der Stempel/Siegel angezweifelt worden.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts K … vom … wurde die Klägerin des gewerbsmäßigen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen und des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern für schuldig befunden.

Das Gericht hat aufgrund des Beschlusses vom 7. Oktober 2014 Beweis erhoben über die näheren familiären Verhältnisse zwischen der Klägerin bzw. Herrn M, geboren am …, und Frau N, geboren am …, und Frau T, geboren am … durch Vernehmung von Frau N, Frau T, Herrn M, als Zeugen. Hinsichtlich der Aussagen der Zeugen sowie des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Oktober 2014 Bezug genommen.

Das Gericht hat aufgrund des geänderten Beweisbeschlusses vom 3. November 2014 Beweis erhoben über die Vaterschaft von Herrn M, geboren am … zu Frau N, geboren am …, und Frau T, geboren …, durch Augenscheinseinnahme gemäß § 82 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 372a Zivilprozessordnung (ZPO) sowie durch Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 13. November 2014 und die Stellungnahmen der Beteiligten vom 20. November sowie vom 1. und 2. Dezember 2014 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat die Familienkasse die Festsetzung für T und N aufgehoben und für T gezahltes Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 7.012 € sowie für N gezahltes Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich November 2009 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 6.237 € zurückgefordert.

1. Ein Kindergeldanspruch der Klägerin besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Einkommensteuergesetz (EStG) liegen nicht vor.

a) Nach § 62 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Als Kinder werden u.a. nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. EStG vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten berücksichtigt. Dies können eheliche, für ehelich erklärte oder angenommene Kinder des Ehepartners sein (Bundeszentralamt für Steuern, Abschnitt A 11 Abs. 1 Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG vom 1. Juli 2014, Bundessteuerblatt I 2014, 918)

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das auf der Grundlage von § 82 FGO i.V.m. § 372a ZPO angeforderte Abstammungsgutachten hat zweifelsfrei ergeben, dass N und T, entgegen dem ursprünglichen Vorbringen der Klägerin, nicht die leiblichen Töchter von Herrn M sind. Das Ergebnis des Gutachtens wird von den Parteien nicht bestritten. Auf die im vorliegenden Verfahren nicht verwertbaren Ergebnisse der Telefonüberwachung (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 26. Februar 2001 VII B 265/00, Bundessteuerblatt II 2001, 464) kommt es daher nicht an. Damit steht fest, dass N und T, entgegen der ursprünglichen Behauptung der Klägerin, nicht die Stiefkinder der Klägerin aufgrund einer biologischen Vaterschaft des Zeugen M sind.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Gutachten auch entscheidungserheblich. Der erstmals nach Ergehen des Abstammungsgutachtens völlig geänderte Tatsachenvortrag der fachkundig vertretenen Klägerin, der Zeuge M sei rechtlich der Vater der Kinder, ist nicht hinreichend substantiiert. Es handelt sich bei dem Vortrag um einen steuerrechtlich zu beurteilenden Sachverhalt, der sich auf Vorgänge in Vietnam und damit außerhalb des Geltungsbereichs der AO, also einen reinen Auslandssachverhalt, bezieht. Damit ist die Klägerin nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie hat dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dabei ist zum einen die Beweisnähe der Klägerin zu berücksichtigen sowie, dass sich aufgrund der Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen und den mehrfachen Aussagen des Zeugen M vor der Polizei und dem Ermittlungsrichter die Feststellungslast umgekehrt hat und diese nun die Klägerin trägt.

Dennoch hat die Klägerin lediglich vorgetragen, aus den sich in den Akten befindlichen Übersetzungen der Geburtsurkunden ergebe sich, dass der Zeuge M der Vater sei. Dies entspreche nach deutschem Recht einer Vaterschaftsanerkennung. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt daraus jedoch schon keine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht. Dafür wäre zum einen neben der Anerkennung durch den Vater (§ 1594 Abs. 1 Bürgerliches GesetzbuchBGB) eine Zustimmung der Mutter und der Kinder erforderlich (§ 1595 Abs. 1 und 2 BGB). Die Zeugin N hat in ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 eine derartige Zustimmung nicht erwähnt und auch keine anderen Anhaltspunkte für eine Vaterschaftsanerkennung angegeben. Zum anderen müssen Anerkennung und Zustimmung gemäß § 1597 Abs. 1 BGB von einem Notar, einem Rechtspfleger des Amtsgerichts, einem Standesbeamten oder einem Beamten oder Angestellten des Jugendamts öffentlich beurkundet werden (Wellenhofer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl, § 1597 Rz. 3). Schließlich ist eine Anerkennung ausgeschlossen, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes vorliegt (§ 594 Abs. 2 BGB). Im Streitfall steht jedoch fest, dass der Zeuge M nicht der biologische Vater ist. Es wäre also nachzuweisen, dass keine Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Entsprechende Beurkundungen sind weder vorgetragen noch nachgewiesen. Die Angaben in der Geburtsurkunde reichen dafür nicht. Ebenso fehlt es an einem entsprechenden Vortrag für die Tatsachen in Vietnam. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Das Gericht muss daher vor dem Hintergrund des § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO dem unsubstantiierten Vortrag der rechtskundig vertretenen Klägerin ebenso wenig nachgehen wie dem – aufgrund des insoweit fehlenden Tatsachenvortrags – als Ausforschungsbeweisantrag zu qualifizierenden Antrag der Klägerin hinsichtlich eines Sachverständigengutachtens zum vietnamesischen Recht (Stapperfend/Gräber, FGO, 7. Aufl., § 76 Rz. 29 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).

Unabhängig davon ist – entgegen der Ansicht der Klägerin – nach der Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die Geburtsurkunden nicht echt sind. Dabei kann – dem Vorbringen der Klägerin entsprechend – als wahr unterstellt werden, dass die dem Vertreter der Ausländerbehörde des Landratsamts (LRA) K übergebenen Urkunden diejenigen sind, die den in der Kindergeldakte enthaltenen beglaubigten Übersetzungen (Bl. 21 und 22 Kindergeldakte) zugrunde gelegen haben. Es bedurfte daher weder der beantragten Zeugeneinvernahme von Frau ... vom LRA K noch einer Beiziehung der Akten … des LRA K. Die fehlende Echtheit der Urkunden ergibt sich zum einen aus den mehrfachen Aussagen des Zeugen M vor der Polizei am 30. Januar 2013 bzw. am 31. Januar 2013 vor dem Richter am Amtsgericht S, in denen er angegeben hat, dass er die Klägerin nur zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geheiratet in Absprache mit ihr deshalb wissentlich falsch angegeben hat, dass Frau N und Frau T seine Töchter seien. Die Klägerin habe alles geplant und sich um die Geburtsurkunden und die Heiratsurkunden gekümmert. (Bl. 95 f. Kindergeldakte). Der Zeuge hat diesen Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung am 23. Oktober 2014 bestätigt. Die im Termin am 23. Oktober 2014 vorgelegte Bescheinigung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland O vom 19. Oktober 2006 führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Echtheitsprüfung bezieht sich ausweislich der Bestätigung ausdrücklich auf die Geburtsurkunden, N, Original datiert vom 26. Februar 1991 und T, Original datiert vom 18. Mai 1992. Die der sich in der Kindergeldakte befindlichen Übersetzungen zugrundeliegenden Geburtsurkunden datieren jedoch beide vom 12. Dezember 2004 und tragen den Stempel „nochmalige Registrierung“. Die Klägerin hat die den Übersetzungen zugrundeliegenden Urkunden, wie der Zeuge M in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgesagt hat, bei sich zu Hause dem Chef der Ausländerbehörde, Herrn D, übergeben. Die Klägerin hat diesen Vortrag nicht bestritten. Die von der Klägerin Herrn D übergebenen und die der Botschaft zur Echtheitsprüfung vorgelegen Urkunden sind also – wie sich aus den unterschiedlichen Daten ergibt – nicht dieselben.

Der Vortrag des Zeugen M wird dadurch gestützt, dass bei der Durchsuchung der Wohnung der Klägerin am 23. April 2012 mit Siegel versehene Blankogeburtsurkunden, ausgestellt u.a. von H in A, gefunden worden sind. Im Feld „Personalien des Geborenen“ seien keine Eintragungen gewesen. Aufgrund eines vom Bundeskriminalamt gefertigten Gutachtens zur Echtheit der Urkunden ist die Echtheit der Stempel/Siegel angezweifelt worden. Tatsächlich weist die in den Akten befindliche Kopie der beglaubigten Übersetzung der Geburtsurkunde – wie in den gefundenen Blankourkunden – Herrn H als Standesbeamten aus. Die Urkunde soll auch – ebenfalls wie in den Blankourkunden – in A ausgestellt worden sein.

Nach alledem ist der nun geänderte und völlig neue, unsubstantiierte Vortrag der Klägerin, der Zeuge M habe, wie sich aus den Geburtsurkunden ergebe, die Vaterschaft quasi anerkannt, auch nicht glaubhaft.

Selbst wenn man aber von der Echtheit der Urkunden ausgehen wollte, ergibt sich daraus keine Anerkennung der Vaterschaft durch den Zeugen M, zumal dieser die Vaterschaft durchgängig bestreitet. Die Ausstellung der Urkunden wurde jeweils von Frau G beantragt. Dies ist nach Aussage der Zeugin N in der mündlichen Verhandlung ihre Mutter. Es ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge M insoweit mitgewirkt hätte. Entsprechendes wurde von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Die Aussage der Zeugin N in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin schon nicht geeignet ist, einen Nachweis über die Vaterschaft von Herrn M zu erbringen. Sie kann allenfalls das weitergeben, was ihr erzählt wurde bzw. was sie selbst erlebt hat. Das kann höchstens ein Indiz sein, das im Streitfall jedoch durch das Abstammungsgutachten widerlegt ist. Sie hat lediglich angegeben, dass ihre Mutter ihr gesagt habe, ihr Vater lebe in Deutschland. Von einer Vaterschaftsanerkennung hat sie nichts erwähnt.

Kann im finanzgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt deshalb nicht vollständig aufgeklärt werden, weil die Klägerin – wie im Streitfall durch einen fehlenden Tatsachenvortrag – ihre Mitwirkungspflicht verletzt hat, so führt das zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 2. Dezember 2010 5 K 1914/10, juris). Weiterer Ermittlungen durch das Gericht bedarf es daher nicht. Das Gericht ist bei einer Gesamtwürdigung aller dem Gericht bekannten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Beweisvorsorgegebots gemäß § 76 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO nicht von einer Anerkennung der Vaterschaft durch den Zeugen M überzeugt.

Damit ergibt sich ein Kindergeldanspruch der Klägerin nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 2, § 32 EStG weder aufgrund einer biologischen noch aufgrund einer rechtlichen Vaterschaft des Zeugen M zu den Kindern N und T.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1)1Als Kinder werden berücksichtigt

1.
Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1,
2.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.
2§ 32 Absatz 3 bis 5 gilt entsprechend.3Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).4Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.5Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen.6Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a.7Kinder im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes werden nicht berücksichtigt.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der im Inland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnsitzstaat und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.