Bundesfinanzhof Beschluss, 17. März 2011 - II B 73/10
Gericht
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
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1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt, die vom Finanzgericht (FG) ausgesprochene Rechtsfolge sei nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt, ist dieser Einwand materiell-rechtlicher Natur, der nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers rechtfertigt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Mai 2007 VIII B 132/05, BFH/NV 2007, 1681, m.w.N.).
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Der Kläger wendet sich hauptsächlich gegen die Auffassung des FG, es sei erwiesen, dass das bei der Bank in Luxemburg unterhaltene Referenzkonto Nr. … ihm --dem Kläger-- zuzuordnen sei. Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigungen sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind jedoch einer Nachprüfung durch den BFH entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 VI R 4/05, BFHE 222, 353, BStBl II 2008, 826, unter II.1.c). Solche Verstöße sind weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Der Kläger trägt insoweit nur vor, dass sich die Zuordnung des Kontos Nr. … weder aus den Kassenstreifen über Zahlungsvorgänge bei der Bank A noch aus den Belegen über den Datenträgeraustausch bei derselben Bank ergebe, und deshalb die Schlussfolgerung des FG hinsichtlich der Zuordnung des Kontos falsch sei. Abgesehen davon, dass --entgegen der Darstellung des Klägers-- auf den Kassenstreifen jeweils ein Vorgang unter Angabe der Kontonummer des Klägers bei der Bank A vermerkt ist und sich daraus im Zusammenhang mit anderen Vorgängen oder Unterlagen bestimmte Schlussfolgerungen auch in Bezug auf seine Person ziehen lassen, wäre selbst eine unzutreffende Beweiswürdigung kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455).
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2. Die sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe seine Entscheidung allein auf die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) vorgelegten Unterlagen gestützt und damit die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, kann einen Verfahrensfehler ebenfalls nicht begründen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertretene Kläger keine Beweisanträge gestellt. In dem Sitzungsprotokoll ist zudem vermerkt, dass eine Beweisaufnahme nicht stattfindet. Mit der rügelosen Verhandlung zur Sache hat der Kläger das Recht verloren, eine unzureichende Sachaufklärung zu rügen (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2010 V B 10/10, BFH/NV 2011, 276, m.w.N.). Es sind keine Umstände erkennbar, die den Kläger an einer rechtzeitigen Rüge gehindert hätten.
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Unerheblich ist, ob die (angeblich) unzureichenden Feststellungen des FG steuerbegründende oder steuermindernde Tatsachen betreffen. Die Sachaufklärungspflicht des FG bezieht sich auf den gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalt, unabhängig davon, welcher der Beteiligten die Feststellungslast für eine streitige und letztendlich nicht nachweisbare Tatsache trägt. An diese umfassende Aufklärungspflicht des FG knüpft auch das Recht des Steuerpflichtigen an, eine mangelnde Aufklärung des Sachverhalts zu rügen.
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3. Ein Verfahrensverstoß in Form einer vorweggenommenen Beweiswürdigung liegt schon deshalb nicht vor, weil kein Beweisantrag gestellt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2008 X B 248/07, BFH/NV 2009, 186). Allein das Unterlassen einer Beweisaufnahme ist noch keine vorweggenommene Beweiswürdigung, wenn sich das FG --wie im Streitfall-- seine Überzeugung, wem das Referenzkonto … zuzurechnen war, bereits anhand der vom FA vorgelegten Unterlagen bilden konnte und sich deshalb von Amts wegen zu keiner weiteren Beweiserhebung veranlasst sah.
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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.
(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.
(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.