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| Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –), ist nicht begründet. Die angefochtenen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre sind rechtmäßig und verletzen den Kläger und seine verstorbene Ehefrau nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). |
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| 1. Wie der BFH mit Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 entschieden hat, wird die Doppelbesteuerung der Einkünfte, die ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer aufgrund seiner nichtselbständigen Arbeit an Bord eines schweizerischen Binnenschiffes erzielt, das sich auf einer Fahrtroute außerhalb der Schweiz bewegt, nicht durch eine Freistellung dieser Vergütungen von der deutschen Besteuerung (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz) vermieden, sondern durch die Anrechnung der schweizerischen Quellensteuer auf die deutsche Einkommensteuer (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz). |
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| a) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen grundsätzlich in demjenigen Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Bezieher dieser Vergütungen ansässig ist (Ansässigkeitsstaat; im genannten Fall: Deutschland). Ungeachtet dieser Bestimmung können gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz Vergütungen für unselbständige Arbeit, die u. a. an Bord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in demjenigen Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des (Schifffahrts-) Unternehmens befindet (Unternehmensstaat; im genannten Fall. Schweiz); werden die Vergütungen allerdings im Unternehmensstaat nicht besteuert, so können sie im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz). |
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| Daneben bestimmt Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz, dass bei einer in Deutschland ansässigen Person die Doppelbesteuerung grundsätzlich durch Ausnahme der Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen i. S. des Art. 15 DBA-Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer (Freistellung) vermieden wird; dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass „die Arbeit (...) in der Schweiz ausgeübt“ wird. Soweit die Bestimmungen über die Freistellung nicht anzuwenden ist, wird gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften die schweizerische Steuer nach den Vorschriften des § 34c Abs. 6 Satz 2 i. V. m. § 34c Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die anteilig auf diese Vergütungen entfallende deutsche Einkommensteuer angerechnet. |
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| b) In Anwendung dieser Bestimmungen ergibt sich für die Vergütungen von in Deutschland ansässigen Arbeitnehmer, die an Bord eines von einem Unternehmen mit dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in der Schweiz betriebenen Binnenschiffes tätig werden, aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz zwar ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht der Schweiz. Dieses Besteuerungsrecht ist allerdings nicht ausschließlicher Natur, da sich weder aus der genannten Vorschrift eine Einschränkung dahin entnehmen lässt, dass die Vergütungen „nur“ in dem Unternehmensstaat besteuert werden dürften, noch Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz einen Umkehrschluss darauf zulässt, dass derartige Vergütungen nur dann im Ansässigkeitsstaat (Deutschland) besteuert werden dürften, wenn eine Besteuerung im Unternehmensstaat (Schweiz) nicht erfolgt. Da Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz in diesen Fällen mithin das sich aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz ergebende Besteuerungsrecht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat unberührt lässt, ist die Freistellung der Vergütungen von der deutschen Einkommensteuer nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz davon abhängig, dass die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Hierzu lässt sich jedoch weder aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz noch aus einer Gesamtschau dieser Vorschrift in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz eine abkommensrechtliche Fiktion dergestalt entnehmen, eine Tätigkeit an Bord eines Binnenschiffes gelte – ungeachtet des sich in der Regel geographisch ständig ändernden Standorts des Schiffes – stets als allein in der Schweiz als Unternehmensstaat ausgeübt. Wegen der Begründung im Einzelnen verweist der erkennende Senat auf die Gründe des BFH-Urteils in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704. |
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| 2. Diese Rechtsprechung des BFH zieht die Klägerseite zwar mit einer Vielzahl großenteils durchaus beachtlicher Erwägungen in Zweifel. Dennoch schließt sich der erkennende Senat ihr nach umfassender Würdigung der vorgebrachten Bedenken an. |
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| a) Zu Unrecht will der Kläger daraus, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz dem Ansässigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht für den Fall einräumt, dass der Unternehmensstaat von der sich aus Satz 1 der Vorschrift ergebenden Möglichkeit zur Besteuerung der Vergütungen des Bordpersonals von Binnenschiffen keinen Gebrauch macht, den Umkehrschluss ableiten, dass der Ansässigkeitsstaat die Vergütungen nur und ausschließlich dann besteuern dürfe, wenn der Unternehmensstaat – anders als die Schweiz – das ihm zustehende Besteuerungsrecht nicht ausübt. |
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| aa) Hierzu hat bereits der BFH in seinem Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 (unter II. 3. b.) darauf hingewiesen, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz die Funktion zugewiesen ist, das Entstehen sog. „weißer“ Einkünfte zu verhindern, die von keinem der beteiligten Vertragsstaaten besteuert werden bzw. besteuert werden können. Damit bezweckt die Regelung in Ergänzung zu Satz 1 der Vorschrift lediglich eine Ausweitung der Besteuerungsmöglichkeiten des Ansässigkeitsstaats, nicht aber – wie vom Kläger angenommen – deren Beschneidung. |
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| Aus diesem Grunde ist der hiergegen vorgebrachte Einwand unzutreffend, Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz mache in der vom BFH vorgenommenen Auslegung keinen Sinn, weil danach das zugunsten Deutschlands als Ansässigkeitsstaat fortwährende Besteuerungsrecht nur für den Ausnahmefall nicht bestehe, dass die tatsächliche Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt werde. Richtig ist, dass die Auffassung des BFH – und ihr folgend auch die des erkennenden Senats – dazu führt, dass die Vergütungen in Deutschland sogar dann noch besteuert werden dürfen, wenn die betreffenden Bezüge bereits in der Schweiz zulässigerweise besteuert worden sind, und damit nicht nur dann, wenn die Schweiz ihr Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt. Dies ist jedoch die unmittelbare Folge des Wortlauts von Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz, der gerade nicht dahin geht, dass „nur“ dann, wenn diese Vergütungen im Unternehmensstaat nicht besteuert werden, eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zulässig ist. Der Klägerseite ist allerdings einzuräumen, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz damit im Ergebnis überflüssig ist, weil sich das deutsche Recht zur Besteuerung der Vergütungen für die Tätigkeit an Bord schweizerischer Binnenschiffe, soweit sie außerhalb der Schweiz ausgeübt wird, bereits aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d und Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz ergibt und die der Konzeption von Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz zugrunde liegende Annahme, es könne ohne diese Vorschrift zu „weißen“ Einkünften kommen, folglich – jedenfalls für Tätigkeiten in Deutschland und in dritten Staaten – tatsächlich nicht zutrifft. |
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| bb) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich auch aus einzelnen rechtlichen Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) nicht der Schluss herleiten, der Bundesrepublik Deutschland stehe als Ansässigkeitsstaat kein Besteuerungsrecht für die Einkünfte unselbständig tätiger Binnenschiffer aus der Tätigkeit an Bord von Schiffen zu, die von einem Unternehmen mit dem Ort der Geschäftsleitung in einem anderen Staat betrieben werden, der sein Besteuerungsrecht als Unternehmensstaat tatsächlich ausübt. |
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| (1) Bereits die klägerseits angeführte Antwort der Bundesregierung vom 26. November 2004 auf die schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Connemann (BTDrucks. 15/4459, S. 17 ff.) ist nicht in diesem Sinne zu verstehen. |
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| Zwar wird dort (a. a. O., S. 18) von Seiten der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMF im Anschluss an die Bejahung der unbeschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG i. V. m. § 9 Satz 2 AO) für Binnenschiffer, die sich mehr als sechs Monate im Kalenderjahr lang in den Gewässern der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, wörtlich ausgeführt: |
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| „Die von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) weisen jedoch in der Regel – entsprechend dem OECD-Muster – das Besteuerungsrecht für Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen in Binnengewässern dem Staat des Sitzes der Geschäftsleitung des Unternehmens zu; entsprechendes gilt für das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit des Bordpersonals (vgl. z. B. Artikel 7 Abs. 1 und Artikel 10 Abs. 3 DBA-Niederlande). Aus diesem Grund besteht für Gewinne aus dem Betrieb ausländischer Binnenschiffe in deutschen Gewässern sowie für Lohneinkünfte ausländischer Binnenschiffer, die an Bord dieser Schiffe tätig sind, meist kein deutsches Besteuerungsrecht.“ |
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| Dies bedeutet jedoch nicht, dass das BMF mit der im letzten Satz gewählten Formulierung zum Ausdruck habe bringen wollen, dass Deutschland für in Deutschland ansässige unselbständig tätige Seeleute aus der Tätigkeit an Bord ausländischer Binnenschiffe generell kein Besteuerungsrecht als Ansässigkeitsstaat (mehr) in Anspruch nehmen werde. Denn die zitierte Äußerung bezieht sich ausschließlich auf „ausländische“ Binnenschiffer. Damit gemeint sind – wie den vorangehenden Ausführungen zur unbeschränkten Steuerpflicht zu entnehmen ist – solche Arbeitnehmer, die allein dadurch unbeschränkt steuerpflichtig werden und damit nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz und vergleichbaren Regelungen anderer Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland ansässig sind, weil sie in deutschen Gewässern über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dieser Personenkreis „ausländischer“ Binnenschiffer verfügt indessen im Regelfall zugleich auch über eine ständige Wohnstätte im Ausland und hat zu diesem ausländischen Staat engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen als zur Bundesrepublik Deutschland. Dies bedeutet, dass Deutschland in diesen Fällen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz und vergleichbaren Regelungen anderer Doppelbesteuerungsabkommen nicht als Ansässigkeitsstaat gilt und demzufolge – sofern der auf einem schweizerischen Binnenschiff beschäftigte Arbeitnehmer seinen Familienwohnsitz in der Schweiz hat – auch das sich aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz ergebende und in den Fällen des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz fortbestehende Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats nicht ausüben kann. Im Widerspruch zu den Entscheidungsgründen des BFH-Urteils in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 steht die zitierte Stellungnahme des BMF daher nicht. |
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| (2) Gleiches gilt für die vom Kläger angeführten Ausführungen in Tz. 153 f. des BMF-Schreibens vom 14. September 2006 – IV B 6 – S 1300 – 367/06 (BStBl I 2006, 532), denen zufolge das Besteuerungsrecht für Vergütungen des Bordpersonals von Schiffen im Binnenverkehr grundsätzlich dem Vertragsstaat zugewiesen sei, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das das Binnenschiff betreibt. |
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| Die Äußerung des BMF gibt lediglich den Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz und der vergleichbaren Regelungen anderer Doppelbesteuerungsabkommen wieder. Zu dem klägerseits gezogenen Umkehrschluss, dem Ansässigkeitsstaat stehe seinerseits keinerlei Besteuerungsrecht zu, nötigt die gewählte Formulierung – wie auch die Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ zeigt – nicht. Zudem hatte das BMF zu diesem Zeitpunkt das BFH-Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 bereits in Teil II des Bundessteuerblatts veröffentlicht und damit dessen Anwendung – und folglich auch die gegenteilige Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz – durch die deutschen Finanzbehörden ausdrücklich angeordnet. Es spricht nichts dafür, dass sich das BMF von diesem Abkommensverständnis im Rahmen des BMF-Schreibens in BStBl I 2006, 532 wieder habe lösen wollen (gleicher Ansicht bereits Verfügung der Oberfinanzdirektion – OFD – Koblenz vom 17. Januar 2007 – S 1301 A CH – St 33.3, Kartei zum Internationalen Steuerrecht – IStK –, DBA-Schweiz Fach 7 Karte 7, am Ende). |
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| b) Steht danach der Bundesrepublik Deutschland für die Vergütungen in Deutschland ansässiger und auf schweizerischen Binnenschiffen tätig werdender Seeleute ein Besteuerungsrecht zu, so richtet sich die Beantwortung der Frage, ob die Doppelbesteuerung dieser Einkünfte durch Freistellung der schweizerischen Einkünfte oder durch Anrechnung der schweizerischen Quellensteuer vermieden wird, danach, ob die Arbeit „in der Schweiz ausgeübt“ wird. Hierzu enthält Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz keine Fiktion dahin, dass die an Bord von Binnenschiffen ausgeübte Arbeit ungeachtet des sich räumlich verändernden tatsächlichen Standorts des Schiffes durchgehend als in der Schweiz ausgeübt angesehen werden muss. |
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| Zu Unrecht will der Kläger eine solche Fiktion dem Umstand entnehmen, dass der BFH in seinen Urteilen in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 und in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781 der Regelung in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz für dessen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsorts entnommen hat, derzufolge die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft auch dann als im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz „in der Schweiz ausgeübt“ gilt, wenn sie tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet wird. Denn entgegen der Auffassung des Klägers ist die in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz getroffene Regelung für Binnenschiffer nach ihrer Entstehungsgeschichte, ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang nicht mit der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz enthaltenen Regelung für leitende Angestellte vergleichbar. |
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| aa) Bereits die Hintergründe der Entstehung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz sind andere als jene, die für die BFH-Entscheidungen in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 und in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781 den Ausschlag gegeben haben. |
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| (1) Wie der BFH mit Urteil in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 (unter II. 2. b. aa.) im Einzelnen ausgeführt hat, ist Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz (leitende Angestellte) in den Jahren bis 1971 verhandelt und am 11. August 1971 unterzeichnet worden. Zu jener Zeit galt noch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 (RGBl II 1934, 38, RStBl 1934, 199 – DBA-Schweiz 1931 –) in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006 – DBA-Schweiz 1959 –). Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959 durften Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – von hier nicht bedeutsamen Ausnahmen abgesehen – „nur in dem Staat besteuert“ werden, „in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird, aus der die Einkünfte herrühren“. Dazu hatte sich in langjähriger Rechtsprechung und Praxis der Grundsatz herausgebildet, dass die Tätigkeit von Direktoren und Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft am Ort des Sitzes der Gesellschaft „ausgeübt“ werde, sofern sie nicht lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasse. Schließlich machte in einem Verfahren vor dem Großen Senat des BFH sogar das BMF ausdrücklich geltend, dass durch die Jahrzehnte bestehende kontinuierliche Handhabung sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz möglicherweise sogar ein Gewohnheitsrecht des genannten Inhalts entstanden sei (vgl. die Wiedergabe im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 – GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68, unter IV.). |
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| Vor diesem historischen Hintergrund ist der BFH in seinem Urteil in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 (unter II. 2. b. aa.) davon ausgegangen, dass mit den in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz getroffenen Regelungen die seinerzeit übliche und später vom Großen Senat des BFH gebilligte Handhabung festgeschrieben werden sollte. Dafür hat er vor allem angeführt, dass sowohl der damals geltende Grundsatz (Besteuerungsrecht des Staates der Kapitalgesellschaft) als auch die vom BFH anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz – namentlich der Fall der abgegrenzten Auslandstätigkeit – in den revidierten Abkommenstext eingearbeitet worden sind. Zudem heißt es in der Denkschrift der Bundesregierung zum Abkommen, dass die in Art. 15 Abs. 5 (heute: Abs. 4) DBA-Schweiz enthaltene Regelung „auf (...) einer langjährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung“ beruhe (BTDrucks VI/3233, unter B. zu Art. 15). Angesichts dessen spiegelt die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers wider, dass ein leitender Angestellter seine Leitungstätigkeit regelmäßig am Ort der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ausübt. |
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| (2) Demgegenüber lässt sich Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz die nahtlose Fortführung einer bereits unter dem DBA-Schweiz 1931/1959 geltenden Fiktion des Tätigkeitsorts von Binnenschiffern im Unternehmensstaat – anders als der Kläger meint – gerade nicht entnehmen. |
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| Zutreffend ist zwar, dass die Vertragsstaaten in Ziff. 17 des Zusatzprotokolls zum DBA-Schweiz 1931 vom 9. September 1957 (BGBl II 1959, 182, BStBl I 1959, 150) eine Änderung des Schlussprotokolls zu Art. 4 DBA-Schweiz 1931 vom 15. Juli 1931 vereinbart hatten, derzufolge nach dessen neuem Abs. 2 Satz 1 Personen, die ständig oder vorwiegend an Bord von Schiffen oder Flugzeugen eines Unternehmens der Schiff- oder Luftfahrt Dienst leisteten, bei Anwendung von Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1931 als in demjenigen der beiden Staaten erwerbstätig galten, in dem sich der Ort der Leitung des Unternehmens befand; wenn in diesem Staate die Einkünfte aus derartiger Arbeit nicht besteuert wurden, hatte der Staat, in dem die Person ihren Wohnsitz hatte, das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte (Satz 2 der Regelung). Daraus ergab sich in der Tat nach Wortlaut („gelten“) und Systematik eine echte abkommensrechtliche Fiktion des Tätigkeitsorts im Unternehmensstaat, die – wie dies nunmehr in Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz geregelt ist – mit einem Besteuerungsvorbehalt des Ansässigkeitsstaats zur Vermeidung ansonsten „weißer“ Einkünfte verbunden war. |
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| Entgegen der Ansicht des Klägers und einer beachtlichen Auffassung im Schrifttum (grundlegend Kempermann in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, DBA-Schweiz, Art. 15 Rz. 1, 63; ihm weiterhin folgend Brandis in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 85) haben die Vertragsstaaten diese Fiktion im Zuge der Neuverhandlung des DBA-Schweiz jedoch nicht fortgeführt. Die Entstehungshintergründe von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Vorschrift – ähnlich wie bei leitenden Angestellten mit Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz – auch weiterhin eine Tätigkeit der Binnenschiffer am Unternehmensort unter Ausschluss des Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaats fingiert werden sollte (so – allerdings ohne nähere Begründung – bereits BFH-Urteil in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, unter II. 2. b. dd.). Vielmehr ist das 1971 revidierte DBA-Schweiz erkennbar von dem Willen der deutschen Seite getragen, die mit der zuvor generell geltenden Freistellungsmethode verbundenen und als unangemessen empfundenen Vorteile aus der Ausnutzung des deutlichen Steuergefälles zwischen der Schweiz und Deutschland in denjenigen Bereichen zu beseitigen, die außerhalb einer aktiven Geschäfts- und Arbeitstätigkeit in der Schweiz liegen. Diesen Belang bewirkt für Deutschland bei solchen Einkünften, die nicht aus einer aktiven Tätigkeit in der Schweiz herrühren, der Übergang zur Anrechnungsmethode. Andererseits soll dort, wo sich die deutsche Wirtschaft aktiv auf dem schweizerischen Markt betätigt und dem dortigen Wettbewerb ausgesetzt ist, die Freistellungsmethode ihr weiterhin die gleichen steuerlichen Bedingungen sichern, die auch die übrige dort tätige Wirtschaft in Anspruch nehmen kann (so ausdrücklich die Denkschrift der Bundesregierung zum DBA-Schweiz, BTDrucks. VI/3233, unter A. I. 7.; vgl. dazu auch Kempermann, a. a. O., Art. 24 Rz. 8). |
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| Diese Beweggründe sind bei der Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz zu berücksichtigen. Sie stehen der Annahme entgegen, die Vertragsstaaten hätten den unselbständig tätigen Binnenschiffern schweizerischer Schifffahrtsunternehmen im Wege einer fiktiven Verlegung des Tätigkeitsorts in die Schweiz im Ergebnis eine Freistellung ihrer Einkünfte von der deutschen Besteuerung auch in solchen Fällen zubilligen wollen, in denen die Arbeit nicht aktiv in der Schweiz ausgeübt worden ist. |
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| bb) Auch der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz spricht gegen eine solche Fiktion. |
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| Er enthält – anders als noch die 1957 vereinbarte und 1959 ratifizierte Vorgängervorschrift des Schlussprotokolls zu Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1931 – gerade keine Formulierung, nach der die Binnenschiffer als im Unternehmensstaat erwerbstätig „gelten“. Vielmehr unterscheidet die Norm deutlich zwischen dem Arbeitsort „an Bord“ eines Schiffes oder Luftfahrzeuges (der sich in der Regel räumlich ständig ändert und oft auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Vertragsstaaten liegt) und dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Schifffahrtsunternehmens (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704, unter II. 4.). Zugleich erhellt aus dem insoweit identischen Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz, demzufolge die „unselbständige Arbeit (...) an Bord eines Schiffes (...) ausgeübt wird“, und demjenigen von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz, demzufolge die Anwendung der Freistellungsmethode voraussetzt, dass „die Arbeit (...) in der Schweiz ausgeübt“ wird, dass die Vergütungen der Binnenschiffer nur dann von der deutschen Besteuerung ausgenommen werden, wenn sich der in Deutschland ansässige Arbeitnehmer zugleich „an Bord eines Schiffes“ und „in der Schweiz“ befindet. Einen solchen Gleichklang des Wortlauts mit der Methodenregelung (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz: „Vergütungen“ für „Arbeit“, die an Bord bzw. in der Schweiz „ausgeübt“ wird), enthält die Regelung über die Besteuerungsbefugnisse des Unternehmensstaats bei den „Einkünften“ aus der „Tätigkeit“ leitender Angestellter (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz) nicht. Auch dieser Umstand spricht gegen die vom Kläger angestrebte Übertragung der BFH-Rechtsprechung zu dieser Vorschrift auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz. Wie der BFH zudem erst jüngst mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 – I B 94/10 (bislang nicht veröffentlicht; dort zu Art. 14 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 19. Februar 1972, BGBl II 1973, 374, BStBl I 1973, 514 – DBA Singapur 1972 –) entschieden hat, kann schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, dass der Ort der „Ausübung“ einer Tätigkeit sich stets dort befindet, wo der Arbeitnehmer sich im Zusammenhang mit jener Tätigkeit tatsächlich aufhält. |
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| cc) Gegen die Auffassung des Klägers streitet schließlich, dass der Regelungszusammenhang des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz in systematischer Hinsicht – im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz – keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass der räumliche Anknüpfungspunkt der Besteuerungszuständigkeit zugleich als Tätigkeitsort i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz anzusehen ist. Denn das Besteuerungsrecht des Unternehmensstaats knüpft dort gerade nicht an den geographischen Arbeitsort, sondern – unabhängig vom Ort der Ausübung der Arbeit – an den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens an (BFH-Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704, unter II. 4.). Dem Abkommensverständnis des Klägers ist zudem entgegenzuhalten, dass die Annahme, nicht nur Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, sondern auch Abs. 3 dieser Vorschrift enthalte einer Fiktion des Tätigkeitsortes im Unternehmensstaat, im Ergebnis dazu führen würde, dass die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz vorgesehene Beschränkung der Freistellung auf die Einkünfte aus der in der Schweiz ausgeübten Arbeit ohne eigenen Anwendungsbereich bliebe und statt dessen leer liefe. Dies gilt es, wie der BFH bereits im Urteil in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781 (unter II. 2. d. cc. ccc.) ausgeführt hat, zu vermeiden. |
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| c) Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass die Steuerverwaltungen der beiden Abkommensstaaten offenbar bis in das Jahr 1995 hinein übereinstimmend in der Praxis der Vertragsdurchführung für die in Rede stehenden Tätigkeitsvergütungen in Deutschland ansässiger Binnenschiffer für Arbeit an Bord schweizerischer Binnenschiffe von einem alleinigen Besteuerungsrecht der Schweiz ausgegangen sind, für die streitige Rechtsfrage keine solche Bedeutung (mehr) zu, als dass er ein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen würde. |
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| aa) Zwar weist die Klägerseite zutreffend darauf hin, dass die Oberfinanzdirektionen Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart noch in ihren gleichlautenden Verfügungen vom 1. September 1978 (ohne Az., Lohnsteuer-Kartei Baden-Württemberg – LStK BW – § 39b EStG Karte 1, unter 1.) davon ausgegangen waren, dass es für die Belange der deutschen Einkommensbesteuerung des auf schweizerischen Rheinschiffen beschäftigten deutschen Personals ausreichend sei, dass diese Personen den Nachweis erbrächten, dass die Besteuerung in dem Staat, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, vorgenommen wird. Auch hat die OFD Karlsruhe offenkundig erst mit Verfügung vom 3. Juli 2000 – S 1301 A – St 342/CH (nicht veröffentlicht, juris) erstmals unter Hinweis auf Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz die Auffassung vertreten, die Zuweisung des Besteuerungsrechts an die Schweiz führe nicht automatisch dazu, dass diese Einkünfte in Deutschland als Ansässigkeitsstaat freizustellen seien, denn die Verfügung enthält zugleich den ausdrücklichen Hinweis, dass die dort dargestellte Rechtsauffassung frühestens ab dem Veranlagungszeitraum 1996 anzuwenden sei. Das lässt darauf schließen, dass die deutschen Finanzbehörden – jedenfalls in Baden-Württemberg – vor diesem Zeitpunkt für die in Streit stehenden Vergütungen von einer Anwendung der Freistellungsmethode ausgegangen sind. Dem entspricht auch – wie die Klägerseite unter Berufung auf verschiedene schweizerische Quellen unwidersprochen vortragen lässt – die bereits vor der Vereinbarung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum DBA-Schweiz 1931 vom 9. September 1957 (BGBl II 1959, 182, BStBl I 1959, 150) ausgeübte, dort bestätigte und auch unter dem 1971 revidierten DBA-Schweiz beibehaltene ständige Vertragspraxis in der Schweiz (vgl. die Bemerkungen zum Zusatzprotokoll im Schweizerischen Bundesblatt – BBl – 1957 II, 603, sowie die Ausführungen in der Botschaft des – schweizerischen – Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Oktober 1971, BBl 1971 II, 1423, zu Art. 15 und 24 DBA-Schweiz, und im Kreisschreiben der EStV vom 29. Februar 1972 – abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a. a. O., Materialien, 6.2 –, unter B. II. 4., denen zufolge die Steuerbefreiung im Wesentlichen noch für unselbständige Erwerbstätigkeiten gelte und im revidierten DBA-Schweiz betreffend die anderen privaten Erwerbseinkünfte „nur wenige Änderungen“ gegenüber der früheren Rechtslage vereinbart worden seien). |
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| bb) Indessen folgt daraus – anders als der Kläger meint – nicht, dass diese bis 1995 offenbar einheitliche Praxis der Vertragsdurchführung in Bezug auf Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz in gleicher Weise auf die Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz durchschlüge, wie dies der BFH in seinen Urteilen in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 (unter II. 2. b. cc.) und in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781 (unter II. 2. d. bb. bbb.) für das Vertragsverständnis von Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz angenommen hat. |
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| Denn die übereinstimmende spätere Übung bei der Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages ist zwar sowohl gemäß Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 926) als auch nach Völkergewohnheitsrecht bei der Vertragsauslegung als gewichtiges Indiz zu berücksichtigen. Anders als im Falle der Fiktion des Tätigkeitsorts leitender Angestellter (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz) hat die vorangegangene Vertragspraxis jedoch im Wortlaut des 1971 revidierten DBA-Schweiz (dort Art. 15 Abs. 3 Satz 1) keinen Niederschlag gefunden. Die deutliche Änderung des Wortlauts gegenüber der Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 des Schlussprotokolls zu Art. 4 DBA-Schweiz 1931/1959 lässt vielmehr – auch für die Schweiz erkennbar – darauf schließen, dass sich die deutsche Seite hinsichtlich der dort behandelten Einkünfte der (Binnen-) Schiffer bereits 1971 von der bisherigen Rechtslage lösen wollte. Gerade dies war bei der Frage der Tätigkeitsvergütungen der leitenden Angestellten – wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778 (unter II. 2. b. aa.) überzeugend festgestellt hat – jedoch nicht der Fall. Dass die Besteuerungspraxis der baden-württembergischen Finanzverwaltung der geänderten Abkommenslage bei den Binnenschiffern zunächst rechtsirrig keine Rechnung getragen hat, kann daher nach Ansicht des erkennenden Senats für die hier streitige Rechtsfrage nicht ausschlaggebend sein. |
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| d) Nicht durchgreifend ist schließlich auch der auf den Regelungszweck der Vorschrift bezogene Hinweis des Klägers, dass der jeweilige Ort der tatsächlichen Tätigkeit bei Arbeiten an Bord von Binnenschiffen schwierig zu ermitteln sei, da sich das Schiff laufend fortbewege und der geographische Standort sich mithin ständig ändere. |
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| Diese Erwägung hatte bereits der 2. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in seinem der BFH-Entscheidung in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 vorangehenden Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 K 201/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2002, 1573) angestellt. Der BFH hat sie daher zur Kenntnis nehmen können und in den Entscheidungsgründen seines Urteils in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 – anders als später im Zuge seiner Rechtsprechung zur Fiktion des Tätigkeitsorts bei leitenden Angestellten im Urteil in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781 (unter II. 2. d. cc. bbb.) – bewusst nicht aufgegriffen. Die Sachlage ist insoweit bei Binnenschiffern – anders als der Kläger meint – mit derjenigen der leitenden Angestellten auch nicht vergleichbar. Zwar üben beide Berufsgruppen eine umfangreiche Reisetätigkeit aus. Im Gegensatz zum international agierenden Geschäftsführer und Prokurist bewegt sich der Binnenschiffer mit dem verwendeten Fahrzeug jedoch nur langsam vorwärts, so dass er – anders als ein leitender Angestellter – zur Ermittlung des Staats, in dem der Arbeitsort liegt, über seine Tätigkeit zumindest keine taggenauen Aufzeichnungen führen muss. |
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| 3. Für den Streitfall folgt daraus, dass der Beklagte den aus der Schweiz stammenden Arbeitslohn des in Deutschland ansässigen Klägers zutreffend unter Anrechnung der schweizerischen Abzugssteuer der Einkommensteuer unterworfen hat (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz). Die Löhne waren nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen, da die Arbeit des Klägers an Bord der „MS Y“ ausschließlich auf dem Neckar und flussabwärts von Mannheim auf dem Rhein und damit in Deutschland, Belgien und den Niederlanden, nicht aber gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz „in der Schweiz ausgeübt“ wurde. Seinen noch im Einspruchsverfahren erhobenen Einwand, die Tätigkeit eines Ersten Schiffsführers für die Z AG sei derjenigen als „Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist“ (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz) vergleichbar, hat der Kläger mit der Klage zu Recht nicht mehr aufrechterhalten. |
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| 4. Im Hinblick auf § 51a Abs. 5 Satz 1 EStG, § 1 Abs. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (SolZG 1995) und § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz – KiStG –) vom 15. Juni 1978 (GBl 1978, 370) sieht der Senat davon ab, die Klage insoweit zu bescheiden, als sie wegen des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer der Streitjahre erhoben worden ist. |
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| Dem Rechtsstreit kommt ungeachtet des Umstands, dass der BFH über die streitige Rechtsfrage bereits in seinem Urteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704 entschieden hat, grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtslage ist trotz dieser Entscheidung bislang nicht hinreichend geklärt, da nicht unbedeutende Stimmen im Schrifttum auch nach ihrem Ergehen an der Auffassung, Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz begründe eine Fiktion des Arbeitsorts, festgehalten haben (Brandis in Debatin/Wassermeyer, a. a. O., Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 85 – Stand: Juli 2009 –). Zudem hat der BFH die mit der Klage vorgebrachten und nicht von vornherein unbeachtlichen Erwägungen zur Entstehung der Abkommensvorschrift und zur bis 1995 übereinstimmenden Praxis der Vertragsdurchführung bisher nicht würdigen und insofern auch zur Vergleichbarkeit der Rechtslage mit derjenigen der Besteuerung von leitenden Angestellten (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz; BFH-Urteile in BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, und in BFHE 227, 402, BStBl II 2010, 781) nicht abschließend Stellung nehmen können. |
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