Bundesfinanzhof Beschluss, 19. Juli 2010 - I B 174/09

Gericht
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten über einen Betriebsausgabenabzug.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, produziert Stahlteile. In ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr (1996) verbuchte sie u.a. Leistungen an eine Firma T-GmbH als Betriebsausgaben. Bei der T-GmbH handelte es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) um ein Unternehmen, das im Juli 1996 zum Handelsregister angemeldet, jedoch weder im Handelsregister noch in der Handwerksrolle eingetragen worden ist. Die von der Klägerin vorgelegten Verträge mit der T-GmbH datieren aus der Zeit von Juni bis September 1996 und beziehen sich auf die Durchführung von Stahlverlegearbeiten; die dafür von der Klägerin verbuchten Gegenleistungen belaufen sich auf insgesamt 586.000 DM.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Außenprüfung davon aus, dass es sich bei der T-GmbH um eine Scheinfirma gehandelt habe, und versagte deshalb im Hinblick auf den Betrag von 586.000 DM den Betriebsausgabenabzug. In einem daraufhin geführten Einspruchsverfahren beschränkte er die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs auf einen Betrag von 380.900 DM; dies beruhte darauf, dass er sich nunmehr auf § 160 der Abgabenordnung stützte und den Umfang der Kürzung deshalb an dem vermutlich bei der T-GmbH eingetretenen Steuerausfall orientierte. Zudem versagte er der Klägerin in einem weiteren, inzwischen nicht mehr streitigen Punkt ebenfalls den Betriebsausgabenabzug.
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Die Klage gegen die dementsprechende Einspruchsentscheidung hatte nur teilweise Erfolg. Das FG entschied, dass die im Einspruchsverfahren vorgenommene zusätzliche Kürzung des Betriebsausgabenabzugs rechtswidrig, der Betrag von 586.000 DM aber insgesamt nicht steuermindernd zu berücksichtigen sei. Auf dieser Basis setzte es die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr fest (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. September 2009 6 K 3058/00, nicht veröffentlicht). Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu.
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Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
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Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass das FG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen hat und dass seine Entscheidung auf diesem Fehler beruht.
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1. Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung. Der daraus folgende Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme besagt u.a., dass Zeugen in erster Linie vom FG vernommen werden müssen. In anderen gerichtlichen Verfahren gewonnene Beweisergebnisse dürfen zwar im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist aber ihre Verwertung gegen den Widerspruch eines Beteiligten nicht zulässig, solange die erneute Beweisaufnahme durch das Gericht selbst möglich ist (Senatsbeschluss vom 27. Juli 2009 I B 219/08, BFH/NV 2010, 45; BFH-Urteil vom 12. Juni 1991 III R 106/87, BFHE 164, 396, BStBl II 1991, 806, jeweils m.w.N.). Ein Verstoß gegen diese Vorgabe ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
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2. Im Streitfall hat das FG ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der T-GmbH nur zum Schein abgeschlossen worden seien. Es hat dabei der Einlassung des K, die dieser in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren abgegeben hat, "maßgebliche Bedeutung" beigemessen. Auf eine unmittelbare Vernehmung des K hat es verzichtet, obwohl die Klägerin ausweislich des Urteilstatbestands einer Verwertung der Einlassung widersprochen und dazu auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme hingewiesen hatte. Das beanstandet die Klägerin zu Recht.
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In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die vom FA zitierte Rechtsprechung zur Verwertung von Feststellungen eines Strafgerichts (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380, m.w.N.) auf die Verwertung einer im Strafverfahren abgegebenen Einlassung übertragen werden kann. Denn nach jener Rechtsprechung darf sich das FG solche Feststellungen nur dann zu eigen machen, wenn gegen sie keine substantiierten Einwendungen erhoben werden. Im Streitfall hatte die Klägerin jedoch erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, dass die in Rede stehende Einlassung nicht von K selbst, sondern von dessen Verteidiger verfasst worden und dass sie möglicherweise das Ergebnis einer im Strafverfahren getroffenen Absprache zu Lasten Dritter gewesen sei. Angesichts dieses Vortrags hätte das FG nur dann auf die Vernehmung des K verzichten dürfen, wenn sie unmöglich, unzulässig oder unzumutbar gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 164, 396, BStBl II 1991, 806; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 81 FGO Rz 27, m.w.N.); Überlegungen dazu enthält sein Urteil indessen nicht. Damit beruht die vom FG gewonnene Überzeugung --und in der Folge die von ihm getroffene Entscheidung-- auf der Verwertung eines unzulässigerweise herangezogenen Beweismittels. Die Klägerin hat dies in ausreichender Weise gerügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), weshalb ihr Rechtsmittel im Ergebnis Erfolg haben muss. Auf die Divergenzrüge der Klägerin muss angesichts dessen nicht eingegangen werden.
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3. Nach § 116 Abs. 6 FGO kann der BFH, wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen, auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin das angefochtene Urteil durch Beschluss aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Ein solches Vorgehen erscheint im Streitfall unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie sachgerecht, da ein Revisionsverfahren letztlich zu demselben Ergebnis führen müsste.

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(1) Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben sind steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen. Das Recht der Finanzbehörde, den Sachverhalt zu ermitteln, bleibt unberührt.
(2) § 102 bleibt unberührt.
(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.
(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.
(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.