Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - 7 B 16.473

published on 31.05.2017 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Mai 2017 - 7 B 16.473
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Bundesverwaltungsgericht, 6 B 49.17, 29.01.2018

Gericht

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Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Rundfunkbeiträgen im nicht privaten Bereich.

Der Kläger ist Grafikdesigner und Inhaber mehrerer Betriebsräume in der G…straße 84 in M…, wo er seit Jahren als Rundfunkteilnehmer gemeldet war.

Unter dem 29. Januar 2013 meldete der Kläger seine Betriebsstätte beim Beklagten ab. Als (zum damaligen Zeitpunkt) Zweiter Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit München, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Kirchen gleichgestellt sei, stelle er seine Betriebsräume nun auch regelmäßig für dessen Vorstandstreffen zur Verfügung. Nach entsprechendem Hinweis des Beklagten ergänzte er mit Schreiben vom 18. April 2013, er habe nach dem Ritus des Fliegenden Spaghettimonsters und in Anwesenheit von Pastafari 66 einen religionstypischen Widmungsakt seiner Geschäftsräume vorgenommen und gehe deshalb nun davon aus, dass er gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) keinen Rundfunkbeitrag mehr zu zahlen habe.

Seine Klage gegen einen gleichwohl ergangenen Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. September 2014 hat das Bayerische Verwaltungsgericht München abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung einer gelegentlichen Nutzung der Betriebsräume des Klägers für Veranstaltungen des Bundes für Geistesfreiheit und der „sog. Weihe der Geschäftsräume nach dem Ritus des Fliegenden Spaghettimonsters“ komme dem Kläger die Regelung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV nicht zugute, die im Übrigen auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er hat beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. Juli 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 1. September 2014 (soweit dieser noch nicht erledigt ist) aufzuheben.

Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verletze ihn in seinem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3 GG): Als (zum jetzigen Zeitpunkt) Erster Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit München nehme er in seiner Betriebsstätte mindestens eine vergleichbare Stellung ein wie ein christlicher Pfarrer, der in Ausübung seines Berufs die Messe in einer Kirche zelebriert. Anders als dieser werde er jedoch entgegen § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV mit einem Rundfunkbeitrag belastet. Darin liege auch ein Verstoß gegen die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG), eine Verletzung des Diskriminierungsverbots nach Art. 14 EMRK sowie seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Außerdem werde das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Bestimmtheitsgebot missachtet und gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine hinreichende Vermutung dafür, dass die Nutzung von Rundfunkangeboten atypisch und nahezu ausgeschlossen ist, gebe es nur im Hinblick auf solche Raumeinheiten, die aufgrund eines entsprechenden Widmungsaktes weit überwiegend und nachweislich der inneren Einkehr, rituellen Handlungen und Gottesdiensten vorbehalten sind. Die Betriebsstätte des Klägers zähle offenkundig nicht dazu.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt, aber keinen eigenen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist hinsichtlich seiner Räumlichkeiten in der G.-Straße in M., in denen er sowohl ein Büro für Grafikdesign betreibt, als auch Veranstaltungen des Bundes für Geistesfreiheit durchführt, schon aufgrund des Umstands, dass er diese damit zu mehreren, unterschiedlichen Zwecken nutzt, gemäß § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 des Rundfunkbeitrags-staatsvertrags (RBStV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258; BayRS 2251-17-S) rundfunkbeitragspflichtig. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV sind insoweit nicht erfüllt.

Gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV ist ein Rundfunkbeitrag nach (§ 5) Absatz 1 (RBStV) nicht zu entrichten für Betriebsstätten, die gottesdienstlichen Zwecken gewidmet sind. Unstreitig handelt es sich bei den gewerblich und für Zwecke des Bundes für Geistesfreiheit genutzten Räumen des Klägers um eine Betriebsstätte im Sinne von § 6 Abs. 1 RBStV, deren Inhaber er ist, vgl. § 6 Abs. 2 RBStV. Keiner weiteren Erörterung bedarf in diesem Zusammenhang die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der 13 Anwendungsbereich der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf Betriebsstätten auszudehnen ist, die weltanschaulichen Zwecken gewidmet sind. Denn jedenfalls nutzt der Kläger seine Räumlichkeiten nicht ausschließlich für weltanschauliche Zwecke des Bundes für Geistesfreiheit, sondern auch zu gewerblichen Zwecken als Büro für Grafikdesign. Das schließt eine Anwendung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV vorliegend aus. Denn die Pflicht zur Zahlung eines Rundfunkbeitrags entfällt gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV nur dann, wenn eine Betriebsstätte ausschließlich gottesdienstlichen Zwecken gewidmet ist und regelmäßig entsprechend genutzt wird. Eine Betriebsstätte, die mehreren unterschiedlichen Zwecken dient und in der nur gelegentlich Gottesdienste abgehalten werden, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Dieses Verständnis von § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV ist nicht nur vom Wortlaut der Regelung umfasst, sondern entspricht auch dem aus der amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV ersichtlichen Sinn und Zweck der Vorschrift und dem erkennbaren Willen des Normgebers.

Die amtliche Begründung zu § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV (LT-Drs. 16/7001 S. 19) lautet:

„Absatz 5 nimmt bestimmte Räume von einer Zahlungspflicht aus. Der weite Betriebsstättenbegriff wird nicht eingeschränkt. Nummer 1 bedeutet, dass eine Kirche oder vergleichbare Räume nicht geeignet sind, eine Beitragspflicht zu begründen. Dem steht nicht entgegen, dass ein Pfarrer, Organist oder Küster regelmäßig dort Dienst tun. Diese Bestimmung ist im Lichte von Art. 3 des Grundgesetzes auszulegen und gilt nicht nur für christliche Kirchen. Erforderlich ist ein religionstypischer Widmungsakt. Gelegentlich abgehaltene Gottesdienste begründen keine Ausnahme von einer im Übrigen bestehenden Beitragspflicht. Dies gilt allein für den Kirchenraum bzw. Raum, der für den Gottesdienst bestimmt ist; angrenzende Verwaltungsräume, z.B. Pfarrämter werden damit nicht freigestellt und sind als beitragspflichtige Betriebsstätte zu werten.“

Damit hat der Normgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass entscheidend für die Anwendung von § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV die Nutzung der jeweiligen Betriebsstätte ist: Wird diese nur u.a. oder gelegentlich zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt, entfällt die Pflicht zum Entrichten eines Rundfunkbeitrags nicht. Sinn der Regelung ist es ersichtlich, solche Betriebsstätten von der Rundfunkbeitragspflicht auszunehmen, in denen typischerweise keine Rundfunknutzung stattfindet. Dies ist in Gebäuden oder Räumen, die allein sakralen Zwecken gewidmet sind, in der Regel der Fall. Das Rundfunkangebot wird dort normalerweise nicht in Anspruch genommen, ebenso wenig wie z.B. in vorübergehend stillgelegten Betriebsstätten, für die gemäß § 5 Abs. 4 RBStV auch kein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Der Hinweis des Klägers, auch in Kirchen finde seiner Beobachtung zufolge ständige Handy- oder Tablet-nutzung statt, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht: Denn derartige Geräte sind zwar grundsätzlich zum Rundfunkempfang geeignet, werden aber in reinen Sakralbauten - abgesehen davon, dass ihre diesbezügliche Nutzung dort regelmäßig unerwünscht ist - typischerweise nicht in dieser Funktion, sondern hauptsächlich zu fotografischen Zwecken eingesetzt.

Widerlegt ist vor diesem Hintergrund auch die Behauptung des Klägers, durch die Regelung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV werde er beitragsrechtlich im Verhältnis zu den christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 3 GG) behandelt, diskriminiert (Art. 14 EMRK), und in der ihm zustehenden Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Denn auch Kirchen oder andere Religionsgemeinschaften haben hinsichtlich der ihnen gehörenden Betriebsstätten Rundfunkbeiträge zu entrichten und können sich nicht auf die Regelung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV berufen, sofern sie diese - wie hier der Kläger - auch oder ausschließlich anderen als gottesdienstlichen Zwecken gewidmet haben und entsprechend nutzen.

Schließlich ist auch keine Missachtung des Rechtsstaats- oder Gewaltenteilungsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) erkennbar: Eine Auslegung des - insoweit nicht eindeutigen - Wortlauts des § 5 Abs. 5 Nr. 1 RBStV ist anhand der amtlichen Begründung, des ersichtlichen Willen des Normgebers sowie des Sinns und Zwecks der Vorschrift in hinreichend bestimmter Weise und rechtsstaatlich unbedenklich möglich.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Annotations

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.