Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. März 2018 - M 21 K 17.976 - abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 6. Februar 2017 wird aufgehoben, soweit der Kläger darin zu einer höheren Zahlung als 1.247,40 Euro verpflichtet wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden‚ sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der als Soldat im Rang eines Hauptmanns im Dienst der Beklagten steht, wendet sich gegen einen Leistungsbescheid des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), durch den er wegen des Verlustes einer ihm zum Dienstgebrauch überlassenen Fliegeruhr auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Am 22. Dezember 2015 meldete der Kläger den Verlust dieser Uhr und gab an, er habe sie am 8. Dezember 2015 in die Schublade des Rollcontainers seines Schreibtisches gelegt, da das Armband gerissen sei. Als er sie am 22. Dezember 2015 habe herausholen wollen, sei sie nicht mehr in der Schublade gewesen. Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Inanspruchnahme auf Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro führte der Kläger aus, sein Verhalten sei zwar fahrlässig, aber nicht grob fahrlässig gewesen. Der Schreibtischcontainer, der nur für ihn bestimmt sei, habe sich in einem durch ein Zahlenschloss gesicherten Dienstzimmer befunden. Davon, dass sich seine Kameraden daran zu schaffen machten, habe er nicht ausgehen müssen. Zudem sei ihm der Wert der Uhr nicht bekannt gewesen.
Mit Leistungsbescheid vom 18. Oktober 2016 forderte das BAIUDBw den Kläger zur Zahlung von 1.500 Euro auf. In der Begründung heißt es, der Kläger habe seine Dienstpflicht dadurch verletzt, dass er mit dem in seiner alleinigen Obhut befindlichen Bundeswehr-Material nicht sorgsam umgegangen sei mit der Folge, dass dieses verloren gegangen sei. Der - unverschlossene - Rollcontainer habe sich in einem Gemeinschaftsbüro befunden, das während der Dienstzeiten meist offenstehe, was das Diebstahlsrisiko nochmals erhöht habe. Dadurch, dass er die Uhr nicht in einem verschlossenen Spind oder am Mann aufbewahrt habe, habe er grob fahrlässig seine Pflichten verletzt.
Im Rahmen der hiergegen eingelegten Beschwerde wandte der Kläger ein, der durchschnittliche Beschaffungspreis betrage entgegen den Behauptungen des BAIUDBw nicht 2.500 Euro, sondern nur 1.500 Euro. Bei einem unterstellten Wertverlust der gebrauchten Uhr in Höhe von 40% bedeute dies einen Schaden von 900 Euro, welchen auszugleichen er bereit sei. Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 wies das BAIUDBw die Beschwerde zurück. Der Durchschnittsbeschaffungspreis für die Fliegeruhr liege nach den Daten im EDV-System „SASPF“ bei 2.500 Euro, so dass der zu leistende Schadensersatz nach Abzug einer Wertminderung von 40% 1.500 Euro betrage.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und mit Urteil vom 19. März 2018 den Leistungsbescheid sowie den Beschwerdebescheid aufgehoben. Zwar könne und müsse dem Kläger der Vorwurf der (einfachen) Fahrlässigkeit gemacht werden, weil er den in einem auch anderen Personen offenstehenden Dienstzimmer befindlichen Schreibtischcontainer hätte abschließen und den Schlüssel mit sich führen müssen. Allerdings könne dem Kläger kein grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden. Denn er habe vor dem Hintergrund, dass der in das Einsatzzimmer kommende Publikumsverkehr in der Regel in einem durch einen Tresen abgetrennten Teil des Dienstzimmers bleibe, nicht zwingend damit rechnen müssen, dass sein Schreibtischcontainer geöffnet und auf Wertgegenstände durchsucht werden würde.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil und beantragt zuletzt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2018 die Klage jedenfalls insoweit abzuweisen, als mit dem angefochtenen Leistungsbescheid ein Betrag von 1.247,40 Euro gefordert wird.
Das Verwaltungsgericht habe zu hohe Anforderungen an den Maßstab der groben Fahrlässigkeit gestellt. Alle Soldaten würden über die Pflicht zum sorgsamen Umgang mit dienstlich anvertrauten Gegenständen belehrt, die gemäß § 7 SG durch entsprechende Absicherungsmaßnahmen gegen Wegnahme zu schützen seien. Dadurch, dass der Kläger es unterlassen habe, den Rollcontainer abzuschließen und den Schlüssel mit sich zu führen, habe er grob fahrlässig gehandelt. Es sei allgemein bekannt, dass es am Arbeitsplatz und insbesondere bei gemeinschaftlich genutzten Büros zu Diebstählen komme, noch dazu, wenn dort zusätzlich Publikumsverkehr herrsche. Da der Kläger, der seit vielen Jahren als Pilot bei der Luftwaffe tätig sei, seit vielen Jahren Dienstuhren zur Verfügung gestellt bekomme und zudem auch privat eine teure Fliegeruhr besitze, erscheine es lebensfremd, dass dem Kläger der Wert der Uhr nicht bekannt gewesen sein solle. Im Übrigen komme es darauf nicht an, weil die Pflicht zur sorgsamen Verwahrung grundsätzlich unabhängig vom Wert des dienstlich anvertrauten Materials gelte.
Der Kläger beantragt‚
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag aus‚ die Forderung könne jedenfalls der Höhe nach nicht zutreffend sein, selbst wenn man entgegen der klägerischen Auffassung einen Schadensersatzanspruch der Beklagten dem Grunde nach für gegeben erachte. Auf den insoweit unzureichenden Sachvortrag der Beklagten sei bereits hingewiesen worden. Zumindest die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum tatsächlichen Beschaffungswert der abhandengekommenen Uhr sei vorliegend unumgänglich.
Die Beklagte hat auf wiederholte Nachfrage des Senats schließlich mitgeteilt, dass es sich bei der verlorenen Uhr um eine Fliegeruhr der Marke „Tutima“ mit der Bezeichnung „Bundeswehrchronograph Ref. 798-01“ handele, deren Wiederbeschaffungspreis laut Angabe des Herstellers 2.079 Euro betrage. Danach sei der vom Kläger zu ersetzende Wiederbeschaffungswert nach unten zu korrigieren. Er belaufe sich unter Berücksichtigung einer Wertminderung von 40% auf 1.247,40 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg.
Der Kläger ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Schadensersatz wegen der verlorenen Fliegeruhr verpflichtet. Die Beklagte hat jedoch, wie sie selbst eingeräumt hat, den Schaden mit 1.500 Euro zu hoch bemessen. Der Leistungsbescheid des BAIUDBw vom 18. Oktober 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 6. Februar 2017 ist dementsprechend unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insoweit aufzuheben, als er vom Kläger mehr als 1.247,40 Euro fordert.
1. Der Kläger ist dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Forderung der Beklagten findet ihre Rechtsgrundlage in § 24 Abs. 1 Satz 1 SG. Danach hat ein Soldat, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, seinem Dienstherrn den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der Kläger hat gegen die in § 7 SG normierte Treuepflicht des Soldaten verstoßen. Diese gebietet es auch, den Dienstherrn vor Schaden zu bewahren und unmittelbar und mittelbar den Dienstherrn schädigende Handlungen zu unterlassen (vgl. BVerwG, U.v. 11.3.1999 - 2 C 15.97 - juris Rn.22; OVG SH, U.v. 4.8.2016 - 12 A 305/15 - juris Rn. 21). Diese Pflicht beinhaltet auch, das dem Soldaten anvertraute oder auch nur schlicht zur Verfügung gestellte dienstliche Material sorgfältig zu behandeln und vor Beschädigung und Entwendung durch den Zugriff Dritter zu schützen (BVerwG, U.v. 12.8.2008 - 2 A 8.07 - juris Rn. 9).
Der Kläger hat diese Treuepflicht verletzt, indem er die ihm zur Nutzung überlassene Fliegeruhr für einen Zeitraum von vierzehn Tagen in einem unverschlossenen Schreibtischcontainer in einem Gemeinschaftsdienstzimmer beließ und sie so dem Zugriff Dritter aussetzte. Schon das Ablegen der Uhr in dem unverschlossenen Container stellte eine pflichtwidrige, weil nicht ordnungsgemäße Verwahrung dar, weil der Kläger diesen nicht ständig im Auge behalten konnte und im Übrigen schon deshalb durchaus mit einem Diebstahl zu rechnen war, weil das Gemeinschaftsdienstzimmer während der Dienstzeiten offen steht und dort zusätzlich Publikumsverkehr herrscht.
Die ihm obliegende Pflicht zur sicheren Verwahrung der ihm überlassenen Fliegeruhr hat der Kläger grob fahrlässig verletzt. Denn er hat das, was jedem in der gegebenen Situation einleuchten muss, außer Acht gelassen und damit ein Verhalten gezeigt, das einfache Fahrlässigkeit übersteigt.
Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten; er enthält einen subjektiven Vorwurf. Ob Fahrlässigkeit als einfach oder grob zu bewerten ist, hängt vom Ergebnis der Abwägung aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles ab. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, indem er nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss, oder indem er die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt bzw. die einfachsten, ganz naheliegenden Maßnahmen zur Abwendung eines Schadens nicht ergreift (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, B.v. 6.8.2009 - 2 B 9.09 - juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 29.1.2014 - 6 ZB 12.1817 - juris Rn. 7; B.v. 1.6.2017 - 6 ZB 17.903 - juris Rn. 6).
Gemessen an diesem Maßstab muss sich der Kläger grobe Fahrlässigkeit vorhalten lassen. Es lag ohne weiteres nahe, dass die Fliegeruhr nicht in dem unverschlossenen Schreibtischcontainer verwahrt werden durfte. Zwar mag das schlichte Ablegen eines Gegenstandes in unverschlossenen und einer nicht unerheblichen Anzahl von - auch fremden - weiteren Personen zugänglichen Schubladen oder Schränken grundsätzlich nur fahrlässig sein. Das kann jedoch nicht für Wertgegenstände wie eine Fliegeruhr gelten, die dem Soldaten dienstlich anvertraut wurden und für deren Erhaltung er verantwortlich war. Es ist allgemein bekannt, dass es auch am Arbeitsplatz immer wieder zu Diebstählen kommt, insbesondere wenn es sich dabei um ein gemeinschaftlich benutztes Büro mit Publikumsverkehr handelt. Dem Kläger musste sich daher ohne weiteres aufdrängen, dass es geboten war, den Schreibtischcontainer abzuschließen, um einen Diebstahl der kleinen und daher leicht zu entwendenden Fliegeruhr und damit den Schaden zu vermeiden, zumal er nicht immer ein Auge auf die Schublade haben konnte. Es wäre ihm ohne weiteres möglich gewesen, das in dieser Situation Nächstliegende zu tun, nämlich den Rollcontainer abzuschließen und den Schlüssel bei sich zu tragen. Die grobe Fahrlässigkeit hat den Diebstahl erst möglich gemacht.
Der Kläger konnte auch keine Umstände vorbringen, die geeignet wären, ihn vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu entlasten. Soweit er geltend macht, er habe darauf vertraut, dass sich seine Kameraden, die Zugang zu dem Gemeinschaftsdienstzimmer hatten, nicht an seinem persönlichen Schreibtischcontainer zu schaffen machen und die Uhr daraus entwenden würden, entschuldigt ihn das nicht, weil auch innerhalb der Bundeswehr jährlich eine Vielzahl von Diebstählen unter Kameraden gemeldet wird und es sich bei der erforderlichen Sicherung der Uhr gegen Diebstahl um eine ganz einfache Maßnahme handelte. Darüber hinaus steht die Tür des Gemeinschaftsbüros des Klägers während der allgemeinen Dienstzeit auch dann gewöhnlich offen, wenn sich keiner der Büroinhaber dort aufhält, was die Gefahr eines Diebstahls entweder durch „fremde“ Soldaten oder durch andere Dritte im Rahmen des Publikumsverkehrs deutlich erhöht. Schließlich entlastet es den Kläger auch nicht, dass er den genauen Wert der Fliegeruhr nicht gekannt haben will. Nach seiner subjektiven Vorbildung (Fliegeruhr im Privatbesitz; Belehrung über die Pflicht zum sorgsamen Umgang mit den anvertrauten Gegenständen) musste ihm bewusst sein, dass die Fliegeruhr unabhängig von ihrem genauen Wert von vielen begehrt wird, schon aufgrund ihrer geringen Größe besonders diebstahlgefährdet ist und daher besonders sicher verwahrt werden muss.
Auch bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände bestehen keine ausreichenden Gesichtspunkte, um vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit abzugehen.
2. Mit Recht hat der Kläger allerdings von Anfang an die von der Beklagtenseite ursprünglich auf 1.500 Euro bezifferte Schadenshöhe bezweifelt und im Berufungsverfahren darauf hingewiesen, dass die Fliegeruhr im Verwaltungssystem unter derselben Versorgungsartikelnummer für die drei Teilstreitkräfte mit deutlich unterschiedlichen Preisangaben erfasst ist (zwischen 1.200 und 2.500 Euro). Wie das BAIUDBw auf Anfrage des Senats mitgeteilt hat, beträgt der Beschaffungspreis für eine neue Fliegeruhr desselben Typs nach Herstellerangaben 2.079 Euro. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte den Wiederbeschaffungswert der dem Kläger abhanden gekommenen Uhr unter Abzug einer Wertminderung von 40% nunmehr selbst sachgerecht mit 1.247,40 Euro bemessen. Diese Wertbemessung begegnet keinen Bedenken (und liegt nicht weit über dem Betrag, den zu begleichen sich der Kläger schon im Beschwerdeverfahren bereit erklärt hatte). Auf diesen Betrag ist der im Leistungsbescheid geforderte Schadensersatz zu beschränken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen; der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10‚ § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen‚ weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.