Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 21. Mai 2015 - 14 B 12 30323

bei uns veröffentlicht am21.05.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. Mai 2012 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, iranische Staatsangehörige, reisten auf dem Luftweg aus T. kommend am 19. Mai 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein. In den vorgelegten iranischen Reisepässen befanden sich spanische Schengenvisa. Zur Begründung der Einreise befragt führten die Kläger aus, dass sie aus politischen Gründen einen Asylantrag stellen wollen, da sie im Iran Angst um ihr Leben gehabt hätten.

Am 27. Mai 2011 bat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge S. um Übernahme des Asylverfahrens nach der Dublin II-Verordnung (Dublin II-VO). Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 13. Juni 2011 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2011 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig sind und ordnete deren Abschiebung nach S. an. Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da S. aufgrund der Ausstellung von Schengenvisa an die Kläger gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach S. beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2011 nahmen die Kläger die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a GG sowie auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) zurück und beschränkten das Verfahren auf den „Antrag zur Feststellung subsidiären Schutzes“.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2011 stellte daraufhin das Bundesamt in Nr. 1 des Bescheids die Asylverfahren der Kläger ein und ordnete in Nr. 2 die Abschiebung nach S. an. Nr. 1 des Bescheids beruhe auf § 32 AsylVfG. Die Rücknahme könne insoweit nur im Rahmen des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbindlich erklärt werden und beseitige nicht die Regelungswirkung der Dublin II-Verordnung. Von einer Prüfung von § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sei abzusehen, da eine Überstellung in das Herkunftsland nicht beabsichtigt sei. Daher würden die Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft; Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach S. als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb von sechs Monaten nach Zustimmung durchzuführen. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach S. beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Auf den Antrag der Kläger gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hin ordnete das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Anordnung der Abschiebung der Kläger nach S. an.

Im Klageverfahren beantragten die Kläger, den Bescheid vom 30. Juni 2011 in Nr. 2 aufzuheben. Sie gaben an, den Iran verlassen zu haben, weil ihr Leben in Gefahr gewesen sei. Der Kläger zu 1 habe politische Aktivitäten durchgeführt und sei gegen das Regime gewesen. Sie hätten ein Visum für S. gehabt, seien aber nie in diesem Land gewesen.

Mit Urteil vom 16. Mai 2012 hob das Verwaltungsgericht Ansbach Nr. 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. Juni 2011 auf. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Abschiebungsandrohung nach S. sei rechtswidrig. Da ein Asylantrag der Kläger nicht mehr vorliege, komme die Dublin II-Verordnung nicht mehr zur Anwendung. Denn diese gelte nicht für Personen, die lediglich subsidiären Schutz beantragten. Mit der Rücknahme des Asylbegehrens sei der gestellte Asylantrag ex tunc entfallen, so dass nicht mehr S., sondern die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des subsidiären Schutzanspruchs zuständig sei. Dies ergebe sich aus einem Vergleich von Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO mit Erwägungsgrund Nr. 24 Satz 2 der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG, wonach der subsidiäre Schutzstatus die in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Schutzregelungen für Flüchtlinge ergänzen solle. Dafür spreche erst Recht Art. 2 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie, welcher als „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ gerade einen Drittstaatsangehörigen bezeichne, „der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfülle“. Daher stünden die rechtlichen Wirkung der älteren Dublin II-Verordnung für Asylanträge und internationalen Schutz auf der einen Seite und der jüngeren und ergänzend gültigen Qualifikationsrichtlinie auf der anderen Seite in einem Stufen- und Subsidiaritätsverhältnis zueinander mit der Folge, dass das Verfahren nach der Dublin II-Verordnung nur für die dort genannten Schutzmechanismen, aber nicht für den subsidiären Schutz gelte. Dies folge auch aus dem Bericht der Kommission der EG vom 6. Juni 2007 zur Bewertung des Dublin-Systems, worin die Absicht verkündet worden sei, die Ausweitung des Geltungsbereichs der Dublin II-Verordnung zwecks Berücksichtigung subsidiären Schutzes zu empfehlen. Ferner sei vorgeschlagen worden, die Begriffsdefinition des Asylantrags in Art. 2 Buchst. c Dublin II-VO durch den „Antrag auf internationalen Schutz“ zu ersetzen.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass in Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-Verordnung weiter Gültigkeit hätten. Nur dann, wenn ein Antragsteller ausschließlich nationalen Schutz begehre, liege kein Asylantrag im Sinne der Dublin II-Verordnung vor. Bei Rücknahme eines Asylantrags ohne ausdrückliche Beschränkung auf rein nationalen Schutz sei dessen Wirkung nicht ex tunc entfallen, da auch in nationalen Verfahren die Wirkung der Asylantragstellung gerade nicht rückwirkend dergestalt beseitigt werde, als ob ein Asylantrag nie gestellt worden sei. Vielmehr verbleibe die Entscheidungskompetenz über den subsidiären Schutz auch nach Rücknahme beim Bundesamt, während sie ohne Asylantrag bei der Ausländerbehörde gelegen hätte; ein erneuter Asylantrag sei als Folgeantrag zu werten. Zudem müsse nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO bei der Prüfung der Zuständigkeit der an Dublin beteiligten Staaten zur Durchführung eines Asylverfahrens von der Situation ausgegangen werden, die im Zeitpunkt der Stellung des ersten Asylantrags eines Asylbewerbers im Hoheitsgebiet oder an der Grenze eines Dublin-Staates bestehe. Eine Änderung dieser Situation habe grundsätzlich keine Auswirkung auf die Zuständigkeit, soweit nicht in der Dublin II-Verordnung selbst Ausnahmeregelungen enthalten seien. Auch beseitige die Rücknahme des Asylantrags nicht die konstitutive Wirkung der Zuständigkeitsbegründung S.s. Damit seien eine Fortsetzung des Dublin-Verfahrens sowie eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat möglich. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Mai 2012 - C-620/10 - Kastrati - ergebe sich nichts anderes. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei der Asylantrag vor der Zustimmung des Mitgliedstaats zur Aufnahme zurückgenommen und auf den Antrag auf subsidiären Schutz beschränkt worden, während die Kläger vorliegend ihren Asylantrag erst nach der Zustimmung S.s zurückgenommen hätten. Der Europäische Gerichtshof stelle somit für den Fall eines einzigen Asylantrags auf den Zeitpunkt der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Aufnahme des Asylbewerbers ab. Nur diese Interpretation entspreche sowohl Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregelungen nach dem Dublin-Verfahren als auch der angestrebten Verwirklichung der Prinzipien des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Der einzelne Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in einem Mitgliedstaat seiner Wahl geprüft werde. Aus der Dublin-Verordnung könnten keine subjektiven Rechtsansprüche auf Übernahme der Verfahrenszuständigkeit abgeleitet werden. Auch sei die Frage zu stellen, ob überhaupt eine wirksame Antragsrücknahme vorliege. Denn nach den Gesamtumständen zeige sich die erklärte Rücknahme als widersprüchlich und letztlich nicht auf Aufgabe des inhaltlichen Schutzbegehrens gerichtet. Zur Begründung des nun auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichteten Begehrens würden unverändert solche Umstände genannt, die die Voraussetzungen für im Heimatland drohende Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylVfG beträfen. Fehle es aber an einer wirksamen Rücknahmeerklärung, stehe die weiter geltende Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin II-Verordnung als Grundlage für die nach § 34a AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnung schon im Ansatz nicht infrage.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Dublin II-Verordnung sei im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Bescheids nicht mehr anwendbar, da eine Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 1 Dublin II-VO nur bei einem „gestellten Asylantrag“ gegeben sei. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2011 sei jedoch das Verfahren ausdrücklich auf den „Antrag zur Feststellung subsidiären Schutzes“ beschränkt worden. Maßgeblich sei hier der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung und nicht der Zeitpunkt der Zustimmung S.s. Die Wirkungen der von den Klägern vorgenommenen Rücknahme ihres Asylantrags bestimmten sich nach nationalem Verfahrensrecht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Mai 2012. Für die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts spreche auch, dass der Bundesrat in seiner Sitzung vom 13. Februar 2009 der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft empfohlenen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf Personen, die subsidiären Schutz beantragt haben (KOM 2008, 820), ausdrücklich widersprochen habe (BR-Drs. 965/08).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts Ansbach und die Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids vom 30. Juni 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach war daher abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids vom 30. Juni 2011 ist rechtmäßig.

Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der hier maßgeblichen Fassung vom 2.9.2008 - § 34a AsylVfG a. F. -). Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkt oder vor der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat (§ 34a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a. F.). Kann die Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht nachgewiesen werden, stellt das Bundesamt im Falle der Rücknahme des Asylantrags das Asylverfahren nach § 32 AsylVfG ein und prüft nationale Abschiebungsverbote (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a Rn. 8). Nach § 32 AsylVfG ist im Fall der Antragsrücknahme auch zu entscheiden, wenn sich die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens (vgl. § 27a AsylVfG) nicht ergibt.

Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG a. F. ist, dass zum Zeitpunkt ihres Ergehens alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Abschiebung vorliegen (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rn. 64). Für den Fall einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylVfG a. F. muss der zuständige Mitgliedstaat zugestimmt haben. Unabhängig von der Frage, ob unter einem Asylantrag im Sinne von Art. 2 Buchst. c der (hier noch maßgeblichen) Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1) - Dublin II-Verordnung (Dublin II-VO) - lediglich der Antrag auf Flüchtlingsschutz oder auch der auf subsidiären internationalen Schutz zu verstehen ist (bejahend: Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 2 Anm. K5; VG Karlsruhe, U. v. 13.4.2011 - A 3 K 2110/10 - juris; VG Saarl, B. v. 14.6.2010 - 10 L 528/10 - juris; verneinend: VG Augsburg, U. v. 23.3.2010 - Au 6 K 10.30006 - juris; VG München, U. v. 9.9.2010 - M 2 K 09.50582 - juris), wurde die Zuständigkeit S.s mit dessen Zustimmung begründet (1.) und ist durch die Rücknahme der Asylanträge nicht wieder entfallen (2.).

1. Am 13. Juni 2011 hat S. seine Zustimmung gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO erteilt. Mit dieser Zustimmung zum Übernahmegesuch der Beklagten steht S. als der für die Prüfung der Asylanträge zuständige Mitgliedstaat fest. Die Erteilung der Zustimmung entfaltet für die Zuständigkeitsbestimmung gleichsam konstitutive Wirkung. Die Zustimmung beendet das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats; der Hauptzweck der Dublin II-Verordnung, d. h. die Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft der Antragsteller zu gewährleisten (vgl. EuGH, U. v. 3.5.2012 - C-620/10 - Kastrati - NVwZ 2012, 817 Rn. 42), ist damit erreicht. Dem Antragsteller ist es verwehrt, gegen eine durch Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats begründete Zuständigkeit vorzugehen, selbst wenn die Zuständigkeitsbestimmung auf der Heranziehung nicht einschlägiger Kriterien basiert. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 62) kann der Antragsteller dem nur insoweit entgegentreten, als er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Das Dublin-Verfahren dient vorrangig der Klärung der Zuständigkeitsfrage mit dem Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge, subjektive Rechte des Antragstellers auf Prüfung seines Asylantrags durch einen bestimmten, nach den in Kapitel III der Dublin II-Verordnung genannten Zuständigkeitskriterien zuständigen Mitgliedstaat werden nicht begründet. Aber auch durch den ersuchenden Mitgliedstaat kann ein rechtsrichtiges Handeln in Form einer Zustimmung im Einzelfall aus dem Regelungswerk der Verordnung selbst nicht erzwungen werden (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, Art. 16 Anm. K2).

Für die konstitutive Wirkung der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats spricht auch Folgendes: Bereits vor der Zustimmung wird zwar objektiv einer der in Art. 6 bis 14 Dublin II-VO beschriebenen zuständigkeitsbegründenden Sachverhalte bezüglich eines Mitgliedstaats verwirklicht sein. Es bleibt aber kein Raum für die Annahme einer „schwebenden“ Zuständigkeit, die dann - auch unabhängig vom Ergebnis des Zuständigkeitsprüfungsverfahrens - zu einem späteren Zeitpunkt von mitgliedstaatlichen Organen „erkannt“ werden könnte. Denn dies würde zu massiver Rechtsunsicherheit führen, da das einmal zum Zeitpunkt des Art. 4 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegte Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung ex post wieder relativiert werden könnte, beispielsweise durch Selbsteintritt des Mitgliedstaats, in dem der erste Asylantrag gestellt wird. Auch Art. 13 Dublin II-VO spricht in diesem Zusammenhang von „Lässt sich... nicht bestimmen“ (vgl. auch Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO, der eine Feststellung nur gemäß einer der dort genannten Liste von Beweismitteln fordert und somit nicht primär auf den objektiven Sachverhalt abzielt) und verweist somit nicht auf die abstrakte Zuständigkeit, sondern auf deren konkrete Bestimmbarkeit durch die Mitgliedstaaten. Die Feststellung der Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrags i. S. d. Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO bedingt somit einen Akt eines Mitgliedstaats (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, Art. 16 Anm. K2). Erst wenn die Zuständigkeit anlässlich der Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat nach den Kriterien des Kapitel III oder des Kapitel IV der Dublin II-Verordnung durch Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zu einem Aufnahmeersuchen nach Art. 17, 18 Dublin II-VO anerkannt worden ist (oder durch Nichteinleitung eines Aufnahmeverfahrens wegen angenommener eigener Zuständigkeit oder Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO durch den Mitgliedstaat des ersten Asylantrags) werden die in Art. 16 Dublin II-VO geregelten umfassenden Verpflichtungen des zuständigen Mitgliedstaats ausgelöst.

Auch ein Vergleich mit der im Fall der Verfristung bei der Beantwortung eines Aufnahmeersuchens in Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO geregelten Zustimmungsfiktion spricht für die konstitutive Wirkung der ausdrücklich erteilten Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat. Denn bei Eintritt der Verfristung wird der die Frist versäumende Mitgliedstaat in diesem Zeitpunkt ex lege zuständig i. S. d. Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, Art. 18 Anm. K16). Die Zustimmungsfiktion begründet somit unabdingbar die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats. Nichts anderes kann für die innerhalb der Frist erteilte Zustimmung durch den ersuchten Mitgliedstaat gelten, denn auch die die Zustimmung ersetzende Zustimmungsfiktion begründet die Zuständigkeit ohne Rücksicht auf die abstrakt zuständigkeitsbegründenden Sachverhalte nach den im Kapitel III der Dublin II-Verordnung genannten Kriterien. Die Zuständigkeitsbegründung infolge Verfristung entspricht dem Hauptzweck der Dublin II-Verordnung, d. h. die rasche Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um das jeweilige Asylverfahren zügig zu behandeln.

2. Die durch die Zustimmung begründete Zuständigkeit S.s ist durch die Rücknahme der Asylanträge der Kläger nicht wieder entfallen. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats war bereits abgeschlossen. Die daran anknüpfenden Regelungen der Dublin II-Verordnung finden weiterhin Anwendung.

Gemäß Art. 2 Buchst. f Dublin II-VO bezeichnet der Ausdruck „Rücknahme des Asylantrags“ die vom Antragsteller im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht ausdrücklich oder stillschweigend unternommenen Schritte zur Beendigung des Verfahrens, das aufgrund des von ihm eingereichten Asylantrags eingeleitet wurde. Art. 2 Buchst. f Dublin II-VO verweist somit nur im Hinblick auf die vom Antragsteller unternommenen Schritte zur Beendigung des Verfahrens auf das einzelstaatliche Recht, nicht aber im Hinblick auf die Wirkungen der Rücknahme, die nicht nach nationalem, sondern nach Unionsrecht zu beurteilen sind (vgl. Marx, AsylVfG, § 34a Rn. 8). Welche Folgen eine Rücknahme des Asylantrags für die Anwendung der Dublin II-Verordnung hat, hat der Unionsgesetzgeber nur für die Fälle geregelt, in denen zumindest zwei Asylanträge in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gestellt worden sind (vgl. Art. 4 Abs. 5 und Art. 16 Satz 1 Buchst. d Dublin II-VO), nicht aber für die Fälle der Rücknahme eines im Unionsgebiet gestellten einzigen Asylantrags. Für diesen Fall, dass der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat, ohne zumindest in einem anderen Mitgliedstaat einen solchen Antrag gestellt zu haben, hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 3. Mai 2012 - C-620/10 - Kastrati - (NVwZ 2012, 817) entschieden, dass die Dublin II-Verordnung nicht mehr anzuwenden ist, wenn die Rücknahme des Asylantrags erfolgt, bevor der für die Prüfung dieses Antrags zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat. Zur Begründung führt der Europäische Gerichtshof aus, dass in diesem Fall der Hauptzweck der Dublin II-Verordnung, d. h. die Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers zu gewährleisten, nicht mehr erreicht werden kann (EuGH a. a. O. Rn. 42). Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass dann, wenn - wie hier - mit der Zustimmung die Zuständigkeit des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats feststeht, der Hauptzweck der Dublin II-Verordnung also erreicht wurde, die an diese Zuständigkeitsbestimmung anknüpfenden Regelungen der Dublin II-Verordnung weiter Anwendung finden, auch wenn der Antragsteller seinen Asylantrag nach der Zustimmung zurücknimmt. Denn das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ist abgeschlossen; der zur Prüfung des Asylantrags (und der Folgeentscheidungen) zuständige Mitgliedstaat ist bereits eindeutig bestimmt.

Dem so ermittelten Ergebnis steht nicht entgegen, dass der Europäische Gerichtshof in der Regel die ihm vorgelegten Rechtsfragen nur soweit beantwortet, als es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erforderlich ist und folglich hier die vom vorlegenden Gericht offen gestellte Frage, ob es für die Folgen der Rücknahme des Asylantrags von Bedeutung sei, in welchem Stadium der Bearbeitung der Asylantrag die Rücknahme erfolge, nur in dem für das Ausgangsverfahren streitentscheidenden Umfang beantwortet hat. Vielmehr erschließt sich die Beantwortung der Frage nach der weiteren Geltung der Dublin II-Verordnung für die Fälle, in denen der Antragsteller seinen (einzigen) Asylantrag zurücknimmt, aus der maßgeblichen Urteilsbegründung, die darauf abstellt, ob der Hauptzweck der Dublin II-Verordnung, nämlich die Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaats, noch erreicht werden kann oder nicht. Im Gegensatz zu dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall war hier dieser Zweck bereits vor der Rücknahme der Asylanträge mit Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats erreicht. Soweit das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 17. März 2014 - 8 A 445/14 - (juris) aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs folgert, dass die Dublin II-Verordnung auch dann keine Anwendung mehr finden könne, wenn die Rücknahme nach Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats erfolge, da die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats kein Selbstzweck sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof unter Heranziehung der Erwägungsgründe den Hauptzweck der Dublin II-Verordnung klar in den Fokus seiner Begründung gestellt hat; die Regelungen der Dublin II-Verordnung sollen vorrangig eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats sein (vgl. Erwägungsgrund 3 der Dublin II-Verordnung). Wegen der auch nach Rücknahme eines Asylantrags noch anstehenden Entscheidungen, etwa über die Gewährung subsidiären (internationalen) Schutzes, über aufenthaltsbeendigende Maßnahmen oder auch Folgeanträge, ist die bereits erfolgte Bestimmung des nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Staats gerade kein Selbstzweck.

Die Weitergeltung der Dublin II-Verordnung im Falle der Rücknahme des (einzigen) Asylantrags hängt nicht davon ab, ob der Rücknahme eine ex tunc- oder ex nunc- Wirkung beigemessen wird. Denn durch die Rücknahme eines Asylantrags werden dessen Wirkungen auch nach den Vorgaben des Unionsrechts nicht restlos rückwirkend beseitigt. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl EG Nr. L 326 S. 13) regelt, dass die Mitgliedstaaten, soweit sie in den nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrags vorsehen, im Falle der ausdrücklichen Rücknahme eines Asylantrags durch den Asylbewerber sicherstellen, dass die Asylbehörde die Entscheidung trifft, entweder die Antragsprüfung einzustellen oder den Antrag abzulehnen. Nach Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten auch beschließen, dass die Asylbehörde die Antragsprüfung einstellen kann, ohne dass eine Entscheidung über den Antrag getroffen wurde. In diesem Fall stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Asylbehörde eine entsprechende Notiz in die Akte des Antragstellers aufnimmt. Auch das Unionsrecht geht folglich im Falle der ausdrücklichen Rücknahme eines Asylantrags von der Entscheidungskompetenz der Asylbehörde und nicht der Ausländerbehörde aus, die, ginge man von der restlosen rückwirkenden Beseitigung der Asylantragstellung aus, folgerichtig zuständig wäre.

3. Aufgrund dieses Befundes kommt es vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich auf die Frage an, ob die Asylanträge der Kläger überhaupt wirksam zurückgenommen werden konnten. An sich wäre zwar im Fall der Kläger zu prüfen, ob die Beschränkung des Antrags auf subsidiären (internationalen und nationalen) Schutz überhaupt gewollt war, nachdem die Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zur Begründung des nun auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichteten Begehrens unverändert solche Umstände genannt haben, die die Voraussetzungen im Heimatland drohender Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylVfG betreffen. Da jedoch - wie oben ausgeführt - trotz Rücknahme der (einzigen) Asylanträge die Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung und somit die Zuständigkeit S.s zu bejahen ist, kann diese Frage dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

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(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Schweden.
Der am 02.04.1979 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben kurdischer Volks- sowie katholischer Glaubenszugehörigkeit aus Sulaimaniyah im Nordirak. Er reiste ebenfalls nach eigenen Angaben am 14.03.2010 ins Bundesgebiet ein, wo er am 17.03.2010 aufgegriffen und in Abschiebehaft genommen wurde. Nachdem ein Abgleich der Fingerabdruckdaten im System EURODAC ergeben hatte, dass sich der Kläger vor seiner Einreise nach Deutschland als Asylbewerber in Schweden aufgehalten hatte, wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 25.03.2010 ein Rücknahmeersuchen an Schweden gerichtet, das diesem am 29.03.2010 zustimmte.
Am 30.03.2010 stellte der Kläger aus der Abschiebehaft heraus einen Asylantrag.
Diesen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 07.04.2010 als unzulässig ab, weil Schweden aufgrund des dort vom Kläger bereits gestellten Asylantrags für die Behandlung des nunmehr gestellten Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland zu einem Selbsteintritt veranlassen könnten, seien nicht ersichtlich. Gleichzeitig wurde die Abschiebung des Klägers nach Schweden angeordnet. In der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung war als für die Klage zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Ansbach benannt.
Mit Schreiben vom 08.04.2010 wiederholte der damalige Bevollmächtigte des Klägers nochmals den Asylantrag und trug zu dessen Begründung vor, der Kläger sei im Juni 2006 aus dem Irak geflüchtet, weil ihm dort eine konkrete Gefahr für Leib und Leben gedroht habe. Er sei nämlich zu Unrecht von einer Person mit hohem politischen Einfluss (Polizeipräsidentenstatus) beschuldigt worden, ein Tötungsdelikt begangen zu haben. Zudem sei der Kläger am 02.02.2008 aus persönlicher Überzeugung zum Katholizismus konvertiert, so dass er auch deshalb politisch verfolgt werde. Der Kläger sei zunächst vom Irak nach Schweden geflüchtet, wo er sich anwaltlichen Beistand gesucht habe. Der Kläger werde im Irak politisch verfolgt. Eine Abschiebung dorthin sei aus humanitären Gründen unzulässig. Sein Wunsch und Ziel sei es, in der Nähe seines Bruders in Deutschland wohnen zu können.
Aufgrund der Asylantragstellung wurde der Kläger aus der Abschiebehaft entlassen und verpflichtet, in der Aufnahmeeinrichtung in Karlsruhe zu wohnen.
Ein für den 08.07.2010 angesetzter Anhörungstermin wurde nach (nochmaliger) Überprüfung, dass es sich um ein Dublin-Verfahren handelt, am 15.06.2010 aufgehoben.
Der Bescheid vom 07.04.2010 konnte dem Kläger in der Aufnahmeeinrichtung nicht zugestellt werden. Dort war in der Zeit von 22.06. bis 12.07.2010 bekannt gemacht, dass ein Schriftstück für ihn während der Postausgabezeiten zur Abholung bereit lag. Dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers wurde der Bescheid mit Schreiben vom 12.07.2010 in Kopie übersandt.
Am 27.07.2010 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach erhoben.
10 
Zur Begründung trägt er vor, dass er zwar in Schweden erfolglos ein Asylverfahren betrieben habe. Sein Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sei aber vom schwedischen Migrationsamt mit Bescheid vom 22.12.2009 abgelehnt worden, ebenso sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung. Gleichzeitig sei er aus Schweden ausgewiesen worden. Damit sei die erneute Prüfung seines Vorbringens durch Schweden nicht gewährleistet und damit zu rechnen, dass er bei einer Rückführung dorthin in den Irak abgeschoben werde, was für ihn nicht unerhebliche Beeinträchtigungen mit sich brächte. Neben den von ihm im Asylverfahren geschilderten Problemen sei er auch gesundheitlich angeschlagen. Er leide unter regelmäßigen Kopfschmerzen sowie Angstzuständen. Auch der Umstand, dass er im Alter von ca. elf Jahren einen Hoden verloren habe, beeinträchtige ihn psychisch. Diese genannten Symptome seien mit denen einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer Depression zu vergleichen, weshalb es notwendig sei, die psychische Gesundheit des Klägers näher zu untersuchen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang er eine Behandlung benötige. Es wäre weiter abzuklären, ob der Kläger diese Behandlung im Irak erhalten könne sowie ob dies auch in Schweden, eventuell verbunden mit Abschiebeschutz, möglich sei. Da damit zu rechnen sei, dass der Kläger bei einer Rücküberstellung nach Schweden unmittelbar in den Irak abgeschoben werde, ohne aufgrund des Zeitdrucks sowie seiner desolaten Gesundheit zuvor Rechtsschutz beanspruchen zu können, sei von einer erheblichen Gefährdung seiner Gesundheit auszugehen, wenn er nach Schweden rücküberstellt werde.
11 
Am 08.09.2010 hat der Kläger seinen Asylantrag zurückgenommen und hierzu ausgeführt, dass er nunmehr festgestellt habe, dass sein Asylantrag wegen der vorangegangenen Antragstellung in Schweden unzulässig gewesen sei. Nachdem das Asylverfahren dort bereits abgeschlossen sei, liege kein Asylverfahren mehr vor. Damit handle es sich um kein Dublin-Verfahren und die Rückschiebung nach Schweden sei ausgeschlossen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
Ziff. 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.04.2010 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Sie geht davon aus, dass der Bundesamtsbescheid vom 07.04.2010 dem Kläger bereits am 25.06.2010 zugestellt wurde, so dass die Klage verfristet wäre. Weiter vertritt sie die Auffassung, dass auch nach Rücknahme des Asylantrags Schweden für das Asylverfahren des Klägers zuständig sei. Diese Zuständigkeit sei nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO mit der Asylerstantragstellung entstanden und durch die Rücknahme des Asylantrags nicht wieder beseitigt worden. Da das Bundesamt trotz der Rücknahme des Asylantrags weiterhin über subsidiären Schutz zu entscheiden habe, seien die Folgen der Asylantragstellung auch im Falle der Rücknahme nicht restlos beseitigt. Nur in dem Fall, in dem der Kläger von Anfang an nur subsidiären Schutz ohne Asylantrag begehrt hätte, wäre es nicht um ein Asylverfahren gegangen, sondern um ein in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde fallendes ausländerrechtliches Verfahren. Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO sei daher trotz der Antragsrücknahme die Fortsetzung des Dublin-Verfahrens sowie die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat möglich.
17 
Mit Beschluss vom 06.08.2010 - AN 14 K 10.30271 - hat das Verwaltungsgericht Ansbach den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen.
18 
Mit Beschluss vom 16.03.2011 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
19 
Mit Schriftsätzen vom 23.03.2011 und 05.04.2011 haben der Kläger und die Beklagte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
20 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bundesamtes vor. Diese Akten wurden ebenso wie die Erkenntnismittel, die in der den Beteiligten übersandten Liste aufgeführt sind, zum Gegenstand der Entscheidung gemacht.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die in der Aufnahmeeinrichtung bewirkte Zustellung des Bundesamtsbescheides vom 07.04.2010 nach § 10 Abs. 2, 4 AsylVfG gegen sich gelten lassen muss, nachdem sich für ihn ein Bevollmächtigter bestellt hatte. Denn selbst eine wirksame Zustellung in der Aufnahmeeinrichtung hätte die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG nicht in Lauf setzen können, weil die dem Bundesamtsbescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die auf das örtlich nicht zuständige Verwaltungsgericht Ansbach verwies, fehlerhaft war, weshalb die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gilt, so dass die am 27.07.2010 erhobene Klage fristgemäß war.
23 
Die Klage ist aber nicht begründet.
24 
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.04.2010 ist in dem zuletzt angegriffenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
25 
Zu Recht hat das Bundesamt die Abschiebung des Klägers nach Schweden angeordnet. Diese Anordnung beruht auf § 34 a AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27 a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Feststellung konnte hier getroffen werden, nachdem sich Schweden zur Wiederaufnahme des Klägers bereiterklärt und ausweislich der Bundesamtsakten auch die Überstellungsmodalitäten mitgeteilt hatte.
26 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist Schweden der nach § 27 a AsylVfG für den Asylantrag des Klägers zuständige Staat, da für ihn die Dublin II-VO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) gilt.
27 
Die Zuständigkeit Schwedens für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO. Danach war Schweden verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen, weil er dort bereits erfolglos ein Asyl(folge)verfahren durchlaufen hatte. Das Übernahmeverfahren, welches das Bundesamt an die zuständige Stelle in Schweden übermittelt hat, wurde eingehalten. Die schwedischen Behörden haben auch ihre Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO erklärt.
28 
An der Zuständigkeit Schwedens ändert auch die Rücknahme des klägerischen Asylantrags nichts.
29 
Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO ist für die Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Die Zuständigkeitsbegründung Schwedens fand durch den Asylantrag des Klägers im Jahr 2006 bzw. den Folgeantrag im Jahr 2009 statt. Die Rücknahme des Asylantrags beseitigt dessen konstitutive Wirkung für die Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin II-VO nicht. Damit sind eine Fortsetzung des Dublin-Verfahrens sowie eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat möglich (vgl. BT-Drs. 17/203 v. 15.12.2009, S. 8).
30 
Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 15 Dublin II-VO) Gebrauch macht, d. h. von ihrem Recht, das Asylbegehren des Klägers zu prüfen, obwohl sie nach den Bestimmungen der Dublin II-VO nicht zuständig ist. Die Dublin II-VO selbst enthält keine Konkretisierungen, unter welchen Umständen das Selbsteintrittsrecht von den Mitgliedstaaten angewandt werden soll. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO ist nicht an tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft und eröffnet der Beklagten ein freies Ermessen. Auch Art. 15 der Dublin II-VO ist eine Ermessensvorschrift, die sich allerdings auf spezielle - beispielhaft angeführte - Fälle zur Berücksichtigung humanitärer Belange bezieht.
31 
Unabhängig davon, ob sich aus den genannten Vorschriften überhaupt ein einklagbarer Rechtsanspruch des Asylbewerbers ableiten lässt, würde sich jedenfalls ein solcher nicht im Hinblick auf die Befürchtung des Klägers ergeben, von Schweden aus ohne weitere Sachprüfung in den Irak abgeschoben zu werden.
32 
Die Geltendmachung ihres Selbsteintrittsrechts wäre von der Beklagten allein in Fällen zu erwägen, in denen dem Ausländer nach der Abschiebung in den zuständigen EU-Mitgliedstaat dort ein für die Richtlinie 2005/85/EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzendes Verfahren drohen würde. Das ist hinsichtlich des schwedischen Asylverfahrens aber nicht anzunehmen (vgl. VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010 - 2 K 1896/09 -, juris; Beschl. v. 09.11.2009 - 2 L 1897/09 -, juris; VG Weimar, Urt. v. 20.11.2009 - 5 E 20203/09 We -, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 02.02.2009 - AU 50 S 08.30016 -, juris; VG Schleswig, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08 -, juris). Dies ist auch im Hinblick auf den Kläger nicht anzunehmen, denn in Schweden hat er, was er selbst nicht in Zweifel zieht, ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Asylverfahren, das die menschen- und europarechtlichen Vorgaben wahrte, durchlaufen, auch wenn dieses für ihn erfolglos blieb.
33 
Soweit der Kläger die schwedische Abschiebepraxis irakischer Staatsangehöriger moniert, handelt es sich hier bereits nicht (mehr) um die Durchführung des Asylverfahrens selbst, sondern vielmehr um den Vollzug der in diesem Verfahren getroffenen behördlichen Entscheidungen. Darüber hinaus ist die in Deutschland - jedenfalls bezüglich der Abschiebung irakischer Christen - geltende günstigere Entscheidungs- und Abschiebungspraxis kein für die Bestimmung der Zuständigkeit des Mitgliedstaats im Wege des Selbsteintrittsrechts und unter Ermessensgesichtspunkten nach der Dublin II-VO bindend zu berücksichtigendes Kriterium. Dies ergibt sich aus sachlichen Gründen, denn sonst bestünde für Asylbewerber die Möglichkeit, das Land mit der günstigsten Entscheidungspraxis für die Durchführung ihres Asylverfahrens auszuwählen. Es liegt auf der Hand, dass damit die Intention und die Bestimmungen der Dublin II-VO leer liefen (so VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010, a. a. O.; Beschl. v. 09.11.2009, a. a. O.; VG München, Urt. v. 12.02.2010 - M 16 K 09.50318 -, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 02.02.2009, a. a. O.).
34 
Würde man eine aus der Dublin II-VO folgende Verpflichtung zum Selbsteintrittsrecht der Beklagten fordern, würde dies bedeuten, dass die Beklagte gehalten wäre, die Asyl- und Abschiebepraxis anderer Mitgliedstaaten nachzuvollziehen und ggf. bei für den betreffenden Asylbewerber ungünstiger Entscheidungs- bzw. Vollzugspraxis zu korrigieren, indem sie das Asylverfahren an sich zieht. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte in Dublin II-Fällen verpflichtet wäre, den asylbegründenden Vortrag des Asylbewerbers unter asylrechtlichen Maßstäben und damit beispielsweise auch unter Glaubhaftigkeitsgesichtspunkten vorab zu würdigen und zu prüfen, was im Ergebnis bereits der Durchführung eines Asylverfahrens gleich käme. Dies würde aber offensichtlich im Widerspruch zum Zweck der Dublin II-VO und der europäischen Lastenverteilung stehen (so ausdrücklich VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010, a. a. O.).
35 
In der schwedischen Abschiebepraxis liegt auch kein Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip des Art. 33 GFK. Ein derartiger Verstoß scheidet schon deshalb aus, weil in Schweden ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Asylverfahren durchgeführt und damit eine Einzelfallprüfung des klägerischen Begehrens vorgenommen wurden. Er ist daher im Hinblick auf die von ihm befürchtete Abschiebung in den Irak gehalten, die nach dem schwedischen Rechtssystem vorgesehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Soweit er der Sache nach geltend macht, dass er in Schweden ein weiteres Asylverfahren erfolglos durchlaufen habe und ein solches nur bei Vorliegen neuer Umstände betrieben werden könne, entspricht dies im Übrigen der deutschen Gesetzeslage nach § 71 AsylVfG.
36 
Eine Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich auch nicht deshalb aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO, weil die Beklagte einen Anhörungstermin für den Kläger anberaumt (und wieder aufgehoben) hat. Die Übernahme des Asylverfahrens erfordert nämlich eine ausdrückliche Erklärung des Bundesamtes und kann nicht schon allein in der Durchführung der Anhörung gesehen werden kann (vgl. VG München, Urt. v. 12.02.2010, a. a. O.; Beschl. v. 25.05.2009 - M 4 S 09.60039 -, juris; VG Ansbach, Urt. v. 13.01.2009 - 3 K 08.30017 -), was erst recht dann gilt, wenn, wie vorliegend, lediglich ein Anhörungstermin anberaumt und später wieder aufgehoben wurde.
37 
Schließlich ergibt sich ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten auch nicht aus der humanitären Klausel des Art. 15 Dublin II-VO, soweit sich der Kläger auf gesundheitliche Probleme beruft. Dass der Kläger aufgrund einer schweren Krankheit auf die Unterstützung einer anderen Person angewiesen wäre (Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO), lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Soweit in diesem darüber spekuliert wird, ob der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer Depression leidet, hat er damit nicht die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO dargetan. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob die Erkrankungen des Klägers in Schweden behandelbar wären, wovon angesichts des dort vorhandenen, bekanntermaßen hervorragenden Gesundheitssystems ausgegangen werden kann. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang befürchtet, infolge der Weiterschiebung in den Irak gar keine Behandlung in Schweden erlangen zu können, wird auf das zuvor Gesagte Bezug genommen, dass er sich nämlich im Falle einer ablehnenden Entscheidung der schwedischen Stellen der dort vorhandenen Rechtsbehelfe bedienen müsste, um Abschiebeschutz und eine Behandlung in Schweden zu erhalten.
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Gründe

 
21 
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die in der Aufnahmeeinrichtung bewirkte Zustellung des Bundesamtsbescheides vom 07.04.2010 nach § 10 Abs. 2, 4 AsylVfG gegen sich gelten lassen muss, nachdem sich für ihn ein Bevollmächtigter bestellt hatte. Denn selbst eine wirksame Zustellung in der Aufnahmeeinrichtung hätte die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG nicht in Lauf setzen können, weil die dem Bundesamtsbescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die auf das örtlich nicht zuständige Verwaltungsgericht Ansbach verwies, fehlerhaft war, weshalb die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gilt, so dass die am 27.07.2010 erhobene Klage fristgemäß war.
23 
Die Klage ist aber nicht begründet.
24 
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.04.2010 ist in dem zuletzt angegriffenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
25 
Zu Recht hat das Bundesamt die Abschiebung des Klägers nach Schweden angeordnet. Diese Anordnung beruht auf § 34 a AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27 a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Feststellung konnte hier getroffen werden, nachdem sich Schweden zur Wiederaufnahme des Klägers bereiterklärt und ausweislich der Bundesamtsakten auch die Überstellungsmodalitäten mitgeteilt hatte.
26 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist Schweden der nach § 27 a AsylVfG für den Asylantrag des Klägers zuständige Staat, da für ihn die Dublin II-VO (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) gilt.
27 
Die Zuständigkeit Schwedens für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO. Danach war Schweden verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen, weil er dort bereits erfolglos ein Asyl(folge)verfahren durchlaufen hatte. Das Übernahmeverfahren, welches das Bundesamt an die zuständige Stelle in Schweden übermittelt hat, wurde eingehalten. Die schwedischen Behörden haben auch ihre Zuständigkeit gemäß Art. 16 Abs. 1 e Dublin II-VO erklärt.
28 
An der Zuständigkeit Schwedens ändert auch die Rücknahme des klägerischen Asylantrags nichts.
29 
Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO ist für die Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Die Zuständigkeitsbegründung Schwedens fand durch den Asylantrag des Klägers im Jahr 2006 bzw. den Folgeantrag im Jahr 2009 statt. Die Rücknahme des Asylantrags beseitigt dessen konstitutive Wirkung für die Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin II-VO nicht. Damit sind eine Fortsetzung des Dublin-Verfahrens sowie eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat möglich (vgl. BT-Drs. 17/203 v. 15.12.2009, S. 8).
30 
Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 15 Dublin II-VO) Gebrauch macht, d. h. von ihrem Recht, das Asylbegehren des Klägers zu prüfen, obwohl sie nach den Bestimmungen der Dublin II-VO nicht zuständig ist. Die Dublin II-VO selbst enthält keine Konkretisierungen, unter welchen Umständen das Selbsteintrittsrecht von den Mitgliedstaaten angewandt werden soll. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO ist nicht an tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft und eröffnet der Beklagten ein freies Ermessen. Auch Art. 15 der Dublin II-VO ist eine Ermessensvorschrift, die sich allerdings auf spezielle - beispielhaft angeführte - Fälle zur Berücksichtigung humanitärer Belange bezieht.
31 
Unabhängig davon, ob sich aus den genannten Vorschriften überhaupt ein einklagbarer Rechtsanspruch des Asylbewerbers ableiten lässt, würde sich jedenfalls ein solcher nicht im Hinblick auf die Befürchtung des Klägers ergeben, von Schweden aus ohne weitere Sachprüfung in den Irak abgeschoben zu werden.
32 
Die Geltendmachung ihres Selbsteintrittsrechts wäre von der Beklagten allein in Fällen zu erwägen, in denen dem Ausländer nach der Abschiebung in den zuständigen EU-Mitgliedstaat dort ein für die Richtlinie 2005/85/EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft verletzendes Verfahren drohen würde. Das ist hinsichtlich des schwedischen Asylverfahrens aber nicht anzunehmen (vgl. VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010 - 2 K 1896/09 -, juris; Beschl. v. 09.11.2009 - 2 L 1897/09 -, juris; VG Weimar, Urt. v. 20.11.2009 - 5 E 20203/09 We -, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 02.02.2009 - AU 50 S 08.30016 -, juris; VG Schleswig, Beschl. v. 02.10.2008 - 6 B 56/08 -, juris). Dies ist auch im Hinblick auf den Kläger nicht anzunehmen, denn in Schweden hat er, was er selbst nicht in Zweifel zieht, ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Asylverfahren, das die menschen- und europarechtlichen Vorgaben wahrte, durchlaufen, auch wenn dieses für ihn erfolglos blieb.
33 
Soweit der Kläger die schwedische Abschiebepraxis irakischer Staatsangehöriger moniert, handelt es sich hier bereits nicht (mehr) um die Durchführung des Asylverfahrens selbst, sondern vielmehr um den Vollzug der in diesem Verfahren getroffenen behördlichen Entscheidungen. Darüber hinaus ist die in Deutschland - jedenfalls bezüglich der Abschiebung irakischer Christen - geltende günstigere Entscheidungs- und Abschiebungspraxis kein für die Bestimmung der Zuständigkeit des Mitgliedstaats im Wege des Selbsteintrittsrechts und unter Ermessensgesichtspunkten nach der Dublin II-VO bindend zu berücksichtigendes Kriterium. Dies ergibt sich aus sachlichen Gründen, denn sonst bestünde für Asylbewerber die Möglichkeit, das Land mit der günstigsten Entscheidungspraxis für die Durchführung ihres Asylverfahrens auszuwählen. Es liegt auf der Hand, dass damit die Intention und die Bestimmungen der Dublin II-VO leer liefen (so VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010, a. a. O.; Beschl. v. 09.11.2009, a. a. O.; VG München, Urt. v. 12.02.2010 - M 16 K 09.50318 -, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 02.02.2009, a. a. O.).
34 
Würde man eine aus der Dublin II-VO folgende Verpflichtung zum Selbsteintrittsrecht der Beklagten fordern, würde dies bedeuten, dass die Beklagte gehalten wäre, die Asyl- und Abschiebepraxis anderer Mitgliedstaaten nachzuvollziehen und ggf. bei für den betreffenden Asylbewerber ungünstiger Entscheidungs- bzw. Vollzugspraxis zu korrigieren, indem sie das Asylverfahren an sich zieht. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte in Dublin II-Fällen verpflichtet wäre, den asylbegründenden Vortrag des Asylbewerbers unter asylrechtlichen Maßstäben und damit beispielsweise auch unter Glaubhaftigkeitsgesichtspunkten vorab zu würdigen und zu prüfen, was im Ergebnis bereits der Durchführung eines Asylverfahrens gleich käme. Dies würde aber offensichtlich im Widerspruch zum Zweck der Dublin II-VO und der europäischen Lastenverteilung stehen (so ausdrücklich VG des Saarlandes, Urt. v. 20.05.2010, a. a. O.).
35 
In der schwedischen Abschiebepraxis liegt auch kein Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip des Art. 33 GFK. Ein derartiger Verstoß scheidet schon deshalb aus, weil in Schweden ein rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Asylverfahren durchgeführt und damit eine Einzelfallprüfung des klägerischen Begehrens vorgenommen wurden. Er ist daher im Hinblick auf die von ihm befürchtete Abschiebung in den Irak gehalten, die nach dem schwedischen Rechtssystem vorgesehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Soweit er der Sache nach geltend macht, dass er in Schweden ein weiteres Asylverfahren erfolglos durchlaufen habe und ein solches nur bei Vorliegen neuer Umstände betrieben werden könne, entspricht dies im Übrigen der deutschen Gesetzeslage nach § 71 AsylVfG.
36 
Eine Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich auch nicht deshalb aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO, weil die Beklagte einen Anhörungstermin für den Kläger anberaumt (und wieder aufgehoben) hat. Die Übernahme des Asylverfahrens erfordert nämlich eine ausdrückliche Erklärung des Bundesamtes und kann nicht schon allein in der Durchführung der Anhörung gesehen werden kann (vgl. VG München, Urt. v. 12.02.2010, a. a. O.; Beschl. v. 25.05.2009 - M 4 S 09.60039 -, juris; VG Ansbach, Urt. v. 13.01.2009 - 3 K 08.30017 -), was erst recht dann gilt, wenn, wie vorliegend, lediglich ein Anhörungstermin anberaumt und später wieder aufgehoben wurde.
37 
Schließlich ergibt sich ein Selbsteintrittsrecht der Beklagten auch nicht aus der humanitären Klausel des Art. 15 Dublin II-VO, soweit sich der Kläger auf gesundheitliche Probleme beruft. Dass der Kläger aufgrund einer schweren Krankheit auf die Unterstützung einer anderen Person angewiesen wäre (Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO), lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Soweit in diesem darüber spekuliert wird, ob der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer Depression leidet, hat er damit nicht die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO dargetan. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob die Erkrankungen des Klägers in Schweden behandelbar wären, wovon angesichts des dort vorhandenen, bekanntermaßen hervorragenden Gesundheitssystems ausgegangen werden kann. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang befürchtet, infolge der Weiterschiebung in den Irak gar keine Behandlung in Schweden erlangen zu können, wird auf das zuvor Gesagte Bezug genommen, dass er sich nämlich im Falle einer ablehnenden Entscheidung der schwedischen Stellen der dort vorhandenen Rechtsbehelfe bedienen müsste, um Abschiebeschutz und eine Behandlung in Schweden zu erhalten.
38 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich nach Rücknahme ihrer Asylanträge gegen die Abschiebung nach Spanien.

2

Die Kläger sind irakische Staatsbürger syrisch-orthodoxen Glaubens mit arabischer Volkszugehörigkeit und stammen aus Mosul. Der Kläger zu 1) ist der Ehemann der Klägerin zu 2), die Klägerin zu 3) ist ihr gemeinsames minderjähriges Kind. Sie reisten nach eigenen Angaben am ... September 2013 ins Bundesgebiet ein und stellten hier am ... September 2013 einen Asylantrag. Eine Abfrage des Visa-Informationssystems (VIS) vom ... September 2013 ergab, dass der Kläger zu 1) über das Kurzaufenthalts-Schengen-Visum Nr. ESP... verfügt, das am ... September 2013 von der spanischen Botschaft in Jordanien ausgestellt wurde und vom ... bis ... September 2013 gültig ist.

3

Am ... September 2013 hörte die Beklagte die Kläger zu 1) und zu 2) zu ihren persönlichen Verhältnissen und dem Reiseweg an: […]

4

Am ... November 2013 richtete die Beklagte ein Übernahmeersuchen an Spanien gemäß Art. 9 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO oder Dublin II-Verordnung), weil die Kläger gemeinsam mit einem weiteren volljährigen Kind, für das ein separater Antrag gestellt worden sei (s. Verfahren ...), mit einem spanischen Visum in den Schengen-Raum eingereist seien. Mit zwei separaten Schreiben vom ... Januar 2014 nahmen die spanischen Behörden gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO das Übernahmegesuch an.

5

Mit Bescheid vom ... Januar 2014, den Klägern gemäß Postzustellungsurkunde am ... Januar 2014 zugestellt, stellte die Beklagte fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Wegen des von den spanischen Behörden erteilten Einreisevisums sei Spanien gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Es gebe auch keine systemischen Mängel im spanischen Asylverfahren.

6

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am ... Februar 2014 Klage erhoben. Spanien sei kein sicherer Drittstaat. Außerdem hätten die Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 10. Februar 2014 ihre Asylanträge auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt. Sie begehrten weder die Feststellung von Abschiebehindernissen nach § 3 AsylVfG noch nach § 4 AsylVfG. Dadurch sei nach Inkrafttreten der Dublin III-Verordnung die Beklagte zuständig. Mit Schreiben vom 4. März 2014 nahmen die Kläger klarstellend die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte, bzw. als Flüchtlinge zurück.

7

Die Kläger beantragen nach Rücknahme der Klage im Übrigen,

8

den Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2014 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Rücknahme des Asylantrages nach der Zustimmung zum Übernahmegesuch führe nicht zur Unanwendbarkeit der Dublin II-Verordnung. Die Kastrati-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei auf diesen Fall nicht anwendbar. Außerdem sei die Rücknahme wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unwirksam, weil sich die Kläger noch immer auf politische Verfolgungsgründe stützen. […]

Entscheidungsgründe

12

[…]

13

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2014 ist im Hinblick auf die Feststellung, dass die Asylanträge unzulässig seien (dazu 1.) und die Abschiebungsanordnung (dazu 2.) rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

1. Die Feststellung zu 1) im angefochtenen Bescheid, dass die Asylanträge unzulässig seien, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. AsylVfG kann die Beklagte ihre Feststellung nicht auf § 27a AsylVfG stützten. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften (jetzt: Europäische Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Unzulässigkeitsentscheidung eines Asylantrags setzt einen (noch) wirksamen Asylantrag voraus. Dies ergibt sich aus § 32 AsylVfG, nach dem das Verfahren durch deklaratorischen Bescheid einzustellen ist, wenn der Antrag zurückgenommen worden ist. Die Kläger haben ihre Asylanträge vom ... September 2013 mit anwaltlichem Schreiben vom ... Februar 2014, das als Rücknahme zu verstehen ist (dazu 1.1), wirksam (dazu 1.2) zurückgenommen.

15

1.1 Die Auslegung des Schreibens vom ... Februar 2014, ergibt, dass damit der Asylantrag konkludent zurückgenommen wurde. Die Kläger haben ausdrücklich beantragt, nur noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Sie erklärten, nicht mehr die Anerkennung als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anzustreben. Sie wünschten auch nicht mehr die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 3 AsylVfG oder 4 AsylVfG, sondern ausschließlich die Gewährung (mitgliedstaatlichen) subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Damit haben sie ihren Antrag so beschränkt, dass er nicht mehr unter § 13 Abs. 1 AsylVfG fällt. Danach sind nämlich nur die unionsrechtlich verbürgten Abschiebungsverbote erfasst, die sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG) oder der Feststellung von unionalem subsidiären Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) ergeben. Ein auf die Gewährung von mitgliedstaatlichen Abschiebungsverboten gestützter Antrag ist kein Asylantrag mehr (vgl. BR-Drs. 218/13 vom 22.3.2013, S. 21). Ihr Vorliegen ist vielmehr bei Rücknahme des Asylantrags von Amts wegen zu prüfen.

16

Zwar haben die Kläger mit weiterem Schreiben vom ... März 2014 ausdrücklich nur die Rücknahme des Antrages auf Anerkennung als Asylberechtigte bzw. als Flüchtlinge

17

– nicht jedoch die Rücknahme des Antrags auf unionalen subsidiären Schutz – erklärt. Damit sollten jedoch keine Rechtswirkungen ausgelöst werden, die von denen abweichen, die von dem Schreiben vom ... Februar 2014 ausgingen, da das Schreiben vom ... März 2014 ausdrücklich nur der „Klarstellung“ diente.

18

1.2 Die Antragsrücknahme ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig beanstandet wird (Palandt/Grüneberg, 72. Auflage 2013, § 242 Rn. 40). Dieser Grundsatz gilt auch im öffentlichen Recht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 79 Rn. 33). Vorliegend kommt die Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens in Betracht, weil sich die Kläger trotz Antragsrücknahme auf Verfolgungsgründe berufen könnten, wegen deren man Flüchtlingsschutz oder subsidiären unionalen Schutz erlangen könnte. Grundsätzlich lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten zu. Erst wenn besondere Umstände hinzukommen, etwa wenn bei der anderen Seite ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde, kann das widersprüchliche Verhalten unwirksam sein (Palandt/Grüneberg, a.a.O., Rn. 55). Solche besonderen Umstände sind nicht ersichtlich. Zunächst ist schon nicht klar, auf welche Verfolgungsgründe sich die Kläger konkret berufen, weil sie bisher zu ihrem Verfolgungsschicksal nicht angehört wurden. Es ist auch nicht so, dass die Kläger durch die Rücknahme des Asylantrags etwas erreichen würden, das ihnen die Rechtsordnung nicht zuerkennen will. Zwar würden sie durch die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erlangen, obwohl nach der Dublin II-Verordnung ein anderer Mitgliedstaat der EU für die Prüfung des Asylantrags zuständig wäre. Die Rechtsposition, die sie in Deutschland erlangen können, ist jedoch eine andere als bei Durchführung eines Asylverfahrens in Spanien, da § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG rein mitgliedstaatliche Vorschriften sind. Auch auf Deutschland bezogen können sie nicht Dasselbe erlangen wie bei Durchführung eines Asylverfahrens. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die bei Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erteilt werden soll, gewährt den Inhabern nicht dieselben Rechte wie den Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG, die beispielsweise die Erwerbstätigkeit gestattet (§ 25 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Den Angehörigen von Schutzsuchenden, zu deren Gunsten ein mitgliedstaatliches Abschiebungsverbot festgestellt wurde, ist es verwehrt, sich auf den Familienflüchtlingsschutz bzw. subsidiären Familienschutz (§ 26 AsylVfG) zu berufen. Es lässt sich dem Gesetz auch nicht entnehmen, dass keine Situation eintreten soll, bei der nur über das Bestehen ausgewählter Schutzgründe entschieden wird. Im Gegenteil lässt § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Beschränkung des Asylantrags auf die Zuerkennung internationalen Schutzes ausdrücklich zu. Wieso vor diesem Hintergrund die Beschränkung des Schutzbegehrens auf andere Abschiebungsverbote rechtsmissbräuchlich sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal das Bestehen dieser Abschiebungsverbote nach Rücknahme des Asylantrages von Amts wegen zu prüfen ist (§ 32 Satz 1 AsylVfG). Ein Rechtsmissbrauch ist auch nicht darin zu sehen, dass durch die Rücknahme des Asylantrags die Dublin II-Verordnung unanwendbar wird. Die Herbeiführung einer von der Rechtsordnung gewollten Rechtsfolge (dazu sogleich) kann nämlich nicht rechtsmissbräuchlich sein.

19

Die Kläger erlangen durch die Rücknahme des Asylantrags auch keinen Vorteil, den sie ohne Stellung des Asylantrages nicht erhalten hätten. Hätten sie nämlich keinen Asylantrag gestellt und sogleich um die Feststellung der mitgliedstaatlichen Abschiebungsverbote ersucht, wären die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ebenfalls zu prüfen gewesen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass dies im zuerst genannten Fall durch die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg erfolgt wäre, während dies hier der Beklagten obliegt. Da die Ausländerbehörde gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG die Beklagte an der Entscheidung beteiligten müsste, würde die unterschiedliche Zuständigkeit in der Sache keinen Unterschied machen.

20

2. Die Anordnung der Abschiebung nach Spanien ist rechtswidrig, weil Spanien kein für die Durchführung des Asylverfahrens zuständiger Staat im Sinne von § 27a AsylVfG ist. Zwar war Spanien nach der Dublin II-Verordnung, die hier zunächst anwendbar war (dazu 2.1), ursprünglich zuständig (dazu 2.2). Die Zuständigkeit ist jedoch mit Rücknahme des Asylbegehrens entfallen (dazu 2.3).

21

2.1 Die Dublin II-Verordnung findet auf den vorliegenden Fall noch Anwendung, obwohl sie inzwischen durch Art. 48 UAbs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO oder Dublin III-Verordnung) aufgehoben worden ist. Die Dublin III-Verordnung ist (nur) auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden; sie gilt jedoch – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme und Wiederaufnahme von Antragstellern, Art. 49 UAbs. 2 Satz 1 Dublin III-VO. Art. 49 UAbs. 2 Satz 2 Dublin III-VO stellt klar, dass für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wurde, die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO erfolgt. Die Kläger haben ihre Asylanträge bei der Beklagten am ... September 2013 und damit vor dem 1. Januar 2014 gestellt. Das an Spanien gerichtete Übernahmeersuchen datiert vom ... November 2013 und ist mithin ebenfalls vor dem maßgeblichen Stichtag ergangen.

22

2.2 Bis zur Rücknahme des Asylantrags war Spanien im nach Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO zuständig. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, der das gültige Visum, das der Asylbewerber besitzt, ausgestellt hat, es sei denn, es wurde in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt. Als die Kläger am ... September 2013 erstmals in der Europäischen Union einen Asylantrag stellten, war das Visum, mit dem sie eingereist sind und das bis zum ... September 2013 galt, noch nicht ungültig geworden. Dafür, dass das Visum in Vertretung oder mit Zustimmung der Beklagten ausgestellt worden sein könnte, ist nichts ersichtlich.

23

2.3 Durch die Rücknahme des Asylantrags vom ... Februar 2014 ist die Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung – und damit auch die Zuständigkeit Spaniens – rückwirkend entfallen. Die Rücknahme eines einzigen in der EU gestellten Asylantrags führt auch dann zur Unanwendbarkeit der Dublin II-Verordnung, wenn sie nach der Zustimmung des an sich zuständigen Mitgliedstaats zum Aufnahmeersuchen des Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt wurde, erfolgt (im Ergebnis ebenso VG München, Urt. v. 9.9.2010 2 K 09.50582, juris, Rn. 14 ff.; VG Frankfurt, Beschl. v. 6.7.2011, 7 L 1757/11, juris, Rn. 5, 12 ff.; VG Ansbach, Beschl. v. 15.9.2011, 9 E 11.30233, juris, Rn. 23; VG Sigmaringen, Beschl. v. 16.3.2012, 1 K 459/12, juris Rn. 7 ff.; VG Regensburg, Urt. v. 2.8.2012, 7 K 12.30025, juris, Rn. 17 ff.; VG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2012, 1 K 2973/12, juris, Rn. 21; a. A. die unten genannten Entscheidungen sowie wohl auch Marx, ZAR 2014, 5, 5). Dies ergibt die Auslegung des Urteils des EuGH vom 3. Mai 2012 in der Rs. C-620/10 (Kastrati). In jenem Verfahren ging es um einen Ausländer, der mit einem französischen Visum in die Union eingereist war und in Schweden seinen einzigen Asylantrag gestellt hatte. Noch bevor die französischen Behörden dem Übernahmeersuchen Schwedens zustimmten, nahm er diesen Asylantrag zurück. Der EuGH entschied, dass die Dublin II-Verordnung nicht mehr anzuwenden sei, wenn der Asylantrag zurückgenommen wurde, bevor der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat. Da der EuGH in der Regel die ihm vorgelegten Rechtsfragen nur insoweit beantwortet, wie es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erforderlich ist, kann man allein aus der Formulierung der Antwort auf die Vorlagefrage nicht den Umkehrschluss ziehen, dass im vorliegenden Fall, in dem die Rücknahme nach Zustimmung der Übernahme erfolgte, die Rücknahme unerheblich sei (so aber VG Minden, Beschl. v. 18.7.2012, 1 L 268/12, juris, Rn. 17; VG Augsburg, Urt. v. 11.1.2013, 6 K 12.30358, juris, Rn. 32). Dies gilt hier gerade auch deshalb, weil der EuGH die vom vorlegenden Gericht offen gestellte Frage, ob es für die Folgen der Rücknahme des Asylantrags von Bedeutung sei, in welchem Stadium der Bearbeitung des Asylantrags die Rücknahme erfolge (Rn. 35 des Urteils), nur in dem für das Ausgangsverfahren streitentscheidenden Umfang beantwortet hat.

24

Bei Anwendung der vom EuGH in der Kastrati-Entscheidung getroffenen Aussagen zur Anwendung der Dublin II-Verordnung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass es für die Rechtsfolgen der Rücknahme eines einzigen in der EU gestellten Asylantrags keinen Unterschied macht, ob der aufnehmende Staat der Übernahme bereits zugestimmt hat oder nicht. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der EuGH hält in der Kastrati-Entscheidung zunächst fest, dass in dem Fall, in dem ein Asylbewerber seinen einzigen Asylantrag zurücknimmt, bevor der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme zugestimmt hat, der Hauptzweck der Dublin II-Verordnung nicht mehr erreicht werden könne. Der Hauptzweck läge in der Ermittlung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten (Rn. 42 des Urteils [Hervorhebung hinzugefügt]). Weiter hält der EuGH fest, dass die Situation, in der der Asylbewerber seinen Antrag zurückgenommen hat, ohne in zumindest einem anderen Mitgliedstaat einen solchen Antrag gestellt zu haben, nicht geregelt sei (Rn. 43 des Urteils). Zwar enthielten Art. 4 Abs. 5 UAbs. 2 und Art. 16 Abs. 3 UAbs. 4 Dublin II-VO grundsätzlich abschließende Regelungen für die Fälle, in denen die Verpflichtung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates erlösche, einen Antragsteller, der in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat, aufzunehmen oder wiederaufzunehmen. Sie setzten aber das Vorliegen eines Asylantrags voraus, den der zuständige Mitgliedstaat prüfen müsse, zu prüfen im Begriff sei oder bereits beschieden habe (Rn. 45 des Urteils). Hieraus muss gefolgert werden, dass für die Fälle, in denen es nach der Rücknahme gerade keinen Asylantrag mehr gibt, den der an sich zuständige Mitgliedstaat „prüfen muss, zu prüfen im Begriff ist oder bereits beschieden hat“, die genannten Ausnahmevorschriften nicht abschließend sein können. Der EuGH teilt sodann mit, dass „das Gleiche“ für Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO gelte (Rn. 46 des Urteils). Dies ist so zu verstehen, dass die dort geregelte sog. „Versteinerungsklausel“ ebenfalls voraussetzt, dass es einen Asylantrag gibt, den der zuständige Mitgliedstaat „prüfen muss, zu prüfen im Begriff ist oder bereits beschieden hat“.

25

Hieraus folgt für das erkennende Gericht, dass auch im vorliegenden Fall der Rücknahme des Asylantrags nach Zustimmung zum Übernahmeersuchen die Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung nachträglich wegfällt, weil bei allen vom EuGH in der Kastrati-Entscheidung angeführten Gründen und Gesichtspunkten der Zeitpunkt der Rücknahme des Asylantrages keine Rolle spielt. Nimmt ein Asylbewerber – wie im vorliegenden Fall – seinen Asylantrag nach der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates zurück, kann der vom EuGH identifizierte Hauptzweck der Dublin II-Verordnung ebenfalls nicht mehr erfüllt werden. Zwar steht mit Zustimmung zum Übernahmegesuch der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat fest (hierauf abstellend VG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2014, 10 A 5062/13). Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates ist jedoch kein Selbstzweck. Sie erfolgt nämlich, „um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Antragstellers zu gewährleisten“. Wenn der Antragsteller durch Rücknahme des Asylantrages zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine Prüfung des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaften nicht mehr wünscht, bedarf es auch nicht mehr der Ermittlung des hierfür zuständigen Mitgliedstaats. Wenn dessen Ermittlung nur erfolgt, um dem Antragsteller effektiven Zugang zur materiellen Prüfung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten, kann der Hauptzweck der Verordnung auch dann nicht mehr erfüllt werden, wenn der (einzige) Asylantrag nach Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates zurückgenommen wird.

26

Dass die Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung im vorliegenden Fall durch die Rücknahme des Asylantrags nicht wegfällt, ergibt sich nicht aus der Versteinerungsklausel des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO (so VG Karlsruhe, Urt. v. 13.4.2011, 3 K 2110/10, juris, Rn. 29; VG Trier, Beschl. v. 20.12.2011, 5 L 1595/11, juris, Rn. 5). Diese Norm setzt nämlich – wie der EuGH ausgeführt hat – voraus, dass es überhaupt einen Asylantrag gibt, den der zuständige Mitgliedstaat prüfen muss, zu prüfen im Begriff ist oder bereits beschieden hat. Dies ist jedoch auch hier nach der Rücknahme nicht mehr der Fall.

27

Dass der Schutzsuchende es bei der hier vertretenen Ansicht noch im gerichtlichen Verfahren in der Hand hat, die Verteilungsregeln der Dublin II-Verordnung außer Kraft zu setzen, führt zu keiner anderen Auslegung. Die Generalanwältin T. hat in ihren Schlussanträgen vom 12. Januar 2012 zwar die Verhinderung des Missbrauchs durch Mehrfachanträge als ein wesentliches Ziel der Dublin II-Verordnung identifiziert und den Grundsatz betont, dass der Mitgliedstaat zuständig sein solle, der am stärksten an der Einreise des Ausländers beteiligt war (Rn. 24 der Schlussanträge). Diese Ziele und Grundsätze würden am besten gewahrt, wenn die Anwendbarkeit der Dublin II-Verordnung durch eine Antragsrücknahme nicht mehr ausgeschlossen werden könnte (wobei auch in diesem Fall der Zeitpunkt der Rücknahme unerheblich wäre, siehe den Vorschlag der Generalanwältin für die Antwort auf die zweite Vorlagefrage, Rn. 54 der Schlussanträge). Der EuGH hat sich bei seiner Entscheidung jedoch gerade nicht von den Überlegungen der Generalanwältin leiten lassen, sondern das Begehren des Schutzsuchenden als „den Hauptzweck“ der Dublin II-Verordnung ins Zentrum seiner Überlegungen gerückt (Rn. 42 des Urteils). Hiervon ausgehend ist es konsequent, die Anwendbarkeit der Verordnung bei Rücknahme eines einzigen in der Union gestellten Asylantrags unabhängig von dessen Zeitpunkt entfallen zu lassen.

IV.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylVfG, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil aus dem Urteil nichts – auch nicht vorläufig – vollstreckt werden kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.