Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2014 - 3 ZB 12.133

published on 14/02/2014 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2014 - 3 ZB 12.133
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Gericht

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Tenor

I.

Die Berufung wird zugelassen.

II.

Der Streitwert wird vorläufig auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zuzulassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Der Kläger hat zwar seinen Klageantrag in der Klageschrift vom 26. Oktober 2011 als Feststellungsbegehren formuliert. Die Auslegung des Klagebegehrens ergibt jedoch, dass der Kläger neben dem Feststellungsbegehren auch (hilfsweise) die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2011 erstrebt. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Klagevorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, so kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. BVerwG B. v. 13.1.2012 - 9 B 56/11 - juris Rnrn. 7 und 8 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Dies zugrunde gelegt, ist das tatsächliche Rechtsschutzbegehren des Klägers dahingehend auszulegen, dass er neben dem Feststellungsbegehren auch (hilfsweise) die Aufhebung des ihn belastenden Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2011 begehrt. Im Schriftsatz vom 2. November 2011 geht der Kläger (wenn auch nur knapp) auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids ein, in den Schriftsätzen vom 2. und 8. Dezember 2011 legt er dar, dass ihm der Widerspruchsbescheid -wenn er bestandskräftig werden würde - vom Beklagten entgegengehalten werden würde.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2011 hatte der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Abbruch des (ersten) Stellenbesetzungsverfahrens als unbegründet zurückgewiesen. Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids war das streitbefangene Rechtsverhältnis (Abbruch des ersten Stellenbesetzungsverfahrens) dadurch erledigt, dass dem Kläger die von ihm begehrte Schulleitung mit Schreiben vom 18. August 2011 übertragen worden war. Eine Widerspruchsentscheidung in der Sache hätte deshalb nicht mehr ergehen dürfen, das Widerspruchsverfahren hätte vielmehr eingestellt werden müssen. Durch den dennoch ergangenen Widerspruchsbescheid ist der Kläger beschwert, denn durch den ergangenen Widerspruchsbescheid wird der Eindruck erweckt, der erledigte Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sei bestandskräftig geworden (vgl. BVerwG U. v. 20.1.1989 - 8 C 30/87 - Rn. 10).

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht jedoch zutreffend eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO für subsidiär erachtet, weil der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dem Kläger geht es in der Sache darum, er müsse im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als wenn ihm der streitbefangene Dienstposten bereits zu einem früheren Zeitpunkt übertragen worden wäre. Die bloße Absicht, einen Schadensersatzprozess zu führen, rechtfertigt eine erst zu erhebende Feststellungsklage wegen der Subsidaritätsklausel nicht. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Feststellungsklage zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, als das Rechtsverhältnis noch kein vergangenes (erledigtes) war (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl., Rn. 34 und 41a zu § 43). Der Kläger hat die Feststellungsklage am 26. Oktober 2011 erhoben; zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits das streitbefangene Rechtsverhältnis (Abbruch des ersten Stellenbesetzungsverfahrens) dadurch erledigt, dass dem Kläger die von ihm begehrte Schulleitung mit Schreiben vom 18. August 2011 übertragen worden war. Der Kläger wird also nicht um die „Früchte des bisherigen Verfahrens“ gebracht, denn das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren hat zu dem Zeitpunkt, als der Kläger seinen Schadensersatzanspruch hätte geltend machen können, nämlich ab Übertragung der begehrten Schulleiterstelle, noch keine „Früchte“ erbracht; die Feststellungsklage wurde erst später erhoben (vgl. auch BVerwG U. v. 20.1.1989 -8 C 30/87 - juris, Rn. 9; BVerwG, B. v. 18.5.2004 -3 B 117/03 - juris, Rn. 4; BVerwG U. v. 14.1.1980 - 7 C 92/79 - juris, Rn. 10).

Die vorläufige Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Belehrung:

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
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published on 13/01/2012 00:00

Gründe 1 Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Zwar rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.