Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2017 - 12 BV 17.185

bei uns veröffentlicht am05.04.2017
nachgehend
Bundesverwaltungsgericht, 5 C 11.17, 26.04.2018
Bundesverwaltungsgericht, 5 B 15.17, 20.09.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger, der seinen eigenen Angaben zufolge afghanischer Staatsangehöriger ist und am 21. März 2001 geboren wurde, als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (umF) nach § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII vorläufig in Obhut zu nehmen.

1. Der Kläger wurde am 2. September 2016 von der Polizeiinspektion 16 am Hauptbahnhof München erkennungsdienstlich behandelt und aufgrund seiner Angabe, am 21. März 2001 geboren zu sein, in die Aufnahmeeinrichtung Young Refugee Center in München verbracht. Am 5. September 2016 fand ein Alterseinschätzungsgespräch beim Jugendamt der Beklagten statt. Als Ergebnis wurde festgehalten, der Kläger sei volljährig. Mit Bescheid vom gleichen Tage wurde das Geburtsdatum des Klägers auf den 21. März 1998 festgesetzt und eine Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII abgelehnt. Als Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstige Papiere vorgelegt und seine Minderjährigkeit auch nicht durch eine schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung begründen können. Nach Aushändigung des Bescheids wurde der Kläger in eine Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene verlegt.

2. Am 26. September 2016 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 5. September 2016 Klage zur Niederschrift und beantragte ferner, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) zu verpflichten, ihn umgehend in Obhut zu nehmen. Zur Begründung gab er an, die Ablehnung der Inobhutnahme sei rechtswidrig. Er sei tatsächlich noch minderjährig und am 21. März 2001 geboren. Das festgesetzte Datum 21. März 1998 sei unzutreffend.

3. Die Beklagte trat dem mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2016 unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Eilverfahren - M 18 E 16.4362 - entgegen und beantragte, die Klage abzuweisen. Die Volljährigkeit des Klägers sei in einem 60-minütigen Altersfeststellungsgespräch durch zwei erfahrene Mitarbeiter unter Beachtung der Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen festgestellt worden. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liege nicht vor. Ergänzend wurde eine Stellungnahme der Sozialpädagogen vorgelegt, die das Alterseinschätzungsgespräch mit dem Kläger führten. Diese hat - jeweils unter Bezugnahme auf die in der Behördenakte (vgl. Bl. 11 f.) enthaltene Niederschrift - im Wesentlichen folgenden Inhalt: 5

„1. Äußeres Erscheinungsbild

Herr R. hatte volles schwarzes Haar, stark ausgeprägte Koteletten, wie auch buschige, zusammengewachsene Augenbrauen. Auch die Körperbehaarung war stark ausgeprägt, so wiesen seine Unterarme und Hände eine deutliche Behaarung auf. Seine Stimme war tief, der Kehlkopf deutlich sichtbar. Der Körperbau des jungen Mannes war ausgewachsen und reif. Dies kennzeichnete sich durch einen sehr großen, kräftigen Körperbau und breite Schulterpartien. Seine Hände wirkten groß, kräftig und als seien sie stark beansprucht worden. Herr R. wies männliche Gesichtszüge auf, insbesondere hatte er ein markantes breites Kinn. Auch seine Haut war großporig und deutlich vernarbt, was auf eine scheinbar veraltete Akne hindeutete. Ebenso waren zwei nicht mimische durchzogene Stirnfalten und zusätzlich sehr stark ausgeprägte mimische Stirnfalten sichtbar. Auch hatte der junge Mann eine deutliche, gut erkennbare Falte unter den Augen. Die Nasolabialfalte war sichtbar. Herr R. hatte mehrere deutlich sichtbare und sehr stark ausgeprägte Halsfalten. Die oben genannte Person wies einen starken, festen und vollen Bartwuchs an Oberlippe und Kinn auf. Dieser war frisch rasiert, jedoch konnte der Schatten des Bartes gut erkannt werden.

Insgesamt beurteilten alle beteiligten Personen des AE-Teams sein Erscheinungsbild als körperlich ausgereift. Es handelt […] sich bei dem Kläger um eine volljährige Person.

2. Inhaltliche Angaben

Der junge Mann wirkte im Gespräch von Beginn an sehr aufgeregt und nervös. Auch trotz des Versuches ihm die Angst vor der Situation durch eine ausführliche Aufklärung zu nehmen, legte er seine Nervosität über das gesamte Gespräch hinweg nicht ab. Herr R. gab an, am 01.01.1380 [21.3.2001] geboren zu sein, konnte dies aber durch keinerlei beweiskräftige Dokumente belegen. Er wisse sein Geburtsdatum seit seiner frühen Kindheit. Im Jahr 2012 habe sein Vater ihm gesagt, dass er nun 11 Jahre alt sei. Herr R. widersprach sich bei Fragen zu seiner Schulzeit. Zunächst gab der junge Mann an, die Schule acht Jahre lang besucht zu haben, korrigierte sich dann aber und gab zu Protokoll drei Jahre lang in der Schule gewesen zu sein und die 5. bis einschließlich 7. Klasse beendet zu haben. Des Weiteren fiel auf, dass er angab weder in seiner Muttersprache noch in englischer Schrift schreiben zu können, schrieb dann aber im Gesprächsverlauf sowohl auf Paschtu als auch in englischer Schrift sehr gekonnt und in gutem Schriftbild.

Der junge Mann machte den Eindruck sehr nervös zu sein und widersprach sich an einigen Stellen des Gespräches. Insgesamt machte er nur sehr wenig Angaben.

3. Verhalten

Herr R. gab an, Paschtu zu sprechen und den Dolmetscher zu verstehen. Bei der Bekanntgabe der Entscheidung protestierte er heftig gegen die Festsetzung der Volljährigkeit und diskutierte reif und überlegt mit den Fachkräften. Er sprach sehr selbstbewusst und reif, unterbrach den geschäftsführenden Kollegen mehrfach und erhob seine Stimme in einer, der Situation nicht entsprechenden Art und Weise. Er verweigerte die Unterschrift, welche eine Empfangsbestätigung darstellt, auf dem Bescheid über die Ablehnung der Inobhutnahme. Als ihm bewusst wurde, dass die Entscheidung des Alterseinschätzungsteams feststand, begann er stark zu weinen und ließ sich zunächst nicht beruhigen. Alle beteiligten Personen versuchten in einfühlsamer Art und Weise ihn über seine Möglichkeiten aufzuklären und schließlich ihn dazu zu bewegen, den Raum zu verlassen. Als er sich auch nach längerer Zeit nicht dazu bewegen ließ, wurde ein Mitarbeiter des im Hause ansässigen Security-Teams zur Unterstützung hinzugezogen, erst dann erklärte sich der junge Mann dazu bereit, den Raum zu verlassen.

Auch das dominante und fordernde Verhalten Herrn R`s. lässt zweifelsfrei den Schluss zu, dass es sich bei ihm um eine volljährige Person handelt.

Unter Berücksichtigung aller Aspekte (äußeres Erscheinungsbild, inhaltliche Angaben und Verhalten) ist davon auszugehen, dass es sich bei Herrn R. um eine volljährige Person handelt.“

4. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 - M 18 E 16.4362 - verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte im Eilverfahren (§ 123 VwGO), den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- oder Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Angesichts der in der (Behörden-)Akte enthaltenen Fotos erscheine nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen, dass der Kläger noch minderjährig sein könne.

5. Mit Urteil vom 7. Dezember 2016 gab das Verwaltungsgericht auch der in der Hauptsache erhobenen Klage statt und verpflichtete die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 5. September 2016, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Das Klagebegehren sei gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42 a SGB VIII erreichen wolle. Ein Anspruch auf endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII scheide aus. Die §§ 42a ff. SGB VIII begründeten ein chronologisch gestuftes System, das zunächst nur eine vorläufige Inobhutnahme zulasse. Eine endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII komme nur dann in Betracht, wenn die Zuweisung oder der Ausschluss aus dem Verteilungsverfahren nach § 42 b SGB VIII bereits stattgefunden habe. Die so verstandene Klage sei zulässig und begründet. Das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach § 42 f SGB VIII sei nicht vollständig durchgeführt worden. Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII habe am 5. September 2016 durch die Beklagte zwar stattgefunden. Infolge des Vorliegens eines Zweifelsfalles, der nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs immer dann anzunehmen sei, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis komme, der Betroffene sei noch minderjährig, sowie angesichts der nicht offensichtlichen Volljährigkeit des Klägers habe die Beklagte jedoch von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen. Aufgrund des Bildes, das die Kammer sich in der mündlichen Verhandlung habe machen können, sei nicht ausgeschlossen, dass der Kläger minderjährig sei. Selbst die Beklagte habe als Geburtstermin den 21. März 1998 festgesetzt und damit zu erkennen gegeben, dass sie davon ausgehe, dass der Kläger erst seit einem halben Jahr volljährig sei. Um Fehlbeurteilungen zu Lasten von Minderjährigen zu vermeiden sei in jedem Fall eine medizinische Untersuchung geboten und ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gegeben.

6. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Die Klage sei abzuweisen. Der Kläger habe mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 42, 42a SGB VIII keinen Anspruch darauf, vorläufig in Obhut genommen zu werden. Aufgrund der im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 SGB VIII) gewonnenen Erkenntnisse, handele es sich beim Kläger um eine volljährige Person. Einer ärztlichen Untersuchung habe es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bedurft, da kein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorliege. Der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Zweifelsfall“ durch das Verwaltungsgericht, welches einen solchen bereits dann annehme, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis komme, der Betroffene sei noch minderjährig, könne nicht gefolgt werden; sie entspreche nicht der gesetzgeberischen Intention. Bereits aus der Gesetzessystematik werde deutlich, dass die ärztliche Untersuchung „Ausnahmecharakter“ besitze. Das Altersfeststellungsverfahren sei dreistufig - Vorlage der Ausweisdokumente, qualifizierte Inaugenscheinnahme und in Zweifelsfällen ärztliche Untersuchung - aufgebaut. Folge man der weiten Auslegung des Verwaltungsgerichts, so wäre - letztlich unabhängig von den im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme gewonnenen Erkenntnissen - ein Zweifelsfall in den meisten Fällen zu bejahen, weil von wenigen Einzelfällen abgesehen wohl nur sehr selten für jedermann ohne weiteres erkennbar sei, dass es sich um eine volljährige Person handele. Im Endeffekt würde damit die vom Gesetzgeber lediglich als letztes Mittel konzipierte ärztliche Untersuchung zum Regelfall und die qualifizierte Inaugenscheinnahme in den meisten Fällen entbehrlich. Ein solches Ergebnis sei mit der ratio des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, die ärztliche Untersuchung in einem separaten Absatz des § 42 f SGB VIII, nach den allgemein vorrangigen Regeln zur Altersfeststellung zu verorten und damit deren Ausnahmecharakter betont. Der weiten Auslegung des Begriffs „Zweifelsfall“ liege augenscheinlich die Überzeugung zugrunde, dass eine ärztliche Untersuchung grundsätzlich erkenntnisreicher sei, als eine qualifizierte Inaugenscheinnahme. Da ärztliche Untersuchungen jedoch weder eine Genitaluntersuchung beinhalten dürften noch - mangels gesetzlicher Grundlage - eine radiologische, sei eine präzise Alterseingrenzung kaum möglich, sodass der Mehrwert einer solchen Untersuchung im Vergleich zu einer qualifizierten Inaugenscheinnahme gering erscheine. Bei weiter Auslegung des Begriffs „Zweifelsfall“ könnten zudem die in § 42 a Abs. 4 und § 42 b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII vorgesehenen Fristen für eine Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nicht mehr eingehalten werden, weil auf eine ärztliche Expertise erfahrungsgemäß sechs bis acht Wochen gewartet werden müsse. Dass ein solches Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei, liege auf der Hand. Anhaltspunkte, die das Ergebnis der durchgeführten Altersfeststellung erschüttern könnten, lägen nicht vor. Vielmehr erwiesen sich die Angaben des Klägers, insbesondere im Hinblick auf seine Schulzeit bzw. deren Dauer als widersprüchlich. Zunächst habe er angegeben, die Schule acht Jahre lang besucht zu haben, sich dann aber sogleich korrigiert und behauptet, lediglich drei Jahre lang in der Schule gewesen zu sein. Auch die Angaben zu seinen sprachlichen, in der Schule erworbenen Kenntnissen seien widersprüchlich. Zunächst habe er angegeben, weder in seiner Muttersprache noch in lateinischer Schrift schreiben zu können, im weiteren Verlauf der Anhörung habe er jedoch sowohl auf Paschtu als auch in Englisch sehr gekonnt und in gutem Schriftbild geschrieben. Derartige Widersprüche könnten die Annahme eines Zweifelsfalls nicht begründen. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme sei daher rechtmäßig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Angaben in der Berufungsbegründung genügten nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Ausführungen zur qualifizierten Inaugenscheinnahme beschränkten sich darauf, dass das Gespräch durch zwei sehr erfahrene Mitarbeiterinnen durchgeführt worden sei. Diese würden jedoch weder namentlich genannt, noch werde deren Qualifikation offengelegt. Darüber hinaus befasse sich die Berufungsbegründung mit behaupteten Widersprüchen, ohne darzulegen, auf welche konkreten Fragen welche konkreten Antworten gegeben worden seien. Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Auf die behaupteten Widersprüche lasse sich eine offensichtliche Volljährigkeit des Klägers nicht stützen. Einzelne korrekturbedürftige Angaben seinen in einer 60-minütigen Befragung durch mehrere Personen nicht ungewöhnlich, sondern geradezu zwangsläufig zu erwarten. Sollte der Kläger auf die Frage zur Dauer der Schulausbildung tatsächlich mit „8“ geantwortet haben, so könne damit zunächst auch das Alter zu Beginn der Schulausbildung gemeint gewesen sein. Jedenfalls habe der Kläger dies - wie auch die Berufungsbegründung einräume - sofort korrigiert. Weshalb dann jedoch die ursprüngliche oder korrigierte Angabe ein untrügliches Indiz für die Volljährigkeit des Klägers darstellen solle, sei nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang befasse sich die Berufungsbegründung auch nicht damit, dass das Verwaltungsgericht aufgrund eigener Einschätzung zu der Auffassung gelangt sei, dass es sich beim Kläger nach dessen Erscheinungsbild und Auftreten in der mündlichen Verhandlung um einen Minderjährigen handeln könne. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger erst ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung volljährig geworden sei. In einem solchen Fall könne eine sorgfältige Beurteilung nicht zu dem tragfähigen Ergebnis gelangen, es sei von der Volljährigkeit des Klägers auszugehen.

Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie hält die Berufung des Beklagten für begründet. Es sei Aufgabe des Jugendamts, das den Sachverhalt gemäß § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von Amts wegen zu ermitteln habe, die Voraussetzungen einer Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII zu prüfen. Nach § 21 SGB X bediene sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halte. Angesichts dessen gingen die Handlungsempfehlungen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration für die Altersbegutachtung unbegleiteter Minderjähriger davon aus, dass nach einer durch zwei Fachkräfte des Jugendamts unabhängig voneinander durchgeführten qualifizierten Inaugenscheinnahme Zweifel bei der Festlegung des Alters (§ 42 f Abs. 2 SGB VIII) nur dann bestünden, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte nicht übereinstimmten oder wenn die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne. Selbst wenn seitens des Gerichts ein Zweifelsfall angenommen werde, dürfe nicht ohne weiteres zugunsten des Klägers entschieden werden. Vielmehr habe eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige, den Begründungsanforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO Rechnung tragende Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er diese einstimmig für zulässig, aber unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Rechtssache weist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 - 6 C 28.02 -, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 -, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Derart außergewöhnliche Schwierigkeiten liegen nicht schon dann vor, wenn das Verfahren die Notwendigkeit beinhaltet, Rechtsnormen nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen (vgl. BVerwG, B.v. 3.9.2015 - 2 B 29.14 - juris, Rn. 22). Vielmehr ist ein vereinfachtes Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO auch dann möglich, wenn - wie im vorliegenden Fall - die aufgeworfenen Rechtsfragen sich durch Subsumtion unter die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen lösen lassen. Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu äußern. Tatsachenfragen, die eine Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich vorliegend entscheidungserheblich nicht gestellt. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - etwa im Rahmen einer (richterlichen) Inaugenscheinnahme - jedenfalls im hier relevanten Grenzbereich zwischen Minderjährigkeit und Volljährigkeit keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidungsfindung darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34). Ebenso wenig haben die Verfahrensbeteiligten Beweisanträge formuliert. Mithin konnte der Senat nach § 130 a Satz 1 VwGO in der Sache durch Beschluss entscheiden. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits hinreichend geklärt (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 ff.; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris). Der Senat setzt insoweit lediglich seine bisherige Rechtsprechungslinie fort.

2. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 5. September 2016 zu Recht verpflichtet, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Die Ablehnung der (vorläufigen) Inobhutnahme mit Bescheid der Beklagten vom 5. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der mutmaßlich minderjährige Kläger besitzt aufgrund seiner unbegleiteten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsanspruch auf die begehrte Maßnahme (§ 42 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).

a) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 112 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 21).

Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 ergänzend zu §§ 20, 21 SGB X (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 22 m.w.N.) in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 5; Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.1; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 f. Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 22). Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, selbst bei Annahme eines Zweifelsfalls (seitens des Gerichts) dürfe nicht ohne weiteres zugunsten des Klägers entschieden werden, vielmehr habe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine „Abwägung“ zu erfolgen, findet im Gesetz keinerlei Grundlage.

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre hat das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 23). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 24; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 24). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist (zunächst) eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 2333 - juris, Rn. 25). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 25).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, [22] Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 26; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m.w.N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.4 und 27; ders., juris PR-SozR 25/2016 Anm. 6, S. 4 f.; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 26 und BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7 jeweils für den Bereich der Abschiebungshaft).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 27; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.1).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m.w.N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22 f.] Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 28).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 29). Konsequenterweise hat der Gesetzgeber sich auch ausdrücklich gegen eine Bindungswirkung der behördlichen Alterseinschätzung Dritten gegenüber ausgesprochen (vgl. BT-Drucks. 18/6392, S. 20).

Die bereits im Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte und vorliegend - allerdings ohne jede Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats - lediglich noch einmal wiederholte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 30).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII lediglich dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle evidenter Minderjährigkeit festzustellen oder eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2).

In allen anderen Fällen - namentlich im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit - ist hingegen regelmäßig vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt vor allem in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 32; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.2).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 20 u. 26.3; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S. 3.13, OVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S. 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www...de § 42 f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen mittels Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23] Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 -juris, Rn. 21; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 33; zustimmend Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.3).

g) Eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt selbst dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34; ebenso OVG NRW, B.v. 13.11.2014 - 12 B 1280/14 - juris, Rn.18 a.E.; VG Magdeburg, B.v. 16.07.2013 - 1 B 185/13 - juris, Rn. 7 a.E.; VG Augsburg, B.v. 23.09.2015 - Au 3 E 15.1306 - juris, Rn. 29). Auch der Bundesgerichtshof lässt im Regelfall nicht einmal die auf ein großes Erfahrungswissen gestützte Einschätzung eines Haftrichters zur Volljährigkeit einer betroffenen Person genügen, um ein sicheres Bild zu gewinnen (vgl. BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m.w.N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [23 f.] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 34).

h) Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine (vorläufige) Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 u. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 35; siehe auch BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7 jeweils für den Bereich der Abschiebungshaft). Solange nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der junge Mensch bereits volljährig ist, ist er als Minderjähriger zu behandeln (ebenso Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42 f Rn. 26.4). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 35).

i) Demgegenüber vermögen die Einwendungen der Rechtsmittelführerin nicht zu überzeugen. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme behält für den Regelfall des Fehlens von Ausweispapieren die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Bedeutung für alle Fälle eindeutig verifizierbarer Minderjährigkeit einerseits und eindeutig feststellbarer Volljährigkeit andererseits. (Nur) in „Zweifelsfällen“ (aber eben auch stets dann) greift, entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen die ärztliche Untersuchung (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) Platz. Von einem „Ausnahmecharakter“ derselben kann insoweit, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht schon daraus, dass der Gesetzgeber die ärztliche Untersuchung in einem separaten Absatz geregelt hat. Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6; ders., in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 29 jeweils m.w.N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), ist vielmehr im Gegenteil anzunehmen, dass im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit der „Zweifelsfall“ die Regel und nicht etwa die Ausnahme bildet mit der Folge, dass eine qualifizierte Inaugenscheinnahme - auch nach der Auffassung des Gesetzgebers - allein keine tragfähigen Ergebnisse liefert und deshalb eine ärztliche Untersuchung hinzutreten muss, um das Lebensalter des Betroffenen zu bestimmen. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme wird damit nicht etwa entbehrlich, wie die Beklagte meint; sie ist nur alleine nicht ausreichend.

Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die ärztliche Untersuchung biete mangels Zulässigkeit einer Genitaluntersuchung (vgl. hierzu BT-Drucks. 18/6392, S. 21) und des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für eine radiologische Untersuchung gegenüber der qualifizierten Inaugenscheinnahme nur einen geringen Mehrwert. Zum einen hat der Gesetzgeber in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine „ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung“ ausdrücklich vorgegeben. Es ist daher nicht Sache der Beklagten, den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zu negieren oder auch nur zu relativieren. Zum anderen hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auf die „zuverlässigsten Methoden“ abgestellt (vgl. BT-Drucks. 18/6392, S. 21), weshalb auch Röntgenuntersuchungen möglich sind, soweit sie dem jeweiligen Stand der medizinischen Altersdiagnostik entsprechen und der Betroffene - wie bei jeder ärztlichen Untersuchung - seine Einwilligung hierzu erteilt hat (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42 f Rn. 28.3 m.w.N.).

Ebenso wenig vermag die Beklagte dem Erfordernis einer „ärztlichen Untersuchung im Zweifelsfall“ entgegenzuhalten, die vom Gesetzgeber bezweckte bundesweite Verteilung der Betroffenen würde dadurch vereitelt, weil dann die in §§ 42a Abs. 4, 42b Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII vorgesehenen Fristen nicht mehr eingehalten werden könnten. Selbstredend können nur solche Personen zur Verteilung gemeldet werden, deren Minderjährigkeit zuvor den gesetzlichen Anforderungen entsprechend festgestellt wurde. Die Beklagte hat deshalb die Durchführung von ärztlichen Untersuchungen so einzurichten, dass die behaupteten Laufzeiten von sechs bis acht Wochen verkürzt und die gesetzlich vorgesehenen Fristen für eine Verteilung gewahrt werden können. Wie jeder Verwaltungsträger ist auch die Landeshauptstadt von Verfassungs wegen gehalten, ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entsprechend den Anforderungen sachgerechter Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) einzurichten (vgl. BVerfGE 55, 274 [318]).

3. Nachdem Ausweispapiere oder sonstige die Feststellung des Alters des Klägers ermöglichende Dokumente nicht vorgelegt wurden und auch dessen Selbstauskunft einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit nicht bietet, hat das Verwaltungsgericht die Beklagte in Anwendung der oben entfalteten Maßstäbe und Grundsätze zu Recht verpflichtet, den Kläger vorläufig in Obhut zu nehmen, bis das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach § 42 f SGB VIII vollständig - d.h. inklusive ärztlicher Untersuchung (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) - durchgeführt ist.

a) Eine Alterseinschätzung im Wesentlichen allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt der Beklagten praktiziert - bietet nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 38; ebenso OVG NRW, B.v. 13.11.2014 - 12 B 1280/14 - juris, Rn.18 a.E.; VG Magdeburg, B.v. 16.07.2013 - 1 B 185/13 - juris, Rn. 7 a.E.; VG Augsburg, B.v. 23.09.2015 - Au 3 E 15.1306 - juris, Rn. 29) für die Annahme von Volljährigkeit keine ausreichende Grundlage.

Volles schwarzes Haar, stark ausgeprägte Koteletten, buschige und zusammenwachsende Augenbrauen, eine stark ausgeprägte Behaarung der Unterarme und Hände, eine tiefe Stimme und ein deutlich sichtbarer Kehlkopf, ein großer und kräftiger Körperbau mit breiten Schulterpartien und große, kräftige, stark beansprucht wirkende Hände, aufgrund eines markanten breiten Kinns männlich wirkende Gesichtszüge und eine großporige mutmaßlich infolge von Akne vernarbte Haut, stark ausgeprägte Stirn-, Gesichts- und Halsfalten sowie ein - allerdings frisch rasierter (!) - starker, fester und voller Bartwuchs an Oberlippe und Kinn sind für die Feststellung der mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintretenden Volljährigkeit eines Menschen gänzlich unergiebig; denn alle diese Merkmale können auch bereits bei einem (reifen) jugendlichen Minderjährigen in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Diese Merkmale besitzen deshalb für die Altersfeststellung im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit keinerlei Aussagekraft. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein selbstbewusstes und reifes Auftreten, ein dominantes und forderndes Verhalten, der Protest gegen behördliche Entscheidungen oder auch das Verweigern der Unterschrift unter eine Empfangsbestätigung nichts zu ändern. Ein solches Benehmen kann auch ein bereits (reifer) jugendlicher Minderjähriger an den Tag legen (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 38). Derartige Feststellungen begründen vielmehr im Gegenteil weitere, durch eine ärztliche Untersuchung klärungsbedürftige „Zweifel“ an der Selbstauskunft des Betroffenen.

Ebenso wenig von Bedeutung für die Frage der Feststellung des Alters ist der Umstand, dass der Kläger sich bei Fragen zur Dauer seiner Schulzeit während des mit ihm geführten Gesprächs korrigiert hat. Inwieweit hieraus ein „Widerspruch“ erwachsen soll, bleibt unerfindlich. Soweit der Kläger darüber hinaus zunächst angab, weder in seiner Muttersprache noch in englischer Schrift schreiben zu können, dann aber offenbar doch in sehr gekonnter Weise und in gutem Schriftbild zu schreiben vermochte, vermag darin zwar ein „Widerspruch“ zu sehen sein. Indes ist dieser für die Feststellung des tatsächlichen Alters des Klägers ohne jede Bedeutung. Gleiches gilt auch insoweit, als die Beklagte meint, die relativ kurze Beschulung des Klägers stehe in Widerspruch zu dessen Schreibfähigkeiten. Auch hierfür fehlt jeder objektivierbare Anhaltspunkt. Die Beklagte verkennt, dass auch eine Person, die lediglich die 5., 6. und 7. Klasse besucht hat, bereits über ein gutes Schriftbild verfügen kann. Ungeachtet dessen lässt die anlässlich der qualifizierten Inaugenscheinnahme gefertigte Niederschrift vom 5. September 2016 (vgl. Bl. 11 f. d. Behördenakte) auch in keiner Weise erkennen, dass der Kläger mit den Zweifeln des Jugendamtes an seiner Selbstauskunft konfrontiert und ihm Gelegenheit gegeben worden wäre, diese auszuräumen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 2333 - juris, Rn. 25). Nach der Niederschrift (Bl. 11) wurde dem Kläger lediglich das - negative - Ergebnis eröffnet.

b) Die im Rahmen der „qualifizierten“ Inaugenscheinnahme des Klägers getroffenen Feststellungen vermögen deshalb die Annahme, beim Kläger handle es sich um eine bereits volljährige Person, nicht zu tragen. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. zu diesem Erfordernis BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl. 2017, 21 [24] Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 41). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Klägers und den aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse standfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn.29 jeweils m.w.N.) lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte im Grenzbereich zwischen Voll- und Minderjährigkeit nicht allein aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes bestimmen. Auch der Bundesgerichtshof lässt im Regelfall nicht einmal die auf ein großes Erfahrungswissen gestützte Einschätzung eines Haftrichters zur Volljährigkeit einer betroffenen Person genügen, um ein sicheres Bild zu gewinnen (vgl. BGH, B.v. 29.9.2010 - V ZB 233/10 -, NVwZ 2011, 320 Rn. 11; B.v. 12.2.2015 - V ZB 185/14 -, NVwZ 2015, 840 Rn. 7). Gleiches gilt - wie bereits erwähnt - im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein selbstbewusstes und reifes Auftreten oder ein dominantes und forderndes Verhalten (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 41).

Die (angeblichen) Feststellungen und Schlussfolgerungen der Beklagten reichen über bloße Mutmaßungen nicht hinaus und können daher weder Grundlage eines Verwaltungsnoch eines Gerichtsverfahrens sein. Es erscheint vielmehr im Gegenteil gerade so, als wolle die Beklagte aus Belanglosigkeiten Widersprüche zum Nachteil des Klägers konstruieren. Die Altersfeststellung nach § 42 f SGB VIII hat jedoch mit einer asylrechtlichen Glaubwürdigkeitsprüfung nichts zu tun. Das Alter eines Menschen ist eine zumindest näherungsweise zu ermittelnde naturwissenschaftliche Tatsache. Dem hat der Gesetzgeber durch die in § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII für „Zweifelsfälle“ vorgesehene ärztliche Untersuchung Rechnung getragen. Die Beklagte wird insoweit „umdenken“ müssen. Dies gilt namentlich für die bereits im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht (vgl. VG-Akte, Bl. 12) geäußerte und auch ausdrücklich als solche bezeichnete, jedoch durch nichts belegte „Vermutung“ der Prozessvertreterin der Beklagten, bei dem vom Kläger angegebenen Geburtsdatum handele es sich um ein falsches, ausgedachtes Datum, durch dessen Angabe der Kläger die Beklagte über sein wahres Alter täuschen und dadurch in Obhut genommen werden wolle.

c) Ungeachtet dessen gehört der Kläger - nachdem sein Geburtsdatum im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme am 5. September 2016 fiktiv auf den 21. März 1998 festgesetzt wurde, woraus sich am Tage der getroffenen Feststellung ein Alter von 18 Jahren, fünf Monaten und zwei Wochen errechnen würde - in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ näher beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren über der gesetzliche Altersgrenze von 18 Jahren, in welchem nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 23 f.; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19 f.; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31 f.). Der rein spekulativen und damit zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung des Geburtsdatums des Klägers auf den 21. März 1998 kann deshalb keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden.

Der Kläger gehört ersichtlich nicht zum Kreis der eingangs beschriebenen, für jedermann ohne weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchem auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [23] Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 31).

d) Die Beklagte wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Klägers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung über die endgültige Inobhutnahme des Klägers zu schaffen. Lässt sich - wie vorliegend - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine vorläufige Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 44) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, BayVBl 2017, 21 [24] Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23; B.v. 13.12.2016 - 12 CE 16.2333 - juris, Rn. 44).

e) Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte deshalb zu Recht verpflichtet, den Kläger bis zur endgültigen Klärung seines Alters weiterhin vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Der Aufenthalt in einer Asylbewerberunterkunft ist einer Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie nicht annähernd gleichwertig (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27).

Die Berufung der Beklagten ist deshalb zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO und ist vorläufig vollstreckbar (§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO).

5. Gründe, nach § 132 VwGO die Revision gegen die vorliegende Entscheidung zuzulassen, sind nicht gegeben. Solche Gründe bestehen nicht bereits dann, wenn zu den aufgeworfenen Rechtsfragen noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, sich ihre Beantwortung jedoch - wie hier - ohne Weiteres aus dem Gesetz selbst, dem bislang erreichten Klärungsstand in der Rechtsprechung und dem allgemein anerkannten Meinungsstand im Schrifttum ergibt (vgl. statt aller Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 132 Rn. 56 m.w.N.).

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bei uns veröffentlicht am 16.07.2013

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.04.2013 gegen die Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2017 - 12 BV 17.185.

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 04. Jan. 2018 - Au 6 S 17.1805

bei uns veröffentlicht am 04.01.2018

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der am 30. November 2017 erhobenen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. November 2017 wird angeordnet. II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Ge

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

I.

Die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, den Antragssteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger und am ... ... 2001 geboren.

Am 2. September 2016 wurde der Antragsteller von der Polizeiinspektion ... am Hauptbahnhof München erkennungsdienstlich behandelt und aufgrund seiner Angabe, am ... ... 2001 geboren zu sein, in die Aufnahmeeinrichtung ... ... ... in München verbracht. Am 5. September 2016 fand ein Alterseinschätzungsgespräch bei der Antragsgegnerin statt. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass der Antragsteller volljährig sei. Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde das Geburtsdatum auf den ... ... 1998 festgesetzt und eine Inobhutnahme gemäß § 42a Abs. 1 SGB VIII abgelehnt. Als Begründung wurde angegeben, dass der Antragsteller keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstige Papiere vorgelegt habe und seine Minderjährigkeit auch nicht durch eine schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung begründen habe können. Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausgehändigt. Daraufhin wurde der Antragsteller in die Gemeinschaftsunterkunft Bayernkaserne in der Heidemannstrasse in München verlegt.

Am 26. September 2016 erhob der Antragssteller zur Niederschrift Klage (M 18 K 16.4361) gegen die Landeshauptstadt München.

Am gleichen Tag stellte der Antragsteller zur Niederschrift folgenden Antrag:

Die Beklagte wird im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, mich umgehend in Obhut zu nehmen.

Als Begründung gab der Antragsteller an, dass die Ablehnung der Inobhutnahme mit Bescheid vom 5. September 2016 falsch sei. Er sei tatsächlich noch minderjährig und am ... ... 2001 geboren. Das festgesetzte Datum ... ... 1998 sei unzutreffend. Des Weiteren verweise er auf die in Kopie beigefügten Unterlagen.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 11.10.2016

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag des Antragstellers müsse dahingehend ausgelegt werden, dass dieser die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII begehre. Ein Anordnungsanspruch sei jedoch nicht glaubhaft gemacht worden. Die Volljährigkeit des Antragsstellers sei in einem 60-minütigem Altersfeststellungsgespräch durch zwei erfahrene Mitarbeiter festgestellt worden. Die Handlungsempfehlungen der von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen seien dabei beachtet worden.

Die Entscheidung des BayVGH (Az. 12 CE 14.1833) führe zu keinem anderen Ergebnis, da hier keine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale vorgenommen worden sei. Stattdessen seien im Verlauf des Altersfeststellungsgesprächs Fragen zur Person, zu den Eltern, zur Familie, zum eigenen Lebenslauf, zur Angabe des Fluchwegs und zur individuellen Situation des Befragten geklärt worden. Auch das Verhalten des Befragten werde auf Anzeichen für Minderjährigkeit oder Volljährigkeit für die Bewertung herangezogen, so dass eine verlässliche Alterseinschätzung erfolgt sei. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liege daher nicht vor.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

Der Antrag des Antragstellers ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er mit der einstweiligen Anordnung eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII erreichen will. Ein Anspruch auf eine endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII scheidet offensichtlich aus. Die §§ 42a ff SGB VIII begründen ein chronologisch gestuftes System, das zunächst nur eine vorläufige Inobhutnahme zulässt. Eine endgültige Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII kommt nur in Betracht, wenn die Zuweisung oder der Ausschluss aus dem Verteilungsverfahren nach § 42b SGB VIII bereits stattgefunden hat.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zu Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheinen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohenden Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

2.1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Nach § 42a Abs.1 Satz 2, 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII umfasst die Inobhutnahme die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen.

Anspruchsberechtigt nach den vorgenannten Normen sind ausschließlich Kinder und Jugendliche. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII ist im Sinne des SGB VIII Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Volljährige dürfen dagegen nicht in Obhut genommen werden.

Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme durch die Antragsgegnerin aufgrund der von ihr festgestellten Volljährigkeit ist rechtswidrig, da sie das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach § 42f SGB VIII nicht vollständig durchgeführt hat. Nach § 42f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hat das Jugendamt im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme gemäß § 42a SGB VIII die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen. Eine solche qualifizierte Inaugenscheinnahme nach § 42f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII fand am 5. September 2016 statt. Das Ergebnis dieser Inaugenscheinnahme war, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller als volljährig ansah und daher eine vorläufige Inobhutnahme mit Bescheid vom 05. September 2016 ablehnte.

Die Antragsgegnerin hat jedoch von Amts wegen des Vorliegens eines Zweifelsfalles angesichts der nicht offensichtlichen Volljährigkeit des Antragstellers eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, bevor sie eine vorläufige Inobhutnahme wegen Volljährigkeit des Antragstellers ausschließen kann. Nach § 42f Abs. 2 Satz 1 hat auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung durch das Jugendamt stattzufinden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 16.8.2016 (Az. 12 CS 16.1550) und vom 18.8.2016 (12 CE 16.1570) das Tatbestandsmerkmal des Zweifelsfalles in § 42f Abs. 2 Satz 1 ausgelegt. Dementsprechend liegen Zweifel bei der Feststellung des Alters vor, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes kann allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein sich Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigenen Unkenntnis von seinem genauem Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH B.v. 16.8.2016 Az. 12 CS 16.1550, juris, Rn. 23 und BayVGH B.v. 18.8.2016 12 CS 1570, juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, so dass das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42f Abs. 2 Satz 1 veranlassen muss. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu 5 Jahren, wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren 2 bis 3 Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 Az. 12 CS 16.1550, Rn. 24 und BayVGH B.v. 18.8.2016 Az. 12 CE 16.1570 Rn. 20).

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist im vorliegenden Fall ein ärztliches Gutachten gem. § 42f Abs. 2 Satz 1 von der Antragsgegnerin zu veranlassen. Hierbei kommt es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht darauf an, ob lediglich die körperlichen Merkmale des Antragstellers in Augenschein genommen wurden oder sein Verhalten und seine Aussagen auch miteinbezogen wurden, da nach Ansicht des BayVGH lediglich das Aussortieren von ganz offensichtlichen Fällen der Volljährigkeit durch die qualifizierte Inaugenscheinnahme nach § 42f Abs. 1 SGB VIII bezweckt wird (BayVGH B.v. 16.8.2016 Az. 12 CS 16.1550, Rn. 24 und BayVGH B.v. 18.8.2016 Az. 12 CE 16.1570 Rn. 20).

Es erscheint angesichts der in der Akte vorliegenden Fotos nicht in jeglicher Hinsicht ausgeschlossen, dass der Kläger minderjährig sein könnte. Die Beklagte selbst hatte als Geburtsdatum den ... ... 1998 festgesetzt. Sie ist daher von einem erst seit einem halben Jahr volljährig gewordenen Kläger ausgegangen. Dies liegt innerhalb des oben erwähnten Sicherheitszuschlages, in dem auf jeden Fall medizinische Untersuchungen durchgeführt werden müssen, um Fehlbeurteilungen zulasten von Minderjährigen zu vermeiden.

2.2 Der Antragsteller konnte auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen.

Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur ordnungsgemäß durchgeführten Alterseinschätzung einstweilen in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder einer Pflegefamilie nicht annähernd gleichwertig sind (BayVGH v. 23.9.2014 Az. 12 CE 14. 1833 - juris Rn.26).

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 188 Satz 2 VwGO.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die vorläufige Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

Der nach seinen eigenen Angaben 2001 in Schirkhankhail, Afghanistan, geborene Antragsteller gelangte am 15. Februar 2016 in die B.-Kaserne in M.. Noch am gleichen Tag führten eine Mitarbeiterin des Jugendamts der Antragsgegnerin sowie zwei Fachkräfte freier Jugendhilfeträger mit ihm unter Einsatz eines Dolmetschers ein „Erstgespräch“ zur Altersfeststellung. Der Antragsteller selbst gab dabei den 18. Februar 2001 als sein Geburtsdatum an und zeigte den Beteiligten ein Foto seiner Tazkira (afghanische Personenstandsurkunde) auf dem Handy seines Bruders vor. Der 1984 geborene Bruder lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Nach dem Gespräch, das rund 45 Minuten gedauert haben soll, gelangten die beteiligten Fachkräfte aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds, der Art und Ausdrucksweise und des Verhaltens des Antragstellers zu der Einschätzung, dieser müsse älter als 18 Jahre sein. Daraufhin setzte die Antragsgegnerin noch am gleichen Tag sein Geburtsdatum auf den 31. Dezember 1997 fest und lehnte die Inobhutnahme „gemäß § 42 Absatz 1 SGB VIII“ ab. Im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen einer Inobhutnahme habe sich ergeben, dass beim Antragsteller keine Minderjährigkeit vorliege. Auch habe der Antragsteller keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstigen Papiere, die seine Minderjährigkeit unabhängig von den Prüfungen der Antragsgegnerin belegen könnten, vorgelegt. Schließlich habe die Minderjährigkeit auch nicht durch eine „schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung“ des Antragstellers begründet werden können. In der Folge wurde der Antragsteller als erwachsener Asylbewerber behandelt und von der Regierung von Oberbayern in die entsprechende Erstaufnahmeeinrichtung ebenfalls in der B.-Kaserne in M. aufgenommen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Februar 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragte zugleich, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer jugendgerechten Einrichtung unterzubringen. Zur Begründung wird auf die Fehlerhaftigkeit der Alterseinschätzung durch die Antraggegnerin verwiesen, insbesondere darauf, dass eine medizinische Untersuchung zur Altersbestimmung nicht stattgefunden habe. Beim Antragsteller handele es sich um einen Zweifelsfall. Im Interesse des Kindeswohls sei er jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung als Jugendlicher zu behandeln und in Obhut zu nehmen. Angesichts seiner Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene, bei der seine Betreuung nicht ansatzweise jugendhilferechtlichen Maßstäben entspreche, sei auch die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben.

Zeitgleich beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung nach § 42f Abs. 2 SGB VIII, die die Antragsgegnerin bei zwei Allgemeinärzten und einem Zahnarzt durchführen ließ. In der Folge legte sie beim Verwaltungsgericht ein „ärztliches Gutachten“ der Allgemeinärzte Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 vor, das zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller „deutlich über 18 Jahre sein müßte“. Demgegenüber kam ein „zahnärztliche Gutachten“ des Zahnarztes R. B. vom 12. April 2016 aufgrund des Gebissstatus des Antragstellers zu der Einschätzung, er sei - da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen sei - zwischen 15 und 16 Jahre alt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen legten die Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin eine vollständige Kopie der Tazkira des Antragstellers nebst deutscher Übersetzung vor und boten zugleich deren Übergabe im Original an. Ferner übermittelten sie zwei Fotos des Antragstellers, die aus dem Jahr 2004 stammen sollen. Darüber hinaus bestätigte der Bruder des Antragstellers am 27. April 2016 dessen Geburtsdatum mit einer eidesstattlichen Versicherung.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin, den Antragsteller einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Es bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund. Im vorliegenden Fall sei die Antragsgegnerin hinsichtlich des Alters des Antragstellers offensichtlich von einem Zweifelsfall im Sinne von § 42f Abs. 2 SGB VIII ausgegangen, denn erst ein Zweifelsfall bilde die Voraussetzung für eine ärztliche Untersuchung, auch wenn ein Antrag des Betroffenen bzw. seiner Bevollmächtigten gestellt werde.

Mit dem neugeschaffenen § 42f SGB VIII habe es der Gesetzgeber allerdings unterlassen, eine Regelung zu treffen, wie in Fällen zu entscheiden sei, in denen das tatsächliche Alter des Betroffenen trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten unklar bleibe. Demgegenüber ergebe sich aus Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU, deren Umsetzungsfrist am 21. Juli 2015 abgelaufen sei, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen des Alters unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Angaben oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich deren Alters aufträten. Bestünden diese Zweifel auch nach der ärztlichen Untersuchung fort, sehe Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie vor, dass von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen sei.

Aus diesen rechtlichen Vorgaben und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen folge, dass beim Antragsteller von Minderjährigkeit auszugehen sei und die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme damit vorlägen. Zwar widersprächen sich der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 und das „zahnärztliche Gutachten“ vom 12. April 2016 grundsätzlich. Indes erweise sich, anders als das „zahnärztliche Gutachten“, der „ärztliche Untersuchungsbericht“ als nicht nachvollziehbar, da er lediglich abstrakt Untersuchungsparameter beschreibe, ohne darzustellen, welche Feststellungen zu welchem Parameter getroffen worden seien. Demgegenüber lasse sich das „zahnärztliche Gutachten“ aus sich heraus nachvollziehen. Für das Eilverfahren sei daher schon aufgrund dessen von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass es auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch die eidesstattliche Versicherung des Bruders des Klägers nicht ankomme. Kein eigener Erkenntniswert komme der in Kopie des Originals sowie in deutscher Übersetzung vorgelegten Tazkira zu, da das afghanische Personenstandswesen keine Gewähr für die Richtigkeit des in der Tazkira angegebenen Geburtsdatums biete.

Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 Beschwerde eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 vorgetragen, der Antragsteller habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangels Minderjährigkeit keinen Anspruch auf Inobhutnahme nach § 42, 42 a Abs. 1 SGB VIII. Die Antragsgegnerin habe zunächst nach Maßgabe des § 42f Abs. 1 SGB VIII die Volljährigkeit des Antragstellers durch ein etwa 45-minütiges Gespräch mit in Fragen der Feststellung des Lebensalters einer Person sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen durchgeführt, das im Wesentlichen den Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen entsprochen habe.

Hinsichtlich der Alterseinschätzung nach ärztlicher Untersuchung habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nur das „zahnärztliche Gutachten“ berücksichtigt, die ärztliche Begutachtung durch Dres. B.-F. und F. hingegen unzutreffend als „ohne ergänzende Erläuterung“ nicht nachvollziehbar angesehen. Letzterem könne nicht gefolgt werden. Zunächst sei festzustellen, dass die Untersuchung des Antragstellers im Einklang mit § 42f Abs. 2 SGB VIII unter Anwendung der schonendsten Methoden erfolgt sei. Aus dem Untersuchungsbericht gehe ferner deutlich hervor, welche körperlichen Merkmale bei der Untersuchung erfasst worden seien. Zwar könne dem Verwaltungsgericht zugestimmt werden, dass sich nicht jedem der Untersuchungsparameter eine Subsumtion anschließe. Derartige Anforderungen enthalte das Gesetz jedoch nicht. Ausreichend sei vielmehr, dass die untersuchenden Ärzte konkret dargelegt hätten, welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogenen Schussfolgerungen seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts könne auch als allgemeine Ablehnung bzw. Anzweiflung der Untersuchungsmethoden der Dres. B.-F. und F. aufgefasst werden, wozu jedoch kein Anlass bestehe. Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung habe im Rahmen von § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Stadtjugendamt zu bestimmen. § 21 SGB X benenne die wichtigsten Beweismittel. Welche hiervon das Jugendamt wähle, liege grundsätzlich in der Freiheit der Verwaltungsbehörde selbst. In diesem Kontext müsse darauf hingewiesen werden, dass beim Antragsteller im Rahmen des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Art und des Umfangs der ärztlichen Untersuchung keine Bedenken, die das festgestellte Ergebnis - die Volljährigkeit des Antragstellers - erschüttern könnten.

Demgegenüber erweise sich das zahnärztliche Gutachten, das das Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogen habe, als ungeeignet für die Altersfeststellung. Dieses beschreibe zwar die gesamte Gebisssituation des Antragstellers, stütze sich im Ergebnis jedoch allein auf den noch nicht abgeschlossenen Zahndurchbruch. Angesichts der vom Gutachter selbst angeführten Tatsache, dass der vollständige Zahndurchbruch durch einen gekippten persistierenden Milchzahn verhindert gewesen sei, sei die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich des Alters des Antragstellers nicht nachvollziehbar.

Weiter gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Regelung in Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet gewesen wäre, bei verbliebenden Zweifeln hinsichtlich des Alters des Antragstellers diesen in Obhut zu nehmen. Zwar dürften im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie im deutschen Recht gegeben sein. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gelte die Richtlinie allerdings nur für Anträge auf internationalen Schutz sowie für die Aberkennung internationalen Schutzes. Bei der Entscheidung über eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII handele es sich indes nicht um eine Entscheidung, mit der eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zugesprochen werden könne. Demnach folge aus Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU keine Verpflichtung zur Inobhutnahme bei ungeklärter Minderjährigkeit des Betroffenen. Verbleibende Zweifel gingen vielmehr bei einem begünstigenden Verwaltungsakt wie der Inobhutnahme zulasten des Anspruchstellers. Folglich hätten im vorliegenden Fall die verbleibenden Zweifel an der Minderjährigkeit vom Antragsteller selbst ausgeräumt werden müssen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Die Konvention regle weder, wie die danach maßgebliche Altersgrenze zu bestimmen sei, noch fordere sie ihre Anwendung, solange nicht geklärt sei, ob die betroffene Person überhaupt ein Kind im Sinne der Konvention sei. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme durch die Antragsgegnerin erweise sich daher als rechtmäßig.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers sind der Beschwerde entgegengetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.

1. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann zunächst offenbleiben, ob der Antragsteller eine - gewissermaßen „endgültige“ - Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch die Antragsgegnerin oder eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - gegebenenfalls mit der Konsequenz der Durchführung eines anschließenden Verteilungsverfahrens nach § 42b SGB VIII - anstrebt (ebenso das Verhältnis der Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), da sich die vom Verwaltungsgericht angeordnete einstweilige Inobhutnahme des Antragstellers bis zur Klärung seines Alters gleichermaßen aus beiden Anspruchsgrundlagen ableiten lässt. Indes wird auch aus der Verfahrensakte der Antragsgegnerin wie aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich, ob sie beim Antragsteller eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII (so der Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2016 Bl. 2 der Verfahrensakte) oder eine nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (so die Stellungnahme zum Fallverlauf vom 8. März 2016, der Verfahrensakte vorgeheftet) geprüft hat. Gegebenenfalls ist von der Klägerseite diesbezüglich der entsprechende Antrag im Hauptsacheverfahren zu präzisieren.

2. Soweit die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen die Bewertung des „ärztlichen Untersuchungsberichts“ der Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 und des „zahnärztlichen Gutachtens“ vom 12. April 2016 durch das Verwaltungsgericht angreift, kann sie damit nicht durchdringen.

2.1 Der etwa eine halbe DIN-A4-Seite umfassende „ärztliche Untersuchungsbericht“ der Dres B.-F. und F. vom 18. März 2016 besitzt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, keinen nennenswerten Aussagegehalt. Als tatsächlich von den berichtenden Ärzten erhobener Untersuchungsbefund ergibt sich allein die Körpergröße und das Gewicht des Antragsteller. An der weiteren Feststellung „Aufgrund des körperlichen Untersuchungsbefundes (u. a. Habitus, Ausprägung der Muskulatur, der Mimik, der Behaarung, der Haut und der Gelenke) und der Befragung mit Anamnese kommen wir zu der Einschätzung, dass das Alter von Herrn F. deutlich über 18 Jahre sein müsste.“ fällt bereits die Relativierung durch den Gebrauch des Konjunktivs auf („müsste“ deutlich über 18 Jahre sein). Des Weiteren werden lediglich Merkmale aufgezählt, an die eine Altersbestimmung des Antragstellers anknüpfen kann, nicht jedoch die bezüglich der einzelnen Merkmale ermittelten Befunde mitgeteilt. Mithin bleibt der - aus der Perspektive der begutachtenden Ärzte augenscheinlich nicht ganz sichere - Schluss auf das Alter des Antragstellers ohne jegliche Begründung. Das Verwaltungsgericht geht demnach zutreffend davon aus, dass ohne nähere Erläuterungen die „ärztliche Bescheinigung“ nicht nachvollzogen werden kann. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren allein streitbefangenen Frage des Alters des Antragstellers lässt sich aus ihr daher nichts ableiten. Wie die Antragsgegnerin angesichts dessen zu der Auffassung gelangt, die den Antragsteller untersuchenden Ärzte hätten „konkret dargelegt (…), welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogene Schlussfolgerung gewesen sind“, erschließt sich dem Senat nicht.

2.2 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin tangiert die Bewertung der von ihr ins Verfahren eingeführten „ärztlichen Bescheinigung“ als untauglich darüber hinaus weder die Kompetenz der Behörde, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung zu bestimmen noch ihre Kompetenz, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X die nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehaltenen Beweismittel auszuwählen. Denn eine bestimmte inhaltliche Bewertung des von der Antragsgegnerin selbst ausgewählten Beweismittels durch das Gericht gibt weder § 20 Abs. 1 noch § 21 Abs. 1 SGB X vor.

2.3 Als nicht entscheidungserheblich erweist sich im vorliegenden Zusammenhang ferner das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, § 42f Abs. 2 SGB VIII gebiete, dass im Zusammenhang mit der Altersbestimmung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe, da eine radiologische Untersuchung beim Antragsteller unstreitig nicht stattgefunden hat.

2.4 Anders als der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 lässt sich dem „zahnärztlichen Gutachten“ vom 12. April 2016 zunächst ein konkret ausgeführter Befund im Hinblick auf die „rein klinische Gebisssituation“ des Antragstellers entnehmen und aufgrund dessen die gezogene Schlussfolgerung nachvollziehen, das Alter des Antragstellers liege „zwischen dem 15. und 16. Lebensjahr, da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen war“. In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat weder eine dem Untersuchungsbefund überlegene zahnärztliche Sachkunde des Verfassers der Beschwerdebegründung noch die Argumentation, es fehle in dem „zahnärztlichen Gutachten“ bereits „an einer kausalen Bedingung zwischen den getroffenen Feststellungen bei der Gebissuntersuchung und dem angegebenen Alter“. Vollkommen zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

3. Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der (unmittelbaren) Anwendbarkeit von Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU ausgegangen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

3.1 Vielmehr muss entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die in Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („Im Zweifel pro Minderjährigkeit“) nicht nur im eigentlichen Asylverfahren als dem Verfahren zur Gewährung (bzw. Aberkennung) internationalen Schutzes, sondern auch in dem mit dem Asylverfahren unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge untrennbar verbundenen jugendhilferechtlichen Inobhutnahmeverfahren gelten. Denn folgte man der Antragsgegnerin, die sich auf eine lediglich formal argumentierende Kommentierung zu § 42f SGB VIII stützt (Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 6 aE), hätte dies ggf. die Spaltung des elementaren Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings zur Folge, der zwar für das eigentliche Asylverfahren nach Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU als Minderjähriger, hinsichtlich des Anspruchs auf eine Inobhutnahme nach Jugendhilferecht hingegen als Erwachsener behandelt werden müsste. Demgegenüber kann nach der Auffassung des Senats der Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings - Minderjähriger oder Erwachsener - nur einheitlich bestimmt werden. Muss der unbegleitete Minderjährige daher im Asylverfahren bei trotz ärztlicher Untersuchung verbleibenden Zweifeln als minderjährig behandelt werden, gilt dies in gleicher Weise auch für das Jugendhilfeverfahren (so auch Kirchhoff in jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Winkler in BeckOK Sozialrecht § 42f SGB VIII Rn. 9; Wiesner in Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; unklar Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 42f Rn. 6, der die Zweifelsregel nur dann zur Anwendung bringen will, wenn die Behörde eine ärztliche Untersuchung unterlässt, was mit dem Wortlaut der Richtlinie indes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist; offengelassen von VG Göttingen B. v. 17.07.2014 - 2 B 195/14 - juris Rn. 49). Ginge man im vorliegenden Verfahren daher angesichts der Unverwertbarkeit der „ärztlichen Stellungnahme“ der Dres B.-F- und F. überhaupt von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Antragstellers nach den durchgeführten ärztlichen Untersuchungen aus, wäre er demnach auch jugendhilferechtlich als Minderjähriger zu behandeln und - jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung - in Obhut zu nehmen.

3.2 Die Beschwerde hätte allerdings auch dann keinen Erfolg, wenn die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU nicht zur Anwendung käme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff.) führen verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer (reinen) Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) die persönlichen Interessen des Antragstellers in der Regel möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen. Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (BayVGH, a.a.O, Rn. 23, 25 f.). Angesichts des nachvollziehbaren „zahnärztlichen Gutachtens“ kann im vorliegenden Fall die Minderjährigkeit des Antragstellers nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass die Antragsgegnerin verpflichtet war, ihn bis zu einer verlässlichen Altersklärung - beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten im Hauptsacheverfahren oder im familienrechtlichen Verfahren zur Bestellung eines Vormunds - in Obhut zu nehmen.

3.3 Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang schließlich darauf verweist, dass bei einem „non liquet“ hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmals eines begünstigenden Verwaltungsakts, als den sie die Inobhutnahme eines Minderjährigen ansieht, die Beweislast beim Anspruchsteller liegt, mit anderen Worten, dass im vorliegenden Fall der Antragsteller seine Minderjährigkeit hätte beweisen müssen, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn angesichts des von der Antragsgegnerin konzedierten Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU und der fehlenden Umsetzung im Jugendhilferecht gilt nunmehr für die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorrangig die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie, jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zweifel am Alter des Betroffenen auch nach einer ärztlichen Untersuchung noch bestehen bleiben. Für eine Beweislastentscheidung, die ohnehin nur im Hauptsacheverfahren hätte getroffen werden können, bleibt daher im vorliegenden Fall kein Raum mehr. Darüber hinaus erweist sich auch die frühere Rechtsauffassung des Senats zur Verteilung der Beweislast bei Inobhutnahmefällen (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff. Rn. 22) als durch die weitere Rechtsentwicklung überholt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Antragsgegnerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2, 1 VwGO in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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b) Bestehen Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären. Solche Zweifel werden allerdings nicht bereits dadurch begründet, dass der Betroffene angibt, minderjährig zu sein; ist diese Behauptung schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Betroffenen offenkundig falsch – was von dem Haftrichter nachvollziehbar darzulegen ist –, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich. Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, sind weitere Aufklärungen erforderlich, wobei hohe Anforderungen an die Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu stellen sind. Eine Einschätzung des Haftrichters, der Betroffene sei volljährig, reicht in der Regel – selbst wenn sie auf ein großes Erfahrungswissen gestützt ist – nicht aus, um ein sicheres Bild zu gewinnen. Vielmehr sind die nach § 49 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Im Zweifel ist zugunsten des Betroffenen von einer Minderjährigkeit auszugehen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320 Rn. 11).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.04.2013 gegen die Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.

Gründe

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO, über den gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 AsylVfG der Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden hat, hat Erfolg.

2

Zwar ist entgegen des Verweisungsbeschlusses der 29. Kammer des Verwaltungsgerichts A-Stadt vom 18.04.2013 (VG 29 L 85.13 u. VG 29 K 86.13) das Verwaltungsgericht Magdeburg nicht örtlich zuständig. Vielmehr folgt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts A-Stadt aus § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO. Eine vorrangige Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Magdeburg gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 1. Hs. VwGO ist nicht begründet. Danach ist bei Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat, örtlich zuständig. Allerdings steht vorliegend gerade die zuständigkeitsbegründende Verfügung der Antragsgegnerin im Streit. Es bleibt deshalb gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 2. Hs. VwGO bei der Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO und ist mithin im vorliegenden Rechtsstreit das Verwaltungsgericht A-Stadt zuständig (vgl. VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012 - 30 L 1816.11 -, juris). Der Verweisungsbeschluss eröffnet jedoch die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts.

3

Der Antrag richtet sich gegen den richtigen Antragsgegner. Mit seiner Klage und seinem Antrag wendet sich der Antragsteller gegen die von dem Antragsgegner erstellte "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" vom 08.04.2013. Auch wenn dieses Schriftstück als "Bescheinigung" überschrieben ist, stellt es sich nach dem Regelungsinhalt als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar, da darin u. a. bestimmt wird, dass sich der Asylsuchende unverzüglich zu der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu begeben hat. Auch wenn insofern eine bundesweit einheitlich gestaltete Vorlage benutzt wird, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Bescheides des Antragsgegners, eine Behörde des Landes A-Stadt, erlassende Behörde. Es handelt sich nach dem vorher Gesagten auch nicht lediglich um die Übermittlung der Verteilungsentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG, sondern um einen originären Bescheid des ZAA-A-Stadt nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG. Die Mitteilung der als zuständig bestimmten Aufnahmeeinrichtung nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG durch das Bundesamt stellt lediglich einen verwaltungsinternen Vorgang dar. Erst bei der aufgrund dieser Mitteilung von der veranlassenden Aufnahmeeinrichtung - hier der ZAA - erlassenen Weiterleitungsverfügung nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG handelt es sich um einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt (VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012, a. a. O., m. w. N.). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, wie der Antragsgegner zu seiner Entscheidung gelangt, nämlich ob er diese aus einer vom Computer gespeisten Software des Bundesamtes ableitet oder - was von dem Antragsgegner widersprochen wird - er vor der Entscheidung eine eigene inhaltliche Prüfung vorgenommen hat.

4

Die von dem Antragsteller erhobene Klage 1 A 128/13 MD hat deswegen Aussichten auf Erfolg, weil die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zuweisungsentscheidung insbesondere von der Beantwortung der derzeit noch offenen Frage abhängig ist, ob der Antragsteller tatsächlich volljährig ist, wovon der Antragsgegner ausgeht. Das Alter hat er jedoch nur durch "Inaugenscheinnahme" nach einem "Verfahren der Altersschätzung" festgesetzt und hält das Gericht diese Vorgehensweise nicht für rechtmäßig. Der Antragsteller selbst hat angegeben, am 24.12.1996 geboren zu sein. Nach der Inaugenscheinnahme des Antragstellers durch den Antragsgegner wurde der Geburtstag fiktiv auf den 31.12.1994 festgesetzt auf der Grundlage des Aussehens des Antragstellers, sodass das 18. Lebensjahr infolge der Schätzung vollendet gewesen und zuvor Volljährigkeit eingetreten wäre.

5

Dieses Verfahren reicht jedoch für eine zureichende Alterseinschätzung nicht aus.

6

Zwar treffen einen Asylbewerber gemäß § 15 AsylVfG Mitwirkungspflichten, zu denen auch die Vorlage von in seinem Besitz befindlichen Urkunden gehört, die die Identitätsfeststellung ermöglichen. Die erhobenen Daten dürfen auch nach Maßgabe des § 16 AsylVfG zur Überprüfung verwendet werden. Ein unbegründeter Asylantrag kann zudem gemäß § 30 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Ausländer u. a. offenkundig falsche und widersprüchliche Angaben macht (Abs. 3 Nr. 1) oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht (Abs. 3 Nr. 2). Eine Rechtsvorschrift, die es erlaubt, dem Asylbewerber wegen Zweifeln an seiner Altersangabe ohne weitere Ermittlungen oder Untersuchungen ein anderes Geburtsdatum zuzuordnen und dies dann als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen zu verwenden, existiert jedoch nicht. Gerade weil Art. 6 Dublin-II-VO Minderjährige besonders schützen will und wegen der unter Umständen erheblichen negativen Folgen, die einen Minderjährigen, der als Volljähriger behandelt wird, treffen können, geht es keinesfalls an, Zweifel aufgrund des äußeren Anscheins zu einer gesetzlich nicht gedeckten "Altersfeststellung" zu nutzen, um auf dieser Grundlage einen möglicherweise tatsächlich Minderjährigen als Volljährigen rechtlich zu behandeln.

7

Ein Asylbewerber hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Hess. VGH, B. v. 08.06.1990, InfAuslR 1991, 54). Dem Gebot einer ermessensgerechten Einbeziehung der Interessen des Antragstellers wird der angefochtene Bescheid vom 08.04.2013 zumindest so lange nicht gerecht, wie sich der Antragsgegner mit dem bloßen Verweis auf eine fiktive Altersfeststellung begnügt. Vielmehr besteht eine Verpflichtung des Antragsgegners, vor der Verweisung des Antragstellers als Volljährigen an eine Aufnahmeeinrichtung zunächst eine rasche Klärung der strittigen Altersfrage zu bewirken und eine entsprechende Entscheidung abzuwarten. Tut dies die Behörde nicht, verletzt sie ihre Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, auf dessen Basis erst eine sachgerechte Ausübung des Ermessens möglich ist. Die anderenfalls (möglicherweise) verletzten Schutzrechte eines minderjährigen Asylbewerbers verlangen ein derartiges Vorgehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes spricht Einiges dafür, einem nach eigener Behauptung minderjährigen Asylbewerber aus Gründen des Minderjährigenschutzes bis zum "medizinischen Beweis des Gegenteils" diesen als Minderjährigen zu behandeln. Denn auch wenn der nach dem "Verfahren der Alterseinschätzung" gewonnene persönliche Eindruck der von dem Antragsgegner betrauten Fachkräfte letztlich die Volljährigkeit des Antragstellers zu bestätigen vermag, entbindet dies den Antragsgegner nicht, eine Altersfeststellung des Antragstellers durch ein medizinisches Sachverständigengutachten, wie etwa ein zahnärztliches Gutachten oder eine körperliche Untersuchung zu bewirken.

8

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO bereits deshalb Erfolg beschieden, weil dem Gericht erstmalig mit dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 20.06.2013 bekannt wurde, dass der Antragsteller gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 05.04.2013, durch den die Beendigung seiner Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung verfügt hat, vor dem Verwaltungsgericht A-Stadt angegriffen hat und der Bescheid vom 05.04.2013 mithin noch nicht bestandskräftig/rechtskräftig geworden ist. Seinem Eilrechtsschutzbegehren steht mithin weiter die Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung zur Seite.

9

Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang vorträgt, der Antragsteller könne sich nicht auf die Regelung des § 42 SGB VIII berufen, weil die dort enthaltenen jugendhilferechtlichen Vorschriften nicht die Frage entschieden, an welchem Ort der Betreffende untergebracht werden müsse, sondern nur, ob dieser in eine Jugendeinrichtung oder eine Einrichtung für Erwachsende aufgenommen werden müsse, die Frage des Aufenthaltsortes sei vielmehr allein Inhalt der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, dringt er damit nicht durch. Denn die Inobhutnahme eines Minderjährigen nach § 42 SGB VIII geht gerade im Hinblick auf den Schutz von Minderjährigen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Dublin-II-VO, den Verteilungsregelungen des Asylverfahrensgesetzes vor, die gerade keinen entsprechenden Berücksichtigung bei der Verteilung von Minderjährigen enthalten. Die Inobhutnahme von Minderjährigen soll gerade erreichen, dass diese losgelöst von ihrer Asylverfahrensantragstellung einer besonderen Fürsorge des Staates unterworfen sind, bei dem sie den Asylantrag gestellt haben. Deshalb bedurfte es auch keiner ausdrücklichen (klarstellenden) Regelung der Bestimmungen des § 42 SGB VIII im Asylverfahrensgesetz. Nur die Minderjährigkeit des Asylantragstellers regelt mithin die Frage, in welche Einrichtung dieser unterzubringen ist, die Frage seines Aufenthaltsortes ergibt sich daraus als Rechtsfolge. Denn wenn im Rahmen des § 42 SGB VIII nur das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut mit den entsprechenden Rechtsfolgen zu nehmen, kann dieses zuständige Jugendamt auch nur den Aufenthaltsort des Jugendlichen/Minderjährigen bestimmen, für den dieses Jugendamt zuständig ist. Dies kann mithin nur eine das jeweilige Bundesland betreffende Entscheidung sein und schließt dies von daher auch die Zuweisung in eine Jugendhilfeeinrichtung eines anderen Bundeslandes aus.

10

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stattzugeben.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

12

Aus den vorgenannten Gründen war dem Antragsteller zudem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B., A-Stadt, für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu gewähren war.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


7
b) Bestehen Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären. Solche Zweifel werden allerdings nicht bereits dadurch begründet, dass der Betroffene angibt, minderjährig zu sein; ist diese Behauptung schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Betroffenen offenkundig falsch – was von dem Haftrichter nachvollziehbar darzulegen ist –, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich. Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, sind weitere Aufklärungen erforderlich, wobei hohe Anforderungen an die Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu stellen sind. Eine Einschätzung des Haftrichters, der Betroffene sei volljährig, reicht in der Regel – selbst wenn sie auf ein großes Erfahrungswissen gestützt ist – nicht aus, um ein sicheres Bild zu gewinnen. Vielmehr sind die nach § 49 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Im Zweifel ist zugunsten des Betroffenen von einer Minderjährigkeit auszugehen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320 Rn. 11).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die vorläufige Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

Der nach seinen eigenen Angaben 2001 in Schirkhankhail, Afghanistan, geborene Antragsteller gelangte am 15. Februar 2016 in die B.-Kaserne in M.. Noch am gleichen Tag führten eine Mitarbeiterin des Jugendamts der Antragsgegnerin sowie zwei Fachkräfte freier Jugendhilfeträger mit ihm unter Einsatz eines Dolmetschers ein „Erstgespräch“ zur Altersfeststellung. Der Antragsteller selbst gab dabei den 18. Februar 2001 als sein Geburtsdatum an und zeigte den Beteiligten ein Foto seiner Tazkira (afghanische Personenstandsurkunde) auf dem Handy seines Bruders vor. Der 1984 geborene Bruder lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Nach dem Gespräch, das rund 45 Minuten gedauert haben soll, gelangten die beteiligten Fachkräfte aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds, der Art und Ausdrucksweise und des Verhaltens des Antragstellers zu der Einschätzung, dieser müsse älter als 18 Jahre sein. Daraufhin setzte die Antragsgegnerin noch am gleichen Tag sein Geburtsdatum auf den 31. Dezember 1997 fest und lehnte die Inobhutnahme „gemäß § 42 Absatz 1 SGB VIII“ ab. Im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen einer Inobhutnahme habe sich ergeben, dass beim Antragsteller keine Minderjährigkeit vorliege. Auch habe der Antragsteller keine beweiskräftigen Ausweispapiere oder sonstigen Papiere, die seine Minderjährigkeit unabhängig von den Prüfungen der Antragsgegnerin belegen könnten, vorgelegt. Schließlich habe die Minderjährigkeit auch nicht durch eine „schlüssige mündliche Sachverhaltsdarstellung“ des Antragstellers begründet werden können. In der Folge wurde der Antragsteller als erwachsener Asylbewerber behandelt und von der Regierung von Oberbayern in die entsprechende Erstaufnahmeeinrichtung ebenfalls in der B.-Kaserne in M. aufgenommen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Februar 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragte zugleich, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer jugendgerechten Einrichtung unterzubringen. Zur Begründung wird auf die Fehlerhaftigkeit der Alterseinschätzung durch die Antraggegnerin verwiesen, insbesondere darauf, dass eine medizinische Untersuchung zur Altersbestimmung nicht stattgefunden habe. Beim Antragsteller handele es sich um einen Zweifelsfall. Im Interesse des Kindeswohls sei er jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung als Jugendlicher zu behandeln und in Obhut zu nehmen. Angesichts seiner Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Erwachsene, bei der seine Betreuung nicht ansatzweise jugendhilferechtlichen Maßstäben entspreche, sei auch die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben.

Zeitgleich beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung nach § 42f Abs. 2 SGB VIII, die die Antragsgegnerin bei zwei Allgemeinärzten und einem Zahnarzt durchführen ließ. In der Folge legte sie beim Verwaltungsgericht ein „ärztliches Gutachten“ der Allgemeinärzte Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 vor, das zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller „deutlich über 18 Jahre sein müßte“. Demgegenüber kam ein „zahnärztliche Gutachten“ des Zahnarztes R. B. vom 12. April 2016 aufgrund des Gebissstatus des Antragstellers zu der Einschätzung, er sei - da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen sei - zwischen 15 und 16 Jahre alt. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen legten die Bevollmächtigten des Antragstellers daraufhin eine vollständige Kopie der Tazkira des Antragstellers nebst deutscher Übersetzung vor und boten zugleich deren Übergabe im Original an. Ferner übermittelten sie zwei Fotos des Antragstellers, die aus dem Jahr 2004 stammen sollen. Darüber hinaus bestätigte der Bruder des Antragstellers am 27. April 2016 dessen Geburtsdatum mit einer eidesstattlichen Versicherung.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin, den Antragsteller einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Es bestehe sowohl ein Anordnungsanspruch wie auch ein Anordnungsgrund. Im vorliegenden Fall sei die Antragsgegnerin hinsichtlich des Alters des Antragstellers offensichtlich von einem Zweifelsfall im Sinne von § 42f Abs. 2 SGB VIII ausgegangen, denn erst ein Zweifelsfall bilde die Voraussetzung für eine ärztliche Untersuchung, auch wenn ein Antrag des Betroffenen bzw. seiner Bevollmächtigten gestellt werde.

Mit dem neugeschaffenen § 42f SGB VIII habe es der Gesetzgeber allerdings unterlassen, eine Regelung zu treffen, wie in Fällen zu entscheiden sei, in denen das tatsächliche Alter des Betroffenen trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten unklar bleibe. Demgegenüber ergebe sich aus Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU, deren Umsetzungsfrist am 21. Juli 2015 abgelaufen sei, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen des Alters unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Angaben oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich deren Alters aufträten. Bestünden diese Zweifel auch nach der ärztlichen Untersuchung fort, sehe Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie vor, dass von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen sei.

Aus diesen rechtlichen Vorgaben und den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen folge, dass beim Antragsteller von Minderjährigkeit auszugehen sei und die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme damit vorlägen. Zwar widersprächen sich der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 und das „zahnärztliche Gutachten“ vom 12. April 2016 grundsätzlich. Indes erweise sich, anders als das „zahnärztliche Gutachten“, der „ärztliche Untersuchungsbericht“ als nicht nachvollziehbar, da er lediglich abstrakt Untersuchungsparameter beschreibe, ohne darzustellen, welche Feststellungen zu welchem Parameter getroffen worden seien. Demgegenüber lasse sich das „zahnärztliche Gutachten“ aus sich heraus nachvollziehen. Für das Eilverfahren sei daher schon aufgrund dessen von der Minderjährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass es auf eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch die eidesstattliche Versicherung des Bruders des Klägers nicht ankomme. Kein eigener Erkenntniswert komme der in Kopie des Originals sowie in deutscher Übersetzung vorgelegten Tazkira zu, da das afghanische Personenstandswesen keine Gewähr für die Richtigkeit des in der Tazkira angegebenen Geburtsdatums biete.

Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 Beschwerde eingelegt und zur Begründung mit Schriftsatz vom 16. Juni 2016 vorgetragen, der Antragsteller habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangels Minderjährigkeit keinen Anspruch auf Inobhutnahme nach § 42, 42 a Abs. 1 SGB VIII. Die Antragsgegnerin habe zunächst nach Maßgabe des § 42f Abs. 1 SGB VIII die Volljährigkeit des Antragstellers durch ein etwa 45-minütiges Gespräch mit in Fragen der Feststellung des Lebensalters einer Person sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen durchgeführt, das im Wesentlichen den Handlungsempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen entsprochen habe.

Hinsichtlich der Alterseinschätzung nach ärztlicher Untersuchung habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft nur das „zahnärztliche Gutachten“ berücksichtigt, die ärztliche Begutachtung durch Dres. B.-F. und F. hingegen unzutreffend als „ohne ergänzende Erläuterung“ nicht nachvollziehbar angesehen. Letzterem könne nicht gefolgt werden. Zunächst sei festzustellen, dass die Untersuchung des Antragstellers im Einklang mit § 42f Abs. 2 SGB VIII unter Anwendung der schonendsten Methoden erfolgt sei. Aus dem Untersuchungsbericht gehe ferner deutlich hervor, welche körperlichen Merkmale bei der Untersuchung erfasst worden seien. Zwar könne dem Verwaltungsgericht zugestimmt werden, dass sich nicht jedem der Untersuchungsparameter eine Subsumtion anschließe. Derartige Anforderungen enthalte das Gesetz jedoch nicht. Ausreichend sei vielmehr, dass die untersuchenden Ärzte konkret dargelegt hätten, welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogenen Schussfolgerungen seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts könne auch als allgemeine Ablehnung bzw. Anzweiflung der Untersuchungsmethoden der Dres. B.-F. und F. aufgefasst werden, wozu jedoch kein Anlass bestehe. Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung habe im Rahmen von § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Stadtjugendamt zu bestimmen. § 21 SGB X benenne die wichtigsten Beweismittel. Welche hiervon das Jugendamt wähle, liege grundsätzlich in der Freiheit der Verwaltungsbehörde selbst. In diesem Kontext müsse darauf hingewiesen werden, dass beim Antragsteller im Rahmen des § 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Art und des Umfangs der ärztlichen Untersuchung keine Bedenken, die das festgestellte Ergebnis - die Volljährigkeit des Antragstellers - erschüttern könnten.

Demgegenüber erweise sich das zahnärztliche Gutachten, das das Verwaltungsgericht maßgeblich herangezogen habe, als ungeeignet für die Altersfeststellung. Dieses beschreibe zwar die gesamte Gebisssituation des Antragstellers, stütze sich im Ergebnis jedoch allein auf den noch nicht abgeschlossenen Zahndurchbruch. Angesichts der vom Gutachter selbst angeführten Tatsache, dass der vollständige Zahndurchbruch durch einen gekippten persistierenden Milchzahn verhindert gewesen sei, sei die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich des Alters des Antragstellers nicht nachvollziehbar.

Weiter gehe das Verwaltungsgericht unzutreffend davon aus, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Regelung in Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU verpflichtet gewesen wäre, bei verbliebenden Zweifeln hinsichtlich des Alters des Antragstellers diesen in Obhut zu nehmen. Zwar dürften im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie im deutschen Recht gegeben sein. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU gelte die Richtlinie allerdings nur für Anträge auf internationalen Schutz sowie für die Aberkennung internationalen Schutzes. Bei der Entscheidung über eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII handele es sich indes nicht um eine Entscheidung, mit der eine Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zugesprochen werden könne. Demnach folge aus Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU keine Verpflichtung zur Inobhutnahme bei ungeklärter Minderjährigkeit des Betroffenen. Verbleibende Zweifel gingen vielmehr bei einem begünstigenden Verwaltungsakt wie der Inobhutnahme zulasten des Anspruchstellers. Folglich hätten im vorliegenden Fall die verbleibenden Zweifel an der Minderjährigkeit vom Antragsteller selbst ausgeräumt werden müssen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Die Konvention regle weder, wie die danach maßgebliche Altersgrenze zu bestimmen sei, noch fordere sie ihre Anwendung, solange nicht geklärt sei, ob die betroffene Person überhaupt ein Kind im Sinne der Konvention sei. Die Ablehnung der vorläufigen Inobhutnahme durch die Antragsgegnerin erweise sich daher als rechtmäßig.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers sind der Beschwerde entgegengetreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.

1. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann zunächst offenbleiben, ob der Antragsteller eine - gewissermaßen „endgültige“ - Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) durch die Antragsgegnerin oder eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - gegebenenfalls mit der Konsequenz der Durchführung eines anschließenden Verteilungsverfahrens nach § 42b SGB VIII - anstrebt (ebenso das Verhältnis der Inobhutnahme nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zur Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), da sich die vom Verwaltungsgericht angeordnete einstweilige Inobhutnahme des Antragstellers bis zur Klärung seines Alters gleichermaßen aus beiden Anspruchsgrundlagen ableiten lässt. Indes wird auch aus der Verfahrensakte der Antragsgegnerin wie aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich, ob sie beim Antragsteller eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII (so der Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2016 Bl. 2 der Verfahrensakte) oder eine nach § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (so die Stellungnahme zum Fallverlauf vom 8. März 2016, der Verfahrensakte vorgeheftet) geprüft hat. Gegebenenfalls ist von der Klägerseite diesbezüglich der entsprechende Antrag im Hauptsacheverfahren zu präzisieren.

2. Soweit die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen die Bewertung des „ärztlichen Untersuchungsberichts“ der Dres. B.-F. und F. vom 18. März 2016 und des „zahnärztlichen Gutachtens“ vom 12. April 2016 durch das Verwaltungsgericht angreift, kann sie damit nicht durchdringen.

2.1 Der etwa eine halbe DIN-A4-Seite umfassende „ärztliche Untersuchungsbericht“ der Dres B.-F. und F. vom 18. März 2016 besitzt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, keinen nennenswerten Aussagegehalt. Als tatsächlich von den berichtenden Ärzten erhobener Untersuchungsbefund ergibt sich allein die Körpergröße und das Gewicht des Antragsteller. An der weiteren Feststellung „Aufgrund des körperlichen Untersuchungsbefundes (u. a. Habitus, Ausprägung der Muskulatur, der Mimik, der Behaarung, der Haut und der Gelenke) und der Befragung mit Anamnese kommen wir zu der Einschätzung, dass das Alter von Herrn F. deutlich über 18 Jahre sein müsste.“ fällt bereits die Relativierung durch den Gebrauch des Konjunktivs auf („müsste“ deutlich über 18 Jahre sein). Des Weiteren werden lediglich Merkmale aufgezählt, an die eine Altersbestimmung des Antragstellers anknüpfen kann, nicht jedoch die bezüglich der einzelnen Merkmale ermittelten Befunde mitgeteilt. Mithin bleibt der - aus der Perspektive der begutachtenden Ärzte augenscheinlich nicht ganz sichere - Schluss auf das Alter des Antragstellers ohne jegliche Begründung. Das Verwaltungsgericht geht demnach zutreffend davon aus, dass ohne nähere Erläuterungen die „ärztliche Bescheinigung“ nicht nachvollzogen werden kann. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren allein streitbefangenen Frage des Alters des Antragstellers lässt sich aus ihr daher nichts ableiten. Wie die Antragsgegnerin angesichts dessen zu der Auffassung gelangt, die den Antragsteller untersuchenden Ärzte hätten „konkret dargelegt (…), welche beobachteten bzw. festgestellten Untersuchungsbefunde kausal für die gezogene Schlussfolgerung gewesen sind“, erschließt sich dem Senat nicht.

2.2 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin tangiert die Bewertung der von ihr ins Verfahren eingeführten „ärztlichen Bescheinigung“ als untauglich darüber hinaus weder die Kompetenz der Behörde, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung zu bestimmen noch ihre Kompetenz, nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X die nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich gehaltenen Beweismittel auszuwählen. Denn eine bestimmte inhaltliche Bewertung des von der Antragsgegnerin selbst ausgewählten Beweismittels durch das Gericht gibt weder § 20 Abs. 1 noch § 21 Abs. 1 SGB X vor.

2.3 Als nicht entscheidungserheblich erweist sich im vorliegenden Zusammenhang ferner das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, § 42f Abs. 2 SGB VIII gebiete, dass im Zusammenhang mit der Altersbestimmung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings eine radiologische Untersuchung zu unterbleiben habe, da eine radiologische Untersuchung beim Antragsteller unstreitig nicht stattgefunden hat.

2.4 Anders als der „ärztliche Untersuchungsbericht“ vom 18. März 2016 lässt sich dem „zahnärztlichen Gutachten“ vom 12. April 2016 zunächst ein konkret ausgeführter Befund im Hinblick auf die „rein klinische Gebisssituation“ des Antragstellers entnehmen und aufgrund dessen die gezogene Schlussfolgerung nachvollziehen, das Alter des Antragstellers liege „zwischen dem 15. und 16. Lebensjahr, da der Zahndurchbruch noch nicht vollständig abgeschlossen war“. In diesem Zusammenhang erschließt sich dem Senat weder eine dem Untersuchungsbefund überlegene zahnärztliche Sachkunde des Verfassers der Beschwerdebegründung noch die Argumentation, es fehle in dem „zahnärztlichen Gutachten“ bereits „an einer kausalen Bedingung zwischen den getroffenen Feststellungen bei der Gebissuntersuchung und dem angegebenen Alter“. Vollkommen zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

3. Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der (unmittelbaren) Anwendbarkeit von Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU ausgegangen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

3.1 Vielmehr muss entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die in Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („Im Zweifel pro Minderjährigkeit“) nicht nur im eigentlichen Asylverfahren als dem Verfahren zur Gewährung (bzw. Aberkennung) internationalen Schutzes, sondern auch in dem mit dem Asylverfahren unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge untrennbar verbundenen jugendhilferechtlichen Inobhutnahmeverfahren gelten. Denn folgte man der Antragsgegnerin, die sich auf eine lediglich formal argumentierende Kommentierung zu § 42f SGB VIII stützt (Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42 f Rn. 6 aE), hätte dies ggf. die Spaltung des elementaren Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings zur Folge, der zwar für das eigentliche Asylverfahren nach Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU als Minderjähriger, hinsichtlich des Anspruchs auf eine Inobhutnahme nach Jugendhilferecht hingegen als Erwachsener behandelt werden müsste. Demgegenüber kann nach der Auffassung des Senats der Status eines „jungen“ unbegleiteten Flüchtlings - Minderjähriger oder Erwachsener - nur einheitlich bestimmt werden. Muss der unbegleitete Minderjährige daher im Asylverfahren bei trotz ärztlicher Untersuchung verbleibenden Zweifeln als minderjährig behandelt werden, gilt dies in gleicher Weise auch für das Jugendhilfeverfahren (so auch Kirchhoff in jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Winkler in BeckOK Sozialrecht § 42f SGB VIII Rn. 9; Wiesner in Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; unklar Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 42f Rn. 6, der die Zweifelsregel nur dann zur Anwendung bringen will, wenn die Behörde eine ärztliche Untersuchung unterlässt, was mit dem Wortlaut der Richtlinie indes nicht in Übereinstimmung zu bringen ist; offengelassen von VG Göttingen B. v. 17.07.2014 - 2 B 195/14 - juris Rn. 49). Ginge man im vorliegenden Verfahren daher angesichts der Unverwertbarkeit der „ärztlichen Stellungnahme“ der Dres B.-F- und F. überhaupt von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Antragstellers nach den durchgeführten ärztlichen Untersuchungen aus, wäre er demnach auch jugendhilferechtlich als Minderjähriger zu behandeln und - jedenfalls bis zu einer endgültigen Altersfeststellung - in Obhut zu nehmen.

3.2 Die Beschwerde hätte allerdings auch dann keinen Erfolg, wenn die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 Rl. 2013/32/EU nicht zur Anwendung käme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff.) führen verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer (reinen) Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) die persönlichen Interessen des Antragstellers in der Regel möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen. Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (BayVGH, a.a.O, Rn. 23, 25 f.). Angesichts des nachvollziehbaren „zahnärztlichen Gutachtens“ kann im vorliegenden Fall die Minderjährigkeit des Antragstellers nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass die Antragsgegnerin verpflichtet war, ihn bis zu einer verlässlichen Altersklärung - beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten im Hauptsacheverfahren oder im familienrechtlichen Verfahren zur Bestellung eines Vormunds - in Obhut zu nehmen.

3.3 Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang schließlich darauf verweist, dass bei einem „non liquet“ hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmals eines begünstigenden Verwaltungsakts, als den sie die Inobhutnahme eines Minderjährigen ansieht, die Beweislast beim Anspruchsteller liegt, mit anderen Worten, dass im vorliegenden Fall der Antragsteller seine Minderjährigkeit hätte beweisen müssen, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Denn angesichts des von der Antragsgegnerin konzedierten Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU und der fehlenden Umsetzung im Jugendhilferecht gilt nunmehr für die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorrangig die Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 der Richtlinie, jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zweifel am Alter des Betroffenen auch nach einer ärztlichen Untersuchung noch bestehen bleiben. Für eine Beweislastentscheidung, die ohnehin nur im Hauptsacheverfahren hätte getroffen werden können, bleibt daher im vorliegenden Fall kein Raum mehr. Darüber hinaus erweist sich auch die frühere Rechtsauffassung des Senats zur Verteilung der Beweislast bei Inobhutnahmefällen (BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 - BayVBl. 2015, 131 ff. Rn. 22) als durch die weitere Rechtsentwicklung überholt.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Antragsgegnerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2, 1 VwGO in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendhilferechts nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

7
b) Bestehen Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären. Solche Zweifel werden allerdings nicht bereits dadurch begründet, dass der Betroffene angibt, minderjährig zu sein; ist diese Behauptung schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Betroffenen offenkundig falsch – was von dem Haftrichter nachvollziehbar darzulegen ist –, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich. Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, sind weitere Aufklärungen erforderlich, wobei hohe Anforderungen an die Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu stellen sind. Eine Einschätzung des Haftrichters, der Betroffene sei volljährig, reicht in der Regel – selbst wenn sie auf ein großes Erfahrungswissen gestützt ist – nicht aus, um ein sicheres Bild zu gewinnen. Vielmehr sind die nach § 49 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Im Zweifel ist zugunsten des Betroffenen von einer Minderjährigkeit auszugehen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320 Rn. 11).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher ist grundsätzlich dann als unbegleitet zu betrachten, wenn die Einreise nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten erfolgt; dies gilt auch, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. § 42 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 und 3, Absatz 5 sowie 6 gilt entsprechend.

(2) Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,

1.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde,
2.
ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält,
3.
ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert und
4.
ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Auf der Grundlage des Ergebnisses der Einschätzung nach Satz 1 entscheidet das Jugendamt über die Anmeldung des Kindes oder des Jugendlichen zur Verteilung oder den Ausschluss der Verteilung.

(3) Das Jugendamt ist während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind. Dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen und der mutmaßliche Wille der Personen- oder der Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

(3a) Das Jugendamt hat dafür Sorge zu tragen, dass für die in Absatz 1 genannten Kinder oder Jugendlichen unverzüglich erkennungsdienstliche Maßnahmen nach § 49 Absatz 8 und 9 des Aufenthaltsgesetzes durchgeführt werden, wenn Zweifel über die Identität bestehen.

(4) Das Jugendamt hat der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen zuständigen Stelle die vorläufige Inobhutnahme des Kindes oder des Jugendlichen innerhalb von sieben Werktagen nach Beginn der Maßnahme zur Erfüllung der in § 42b genannten Aufgaben mitzuteilen. Zu diesem Zweck sind auch die Ergebnisse der Einschätzung nach Absatz 2 Satz 1 mitzuteilen. Die nach Landesrecht zuständige Stelle hat gegenüber dem Bundesverwaltungsamt innerhalb von drei Werktagen das Kind oder den Jugendlichen zur Verteilung anzumelden oder den Ausschluss der Verteilung anzuzeigen.

(5) Soll das Kind oder der Jugendliche im Rahmen eines Verteilungsverfahrens untergebracht werden, so umfasst die vorläufige Inobhutnahme auch die Pflicht,

1.
die Begleitung des Kindes oder des Jugendlichen und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person an das für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständige Jugendamt sicherzustellen sowie
2.
dem für die Inobhutnahme nach § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 zuständigen Jugendamt unverzüglich die personenbezogenen Daten zu übermitteln, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 42 erforderlich sind.
Hält sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland auf, hat das Jugendamt auf eine Zusammenführung des Kindes oder des Jugendlichen mit dieser Person hinzuwirken, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Das Kind oder der Jugendliche ist an der Übergabe und an der Entscheidung über die Familienzusammenführung angemessen zu beteiligen.

(6) Die vorläufige Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten oder an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde nach § 88a Absatz 2 Satz 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige nach Absatz 4 Satz 3 über den Ausschluss des Verteilungsverfahrens nach § 42b Absatz 4.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 09.04.2013 gegen die Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.04.2013 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, bewilligt.

Gründe

1

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO, über den gemäß § 76 Abs. 4 S. 1 AsylVfG der Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden hat, hat Erfolg.

2

Zwar ist entgegen des Verweisungsbeschlusses der 29. Kammer des Verwaltungsgerichts A-Stadt vom 18.04.2013 (VG 29 L 85.13 u. VG 29 K 86.13) das Verwaltungsgericht Magdeburg nicht örtlich zuständig. Vielmehr folgt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts A-Stadt aus § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO. Eine vorrangige Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Magdeburg gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 1. Hs. VwGO ist nicht begründet. Danach ist bei Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat, örtlich zuständig. Allerdings steht vorliegend gerade die zuständigkeitsbegründende Verfügung der Antragsgegnerin im Streit. Es bleibt deshalb gemäß § 52 Nr. 2 S. 3, 2. Hs. VwGO bei der Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO und ist mithin im vorliegenden Rechtsstreit das Verwaltungsgericht A-Stadt zuständig (vgl. VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012 - 30 L 1816.11 -, juris). Der Verweisungsbeschluss eröffnet jedoch die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts.

3

Der Antrag richtet sich gegen den richtigen Antragsgegner. Mit seiner Klage und seinem Antrag wendet sich der Antragsteller gegen die von dem Antragsgegner erstellte "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" vom 08.04.2013. Auch wenn dieses Schriftstück als "Bescheinigung" überschrieben ist, stellt es sich nach dem Regelungsinhalt als Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG dar, da darin u. a. bestimmt wird, dass sich der Asylsuchende unverzüglich zu der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu begeben hat. Auch wenn insofern eine bundesweit einheitlich gestaltete Vorlage benutzt wird, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Bescheides des Antragsgegners, eine Behörde des Landes A-Stadt, erlassende Behörde. Es handelt sich nach dem vorher Gesagten auch nicht lediglich um die Übermittlung der Verteilungsentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG, sondern um einen originären Bescheid des ZAA-A-Stadt nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG. Die Mitteilung der als zuständig bestimmten Aufnahmeeinrichtung nach § 46 Abs. 2 S. 1 AsylVfG durch das Bundesamt stellt lediglich einen verwaltungsinternen Vorgang dar. Erst bei der aufgrund dieser Mitteilung von der veranlassenden Aufnahmeeinrichtung - hier der ZAA - erlassenen Weiterleitungsverfügung nach § 22 Abs. 1 S. 2, 1. Hs., 2. Alt. AsylVfG handelt es sich um einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt (VG A-Stadt, B. v. 20.01.2012, a. a. O., m. w. N.). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, wie der Antragsgegner zu seiner Entscheidung gelangt, nämlich ob er diese aus einer vom Computer gespeisten Software des Bundesamtes ableitet oder - was von dem Antragsgegner widersprochen wird - er vor der Entscheidung eine eigene inhaltliche Prüfung vorgenommen hat.

4

Die von dem Antragsteller erhobene Klage 1 A 128/13 MD hat deswegen Aussichten auf Erfolg, weil die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zuweisungsentscheidung insbesondere von der Beantwortung der derzeit noch offenen Frage abhängig ist, ob der Antragsteller tatsächlich volljährig ist, wovon der Antragsgegner ausgeht. Das Alter hat er jedoch nur durch "Inaugenscheinnahme" nach einem "Verfahren der Altersschätzung" festgesetzt und hält das Gericht diese Vorgehensweise nicht für rechtmäßig. Der Antragsteller selbst hat angegeben, am 24.12.1996 geboren zu sein. Nach der Inaugenscheinnahme des Antragstellers durch den Antragsgegner wurde der Geburtstag fiktiv auf den 31.12.1994 festgesetzt auf der Grundlage des Aussehens des Antragstellers, sodass das 18. Lebensjahr infolge der Schätzung vollendet gewesen und zuvor Volljährigkeit eingetreten wäre.

5

Dieses Verfahren reicht jedoch für eine zureichende Alterseinschätzung nicht aus.

6

Zwar treffen einen Asylbewerber gemäß § 15 AsylVfG Mitwirkungspflichten, zu denen auch die Vorlage von in seinem Besitz befindlichen Urkunden gehört, die die Identitätsfeststellung ermöglichen. Die erhobenen Daten dürfen auch nach Maßgabe des § 16 AsylVfG zur Überprüfung verwendet werden. Ein unbegründeter Asylantrag kann zudem gemäß § 30 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Ausländer u. a. offenkundig falsche und widersprüchliche Angaben macht (Abs. 3 Nr. 1) oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht (Abs. 3 Nr. 2). Eine Rechtsvorschrift, die es erlaubt, dem Asylbewerber wegen Zweifeln an seiner Altersangabe ohne weitere Ermittlungen oder Untersuchungen ein anderes Geburtsdatum zuzuordnen und dies dann als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen zu verwenden, existiert jedoch nicht. Gerade weil Art. 6 Dublin-II-VO Minderjährige besonders schützen will und wegen der unter Umständen erheblichen negativen Folgen, die einen Minderjährigen, der als Volljähriger behandelt wird, treffen können, geht es keinesfalls an, Zweifel aufgrund des äußeren Anscheins zu einer gesetzlich nicht gedeckten "Altersfeststellung" zu nutzen, um auf dieser Grundlage einen möglicherweise tatsächlich Minderjährigen als Volljährigen rechtlich zu behandeln.

7

Ein Asylbewerber hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Hess. VGH, B. v. 08.06.1990, InfAuslR 1991, 54). Dem Gebot einer ermessensgerechten Einbeziehung der Interessen des Antragstellers wird der angefochtene Bescheid vom 08.04.2013 zumindest so lange nicht gerecht, wie sich der Antragsgegner mit dem bloßen Verweis auf eine fiktive Altersfeststellung begnügt. Vielmehr besteht eine Verpflichtung des Antragsgegners, vor der Verweisung des Antragstellers als Volljährigen an eine Aufnahmeeinrichtung zunächst eine rasche Klärung der strittigen Altersfrage zu bewirken und eine entsprechende Entscheidung abzuwarten. Tut dies die Behörde nicht, verletzt sie ihre Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts, auf dessen Basis erst eine sachgerechte Ausübung des Ermessens möglich ist. Die anderenfalls (möglicherweise) verletzten Schutzrechte eines minderjährigen Asylbewerbers verlangen ein derartiges Vorgehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes spricht Einiges dafür, einem nach eigener Behauptung minderjährigen Asylbewerber aus Gründen des Minderjährigenschutzes bis zum "medizinischen Beweis des Gegenteils" diesen als Minderjährigen zu behandeln. Denn auch wenn der nach dem "Verfahren der Alterseinschätzung" gewonnene persönliche Eindruck der von dem Antragsgegner betrauten Fachkräfte letztlich die Volljährigkeit des Antragstellers zu bestätigen vermag, entbindet dies den Antragsgegner nicht, eine Altersfeststellung des Antragstellers durch ein medizinisches Sachverständigengutachten, wie etwa ein zahnärztliches Gutachten oder eine körperliche Untersuchung zu bewirken.

8

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO bereits deshalb Erfolg beschieden, weil dem Gericht erstmalig mit dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 20.06.2013 bekannt wurde, dass der Antragsteller gegen den Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 05.04.2013, durch den die Beendigung seiner Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung verfügt hat, vor dem Verwaltungsgericht A-Stadt angegriffen hat und der Bescheid vom 05.04.2013 mithin noch nicht bestandskräftig/rechtskräftig geworden ist. Seinem Eilrechtsschutzbegehren steht mithin weiter die Inobhutnahme in einer Berliner Jugendhilfeeinrichtung zur Seite.

9

Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang vorträgt, der Antragsteller könne sich nicht auf die Regelung des § 42 SGB VIII berufen, weil die dort enthaltenen jugendhilferechtlichen Vorschriften nicht die Frage entschieden, an welchem Ort der Betreffende untergebracht werden müsse, sondern nur, ob dieser in eine Jugendeinrichtung oder eine Einrichtung für Erwachsende aufgenommen werden müsse, die Frage des Aufenthaltsortes sei vielmehr allein Inhalt der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, dringt er damit nicht durch. Denn die Inobhutnahme eines Minderjährigen nach § 42 SGB VIII geht gerade im Hinblick auf den Schutz von Minderjährigen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Dublin-II-VO, den Verteilungsregelungen des Asylverfahrensgesetzes vor, die gerade keinen entsprechenden Berücksichtigung bei der Verteilung von Minderjährigen enthalten. Die Inobhutnahme von Minderjährigen soll gerade erreichen, dass diese losgelöst von ihrer Asylverfahrensantragstellung einer besonderen Fürsorge des Staates unterworfen sind, bei dem sie den Asylantrag gestellt haben. Deshalb bedurfte es auch keiner ausdrücklichen (klarstellenden) Regelung der Bestimmungen des § 42 SGB VIII im Asylverfahrensgesetz. Nur die Minderjährigkeit des Asylantragstellers regelt mithin die Frage, in welche Einrichtung dieser unterzubringen ist, die Frage seines Aufenthaltsortes ergibt sich daraus als Rechtsfolge. Denn wenn im Rahmen des § 42 SGB VIII nur das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut mit den entsprechenden Rechtsfolgen zu nehmen, kann dieses zuständige Jugendamt auch nur den Aufenthaltsort des Jugendlichen/Minderjährigen bestimmen, für den dieses Jugendamt zuständig ist. Dies kann mithin nur eine das jeweilige Bundesland betreffende Entscheidung sein und schließt dies von daher auch die Zuweisung in eine Jugendhilfeeinrichtung eines anderen Bundeslandes aus.

10

Danach war dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stattzugeben.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

12

Aus den vorgenannten Gründen war dem Antragsteller zudem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt B., A-Stadt, für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu gewähren war.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

7
b) Bestehen Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären. Solche Zweifel werden allerdings nicht bereits dadurch begründet, dass der Betroffene angibt, minderjährig zu sein; ist diese Behauptung schon aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Betroffenen offenkundig falsch – was von dem Haftrichter nachvollziehbar darzulegen ist –, sind weitere Ermittlungen zum Alter des Betroffenen nicht erforderlich. Liegt eine Volljährigkeit des Betroffenen hingegen nicht klar zutage, sind weitere Aufklärungen erforderlich, wobei hohe Anforderungen an die Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu stellen sind. Eine Einschätzung des Haftrichters, der Betroffene sei volljährig, reicht in der Regel – selbst wenn sie auf ein großes Erfahrungswissen gestützt ist – nicht aus, um ein sicheres Bild zu gewinnen. Vielmehr sind die nach § 49 Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 AufenthG vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Im Zweifel ist zugunsten des Betroffenen von einer Minderjährigkeit auszugehen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, NVwZ 2011, 320 Rn. 11).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) wird aufgehoben und der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wird abgelehnt.

Dadurch wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 (M 18 E 16.1267) wiederhergestellt, kraft dessen der Antragsgegner verpflichtet ist, den Antragsteller auch weiterhin in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Abänderungs- und Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur (vorläufigen) Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, erhob durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16. März 2016 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Januar 2016, mit dem sein Antrag vom 12. Januar 2016 auf Inobhutnahme abgelehnt worden war, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihn ärztlich untersuchen zu lassen. Die Klage Ist derzeit unter dem Az. M 18 K 16.1266 beim Verwaltungsgericht München anhängig.

Ferner ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2016 beantragen, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen (M 18 E 16.1267). Die vom Antragsgegner im Aktenvermerk vom 11. November 2015 festgehaltene Aussage, „der junge Mann wurde sowohl vom Foto her als auch im Gesamteindruck auf 19 Jahre geschätzt“, beinhalte keine sachgerechte Altersfeststellung.

2. Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Antragsgegner, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen (§ 123 VwGO). Seitens des Antragsgegners sei bislang keine ordnungsgemäße Alterseinschätzung durchgeführt worden.

3. Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 beantragte der Antragsgegner, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 aufzuheben. Eine am 3. Juni 2016 durchgeführte Altersfeststellung habe (erneut) die Volljährigkeit des Antragstellers ergeben. Dessen äußeres Erscheinungsbild sei durch eine tiefe Stimmlage, dichte Haare, ausgeprägte Stirnfalten und Bartwuchs, kantige Gesichtszüge, einen erwachsenen Körperbau sowie eine abgeschlossene körperliche Entwicklung gekennzeichnet. Art und Ausdrucksweise seien während des am 3. Juni 2016 von drei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers geführten Gesprächs bewusst und überlegt gewesen. So habe der Antragsteller erklärt, fünf Brüder und eine Schwester zu haben, zu deren Alter er allerdings keine genauen Angaben machen könne. Seine Familie habe überwiegend von der Landwirtschaft gelebt, er selbst habe außer der Koranschule keine Schule besucht, aber rund drei bis vier Jahre in einer Autowerkstatt gearbeitet. Das Alter, das er angeblich von seiner Mutter erfahren habe, habe er mit 16 Jahren angegeben. Während des Gesprächs habe der Antragsteller sicher, gefasst und rational reagiert, auf genauere Nachfragen zu seiner Biographie jedoch ausweichend geantwortet.

4. Mit Beschluss vom 7. Juli 2016 (M 18 S7 16.2804) hob das Verwaltungsgericht München seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 auf und lehnte den Antrag des Antragstellers vom 15. März 2016, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig in Obhut zu nehmen, ab (§ 80 Abs. 7 VwGO analog). Die für die Entscheidung vom 2. Mai 2016 maßgebliche Sachlage habe sich geändert. Aufgrund der vom Antragsgegner am 3. Juni 2016 durchgeführten Alterseinschätzung sei nunmehr von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen, so dass dieser nicht mehr in Obhut genommen werden könne und dürfe. Der Antragsteller verfüge über keine aussagekräftigen Ausweispapiere, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden. Die in den Akten enthalte Ablichtung bzw. Fotographie einer Tazkira stelle kein Dokument mit Beweiswert dar. Der Antragsgegner sei daher gehalten gewesen eine Alterseinschätzung durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme des Antragstellers, die eine Befragung einschließe, durchzuführen (§42 f Abs. 1 Satz 1 SGBVIII). Aufgrund dieser Inaugenscheinnahme sei der Antragsgegner, für das Gericht, das sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild von dem Antragsteller machen könne, nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller volljährig sei. Der Antragsteller habe selbst wechselnde Angaben zu seinem Alter gemacht. Gegenüber der Bundespolizei in Deggendorf habe er sein Alter anlässlich der Einreise am 18. Oktober 2015 mit 15 Jahren (entsprechend Geburtsjahr 2000) angegeben, gegenüber den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma in der Gemeinschaftsunterkunft in Markt Indersdorf jedoch behauptet, am 20. Januar 1999 geboren zu sein. Im Antrag auf Inobhutnahme vom 12. Januar 2016 sei schließlich das Geburtsdatum 1. Januar 1999 angegeben worden. Zum Alter seiner Geschwister habe er keine genaueren Angaben machen können. Klaren Aussagen zu seiner Biographie, die Rückschlüsse auf sein Alter zulassen würden, sei er nach den Feststellungen des Antragsgegners ausgewichen. Von einem unbegleiteten Minderjährigen könne grundsätzlich erwartet werden, dass er Angaben zu seinem Lebenslauf mache, die eine gewisse zeitliche Einordnung ermöglichten. Die wenigen Angaben des Antragstellers seien nicht geeignet, die ausreichend dokumentierte Feststellung des Antragsgegners zu erschüttern, der Antragsteller sei nach seinem äußerem Erscheinungsbild und seinem Verhalten volljährig. Es liege auch kein Zweifelsfall vor, der eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) erfordern würde. Für die Annahme eines Zweifelsfalls sei es nicht ausreichend, dass der Antragsteller seine Minderjährigkeit lediglich behaupte.

5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, aufgrund des ursprünglichen, ihm günstigen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 weiterhin in vorläufiger Obhut zu verbleiben. Über die Durchführung der Alterseinschätzung vom 3. Juni 2016 sei kein Protokoll vorgelegt worden. Es existiere lediglich ein Schreiben an den Antragsteller vom 13. Juni 2016, in dem der Antragsgegner die getroffenen Feststellungen aus seiner Sicht schildere. Diese Darstellung habe das Verwaltungsgericht - wie es selbst auch ausdrücklich einräume - ohne jede weitere Prüfung mit der Erwägung übernommen, es könne sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein eigenes Bild machen. Ob überhaupt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme stattgefunden habe, wie § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dies vorsehe, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft und - mangels Protokoll - auch gar nicht näher prüfen können. Ungeachtet dessen seien die Feststellungen zum äußeren Erscheinungsbild des Antragstellers auch keineswegs zwingend. Dichte Haare, kantige Gesichtszüge oder ausgeprägte Stirnfalten seien keine eindeutigen Alterskriterien. Auch ein ausgeprägter Bart sei kein zwingendes Indiz für ein höheres Alter. Desgleichen bedeute eine tiefe Stimmlage lediglich, dass der Stimmbruch stattgefunden habe, sage aber über die Vollendung des 18. Lebensjahres nichts aus. Für die Feststellung, die körperliche Entwicklung des Antragstellers sei abgeschlossen, fehle den Mitarbeitern des Jugendamtes die fachliche Kompetenz. Dem Begehren des Antragstellers, eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durchzuführen, habe deshalb entsprochen werden müssen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen und verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016. Der Antragsteller habe zwischenzeitlich mittels eines Antrags auf Gewährung von Jugendhilfe für junge Volljährige die schriftliche Erklärung abgegeben, volljährig zu sein. Auf die möglichen Folgen eines solchen Antrags für das vorliegende Verfahren sei er hingewiesen worden (vgl. Aktenvermerk vom 28.7.2016, Bl. 39 d. Senatsakten).

Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilt hierzu mit, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller noch nicht möglich gewesen. Die Beantragung von Hilfe für junge Erwachsene beinhalte nicht notwendig, dass der Antragsteller seine Behauptung, minderjährig zu sein, aufgegeben habe. Das Antragsformular sei ersichtlich nicht vom Antragsteller ausgefüllt worden. Dass der Antragsgegner den Antragsteller in eine Zwickmühle gebracht habe, zwischen einer Unterbringung in einer Unterkunft für Volljährige oder einer Unterzeichnung des Antragsformulars und einem Verbleib in der Jugendhilfeeinrichtung zu wählen, mache deutlich, dass der Antragsteller in seiner Entscheidungsfreiheit zumindest eingeengt gewesen sei.

6. Die Landesanwaltschaft Bayern ist dem Verfahren als Vertreterin des öffentlichen Interesses beigetreten, allerdings ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Sie unter- stützt die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel daran hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen Beschluss vom 2. Mai 2016 zu Unrecht aufgehoben. Der Antragsgegner ist in dieser Entscheidung zu Recht verpflichtet worden, den Antragsteller vorläufig in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Diese Entscheidung war durch Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 und Ablehnung des Abänderungsantrags des Antragsgegners vom 22. Juni 2016 wiederherzustellen.

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vor- läufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und Ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in §42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B. v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu §42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemissphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014- 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B. v. 18.11.2015-2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und Ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamtes durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B. v. 22.2.2016 -1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGBVIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurlsPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sqbwiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind.

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.)

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, In: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamtes ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht.

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar.

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannte Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß §42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sieh-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss.

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken.

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B. v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 4.3.2013 -OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgbwiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist.

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, §42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden.

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satzl Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegen- stehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B. v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B. v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen.

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Aufhebung des Beschlusses vom 2. Mai 2016 und die damit verbundene Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht keinen Bestand haben. Die vom Antragsgegner unter dem 3. Juni 2016 durchgeführte Alterseinschätzung genügt den oben beschriebenen Anforderungen nicht entfernt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden - wie der Antragsteller zu Recht rügt - nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dokumentiert. Es fehlt - auch wenn man das Schreiben vom 13. Juni 2016 zugrunde legt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und dem aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen -Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund einer mutmaßlichen Herkunft des betroffenen Antragstellers aus Afghanistan, einem Land, in dem dem Geburtsdatum eines Menschen keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20), widersprüchliche Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet vielmehr im Gegenteil Zweifel an der Selbstauskunft des Antragstellers, welchen im Rahmen des §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist.

Ungeachtet dessen gehört der Antragsteller nach dem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 15. November 2015, in dem sein Alter auf 19 Jahre geschätzt wird, gerade in den in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß §42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Dass der Antragsteller, vom Antragsgegner vor die Wahl gestellt, aufgrund der (wegen des Laufs der Rechtsmittelfrist im Übrigen noch gar nicht rechtskräftigen) Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 wieder in die Unterkunft für Asylbewerber zurückkehren zu müssen oder unter der Voraussetzung, dass er einen Antrag auf Jugendhilfe für Volljährige stelle, weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung verbleiben zu dürfen, sich am 28. Juli 2016 aus nachvollziehbaren Gründen für Letzteres „entschieden“ hat, sagt angesichts der bereits zuvor offen zutage getretenen Zweifel an der Voll- bzw. Minderjährigkeit des Antragstellers über dessen tatsächliches Lebensalter nicht das Geringste aus. Vielmehr wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob der Antragsteller vor dem Hintergrund des zum damaligen Zeitpunkt bereits angekündigten Rechtsmittels in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt wurde und wer hierfür gegebenenfalls die Verantwortung trägt, statt einfach den Ausgang des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abzuwarten.

Der Antragsgegner wird gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die ärztliche Untersuchung des Antragstellers unverzüglich in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis dahin dauert die mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2016 getroffene Anordnung der vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers fort.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 - M 18 E 16.2783 - wird aufgehoben.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.

3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.

4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.

5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).

Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s...de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.

Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.

Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. November 2016 - AN 6 E 16.2044 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme des Antragstellers als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42 a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

1. Der nach seinen Angaben am 5. Januar 2000 in A.-H. in Syrien geborene Antragsteller reiste am 23. August 2015 über den Irak und die Balkanroute in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz von Ausweispapieren zu sein. Bei seiner Registrierung durch die Bundespolizei in München unter dem Namen „A., Yosef“, wurde sein Geburtsdatum nach Einschätzung seines Alters auf den 1. Januar 1994 festgelegt. Derzeit ist er in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in R. im Landkreis R. untergebracht.

2. Im Dezember 2015 ließ der Antragsteller zum Beweis der Tatsache, dass er am 5. Januar 2000 geboren sei, zwei aus Syrien beschaffte Dokumente in arabischer Schrift vorlegen. Dabei handelt es sich um einen am 31. August 2015 ausgestellten Zivilregisterauszug aus dem syrischen Innenministerium, aus dem als Geburtsdatum des „Yusef M.“ der 5. Januar 2000 hervorgeht. Außerdem wurde ein Identitätsnachweis vorgelegt, in welchem ein syrischer Dorfvorsteher die Richtigkeit der zur Person des Antragstellers gemachten Angaben unter Benennung zweier Zeugen bestätigt. Das Dokument enthält ein Lichtbild des Antragstellers und weist die Person als „Yusef M.“, geboren am 5. Januar 2000 aus.

3. Am 29. März 2016 wurde der Antragsteller von zwei Fachkräften des Jugendamtes im Rahmen eines Inobhutnahmegesprächs unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers befragt. Laut der dabei angefertigten schriftlichen Dokumentation machte der Antragsteller hierbei folgende Angaben: Er heiße „Josef M.“, stamme aus Syrien und sei am 5. Januar 2000 in A.-H. geboren. Personenstandsdokumente habe er erst nach seiner Einreise nach Deutschland angefordert. Seine Eltern befänden sich seit 2013 im Nordirak in einem Camp bei E. Er sei bis 2013 in A.-H. aufgewachsen und habe sieben Schwestern und zwei Brüder, welche er namentlich und mit ihrem jeweiligen Geburtsjahr aufzählte. In seiner Heimat sei er sieben Jahre lang (2006 bis 2013) zur Schule gegangen. Nachdem er 2013 ohne Schulabschluss in den Irak geflohen sei, sei er dort ein weiteres Jahr zur Schule gegangen. Am 13. August 2015 habe er den Irak mit dem Einverständnis seiner Eltern verlassen und sich auf den Weg nach Deutschland begeben. Seine Familie erhoffe sich Vorteile aufgrund seiner Minderjährigkeit und wolle ihm nach Deutschland nachfolgen. Er habe seinen Eltern ein Foto geschickt, um Ausweispapiere zu beantragen.

4. Mit undatiertem (!) Bescheid lehnte der Antragsgegner eine Inobhutnahme des Antragstellers mit der Begründung ab, die gemachten Angaben passten nicht zum festgestellten Alter. Es sei von Volljährigkeit auszugehen. Das Alter des Antragstellers wurde auf 22 Jahre festgesetzt und als Geburtsdatum der 1. Januar 1994 festgelegt. Der Antragsteller habe keine Dokumente vorlegen können, welche sein Alter belegten. Daher sei sein Alter aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf sowie eines Anamnesegespräches geschätzt worden. Der Antragsteller habe ein reifes Auftreten und wisse, was er wolle und worauf es ankomme. Für seine Volljährigkeit sprächen weiter seine tiefe Stimmlage und kantige, männliche Gesichtszüge. Die Unterbringung des Antragstellers ohne Betreuung, wie sie für Jugendliche vorgesehen sei, habe zu keinen Auffälligkeiten in Form einer Überforderung geführt.

5. Mit Schreiben vom 8. April 2016 erhob der Antragsteller gegen die Feststellung seines Alters Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, am 5. Januar 2000 in A.-H., Syrien geboren zu sein und zum Beweis hierfür eine Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt zu haben, welche nicht anerkannt worden sei. Er habe von 2006 bis 2013 die Schule T. H. und 2013/2014 die Schule T. H. in A.-H., Syrien und 2014/2015 die Schule D. in E./Irak besucht. Er versuche nunmehr, das sich bei seinen Eltern befindliche Original seiner Geburtsurkunde übersetzen und beglaubigen zu lassen. Weiter beabsichtige er, Schulzeugnisse zu beschaffen, welche sein Geburtsdatum ausweisen würden. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2016 legte der Antragsteller in arabischer Schrift verfasste Unterlagen aus Syrien vor. Es handelt sich dabei um einen Zivilregisterauszug (Geburtsurkunde), eine Urkunde über seine Eltern und eine Kopie des Personalausweises seiner in Nordrhein-Westfalen lebenden Schwester. Weiter wurden eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber seiner Schwester und ein Antrag seiner Schwester auf Übernahme seiner Vormundschaft vorgelegt. Der Zivilregisterauszug, welcher sich von dem früher vorgelegten Registerauszug bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach deutlich unterscheidet, weist für „Youssef M.“ den 5. Januar 2000 als Geburtsdatum aus. Es trägt kein Ausstellungsdatum und enthält keine vollständigen Angaben zu den angeführten Merkmalen. Als Urkunde über seine Eltern wurde ein Auszug aus einem Familienbuch vorgelegt, welcher mit einem Lichtbild des Vaters des Antragstellers, Herrn Abdulrahman M., versehen ist und folgende Angaben zum sechsten Kind des Abdulrahman M. enthält: Das sechste Kind Youssef M. ist am 5. Januar 2000 in T. H. geboren.

6. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch des Antragstellers zurück. Ausweispapiere im herkömmlichen Sinne hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die im Widerspruchsverfahren angekündigte Geburtsurkunde nicht vorgelegt worden. Die Vorlage syrischer Dokumente, welche nach der Ankunft des Antragstellers in Deutschland ausgestellt worden seien, sei zudem widersprüchlich. Auch die Behauptung, diese Dokumente seien von den Eltern des Antragstellers angefordert worden, seien nicht glaubhaft. Die Eltern befänden sich im Irak, von wo aus die Beschaffung syrischer Originaldokumente schwierig sei, zumal in Syrien Krieg herrsche. Die Dokumente enthielten außerdem ein relativ aktuelles Passbild. Auffallend seien auch die erheblichen Unterschiede im ursprünglich angegebenen Namen des Antragstellers und im Namen, wie ihn die nachgereichten Dokumente auswiesen. Es sei unverständlich, weshalb der Antragsteller erst ein halbes Jahr nach seiner Einreise nach Deutschland eine falsche Registrierung durch die Bundespolizei hinsichtlich seines Namens und seines Geburtsdatums geltend mache. Erst als dem Antragsteller klar geworden sei, dass ihm aus dem Minderjährigenstatus Vorteile erwachsen könnten, habe er entsprechende Dokumente vorgelegt bzw. vorlegen lassen.

7. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 legte der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016 (wiederum) Widerspruch ein und trug vor, beim Jugendamt R. am 15. Juni 2016 beglaubigte Dokumente abgegeben zu haben, welche sein Alter bestätigen würden, aber der Regierung von M. zum Entscheidungszeitpunkt wohl noch nicht vorgelegen hätten. Er heiße Youssef M. Das Foto auf der Urkunde des Ortsvorstehers vom 31. August 2015 habe er in S. mit seinem Handy gemacht und seinem Schwager nach Syrien geschickt. Der Dorfvorsteher kenne seine ganze Familie und ihn seit der Geburt. Familienangehörige könnten auch vom Ausland aus Dokumente aus der Heimat besorgen. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts seien gerade nicht unabhängig voneinander zum Ergebnis der Altersfeststellung gekommen, sondern hätten sich in seinem Beisein miteinander beraten. Dass sein Alter falsch registriert worden sei, habe er bei seiner Registrierung in S. und seiner späteren Anhörung mehrmals bekundet; es habe sich jedoch niemand darum gekümmert. Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Deutschland habe er nur arabisch und kurdisch gesprochen und keine lateinischen Buchstaben lesen können. Erst nach Erlernen der deutschen Sprache und Schrift sei es ihm möglich gewesen, sich um die Korrektur seines falschen Alters zu kümmern.

8. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016 erhob der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2016, in welcher er sich gegen die Altersfeststellung durch das Kreisjugendamt R. wendet. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Juli 2016 legte er neben bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen einen Antrag seines Vaters auf Einschulung, eine Gesundheitsbescheinigung und ein Zeugnis der 1. Klasse vor. Die Schulanmeldung enthält die Angabe, dass der Antragsteller im Jahr 2000 in T. H. geboren wurde. Keines der vorgelegten Dokumente lässt ein Ausstellungsdatum erkennen. Unter dem 14. September 2016 stellte der Antragsteller ferner klar, dass sich seine Klage nicht isoliert gegen die Altersfeststellung richte, sondern eine Inobhutnahme begehrt werde.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2016 ließ der Antragsteller darüber hinaus Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn einstweilen in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei am 5. Januar 2000 in Syrien geboren. Er habe im Rahmen des Verfahrens beim Landratsamt R. in Syrien ausgestellte Originaldokumente vorgelegt, aus denen sich die Identität und das Geburtsdatum ergäben. Die Alterseinschätzung als volljährig sei fehlerhaft; eine medizinische Untersuchung habe nicht stattgefunden, obwohl es sich um einen Zweifelsfall handele.

9. Mit Beschluss vom 3. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren als unbegründet ab. Ein Anspruch auf vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42 a Abs. 1 SGB VIII sei nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe das Alter des Antragstellers nach Durchführung einer qualifizierten Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung vorgelegter Dokumente und der Selbstauskunft des Antragstellers rechtsfehlerfrei auf 22 Jahre geschätzt und eine Inobhutnahme mit am 7. April 2016 zugestelltem Bescheid abgelehnt. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, welcher Anlass für eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung seines Alters hätte bieten können, liege aus der Sicht der Kammer nicht vor.

a) Ausweispapiere zur Feststellung der Minderjährigkeit des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht vorhanden. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, seine Identität und insbesondere sein Geburtsdatum nachzuweisen. Der vorgelegte Zivilregisterauszug könne bereits mangels Lichtbild keinen verlässlichen Nachweis dafür liefern, dass der Antragsteller der im Auszug genannte „Yusef M.“ sei. Ob die Schreibweise des Namens, welcher erheblich von der Schreibweise des Namens des Antragstellers („Youssef M.“) abweiche, auf die Transkription des arabischen Dokuments in die deutsche Sprache zurückzuführen sei oder ob es sich möglicherweise um eine andere Person als den Antragsteller handele, könne deshalb dahingestellt bleiben. Ebenso wenig vermöge der vorgelegte Identitätsnachweis eines syrischen Ortsvorstehers die Identität des Antragstellers hinreichend zu belegen. So erscheine es bereits unglaubhaft, dass ein syrischer Ortsvorsteher jeden Bewohner unter Benennung eines Geburtsdatums identifizieren könne. Unabhängig hiervon handele es sich bei der Identitätsbescheinigung durch einen Ortsvorsteher unter Benennung zweier Zeugen jedenfalls um kein amtliches Dokument. Auch die im Widerspruchsverfahren nachgereichten Unterlagen seien nicht geeignet, die Identität des Antragstellers nachzuweisen. Bei der vorgelegten Urkunde über die Eltern des Antragstellers und einem weiteren Auszug aus einem Zivilregister, welcher sich von dem früheren Zivilregisterauszug unterscheide, sei bereits auffällig, dass die Schreibweise des Namens nunmehr mit der vom Antragsteller angegebenen Schreibweise seines Namens übereinstimme („Youssef M.“). Unabhängig davon, dass der jetzige Zivilregisterauszug kein Ausstellungsdatum trage und im Gegensatz zu dem bereits früher vorgelegten Zivilregisterauszug nur unvollständige Angaben enthalte (es fehle die sogenannte Nationalnummer, welche der erstmalig vorgelegte Registerauszug noch enthalte), könne beiden Dokumenten schon deshalb kein Beweiswert zukommen, weil sie mangels Lichtbild nicht verlässlich nachweisen könnten, dass der Antragsteller die in den Dokumenten genannte Person sei. Auch die übrigen Unterlagen in Form einer Kopie des Personalausweises der Schwester des Antragstellers, ein Antrag der Schwester auf Übernahme der Vormundschaft für den Antragsteller sowie eine Wohnungsgeberbestätigung gegenüber der Schwester des Antragstellers stellten keine amtlichen Dokumente dar, welche Beweis für die Identität und das Geburtsdatum des Antragstellers erbringen könnten. Ebenso wenig seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen, ein Einschulungsantrag des Vaters des Antragstellers, eine Gesundheitsbescheinigung für die Einschulung des Antragstellers und ein Zeugnis der 1. Klasse geeignet, zum Nachweis der Identität und des Geburtsdatums des Antragstellers beizutragen. Dies folge bereits daraus, dass allen Dokumenten kein Erstellungs- bzw. Ausstellungsdatum zu entnehmen sei. Auch das an den Einschulungsantrag angeheftete Bild eines Kindes führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit lasse sich weder ermitteln, zu welchem Zeitpunkt das Bild angefertigt worden sei, noch ob es sich bei dem abgebildeten Kind um den Antragsteller handele.

b) Mangels aussagekräftiger Ausweispapiere sei daher zunächst die Selbstauskunft des Antragstellers zur Bestimmung seines Alters heranzuziehen. Der Antragsteller habe zwar seit Ende des Jahres 2015 durchgehend geltend gemacht, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Sein Vortrag zur Beschaffung der zum Beweis seines Alters vorgelegten Unterlagen sei jedoch widersprüchlich. Im Rahmen des am 29. März 2016 durchgeführten Inobhutnahmegesprächs habe er noch vorgetragen, dass er über seine Eltern einen Ausweis beantragt hätte und seinen Eltern hierzu das auf der Identifikationsurkunde befindliche Foto geschickt habe. In seinem an die Regierung von M. gerichteten Schreiben vom 21. Juni 2016 habe er dagegen angegeben, dieses Foto an seinen Schwager nach Syrien geschickt zu haben. Aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben sowie der vorgelegten Unterlagen begegne seine Selbstauskunft Zweifeln, so dass eine Alterseinschätzung- und feststellung mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen gewesen sei.

c) Diese habe ergeben, dass von Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen sei. Der Antragsgegner habe ihn auf ein Alter von 22 Jahren geschätzt. Neben der Würdigung des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers unter umfassender Dokumentation desselben, sei der Antragsteller umfassend befragt worden. Ebenso sei ihm Gelegenheit gegeben worden, sich zu seiner Einreise ohne Ausweispapiere und zu der nachträglichen Beschaffung entsprechender Unterlagen zu äußern. Die beiden Fachkräfte des Antragsgegners seien im Rahmen der qualifizierten Inaugenscheinnahme aufgrund der äußeren Merkmale des Antragstellers zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass dieser volljährig sei. Dieser Eindruck sei durch das sichere Auftreten des Antragstellers und sein selbstständiges Verhalten während der zum damaligen Zeitpunkt bereits siebenmonatigen Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Erwachsene bestätigt worden.

d) Trotz der Angaben des Antragstellers zu seinem Alter liege ein Zweifelsfall nach § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, aufgrund dessen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen gewesen wäre, nicht vor. Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ein solcher Fall gerade deshalb vorliege, weil die vorgelegten Unterlagen ein anderes Alter des Antragstellers auswiesen als das mittels der qualifizierten Inaugenscheinnahme festgestellte, greife nicht durch. Es bleibe demgegenüber festzuhalten, dass keine aussagekräftigen Ausweispapiere vorgelegt worden seien und auch den weiteren vorgelegten Dokumenten kein Beweiswert hinsichtlich des Alters des Alters des Antragstellers beigemessen werden könne. Vielmehr sei aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme mit hinreichender Sicherheit von der Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen.

e) Angesichts der tragfähigen Alterseinschätzung von 22 Jahren handele es sich auch um einen Fall eindeutiger Volljährigkeit, für welchen eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Jugendamtsmitarbeiter als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden könne. Dies gelte selbst dann, wenn man über einen sogenannten „Graubereich“ von ein bis zwei Jahren über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren hinaus einen weiteren „Sicherzuschlag“ von nochmals zwei bis drei Jahren gewähre, um in Anbetracht erheblicher Schwankungsbreiten selbst medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegen zu wirken. Der Antragsteller liege mit seinem Alter bereits außerhalb der Grenze dieses von erheblicher Unsicherheit geprägten Bereichs.

10. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren, vorläufig in Obhut genommen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht zu werden, weiter. Gleichzeitig beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe seine Volljährigkeit nicht fest. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Antragsgegners seien unbrauchbar. Er halte weiter daran fest, am 5. Januar 2000 geboren zu sein. Ein Ausweisdokument mit Lichtbild könne er jedoch nach wie vor nicht vorlegen. Allerdings habe er über einen Rechtsanwalt in Syrien eine Geburtsurkunde angefordert und inzwischen auch erhalten, die seine Angaben bestätige. Das Original der Geburtsurkunde und eine Übersetzung wurden vorgelegt. Soweit in den Akten Angaben enthalten seien, die seinen Angaben widersprächen, sei dies auf willkürliche Eintragungen und Schreibweisen verschiedener Sachbearbeiter zurückzuführen, die er nicht habe beeinflussen können. Keine der unterschiedlichen Schreibweisen sei von ihm in vorwerfbarer Weise verursacht worden. Ebenso wenig habe er angegeben, die vorgelegten Dokumente seien von seinen Eltern besorgt worden. Auch insoweit handele es sich lediglich um Vermerke, die von den zuständigen Sachbearbeitern erstellt worden seien, ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Er habe stets angegeben, dass die Dokumente von seinem Schwager besorgt worden seien, der noch in Syrien lebe. Der Vorwurf, er habe widersprüchliche Angaben gemacht, entbehre daher jeder Grundlage. Die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts erweise sich infolgedessen als nicht tragfähig. Die Kammer führe selbst aus, dass es auch bei medizinischen Untersuchungsmethoden eine erhebliche Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren gebe. Angesichts dessen sei nicht ersichtlich, wie das Gericht der Einschätzung der Fachkräfte, er sei 22 Jahre alt und damit volljährig, eine derartige Genauigkeit beimessen könne, zumal nicht einmal dargelegt werde, über welche Qualifikation die beiden Fachkräfte im Hinblick auf Fragen der Altersfeststellung überhaupt verfügten. Jedenfalls seien die maßgeblichen Gründe für das Ergebnis der qualifizierten Inaugenscheinnahme weder nachvollziehbar noch überprüfbar begründet worden. Es sei lediglich auf äußere körperliche Merkmale abgestellt worden, was nicht ausreichend sei. Infolgedessen bestünden zwar Zweifel an seiner Selbstauskunft fort, die jedoch vom Jugendamt nicht widerlegt worden seien. Prozessual sei daher vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen.

Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die unterschiedliche Schreibweise des Namens des Antragstellers sei nie ein Kriterium für die Altersfeststellung gewesen. Ebenso wenig hätten die Fachkräfte des Jugendamts die Altersfeststellung alleine auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes des Antragstellers getroffen. Zusätzlich zu diesem seien dessen ruhiges und gereiftes Auftreten, die sichere Vorstellung in seinen Wünschen und dem, was er erreichen wolle sowie die Tatsache, dass er seit Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft lebe, ohne einen Hilfebedarf zu entwickeln, wie er für Jugendliche typisch wäre, maßgeblich gewesen. Darüber hinaus seien auch die bis zum Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumente zweifelhaft erschienen. Ebenso wenig sei die Beibringung neuer Dokumente geeignet, die bestehenden Zweifel ausräumen. Der Antragsteller sei auch sehr wohl mit den Zweifeln an seinem Alter konfrontiert worden. Allerdings habe er keine weiteren Argumente vortragen können, die die bestehenden Zweifel hätten ausräumen können. Er habe stets nur seine Altersangabe wiederholt. Soweit die Kompetenz der an der Altersfeststellung beteiligten Fachkräfte in Zweifel gezogen werde, sei darauf hinzuweisen, dass die eine Fachkraft seit ca. 30 Jahren im Bereich Vormundschaften arbeite und die andere seit rund 11 Jahren im Jugendamt tätig und seit Frühjahr 2015 mit Altersfeststellungen befasst sei. Aus der Sicht des Jugendamts unterliege die Volljährigkeit des Antragstellers nach wie vor keinen Zweifeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).

1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 13; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 9).

a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 14; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 10).

Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 15; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 11). Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).

Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 - 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 16; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 12). Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 4).

b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie - unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers - in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 - 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 17; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 13).

c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833 u. 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 18; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14).

d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 19; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 15).

Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.; siehe hierzu auch bereits BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 20; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 16).

Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen - wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit - ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 -, juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17).

Die im bereits abgeschlossenen Verfahren 12 CS 16.1550 geäußerte Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 22; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 18).

e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren - auch eine ärztliche Untersuchung - allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 23; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19).

In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 24; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 - 12 B 923/14 - juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 - OVG 6 S 3.13, OVG 6 MOVG 6 M 5.13 - juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 - OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. - Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 25; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 21).

Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22; OLG München, B.v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; siehe auch Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts - mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs - ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16. 1550 - juris, Rn. 26; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22).

g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1186 - juris, Rn. 24; B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2016 nicht aufrechterhalten werden.

a) Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass vorliegend weder die vorgelegten Dokumente noch die Selbstauskunft des Antragstellers einen zweifelsfreien Beleg für die behauptete Minderjährigkeit des Antragstellers bieten, weil die vorgelegten Unterlagen entweder - mangels Lichtbild - bereits nicht erkennen lassen, dass der Antragsteller tatsächlich diejenige Person ist, für die eine Geburt am 5. Januar 2000 in A.-H. (Syrien) bezeugt wird, oder es sich nicht um amtliche Dokumente (Zeugnis des Dorfvorstehers) handelt mit der Folge, dass die Selbstauskunft des Antragstellers - jedenfalls derzeit - nicht verifizierbar ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die zwischenzeitlich im Beschwerdeverfahren vorgelegte neue Geburtsurkunde. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass es ihm nach wie vor nicht möglich sei, ein (Ausweis-) Dokument mit Lichtbild vorzulegen.

b) Das Verwaltungsgericht übersieht jedoch, dass eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale - wie vorliegend vom Jugendamt praktiziert - nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22) für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Annahme von Volljährigkeit darstellt. Daran vermag auch die ergänzende Heranziehung weiterer Kriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und sicheres Auftreten, eine feste Vorstellung von dem, was man im Leben erreichen möchte oder ein bisher problemloses Zurechtkommen in der Gemeinschaftsunterkunft ohne jugendtypischen Hilfebedarf, nichts zu ändern. Derartige Kriterien und Fähigkeiten besitzen für die Altersfeststellung keinerlei Aussagekraft, weil auch ein (reifer) jugendlicher Minderjähriger bereits über sie verfügen kann.

aa) Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamtes gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII kann - wie bereits eingehend dargelegt - allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 23; Beschluss vom 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 19). In allen anderen Fällen ist dagegen vom Vorliegen eines Zweifelfalls im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 20).

Zweifel im Sinne dieser Vorschrift bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU nämlich bereits stets dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. BayVGH, Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 18; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 14). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 26; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 22 jeweils m. w. N.).

bb) Der Antragsteller gehört ersichtlich nicht zum Kreis der beschriebenen, für jedermann ohne Weiteres erkennbaren (offensichtlichen), gleichsam auf der Hand liegenden, über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Fälle eindeutiger Volljährigkeit, in welchen auch von einem Facharzt kein anderes Urteil zu erwarten ist und ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss. Vielmehr kann angesichts der erheblichen Schwankungsbreite medizinischer Feststellungen zur Altersdiagnostik auch vorliegend nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig. Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts stellten bei ihrer Beurteilung letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild des Antragstellers und den von ihnen aus dessen Verhalten gewonnenen - persönlichen - Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses (vgl. auch bereits BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 28; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 24). Allein aufgrund der Kriterien Bartwuchs, ausgeprägte Stirnfalten, postpubertärer Körperbau, selbstsicheres, reifes Auftreten, gereifter Gesamteindruck, erwachsene Stimmlage, ausgeprägter Kehlkopf und kantige, männliche Gesichtszüge lässt sich das Alter eines Menschen auch durch in der Jugendhilfe erfahrene Fachkräfte nicht bestimmen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Heranziehung weiterer (vermeintlicher) Hilfskriterien, wie beispielsweise ein ruhiges und gereiftes Auftreten, eine sichere Vorstellung von der weiteren eigenen Entwicklung oder ein bislang problemloses Zurechtkommen in der Aufnahmeeinrichtung.

Vor dem Hintergrund, dass selbst die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit enormen Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. BayVGH B.v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 21; B.v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 17 jeweils m. w. N.), entbehrt insbesondere die Festlegung des Alters des Antragstellers durch die Mitarbeiterinnen des Jugendamtes auf (gerade) 22 Jahre jeder Grundlage. Dieser rein spekulativen und damit letztlich zugleich auch objektiv willkürlichen Festlegung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinerlei Erkenntniswert beigemessen werden. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich gerade nicht ausschließen, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Antragsteller sei noch minderjährig.

Der Antragsgegner wird deshalb unverzüglich von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung des Antragstellers gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen, sofern ihm nicht bereits - gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung der Echtheit und des Beschaffungsweges - die im Beschwerdeverfahren vorgelegte, über einen syrischen Rechtsanwalt besorgte neue Geburtsurkunde als ausreichender Beleg der Minderjährigkeit des Antragstellers genügt, auch wenn diese (naturgemäß) ein Lichtbild nicht enthält.

Lässt sich - wie hier - eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 CE 112 CE 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, Beschluss v. 5.7.2016 - 12 CE 16.1886 - juris, Rn. 24; Beschluss v. 16.8.2016 - 12 CS 16.1550 - juris, Rn. 27; Beschluss v. 18.8.2016 - 12 CE 16.1570 - juris, Rn. 23).

c) Der Antragsteller ist deshalb bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Hauptsacheverfahren in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen; er hat sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO) und kann deshalb nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, Urteil. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]; BayVGH, Beschluss v. 23.9.2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, NVwZ-RR 959 [961] Rn. 27). Dem Antrag ist daher mit dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Inhalt zu entsprechen. Damit entfällt zugleich das Bedürfnis für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht mit der Beschwerde angefochten.

3. Der Senat wird alle Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte beanstanden, in welchen entgegen Inhalt und Geist der in den Entscheidungen vom 16. August 2016 - 12 CS 16.1550 - und 18. August 2016 - 12 CE 16.1570 - im Einzelnen entfalteten Maßstäbe und Grundsätze eine vorläufige Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge unterbleibt.

4. Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache - der mutmaßlich noch minderjährige Antragsteller befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene - muss die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2014 - M 18 E 14.3412 - wird aufgehoben.

II.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seines Alters in dem vor dem Amtsgericht E. anhängigen familiengerichtlichen Verfahren - Az: 001F469/14 - bzw. im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

IV.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren erster Instanz bewilligt und Rechtsanwältin Dr. ... aus ... beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt seine In-Obhutnahme als unbegleitet eingereister Minderjähriger (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Seinen eigenen Angaben zufolge ist er afghanischer Staatsangehöriger und wurde am ... geboren. Nach seiner Einreise hat er Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gestellt.

1. Anlässlich eines Gesprächs des Antragstellers mit Mitarbeitern des Jugendamts und der Ausländerbehörde der Stadt Dortmund am 6. Januar 2014 entstanden Zweifel hinsichtlich des von ihm angegebenen Alters. In einem Vermerk des Jugendamts Dortmund vom 7. Januar 2014 wurde festgehalten, für eine Minderjährigkeit des Antragstellers bestünden keine Anhaltspunkte; es sei davon auszugehen, dass er zumindest 18 Jahre alt sei. Das Geburtsdatum wurde fiktiv auf den 1. Januar 1996 festgelegt. Mit Bescheid der Regierung von Oberbayern (Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber) vom 10. März 2014 wurde der Antragsteller ab dem 12. März 2014 dem Landkreis E. zugewiesen.

2. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers, diesen nach § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung oder bei einer Pflegefamilie unterzubringen. Der Antragsteller sei minderjährig. Zur Begründung wurde auf einen weder einen Briefkopf tragenden noch eine Unterschrift enthaltenen Bericht der Ausländerhilfe E. e.V. zur Einschätzung des Alters des Antragstellers Bezug genommen.

3. Mit Beschluss vom 31. Juli 2014 (Az: 001F469/14) stellte das Amtsgericht E. im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass das elterliche Sorgerecht bis zur Abklärung des Alters des Betroffenen vorläufig ruht. Gleichzeitig wurde das Kreisjugendamt E. als vorläufiger Vormund ausgewählt. Mit weiterem Beschluss vom 1. August 2014 verfügte das Amtsgericht, dass zur Feststellung des Alters des Antragstellers ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Mit dessen Erstellung wurde das Institut für Rechtsmedizin der Universität M. beauftragt.

4. Mit undatiertem Bescheid, vermutlich vom 6. August 2014, lehnte der Antragsgegner die beantragte In-Obhutnahme (§ 42 SGB VIII) sowie die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII) ab. Der Antragsteller sei aufgrund der Alterseinschätzung durch das Jugendamt Dortmund als volljährig einzustufen. Die Alterseinschätzung einer ehrenamtlichen Initiative, hier der Ausländerhilfe E. e. V., könne die amtlich festgestellte Alterseinschätzung nicht abändern. Darüber hinaus sei das Kreisjugendamt mit Beschluss vom 31. Juli 2014 zum Vormund bestellt worden, so dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII entfallen seien. Zweifel an der Volljährigkeit des Antragstellers bestünden auch aufgrund einer Inaugenscheinnahme des Antragsgegners im Kreisjugendamt und im Team Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamtes nicht; es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Antragstellers ergeben. Auch ein - vorsorglich geprüfter - Bedarf für eine Jugendhilfemaßnahme habe nicht festgestellt werden können. Der Antragsteller sei in seiner Unterkunft gut integriert. Diese werde von zwei Mitarbeitern des Landratsamts regelmäßig besucht und betreut.

5. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. August 2014 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2014 erheben und beantragen, das Kreisjugendamt E. - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, ihn in Obhut zu nehmen und in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. Er wohne als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in einer Asylunterkunft für Erwachsene. In dieser gebe es keine Betreuung für Minderjährige. Sein Wohl sei daher gefährdet. Bis zur endgültigen Klärung seines Alters im Rahmen des anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens sei von seiner Minderjährigkeit auszugehen, so dass er gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen sei. Eine Verpflichtung zur In-Obhutnahme bestehe auch deshalb, weil er um diese gebeten habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Ferner beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

6. Mit Beschluss vom 18. August 2014 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, dass er Jugendlicher im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB VIII i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII sei und insoweit ein Anordnungsanspruch gemäß § 123 VwGO bestehe. Es hätten Gespräche sachkundiger Personen mit dem Antragsteller stattgefunden, die zu dessen Einschätzung als volljährig geführt hätten, so dass er für das Eilverfahren nicht gleichsam „unbesehen“ als Jugendlicher betrachtet werden könne. Dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht zur Einschätzung des Alters komme für das gerichtliche Verfahren kein eigener Erkenntniswert zu, weil dieser Bericht seinen Ersteller nicht erkennen lasse. Weitere Erkenntnismittel stünden nicht zur Verfügung. Auch dem computermäßig reproduzierten Schwarzweißbild des Antragstellers in der Behördenakte könne nicht entnommen werden, dass dieser noch minderjährig sei. Eine Beweiserhebung finde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statt. Infolgedessen komme es auch nicht darauf an, ob im Hauptsacheverfahren ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen wäre. Aus den genannten Gründen könne auch der Antrag auf Gewähr von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg haben.

7. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Unter Zugrundelegung der amtlichen Stellungnahme des Jugendamts Dortmund sei der Antragsteller volljährig. Die Voraussetzungen für eine In-Obhutnahme lägen deshalb nicht vor.

8. Mit Verfügung vom 11. September 2014 wies das Amtsgericht E. die Beteiligten des familiengerichtlichen Verfahrens darauf hin, dass nach den eingeholten Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller volljährig sei mit der Folge, dass er als Minderjähriger zu behandeln sei.

Der zusammenfassenden Beurteilung des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der LMU M. vom 1. September 2014 ist zu entnehmen, dass die Befunde zur Alterseinschätzung des Antragstellers sehr widersprüchlich seien. Der subjektive Eindruck des Untersuchers spreche (zwar) für ein Lebensalter von 18 bis 20 Jahren, was aber nur Hinweischarakter haben könne. (Auch) der zahnärztliche Untersuchungsbefund mit kariösen Läsionen von zwei Weisheitszähnen, die bereits vollständig ausgewachsen in der Kauebene stehen, belege im Regelfall ein Lebensalter von zumindest 22 Jahren. Die Röntgenaufnahme der linken Hand zeige auf der Daumenseite der Speichenwachstumsfuge noch eine kleine Kerbung, entsprechend offenbar einem sehr frischen Verschluss, alternativ einer irregulären Ausformung ohne Hinweiswert für das Alter. Insoweit sei zu sehen, dass die entsprechende Wachstumsfuge im Alter von 17 Jahren regelmäßig vollständig fusioniert sei. Die Befunde an den Brustbein-/Schlüsselbeingelenken des Antragstellers entsprächen aus radiologischer Sicht einer Teilfusion der Wachstumsfugen, wie sie bei Männern frühestens mit 17 ½ Jahren, aber auch bis zu 26 Jahren beobachtet werde. Die mittleren 50% mit einem solchen Befund lägen zwischen 20,1 und 23,9 Jahren. Die Fusion der Schlüsselbein-Wachstumsfuge des Antragstellers sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt. Darüber hinaus wirkten die Schlüsselbeinschaftenden des Antragstellers ausgesprochen gleichmäßig wellig, wie dies regelmäßig einer aktiven Wachstumsfuge entspreche. Aktive Wachstumsfugen ohne Teilfusion würden bei Männern zwischen 14 ½ und 20 Jahren beobachtet. Die mittleren 50% mit einem solchen Entwicklungsstadium lägen zwischen 17,1 und 18,5 Jahren. Unklar sei jedoch, inwieweit die üblichen Kriterien zur Alterseinstufung auf den Antragsteller (überhaupt) angelegt werden könnten. Bei der körperlichen Untersuchung seien die besonders langen, schmalen Hände des Antragstellers aufgefallen, die auf eine Wachstumsstörung hinweisen könnten. Eine solche müsse gegebenenfalls durch die Fachabteilung für Auxologie (Wachstumskunde) abgeklärt werden, da sie durchaus Krankheitswert haben und therapiebedürftig sein könne. Eine entsprechende Abteilung stehe im Haunerschen Kinderspital der LMU M., Prof. Dr. ..., zur Verfügung. Obwohl insbesondere der zahnärztliche Befund ein Lebensalter noch deutlich höher als das zugewiesene zu belegen scheine, sei bei Unterstellung einer Wachstumsstörung das vom Antragsteller angegebene Geburtsdatum (gleichwohl) nicht auszuschließen.

Demgegenüber kommt das dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin beiliegende fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 - allerdings ohne Berücksichtigung einer möglichen Wachstumsstörung - zu der Einschätzung, dass der Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter als 18 Jahre sowie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% älter als 21 Jahre sei. Auch nach dem zahnärztlichen Untersuchungsbefund vom 13. August 2014 handelt es sich beim Antragsteller nicht mehr um einen Minderjährigen, sondern um einen jugendlichen Erwachsenen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes und die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht können keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Dem Antrags- und Klagebegehren können ferner hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht abgesprochen werden (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

1. Der Gesetzgeber hat die (Erst-)Versorgung und Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII primär den Jugendämtern zugewiesen (vgl. BVerwG, U. v. 8.7.2004 - 5 C 63.03 -, ZfJ 2005, 23 [25]; s. auch Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17; Peter, JAmt 2006, 60 [61]). Er trägt damit der UN-Kinderrechtskonvention Rechnung, die eindeutig verlangt, dass unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden der gleiche staatliche Schutz zu gewähren ist wie deutschen Kindern (vgl. insbes. Art. 6 Abs. 2, Art. 20, 22 u. 32 ff.). Auch Art. 1 und 2 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (Minderjährigenschutzabkommen - MSA) verlangen, dass der Staat die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen trifft und dies nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts tut (vgl. Trenczek, in Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 15 u. 17; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548] m. w. N.). Bei der Durchführung der In-Obhutnahme sind Unterschiede zwischen (unbegleiteten) ausländischen und deutschen Minderjährigen unzulässig (vgl. Trenczek, in: Münder/Meyßen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 17). Der Schutz von Minderjährigen darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob diese sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Ebenso wenig ist die In-Obhutnahme davon abhängig, ob der Minderjährige nach der Einreise ins Bundesgebiet um Asyl nachsucht (vgl. Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44). Dies gilt auch dann, wenn der Minderjährige das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat und nach § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. § 42 SGB VIII wird durch Regelungen des Asylrechts nicht verdrängt (BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155 [158 f.; 160]; siehe auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 16 f. m. w. N.). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die Verpflichtung des Jugendamts, unbegleitete Minderjährige nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut zu nehmen, gilt deshalb ausnahmslos, und damit unabhängig davon, ob die Betroffenen in Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit bereits einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Löhr, ZAR 2010, 378 [381]; Peter, JAmt 2006, 60 [64; 66]). Nimmt das Jugendamt einen unbegleitet eingereisten, sechzehnjährigen Asylantragsteller in Obhut, so ist dieser verpflichtet, in einer Einrichtung der Jugendhilfe zu wohnen. Die zuvor mit der Asylantragstellung begründete Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 u. 2 Nr. 3 AsylVfG) entfällt (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG). Unbegleitet eingereiste Minderjährige unter 16 Jahren unterliegen aufgrund der Systematik des Asylverfahrensrechts von vorneherein keiner Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Eine „Kollision“ zwischen Asylverfahrensrecht einerseits und Achtem Buch Sozialgesetzbuch andererseits (vgl. hierzu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 17 f.) besteht daher in Wahrheit nicht. Vielmehr treten die Bestimmungen über die Wohnpflicht nach dem Asylverfahrensgesetz im Fall einer auf der Grundlage des Achten Buchs Sozialgesetzbuch verfügten Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung kraft gesetzlicher Anordnung (vgl. § 48 Nr. 1 AsylVfG bzw. § 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Alt. 5 AsylVfG) zurück (siehe auch Peter, JAmt 2006, 60 [64]). Ist ein vor Vollendung des 18. Lebensjahres unbegleitet nach Deutschland eingereister asylsuchender (minderjähriger) Ausländer, der weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland hat, in Obhut zu nehmen und unterzubringen, wie § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII dies ausnahmslos und unmissverständlich verlangt, so unterfällt er auch nicht dem gemäß §§ 45 f. AsylVfG vorgesehenen Verteilungsverfahren. Eine gleichwohl erfolgte, ihm gegenüber ergangene Weiterleitungsanordnung ist rechtswidrig (vgl. VG Berlin, B. v. 18.4.2011 - 20 L 331.10 - juris, Rn. 9; ebenso Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 18; Peter, JAmt 2006, 60 [64]).

Allein der Umstand, dass das zuständige Jugendamt seitens der Ausländerbehörden nicht oder nicht rechtzeitig von der Existenz des unbegleitet eingereisten asylsuchenden Minderjährigen Kenntnis erlangt, darf daher nicht dazu verleiten, eine nicht bestehende „Kollision“ oder gar einen Vorrang des Asylverfahrensrechts für die Unterbringung zu konstruieren. Vielmehr ist (auch) der unbegleitet eingereiste asylsuchende Minderjährige von der örtlichen Ausländerbehörde oder den Zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber unverzüglich an das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt weiterzuleiten (vgl. § 14 Satz 1 d. Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern - AGO: „Weiterleitung bei Unzuständigkeit“). Umgekehrt ist das nach § 87 SGB VIII zuständige Jugendamt gemäß § 81 SGB VIII gehalten, von der örtlichen Ausländerbehörde oder der Zentralen Aufnahmestelle Auskunft über den Aufenthalt unbegleitet eingereister Minderjähriger zu verlangen (vgl. Peters, JAmt 2006, 60 [63]: „Einmischungsauftrag“), um seiner Verpflichtung aus § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII genügen zu können.

Durch die in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIII getroffene Regelung hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass unbegleitet eingereiste Minderjährige - gleichviel welchen Alters - nicht in asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtungen (§ 44 AsylVfG) oder Gemeinschaftsunterkünften (§ 53 AsylVfG) untergebracht werden (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 64]). Dies allein entspricht zugleich den Anforderungen des Art. 20 UN-Kinderrechtskonvention. Nach dieser Bestimmung haben Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention) und aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf besonderen staatlichen Schutz und Beistand (Abs. 1). Dieser ist durch eine kindgerechte Betreuung in einer Pflegefamilie oder in einer geeigneten Kinderbetreuungseinrichtung sicherzustellen (Absätze 2 u. 3). Eine solche ist in einer asylrechtlichen Aufnahmeeinrichtung regelmäßig nicht gewährleistet (vgl. näher Peter, JAmt 2006, 60 [63 f.]; Löhr, ZAR 2010, 378 [381 f.]). Das Asylbewerberleistungsgesetz enthält keine mit dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vergleichbare Leistungen (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Anders als beim typischen Eltern-Kind-Konflikt bedarf es bei der In-Obhutnahme unbegleiteter Minderjähriger auch keiner Gefährdungsabschätzung (mehr), vielmehr wird eine (latente) Gefahr für das Wohl unbegleiteter Minderjähriger (alleine in einem fremden Land, mangelnde Sprachkenntnisse) - gleichviel welchen Alters - vom Gesetzgeber unterstellt (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 19; Kepert/Röchling, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 42 Rn. 44; Peter, JAmt 2006, 60 [61; 62]). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf unbegleitete minderjährige Asylbewerber, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, weil auch insoweit das Kindeswohl gefährdende körperliche oder gar sexuelle Übergriffe in Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von vornherein ausgeschlossen werden können (vgl. hierzu auch Art. 34 UN-Kinderrechtskonvention - „Schutz vor sexuellem Missbrauch“). Der von Teilen der Literatur (vgl. etwa Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rn. 18) hinsichtlich dieses Personenkreises zusätzlich für erforderlich gehaltene „jugendhilferechtliche Bedarf“ liegt bereits von Gesetzes wegen vor.

Das nach § 87 SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt muss deshalb, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. Peter, JAmt 2006, 60 [63; 65]), nicht nur Obhut gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gewähren, sondern darüber hinaus auch unverzüglich die Bestellung eines Vormunds veranlassen (§ 42 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Dessen Bestellung lässt die Erforderlichkeit einer In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII nicht entfallen. Ebenso wenig wie eine bereits angeordnete In-Obhutnahme durch eine Vormundbestellung endet (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 13 f.), wird eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII aufgrund der Anordnung einer Amtsvormundschaft entbehrlich. Die Aufgabe des Jugendamtes, gefährdeten Jugendlichen in einer Krisensituation Unterbringung und Betreuung zu gewährleisten, und der mit der In-Obhutnahme verbundene Schutzauftrag sind mit der Bestellung eines Amtsvormunds durch das Familiengericht noch nicht erfüllt; denn die bloße Existenz eines Personensorgeberechtigten, der anderweitige Hilfen beantragen könnte, lässt das Problem des akuten Unterkunfts- und Betreuungsbedarfs ungelöst (vgl. BVerwG, U. v. 12.8.2004 - 5 C 53/03 - juris, Rn. 14).

Da eine In-Obhutnahme Volljähriger rechtswidrig ist, hat das Jugendamt das Alter des Betroffenen festzustellen, ohne insoweit an die Feststellungen anderer Behörden gebunden zu sein (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 - juris, Rn. 9). Eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 33.09 -, JAmt 2010, 46). Eine zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; s. auch Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). Dabei ist außerhalb von Strafverfahren zu beachten, dass keine juristische Legitimation für die Durchführung von Röntgenuntersuchungen vorliegt und insofern nur ein eingeschränktes Methodenspektrum zur Verfügung steht. Allgemein wird deshalb eine körperliche Untersuchung mit Erfassung anthropometrischer Maße, der sexuellen Reifezeichen und möglicher altersrelevanter Entwicklungsstörungen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erhebung des Zahnstatus empfohlen (vgl. OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 14.10.2009 - 6 S 22/09 -, JAmt 2010, 44).

Bestehen ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Alters des Betroffenen, so haben sowohl das Jugendamt (§ 20 SGB X) als auch die Gerichte (§ 86 VwGO) von Amts wegen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Alter des Betroffenen festzustellen (so zutreffend OLG München, B. v. 15.3.2012 - 26 UF 308/12 - juris, Rn. 8 für das Kindschaftsrecht; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6; B. v. 4.3.2013 - 6 S 3.13 u. a. -, juris, Rn. 9; siehe auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548]; Peter, JAmt 2006, 60 [62]; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2010, § 33a Rn. 8). Erst wenn alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft den um Obhutnahme bittenden Minderjährigen die materielle Beweislast für das von ihm behauptete Alter als anspruchsbegründende Tatsache (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.10.2011 - 6 S 51.11 u. a. - juris, Rn. 6).

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine In-Obhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 21 a.E.; DIJuF- Rechtsgutachten vom 9. November 2010 - J 4.300 Sch -, JAmt 2010, 547 [548 f.] m. w. N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auch das Familiengericht die Vormundschaft vorläufig - zur näheren Abklärung des Alters des Betroffenen - angeordnet und zugleich beschlossen hat, zur Feststellung des tatsächlichen Alters des Betroffenen ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch die UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 sieht ausdrücklich vor, dass im Zweifelsfall, also dann, wenn das genaue Alter ungewiss ist, zugunsten des betroffenen Kindes bzw. Jugendlichen entschieden werden soll (UNHCR 1997, 5.11 c).

2. Hiervon ausgehend kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht nicht aufrechterhalten werden. Weder der Vermerk des Jugendamts der Stadt Dortmund vom 7. Januar 2014 noch die Inaugenscheinnahme durch Vertreter des Kreisjugendamts E. und des Teams Asyl der Sozialhilfeverwaltung des Landratsamts genügen den oben genannten Anforderungen. Vor allem lassen sie nicht erkennen, auf welche Merkmale und Kriterien die handelnden Personen ihre Annahme, der Antragsteller sei bereits volljährig, stützen. Der persönliche Eindruck allein kann insoweit nicht genügen. Gleiches hat hinsichtlich der Annahmen der Ausländerhilfe E. e.V. zu gelten. Auch das in den Akten enthaltene Lichtbild des Antragstellers lässt eine rechtlich und tatsächlich tragfähige Beurteilung nicht zu. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers erscheint danach mindestens ebenso wahrscheinlich wie dessen Volljährigkeit. Die klärungsbedürftige Frage, ob der Antragsteller, wie er vorträgt, am 30. Oktober 1997 geboren wurde, infolgedessen noch minderjährig ist und damit dem Anwendungsbereich des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII unterfällt, muss derzeit vielmehr als offen angesehen werden. Dies deckt sich zugleich mit der Einschätzung des Amtsgerichts E. in den Beschlüssen vom 31. Juli und 1. August 2014 („möglicherweise noch minderjährig“) und der Verfügung des Amtsgerichts vom 11. September 2014, in der mitgeteilt wird, dass aufgrund der vorliegenden Gutachten nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass der Antragsteller bereits volljährig sei mit der Folge, dass er als noch Minderjähriger zu behandeln sei. In der Tat kann nach der (abschließenden) Altersdiagnose des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M. vom 1. September 2014 aufgrund einer möglicherweise im Raum stehenden Wachstumsstörung Minderjährigkeit des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden. Das fachradiologische Gutachten vom 13. August 2014 und der zahnärztliche Befund ebenfalls vom 13. August 2014 stehen dem nicht entgegen, da sie die Möglichkeit einer Wachstumsstörung nicht berücksichtigen. Insoweit wird es, wie vom Institut für Rechtsmedizin angeregt, weiterer Aufklärung durch die Fachabteilung für Auxologie des Haunerschen Kinderspitals der LMU M. - entweder noch im familiengerichtlichen Verfahren oder aber spätestens im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht - bedürfen.

In einer solchen Fallkonstellation ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - im Lichte der den Verwaltungsprozess beherrschenden Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Wege einer (reinen) Folgenabwägung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden (vgl. BVerfG, B. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479 [481]; B. v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, NVwZ 2008, 880 [881]; B. v. 25.2.2009 - 1 BvR 120/09 -, NVwZ 2009, 715 f.; BVerwG, B. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94 -, NVwZ1995, 379 [380]; siehe auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 100 f.), die die Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung asylbegehrender unbegleiteter Minderjähriger der Primärzuständigkeit des Jugendamts zu überantworten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII), und den von Verfassungs wegen gebotenen Schutz Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) gleichermaßen entscheidungserheblich in den Blick nimmt.

Vorliegend überwiegen insoweit die persönlichen Interessen des Antragstellers gegenüber möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Sollte sich in dem vom Amtsgericht E. eingeleiteten Altersfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vor dem Verwaltungsgericht herausstellen, dass der Antragsteller - wie von ihm behauptet - tatsächlich minderjährig ist, so ginge er, würde die einstweilige Anordnung nicht erlassen, des durch § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vermittelten Rechtsanspruchs auf In-Obhutnahme und Unterbringung in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einen nicht unerheblichen Zeitraum verlustig. Gleichzeitig bliebe er weiterhin den möglichen Gefahren einer unbegleiteten Unterbringung in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene ausgesetzt, denen der Gesetzgeber mit dem Erlass der in § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII getroffenen Regelung gerade begegnen wollte. Darüber hinaus würde die Einleitung geeigneter Fördermaßnahmen verzögert. Demgegenüber wiegen die finanziellen Nachteile, die der Antragsgegner möglicherweise dadurch erleiden könnte, dass sich im Rahmen des laufenden Feststellungsverfahrens die Volljährigkeit des Antragstellers ergibt und die diesem bis zur Klärung des Alters zuteil gewordene In-Obhutnahme sich im Nachhinein als überflüssig erweist, deutlich geringer.

Damit hat der Antragsteller sowohl den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den hierfür nötigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 u. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, bis zur endgültigen Klärung seines Alters einstweilen in der Asylbewerberunterkunft zu verbleiben, da eine Unterbringung dort und eine solche in einer Jugendhilfeeinrichtung oder in einer Pflegefamilie (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. SGB VIII) nicht annähernd gleichwertig sind (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 [161 ff.]).

Die begehrte einstweilige Anordnung ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - bis zur endgültigen Feststellung des Alters des Antragstellers im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren bzw. bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - zu erlassen. Eine (unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache liegt insoweit nicht inmitten, da die einstweilige Anordnung zeitlich befristet - bis zur endgültigen Klärung des Alters - und damit lediglich vorläufig erfolgt, die Maßnahme der Existenzsicherung dient und dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung im familiengerichtlichen Verfahren bzw. im Hauptsacheverfahren aufgrund des damit (möglicherweise) verbundenen Rechtsverlustes nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 21.1.1999 - 11 VR 8/98 -, NVwZ 1999, 650; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 123 Rn. 104 f.).

3. Zugleich ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Klageverfahren unter Anwaltsbeiordnung zu bewilligen (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO), da die weitere Klärung von einer (weiteren) Beweiserhebung abhängt und nach derzeitiger Sachlage hinreichende Aussichten auf Erfolg nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2014 - 12 C 14.380 - juris, Rn.10 m. w. N.).

4. Die Kostenentscheidung im Eilverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe ist nicht erforderlich, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO) und Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.