Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. März 2018 - 11 CS 18.300

bei uns veröffentlicht am09.03.2018
vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, AN 10 S 17.2213, 05.01.2018

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Januar 2018, mit dem das Verwaltungsgericht zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2017 aus formellen Gründen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) aufgehoben (Nr. 1 des Beschlusstenors), den Antrag aber im Übrigen abgelehnt (Nr. 2 des Beschlusstenors) und den Antragsteller zur Tragung von einem Drittel der Kosten verpflichtet hat (Nr. 3 des Beschlusstenors).

Der Antragsteller macht geltend, der Bescheid vom 13. Oktober 2017, mit dem ihm die Antragsgegnerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis entzogen und ihn zur Abgabe des Führerscheins verpflichtet hat, sei rechtswidrig, da zum damaligen Zeitpunkt keine gesicherte Diagnose einer psychischen Störung vorgelegen habe. Er sei auch nicht psychisch krank. Dies bestätige die beigefügte sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid daher wiederherzustellen und die Kosten des Verfahrens müssten der Antragsgegnerin auferlegt werden.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und macht geltend, sie habe den Sofortvollzug mit Bescheid vom 17. Januar 2018 erneut angeordnet. Ein weiterer Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da für den Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis daran besteht, Nummer 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts anzugreifen und einer Beschwerde gegen Nummer 3 des Beschlusses § 158 Abs. 1 VwGO entgegensteht.

1. Der Senat legt die Beschwerde dahin aus, dass sie sich nicht gegen Nummer 1 des Beschlusses des Verwaltungsgericht richtet, da die Anordnung des Sofortvollzugs damit aufgehoben worden und der Antragsteller durch diese Regelung nicht beschwert ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.1996 – 14 CS 95.3873 – BayVBl 1996, 633). Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung kann die Sofortvollzugsanordnung auch nur aufgehoben werden, wenn sie formell rechtswidrig ist, obgleich dies in der Verwaltungsgerichtsordnung so nicht vorgesehen ist (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 9; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 93; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 117; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 148; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 80 Rn. 442).

2. Die Beschwerde gegen Nummer 2 des Beschlusses ist unzulässig, da der Antragsteller auch durch die teilweise Antragsablehnung nicht beschwert ist. Der Senat geht davon aus, dass bei einer Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung wegen formeller Mängel ein auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteter Antrag nicht weiter reicht und deshalb eine Antragsablehnung „im Übrigen“ nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 15; B.v. 6.11.2014 – 10 CS 14.1796 – juris Rn. 8; OVG Münster, B.v. 16.9.2016 – 1 B 379/16 – BeckRS 2016, 52138; VG Augsburg, B.v. 10.6.2016 – Au 3 S 15.1291 – juris Rn. 10; VG Greifswald, B.v. 11.8.2017 – 2 B 1456/17 HGW – juris; a.A. BayVGH, B.v. 15.5.1985 – 12 CS 84 A.2718 – NVwZ 1985, 663; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 80 Rn. 117).

Gleichwohl ist der Antragsteller durch eine solche (Teil-)Ablehnung materiell nicht beschwert, da auch eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung keine weitergehende Bindung der Behörde zur Folge hätte und für einen weitergehenden Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde (Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 80 Rn. 117 m. Hinweis auf OVG NW, B.v. 22.6.2006 – 18 B 979/06 – juris; BayVGH, B.v. 12.3.1996 – 14 CS 95.3873 – NVwZ-RR 1997, 445). Wird eine (Teil-)Ablehnung für zulässig angesehen, ist jedenfalls eine Kostenregelung nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu treffen (vgl. Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O.§ 80 Rn. 117).

Es bedarf auch zur Klarstellung keiner Aufhebung der Antragsablehnung „im Übrigen“ (so aber OVG NW, B.v. 22.6.2006 – 18 B 979/06 – juris). Die Klage des Antragstellers hatte aufgrund § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung, bis diese durch die erneute Anordnung des Sofortvollzugs durch die Antragsgegnerin wieder entfallen ist. Dem Antragsteller steht gegen die neue Sofortvollzugsanordnung die Möglichkeit eines weiteren Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO offen, den er nach Angaben der Antragsgegnerin schon gestellt hat und über den das Verwaltungsgericht erneut zu entscheiden hat, denn die materiellen Ausführungen zur Frage der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im hier angefochtenen Beschluss machen eine solche Entscheidung nicht entbehrlich, stehen ihr aber auch nicht entgegen.

3. Eine Beschwerde gegen Nummer 3 des Beschlusses ist wegen § 158 Abs. 1 VwGO unzulässig. Nach § 158 Abs. 1 VwGO ist die isolierte Anfechtung einer gerichtlichen Kostenentscheidung unzulässig, da das Rechtsmittelgericht nicht allein wegen der getroffenen Kostenentscheidung zu einer Sachprüfung veranlasst werden soll (vgl. Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a. a.a.O. § 158 Rn. 2). Dies gilt auch dann, wenn die Anfechtung der Hauptsacheentscheidung unzulässig ist, weil der Betroffene davon nicht beschwert ist (vgl. OVG Berlin-Bbg 16.10.2015, B.v. 16.10.2015 – OVG 11 S 69.15 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 14.6.1999 – 4 B 18.99 – NVwZ-RR 1999, 692; B.v. 19.11.2002 – 7 B 104.02 – juris Rn. 3; Rennert in Eyermann, VwGO, § 158 Rn. 4; zu der entsprechenden Vorschrift des § 99 Abs. 1 ZPO: BGH, B.v. 15.5.2012 – VI ZB 27/11 – NJW-RR 2013, 179; B.v. 3.9.2013 – VIII ZB 17/12 – juris Rn. 7).

Ein solcher Fall liegt hier vor, da das Verwaltungsgericht zwar – insoweit nicht korrekt – den Antrag im Übrigen abgelehnt hat, der Antragsteller davon aber nicht beschwert ist (s.o. Nr. 2).

4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, Anhang zu § 164 Rn. 14).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juni 2014 wird in den Nrn. I. und II. aufgehoben.

II.

Die Nr. 2. des Bescheids des Landratsamts Dachau vom 21. Februar 2014 wird aufgehoben.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamtes D. vom 21. Februar 2014 verfügten Ausweisung des Antragstellers (Nr. 2. des Bescheids).

Unter Zugrundelegung des Prüfungsrahmens des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis als unzutreffend. Ungeachtet der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ausgegangen ist, ist der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne Weiteres begründet und die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 21. Februar 2014 in Nr. 2 dieses Bescheids bereits deshalb aufzuheben, weil der Antragsgegner den Sofortvollzug nicht entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet hat (zu dieser Entscheidungsform bei formellen Mängeln der Vollziehbarkeitsanordnung vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 93 m. Rspr.nachweisen).

In der Beschwerdebegründung vom 11. September 2014 wird vom Antragsteller zu Recht geltend gemacht, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B. v. 25.1.1996 - 2 BvR 2718/95 - juris Rn. 19). Dieses muss bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommen. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist nämlich auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, B. v. 18.9.2001 -1 DB 26/01 - juris Rn. 6). Pauschale, formelhafte Formulierungen genügen diesen Anforderungen grundsätzlich nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 85). Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid werden diesen Vorgaben letztlich nicht gerecht.

In der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs geht der Antragsgegner davon aus, dass der Antragsteller unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft erneut Straftaten begehen werde. Das Haftende könne vor dem regulären Ende im Dezember 2015 und damit womöglich vor Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Ausweisungsverfahren liegen. Es sei deshalb erforderlich, die Ausweisung des Antragstellers bereits jetzt zu vollziehen.

Diese Ausführungen sind lediglich allgemeiner Natur und wiederholen im Wesentlichen die mit der Ausweisung selbst angenommene grundsätzliche Wiederholungsgefahr, die vom Antragsteller nach Auffassung des Antragsgegners ausgeht. Es fehlt aber eine auf den Einzelfall des Antragstellers bezogene und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade in seinem Fall die sofortige Vollziehung ausnahmsweise angeordnet werden müsse. Dabei geht der Antragsgegner zudem von falschen Voraussetzungen aus, wenn im angefochtenen Bescheid von einer möglichen Haftentlassung die Rede ist. Denn der Antragsteller befindet sich längst nicht mehr in Strafhaft, sondern seit Januar 2014 in stationär-psychiatrischer Behandlung in einer Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, in der er nicht nur eine Drogentherapie durchläuft, sondern ausweislich der Aussage seiner Therapeutin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 26. Juni 2014 auch seine Persönlichkeitsstörung mit guten Fortschritten behandelt wird. Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Deshalb fehlt es bereits an dem erforderlichen formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war demzufolge aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Die unter dem 26. Januar 2016 durch den Betrieb HR Business Services der Deutschen Telekom AG vorgenommene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 10. November 2015 wird aufgehoben.

Bezogen auf den erstinstanzlichen Antrag zu 2. wird festgestellt, dass die vom Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Aachen anhängig gemachte Anfechtungsklage mit dem Aktenzeichen 1 K 2352/15 auch insoweit aufschiebende Wirkung hat, als sie sich gegen den im Bescheid vom 10. November 2015 enthaltenen Widerruf der Beurlaubung wendet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird unter entsprechender Abänderung der Festsetzung für das Verfahren erster Instanz durch das Verwaltungsgericht für beide Instanzen auf jeweils 29.180,04 Euro festgesetzt.


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Tenor

I.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung für den Betrieb der Linie 790 (Nr. 4 des Widerspruchsbescheids der Regierung von ... vom 4.3.2015) und der Aufhebung der dem Antragsteller erteilten Genehmigung für den Betrieb der Linie III (Nr. 2 des Widerspruchsbescheids) wird aufgehoben.

II.

Die Kosten der Verfahren tragen der Antragsgegner und der Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und der Beigeladene betreiben jeweils ein Busunternehmen und haben sich jeweils um den Betrieb einer Buslinie bei im Wesentlichen gleicher Linienführung beworben.

Mit Bescheiden vom 17. März 2014 traf die Regierung von ... die Auswahlentscheidung nach § 13 Abs. 2b PBefG zugunsten des Antragstellers. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 gab sie dem Widerspruch des Beigeladenen statt, indem sie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die dem Antragsteller erteilte Linienverkehrsgenehmigung aufhob und stattdessen dem Beigeladenen die beantragte Linienverkehrsgenehmigung erteilte.

Hiergegen hat der Antragsteller Anfechtungsklage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

II.

Die beiden auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Anträge haben Erfolg, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den formellen Begründungsanforderungen genügt.

1. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen steht der Zulässigkeit der gestellten Anträge nicht entgegen, dass der Antrag des Antragstellers vom 19. Juli 2014 auf Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis zur Durchführung eines Linienverkehrs gemäß § 20 PBefG auf der Linie III mit bestandskräftig gewordenem Bescheid der Regierung von... vom 30. September 2014 abgelehnt worden ist, während dem Beigeladenen eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist. Diese Erlaubnis wurde mit dem Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 4. März 2015 widerrufen (Nr. 9). Ansonsten wäre sie gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 PBefG nach sechs Monaten am 31. März 2015 erloschen. Schon deshalb kann weder sie noch der ablehnende Bescheid vom 30. September 2014 aktuell eine Sperrwirkung entfalten. Abgesehen davon lässt § 20 PBefG die allgemeinen Regelungen für den einstweiligen Rechtsschutz nach den §§ 80, 80a und 123 VwGO hinsichtlich der regulären Genehmigung unberührt (vgl. Heinze/Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl. 2014, § 20 Rn. 32 ff.).

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel, dass der Antragsgegner dem Antragsteller eine Genehmigung für den Betrieb der Linie III erteilt, ist nach der Umdeutung in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Aufhebung der dem Antragsteller erteilten Linienverkehrsgenehmigung wiederherzustellen bzw. die diesbezügliche Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, statthaft.

Aus § 123 Abs. 5 VwGO ergibt sich der Vorrang eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, soweit es um vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Vollstreckbarkeit eines Verwaltungsakts geht. Dabei ist anerkannt, dass es auf die Fassung des gestellten Antrags nicht ankommt (§ 88 VwGO analog). Das Gericht muss einen unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Antrag in einen Antrag nach § 123 VwGO umdeuten, wenn der Sache nach nur ein solcher in Betracht kommt, sowie umgekehrt (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 123 Rn. 4).

Im vorliegenden Fall wurde die Aufhebung der dem Antragsteller erteilten Genehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt. Stellt das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers wieder her oder hebt es die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, so hat der Antragsteller sein erkennbares Rechtsschutzziel erreicht, weil er dann im Besitz einer vollziehbaren Linienverkehrsgenehmigung ist. Mit dem Erlass des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2015 hat sich der Widerspruch des Beigeladenen erledigt, so dass es an einem Rechtsbehelf gegen die dem Antragsteller erteilte Genehmigung fehlt, der gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung haben könnte (vgl. OVG NRW, B.v. 20.2.1987 - 13 B 194/87 - NVwZ-RR 1988, 126). Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wird auch durch die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den den Beigeladenen begünstigenden Widerspruchsbescheid nicht wieder ausgelöst (vgl. OVG NRW a. a. O.).

Die gegenteilige Auffassung, wonach ein Widerspruchsbescheid abweichend von den allgemein für Verwaltungsakte geltenden Bestimmungen (vgl. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG) nicht schon mit seiner Bekanntgabe, sondern erst mit seiner Unanfechtbarkeit seine Wirkung entfaltet, überzeugt nicht (so aber BayVGH, B.v. 28.9.2001 - 1 CS 01.1205 - juris). Sie ist kaum mit § 79 Abs. 1 VwGO in Einklang zu bringen, wonach Gegenstand der Anfechtungsklage entweder der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheids oder der eine erstmalige Beschwer enthaltende Widerspruchsbescheid (oder Abhilfebescheid) ist. Konsequenterweise wäre dann auch eine in einem Widerspruchsbescheid getroffene begünstigende Regelung (wie hier die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung) zunächst unwirksam, so dass eine diesbezügliche Anordnung des Sofortvollzugs ins Leere gehen würde. Dies würde die Handlungsmöglichkeiten der Widerspruchsbehörde sachwidrig einschränken. Soweit ersichtlich ist die genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch vereinzelt geblieben. Hinsichtlich der Frage, wann sich ein Widerspruch erledigt und damit die von ihm ausgelöste aufschiebende Wirkung endet, hat § 80b VwGO keine Regelung getroffen (a. A. OVG NRW, B.v. 26.6.2008 - 13 B 345/08 - juris). Mit dieser Bestimmung sollte die Dauer der aufschiebenden Wirkung nicht verlängert, sondern - um rechtsmissbräuchlichen Rechtsbehelfen entgegenzuwirken - verkürzt werden.

3. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO führen zur beantragten Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil sie nicht den formellen Begründungsanforderungen genügt.

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist auch Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (sog. Warnfunktion). Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb verletzt, wenn die Anordnung überhaupt keine Begründung enthält (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.1974 - 1 BvR 75/74 - BVerfGE 38, 52/58 f.). Der Bedeutung der Begründungspflicht ist aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, 1. Disziplinarsenat, B.v. 18.9.2001 - 1 DB 26.01 - juris). Dem wird die hier vorliegende Begründung nicht gerecht.

Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der dem Antragsteller erteilten Genehmigung enthält die in dem Widerspruchsbescheid vom 4. März 2015 unter II.4 gegebene Begründung keine Ausführungen. Die Begründung bezieht sich allein auf das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung. Dieses bestehe darin, dass der Beigeladene sofort von der erteilten Genehmigung Gebrauch machen und den Verkehr auf der genannten Linie, die wichtige Beförderungs- und Erschließungsfunktionen von/nach ... wahrnehme, weiterhin betreiben könne. Eine anderweite adäquate Verkehrsverbindung liege nicht vor. Insbesondere in der Schülerbeförderung sei eine reibungslose und tägliche Beförderung zwingend notwendig. Diese Begründung blendet die dem Antragsteller erteilte Genehmigung aus und legt nicht dar, warum ein besonderes öffentliches Interesse gerade daran besteht, dass die Linie vorläufig vom Beigeladenen und nicht vom Antragsteller betrieben wird. Sie wird damit insgesamt dem vorliegenden Einzelfall nicht gerecht, der gerade dadurch gekennzeichnet ist, dass zwei für den Betrieb der Linie geeignete Busunternehmen vorhanden sind.

Die Kosten der Verfahren sind zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen zu gleichen Teilen aufzuteilen. Den Antragsgegner trifft die Kostentragungspflicht, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Da die von dem Beigeladenen gestellten Anträge auf Antragsabweisung erfolglos geblieben sind, entspricht es der Billigkeit, ihn wie geschehen an den Verfahrenskosten zu beteiligen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.5 und 47.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ Heft 23/2013 Beilage 2).

Tenor

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 15. Mai 2017 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

2. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um den Sofortvollzug einer tierschutzrechtlichen Untersagungsverfügung.

2

Der Antragsteller betreibt nach eigenen Angaben bereits seit dem Jahr 2002 eine verhaltensbiologische Hundeschule. Nach Aufforderung des Antragsgegners beantragte er die nach § 21 Abs. 4 b Tierschutzgesetz [TierSchG] seit dem 01. August 2014 erforderliche tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 f TierSchG für die gewerbsmäßige Ausbildung von Hunden für Dritte und die gewerbsmäßige Anleitung der Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter. Der Antragsgegner führte ein Verfahren zur Prüfung der Sachkunde des Antragstellers durch. Der Aufforderung zur Vereinbarung eines Termins zur Wiederholung des als nicht bestanden gewerteten praktischen Teils einer durch den Antragsgegner durchgeführten Sachkundeprüfung kam der Antragsteller nicht nach und legte auch den durch den Antragsgegner geforderten Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht vor.

3

Mit der hier streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 15. Mai 2017 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller die gewerbsmäßige Ausbildung von Hunden für Dritte und die gewerbsmäßige Anleitung der Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter (Ziffer 1) und ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagung an (Ziffer 2).

4

In der Begründung der unter Ziffer 1 erfolgten Untersagung ist ausgeführt, dass der Antragsteller die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 f TierSchG erforderliche Erlaubnis für das gewerbsmäßige Ausbilden von Hunden für Dritte und die Anleitung der Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter nicht besitze. Der Antragsteller habe das Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen bisher nicht bzw. nicht zweifelsfrei nachgewiesen, was näher ausgeführt wird. Nach § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG solle die zuständige Behörde demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht habe. Es sei nicht mit der Erteilung einer Erlaubnis zu rechnen, da der Antragsteller offenbar nicht die Voraussetzungen erfülle.

5

Die Begründung zu der mit Ziffer 2 der Ordnungsverfügung angeordneten sofortigen Vollziehung lautet wie folgt:

6

„… Es besteht ein grundsätzliches Interesse daran, dass die Bestimmungen des TierSchG eingehalten werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie sich über diese Bestimmungen hinwegsetzen und ihre Hundeschule ohne die erforderliche Erlaubnis betreiben. Die Erlaubnispflicht soll aus tierschutzrechtlichen Gründen sicherstellen, dass bei diesen Unternehmen die dafür erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit gegeben sind. Ob diese Voraussetzungen von ihnen überhaupt erfüllt werden, konnte bisher nicht überprüft werden. Es gilt, mögliche Verstöße gegen den Tierschutz zu verhüten. Dadurch, dass der Tierschutz gemäß Artikel 20a Grundgesetz ein Staatsziel darstellt, war für die Anordnung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse über das persönliche bzw. geschäftliches Interesse zu stellen.“

7

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 09. Juni 2017 legte der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügung vom 15. Mai 2017 Widerspruch ein. Mit am 03. Juli 2017 eingegangenen Schriftsatz vom 22. Juni 2017 hat der Antragsteller den hier zu entscheidenden gerichtlichen Eilrechtsschutzantrag gestellt, mit dem er beantragt,

8
I. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13. Juni 2017 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2017 (Az.. 34.03.02 34.10-TSV-74-2017) wiederherzustellen und
9
II. die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 15. Mai 2017 aufzuheben.
10

Den Antrag des Antragstellers auf Erteilung der Erlaubnis hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 08. Juni 2017 abgelehnt. Der Antragsteller hat sich mit einem am 13.06.2017 beim Antragsgegner eingegangenen Schreiben vom 12.06.2017 an den Antragsgegner gewandt und damit geltend gemacht, dass er von der praktischen Prüfung zu befreien sei; seine Sachkunde sei durch seine Berufserfahrung und Qualifikationen nachgewiesen.

II.

11

Der zulässige Antrag ist begründet; er hat bereits mit dem auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung gerichteten Begehren Erfolg.

12

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die aufschiebende Wirkung entfällt, weil die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Das Verwaltungsgericht hebt in einem solchen Eilrechtsschutzverfahren die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, wenn sie nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht. Dadurch lebt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder auf (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., 2017, Rz. 1031 ff., 1038; BVerwG, Beschl. v. 18.09.2001 – 1 DB 26/01 – Juris Rn. 9; a. A.: Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, § 80, Rz. 154; offen gelassen durch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl v. 08.07.2009 – 3 M 84/09 – Juris Rn. 25).

13

Für die mit der Ordnungsverfügung erfolgte Anordnung des Sofortvollzugs ist das Begründungserfordernis nicht erfüllt. Die Anordnung erweist sich damit als formell rechtswidrig.

14

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO - wenn also die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat - das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nur dann nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft (§ 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

15

Die Voraussetzungen der Entbehrlichkeit einer besonderen Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO sind vorliegend nicht gegeben. Es liegen weder die Voraussetzungen einer Notstandsmaßnahme in diesem Sinne vor noch ist die Untersagung durch den Antragsgegner als von ihm solche zu bezeichnen gewesene Notstandsmaßnahme getroffen worden.

16

Dem danach bestehenden Erfordernis einer schriftlichen Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Zu bedenken ist, dass die Begründungspflicht Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG] folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt ist. Der Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt eine "Warn- bzw. Signalfunktion" zu; sie soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Denn der Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 VwGO ist der Grundsatz; er ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Haben weder Bundes- noch Landesgesetzgeber eine gesetzliche Regelung getroffen, derzufolge die aufschiebende Wirkung entfällt, kommt darin eine gesetzliche Wertung zum Ausdruck, wonach Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben sollen und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Ausnahme bleiben muss. Zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO bedarf es vor diesem Hintergrund einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Es ist dabei das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu benennen, also ein solches, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt bereits im Sinne eines allgemeinen öffentlichen Interesses am Gesetzesvollzug rechtfertigt. Abstrakte Erwägungen sind deshalb regelmäßig unzureichend; erforderlich ist grundsätzlich die Benennung konkreter Umstände des Einzelfalles, auf die sich die Erwägungen beziehen können (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.08.2005 – 1 M 74/05 – Juris Rn. 9 ff. m.w.Nw.; BVerwG, Beschl. v. 18.09.2001 – 1 DB 26/01 – Juris Rn. 6).

17

Bei der Bewertung, ob eine Begründung der behördlichen Vollziehungsanordnung diesen Anforderungen genügt, ist diese nicht losgelöst von der Begründung des Bescheides, sondern im Zusammenhang mit ihr zu betrachten. Das besondere öffentliche Interesse kann durch das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse - bis hin zur Identität - vorgeprägt sein. Weisen beispielsweise die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht auf, dass sie gleichzeitig das besondere Vollzugsinteresse einschließen bzw. mit diesem deckungsgleich sind, kann eine solche Identität angenommen werden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 10.08.2005 a.a.O. Rn. 11).

18

Die Ausführungen des Antragsgegners in seiner Ordnungsverfügung vom 15. Mai 2017 genügen dem Erfordernis einer einzelfallbezogenen Begründung des Sofortvollzugs nicht.

19

Das in der Ordnungsverfügung in der Begründung zu 2. angeführte öffentliche Interesse an der Einhaltung des tierschutzrechtlichen Erlaubniserfordernisses kennzeichnet bereits das allgemeine öffentliche Interesse, welches der mit § 11 Abs. 5 Satz 6 TierSchG erfolgten gesetzlichen Regelung eines Untersagungstatbestandes zugrunde liegt. Die durch den Antragsgegner als Grund des Sofortvollzugs damit inhaltlich geltend gemachte formelle Illegalität der Tätigkeitsausübung ist Tatbestandsvoraussetzung für die Untersagungsverfügung. Auch soweit in der Begründung weiterhin ausgeführt ist, dass es gelte, mögliche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu verhüten, sind damit nicht konkrete Anhaltspunkte dafür angesprochen, dass der Antragsteller bei seiner Tätigkeit zukünftig materiell-rechtliche Vorschriften des Tierschutzes missachten könnte, sondern bezieht sich dies ersichtlich allein auf die vorangestellten Ausführungen zur Erlaubnispflicht. Dem lassen sich keine einzelfallbezogene Erwägungen entnehmen.

20

Solche sind auch unter Einbeziehung der Gründe der Untersagungsverfügung nicht erkennbar. Diese weisen hingegen Besonderheiten auf, die einer Identität des allgemeinen öffentlichen Interesses an einer Untersagung mit dem zu begründenden besonderen Interesse an einem Sofortvollzug entgegenstehen. Soweit von der Rechtsprechung in anderen Rechtsgebieten für den Sofortvollzug von Untersagungsverfügungen für die einzelfallbezogene Begründung des Sofortvollzugs die Darlegung des Interesses an der Unterbindung der illegalen Nutzung für ausreichend gehalten wird (vgl. für die baurechtliche Nutzungsuntersagung OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 06.01.2016 – 3 M 340/15 – Juris Rn. 6), ist dies jedenfalls nicht auf die Fälle übertragbar, in denen besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, ohne deren Berücksichtigung die Begründung des Sofortvollzugs sich nicht als konkret, substantiiert und schlüssig erweist (vgl. OVG Mecklenburg- Vorpommern, Beschl. v. 10.08.2005 a.a.O. Rn. 20 ff. – zur naturschutzrechtlichen Nutzungsuntersagung).

21

Im vorliegenden Einzelfall ergeben sich aus dem der Untersagungsverfügung zugrunde liegenden Sachverhalt solche Gründe, die eine einen Sofortvollzug erfordernde besondere Dringlichkeit und Gewichtigkeit nicht ohne konkrete Begründung annehmen lassen.

22

So ist dem Antragsgegner zum einen bereits seit August 2014 bekannt, dass der Antragsteller seine Hundeschule ohne die erforderliche tierschutzrechtliche Erlaubnis betreibt, ohne dass der Antragsgegner dies bisher zum Anlass des Erlasses einer Untersagungsverfügung genommen hätte. Wieso der Vollzug der erst mit Ordnungsverfügung vom 15. Mai 2017 verfügten Untersagung nunmehr trotzdem so dringlich sei, dass für dessen Vollziehbarkeit der Ausgang eines Widerspruchs- und ggf. sich anschließenden Klageverfahrens entgegen der gesetzlichen Wertung des § 80 Abs. 1 VwGO nicht mehr abgewartet werden könne, hätte einer gesonderten einzelfallbezogenen Begründung des Antragsgegners bedurft.

23

Gleiches gilt zum anderen für den Umstand, dass der Antragsteller seine Hundeschule nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bereits vor der gesetzlichen Einführung der tierschutzrechtlichen Erlaubnispflicht für gewerbliche Tätigkeiten gegründet hat und seitdem führt. Der damit erforderlichen Berücksichtigung der mit einem Sofortvollzug der Untersagung der gewerblichen Tätigkeit ggf. später nicht mehr rückgängig zu machenden Folgen für den tierschutzrechtlich erlaubt gegründeten Gewerbebetrieb genügt die in dem Bescheid des Antragsgegners ohne einzelfallbezogene Erwägungen erfolgte formelhafte Ausführung, wonach für die Anordnung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse über das persönliche bzw. geschäftliche Interesse des Antragstellers zu stellen sei, nicht.

24

War damit die Anordnung des Sofortvollzugs wegen ihrer formellen Rechtswidrigkeit aufzuheben, so bedurfte es im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren keiner weiteren gerichtlichen Entscheidung mehr. Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Antragsteller vorliegend neben der Aufhebung der Anordnung auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt hat. Wird auf einen Antrag, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherzustellen, (nur) die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben, so deckt die Entscheidung gleichwohl den Streitgegenstand des Eilverfahrens vollständig ab (VGH München, Beschl. v. 12.03.1996 – 14 CS 95.3873 – NVwZ-RR 1997, 445 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 28.08.2006 – 2 Bs 80/06 – Juris Rn. 13; a.A. Külpmann a.a.O. Rn. 1039). Durch die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist dem Begehren des Antragstellers auf Eilrechtsschutz gegen die Vollziehbarkeit entsprochen. Zwar hindert der gerichtliche Beschluss über die Aufhebung der Vollziehungsanordnung die Behörde nicht, die sofortige Vollziehung mit neuer oder ergänzter Begründung erneut anzuordnen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.09.2001 a.a.O. Rn. 9). Dem Antragsteller steht in diesem Fall indes erneut die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Verfügung.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO.

26

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz [GKG] i.V.m. § 53 Abs. 2 GKG. Sie legt in Anlehnung an Ziffer 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Gewerbeerlaubnis) dem Vorschlag des Antragstellers entsprechend einen Streitwert in Höhe von 15.000,00 Euro für das Hauptsacheverfahren zugrunde, der für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren zu halbieren war.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.

(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 27/11
vom
15. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Weist der Rechtsanwalt eine Kanzleikraft mündlich an, die von ihm errechnete
Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist zu notieren, ist durch geeignete organisatorische
Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Eintragung nicht in Vergessenheit
gerät. Dazu ist konkret vorzutragen.

b) Ist eine Rechtsbeschwerde zur Hauptsache unzulässig, weil die Voraussetzungen
des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, sind auch Angriffe gegen die Kostenentscheidung
des angegriffenen Beschlusses unzulässig.
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - VI ZB 27/11 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner und Stöhr, und die Richterin
von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 1.837,52 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage teilweise abgewiesen.
2
Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. November 2010 zugestellt. Diese legte gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2010 (Montag), der am selben Tag vorab per Telefax beim Berufungsgericht einging, Berufung ein. Mit einem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Klägerin, das Urteil im Tenor zu berichtigen. Mit Verfügung vom 7. Januar 2011 wies der Senatsvorsitzende auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hin. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2011, der taggleich per Telefax übermittelt wurde, beantragte die Klägervertreterin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig hat sie die Berufung begründet und beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts dahingehend abzuändern, dass die Beklagten verurteilt werden, an die Klägerin weitere 1.837,52 € nebst weiteren 61,88 €, jeweils nebst Zinsen zu zahlen.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber unzulässig. Weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch der der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) liegen vor.
5
1. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet:
6
Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei durch ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin versäumt worden; dieses sei der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
7
Im Zusammenhang mit der erforderlichen Fristenkontrolle komme Wiedereinsetzung nur in Betracht, wenn Fehler allein auf das Verhalten Dritter, insbesondere des Büropersonals, zurückzuführen seien. Fehlerquellen müssten beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst ausgeschlossen sein. Betreffe die mündliche Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, müssten in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Fristeintragung unterbleibe. Insoweit müsse die unverzügliche Ausführung der Weisung verlangt werden. Sehe der Rechtsanwalt davon ab, gereiche ihm zum Verschulden, dass er keine Vorkehrungen dagegen getroffen habe, die Ausführung seiner Anweisung sicherzustellen oder zu kontrollieren.
8
Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht dargetan. Dass gemäß allgemeiner Büroanweisung in der Kanzlei der Klägervertreterin die von dem Rechtsanwalt errechnete Berufungsbegründungsfrist umgehend mit einer entsprechenden Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender einzutragen sei, genüge bei einer mündlich erteilten Einzelanweisung nicht. Vielmehr sei, wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteile, zusätzlich die klare und präzise Anweisung erforderlich, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht in Vergessenheit geraten könne. Wenn weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht sei, dass die Organisation der Fristenkontrolle diesen Anforderungen genügt habe, sei ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen.
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2. Diese Ausführungen betreffen weder noch nicht vom Bundesgerichtshof entschiedene Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, noch lassen sie Rechtsfehler erkennen, die die Rechtsbeschwerde als zulässig i.S. des § 574 Abs. 2 ZPO erscheinen lassen könnten.
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a) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, grundsätzlich dürfe ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine konkrete Einzelanweisung befolge. Mit dieser Begründung kann indes ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht verneint werden.
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Zwar kommt es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn der Rechtsanwalt von ihnen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, wobei der Rechtsanwalt im allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. In einem solchen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird. Jedoch kann eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten , die bestimmt sind, der Fristversäumnis entgegenzuwirken, dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, VersR 2003, 1462; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, VersR 2005, 94, 95; vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.; vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 7; vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 13; jeweils mwN).
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Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.).
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Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass nach dem Vortrag der Klägerin zu ihrem Wiedereinsetzungsgesuch, dessen Richtigkeit die Prozessbevollmächtigte anwaltlich versichert und durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten weiter glaubhaft gemacht hat, nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorgehen der Anwältin im vorliegenden Fall diesen Anforderungen genügt hat. In dem Wiedereinsetzungsgesuch heißt es u.a.:
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"… So wie geschildert wurde auch die Berufungsfrist eingetragen und sodann vorgelegt, bearbeitet und letztendlich am 06.12.2010 erledigt. Weiterhin dem üblichen Ablauf folgend hatte die Unterzeichnerin mit der Erstellung der Berufungsschrift die Berufungsbegründungsfrist korrekt auf den 05.01.2011 be- rechnet und die an diesem Montag tätige Frau … angewiesen, diese Frist zu notieren. Darüber hinaus erfolgte die Einzelanweisung durch die Unterzeichnerin , die sonst übliche Vorfrist von einer Woche nicht auf den 29.12.2010 einzutragen , sondern bereits auf den 20.12.2010, um hier vor dem Weihnachtsurlaub der Unterzeichnerin, welcher vom 23. bis 31.12.2010 dauerte, beim Landgericht Heilbronn wegen des Sachstandes der beantragten Urteilsberichtigung nachzufragen. Entgegen der Einzelanweisung trug Frau … jedoch weder die Beru- fungsbegründungsfrist … noch die Vorfrist … in den Fristenkalender ein. …"
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Dem ist nicht zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihrer Kanzleikraft mündlich die umgehende Erledigung aufgetragen hat, und auch nicht, welche organisatorischen Absicherungen dagegen bestanden, dass die Anweisung in Vergessenheit geriet.
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b) Die Rechtsbeschwerde meint, es habe ausgereicht, dass in der Praxis der Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestanden habe, Berufungsbegründungsfristen mit einer entsprechenden Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender einzutragen. Damit wird indes für den vorliegenden Fall ein fehlendes Verschulden nicht dargelegt.
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Insoweit beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg auf den Senatsbeschluss vom 4. November 2003 (VI ZB 50/03, aaO, unter II. 2. C) a.E.). In jener Entscheidung hat der Senat ausgeführt, wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt werde, dann bedeute das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (aaO, unter II. 2. A) bb) a.E.). Die von der Rechtsbeschwerde zitierte Textstelle besagt - in Abgrenzung zu der zuvor erörterten Fragestellung in anderen Entscheidungen - lediglich, dass es hinsichtlich der Eintragung von Rechtsmittelfristen allgemeiner Anweisungen bedarf. Dass auch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein müssen, dass eine mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt, ist schon zuvor ausgeführt (aaO).
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Dem Vorbringen der Klägerin ist insoweit nur zu entnehmen, dass ihre Prozessbevollmächtigte die Kanzleiangestellte mündlich anwies, die von ihr errechnete Frist einzutragen verbunden mit der Anweisung, die Vorfrist bereits auf den 20. Dezember 2010 zu notieren. Dass eine umgehende Erledigung verlangt worden sei, wird nicht behauptet. Inwieweit die allgemeine Anweisung, Fristen umgehend einzutragen, für den Fall mündlicher Einzelanweisungen das "gebotene Mittel" gegen das Vergessen sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal nichts zur (vorgesehenen) Behandlung der Handakte und zur Kontrolle der Eintragung im vorliegenden Fall und in ähnlichen Fällen vorgetragen ist.
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c) Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits deshalb ein Verschulden trifft, weil bereits im Rahmen der Bearbeitung der Handakte für die Berufungseinlegung Maßnahmen zur Eintragung der Berufungsbegründungsfrist und deren Kontrolle hätten ergriffen werden müssen.
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3. Soweit die Rechtsbeschwerde die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses beanstandet, ist das Rechtsmittel ebenfalls unzulässig. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung einer Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Das Rechtsmittel zur Hauptsache, das die zugehörige Kostenentscheidung mit umfasst, muss zulässig eingelegt sein (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 99 Rn. 5; Schneider in Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO, 3. Aufl., § 99 Rn. 2; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 99 Rn. 4). Daran fehlt es hier, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen (oben 2) ergibt.
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Darauf, ob und inwieweites nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gerechtfertigt ist, im Falle einer Anschlussberufung bei der Verwerfung der Berufung als unzulässig dem Kläger die vollen Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach dem Streitwert aus Berufung und Anschlussberufung aufzuerlegen, kommt es danach nicht an, selbst wenn - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses in Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen stehen sollte. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 29.10.2010 - 2 O 119/10 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.03.2011 - 5 U 192/10 -
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Keiner dieser Ausnahmetatbestände ist hier indessen gegeben. Die Rechtsbeschwerde macht zu Unrecht geltend, die Drittwiderbeklagte sei infolge der Abtretung hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung nicht Partei des Rechtsstreits gewesen. Sie war zwar nicht unmittelbar an der allein vom Kläger erhobenen Zahlungs- und Feststellungsklage beteiligt. Die zu ihren Lasten getroffene Kostengrundentscheidung nach § 96 ZPO betrifft sie jedoch als Partei des durch Erhebung der Drittwiderklage begründeten weiteren Prozessrechtsverhältnisses. Da in diesem Prozessrechtsverhältnis mit Abweisung der Drittwiderklage eine Hauptsacheentscheidung ergangen ist, steht § 99 Abs. 1 ZPO einem isolierten Rechtsmittel gegen die Kostengrundentscheidung entgegen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Drittwiderbeklagte in der Hauptsache nicht beschwert ist und deshalb keine zulässige Berufung hätte einlegen können. Denn maßgeblich ist alleine die abstrakte Möglichkeit, ein statthaftes Rechtsmittel in der Hauptsache einlegen zu können (MünchKommZPO /Schulz, aaO Rn. 13; Musielak/Lackmann, aaO Rn. 5; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 99 Rn. 6; BeckOK-ZPO/Jaspersen/Wache, aaO Rn. 10; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - VI ZB 27/11, NJW-RR 2013, 179 Rn. 20).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.