Bayerisches Oberstes Landesgericht Urteil, 19. März 2024 - 205 StRR 8/24

erstmalig veröffentlicht: 21.06.2024, letzte Fassung: 21.06.2024
Zusammenfassung des Autors

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat am 19. März 2024 entschieden, dass ein medizinisches Instrument, das von einem approbierten Arzt im Rahmen eines indizierten Eingriffs verwendet wird, unter bestimmten Umständen als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingestuft werden kann. Ein gefährliches Werkzeug ist dabei jeder Gegenstand, der aufgrund seiner Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Die Gefährlichkeit wird dabei ausschließlich durch die Verwendung bestimmt, wobei die spezifischen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Im konkreten Fall handelte es sich um die Verwendung eines Skalpells oder einer Schere durch einen Arzt, der aufgrund körperlicher Einschränkungen objektiv ungeeignet war, operative Tätigkeiten auszuführen. Diese Anwendung stellt eine gefährliche Körperverletzung dar, da die Gefahr erheblicher Verletzungen durch die ungeeignete Durchführung des Eingriffs gegeben war.

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Urteil vom 19. März 2024

Az.: 205 StRR 8/24

 

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2023 wird verworfen.
 
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
 
III. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 3. Juli 2023
 
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen sowie schwerer Körperverletzung verurteilt wird,
 
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgeho-ben.
 
IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Amtsgericht Kempten (Allgäu) verurteilte den Angeklagten am 24. Januar 2019 wegen schwerer Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in sieben weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Berufung ein. Mit Urteil vom 8. Oktober 2020 änderte das Landgericht Kempten (Allgäu) auf die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 24. Januar 2019 ab und fasste es neu. Der Angeklagte wurde nunmehr wegen fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision ein. Mit Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. Juni 2021 wurde die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen; auf die Revision der Staatsanwaltschaft wurde das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

Mit Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2023 wurde das Urteil des Amtsgerichts Kempten vom 24. Januar 2019 auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft aufgehoben. Der Angeklagte wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung in elf Fällen in Tatmehrheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen wurden die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft verworfen. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Der Angeklagte beantragt, das ergangene Urteil aufzuheben. Gerügt werde die Verletzung materiellen Rechts.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretenen Revision gegen die rechtliche Würdigung des Landgerichts, soweit der Angeklagte wegen Körperverletzung und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2023
 
a) im Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen sowie schwerer Körperverletzung verurteilt wird,
 
b) im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) zurückzuverweisen und die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.

Der Angeklagte beantragt, unter Verzicht auf die Verfahrensrüge die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesgerichtshof die Frage vorzulegen, ob ein medizinisches Instrument, geführt von einem approbierten Arzt im Rahmen eines indizierten Eingriffs, ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellt.
 
II.
 
1. Revision des Angeklagten:

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge begründeten Revision des Angeklagten hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die sorgfältige und ausführliche Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen tragen jedenfalls die Verurteilung wegen – vorsätzlicher – Körperverletzung in elf Fällen und schwerer Körperverletzung. Auch die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler auf.
 
2. Revision der Staatsanwaltschaft:

Mit ihrem Rechtsmittel wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass der Angeklagte lediglich wegen vorsätzlicher, und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen verurteilt worden ist. Die Rüge hat Erfolg.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten 1990 die Approbation als Arzt erteilt worden. Seit 1993 war er als niedergelassener Augenarzt tätig, seit 1995 führte er neben der konservativen Behandlung von Patienten auch ambulante operative Eingriffe durch. Am 24. Mai 2009 erlitt der Angeklagte einen Schlaganfall mit Gehirnblutung und einmaligem epileptischem Anfall. Dieser Schlaganfall führte beim Angeklagten zu erheblichen körperlichen Einschränkungen. Nach einer anfänglichen Behandlung wurde der Angeklagte von Juni bis August 2009 im Klinikum behandelt. Bei seiner Entlassung in die Fachklinik für Rehabilitation wurde dem Angeklagten aufgrund des Schlaganfalls eine Aphasie (Verlust des Sprechvermögens, Störung der Semantik und des Sprachverständnisses), eine Alexsie (Unfähigkeit, Geschriebenes zu lesen bzw. Gelesenes zu verstehen) sowie eine Akalkulie (Rechenschwäche) sowie eine rechtseitige armbetonte Hemiparese (unvollständige Lähmung einer Körperseite) diagnostiziert.

Die Behandlung in der Rehabilitationsklinik erfolgte vom 13. August 2009 bis zum 17. September 2009 und führte zu Fortschritten des Angeklagten sowohl bezüglich seiner Sprachstörungen als auch bezüglich der Koordination seiner Finger- und Handfunktionen. Er leidet aber weiterhin an einer spastischen sensomotorischen Hemiparese rechts, was sich in einer Tiefensensibilitätsstörung der rechten Hand (mit Fehlwahrnehmung der Stellung der Hand im Raum) auswirkt und mit einer Apraxie und einer Tonuserhöhung in den Fingern und im Unterarm der rechten Hand/des rechten Arms einhergeht. Die Feinmotorik der rechten Hand ist deutlich gestört. Auch im rechten Bein ist eine Tiefensensibilitätsstörung verblieben, so dass eine Gleichgewichtsstörung beim Stehen und Gehen vorliegt. Der Angeklagte ist Rechtshänder. Gerade auch aufgrund der Unzufriedenheit mit den Therapiefortschritten und seinen weiter bestehenden körperlichen Einschränkungen unternahm er am 2. Juni 2010 einen Suizidversuch. Anfang 2011 begann der Angeklagte zunächst mit dem Zeugen Dr. B. zusammen, der ebenfalls Augenarzt ist und derartige Operationen auch selbst durchführt, wieder augenärztliche Operationen durchzuführen. Ab März 2022 führte der Angeklagte wieder eigenständig ambulante Augenoperationen durch. Bei Durchführung der Operationen werden zur Bedienung der medizinischen Instrumente beide Arme und Beine benötigt. Insbesondere die „Haupthand“, mit der auch der öffnende Schnitt an der Hornhaut mit einem Skalpell durchgeführt wird, muss dabei exakt geführt werden können. Der Operateur muss jederzeit in der Lage sein, auf plötzlich eintretende Komplikationen und Besonderheiten adäquat zu reagieren, um die Operation möglichst sicher ausführen zu können.

Der Angeklagte operierte von März 2011 bis zum 13. Mai 2016 insgesamt ca. 3.900  Patienten. Bei einem weit überwiegenden Teil (ca. 75%) sind dabei keinerlei negative Folgen festzustellen gewesen. Bei den übrigen Operationen lagen häufig geringfügige, aufgrund der Operation erwartbare Folgen, z.B. auch nur gerötete Augen, vor.

Der Angeklagte war im gesamten genannten Zeitraum objektiv ungeeignet, operative Tätigkeiten als Augenarzt durchzuführen. Neurologisch war es ihm objektiv aufgrund der weiterhin bestehenden tiefensensorischen Störungen, motorischen Einschränkungen und der Apraxi (Störung bzw. Unfähigkeit, Körperteile zweckmäßig zu bewegen, obwohl die Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit selbst intakt ist) nicht möglich, diese Operationen fachgerecht auszuführen.

Der Angeklagte wusste auch um seine bestehenden körperlichen Einschränkungen. Er erkannte auch, dass sich die körperlichen Einschränkungen auf seine Fähigkeit zur Durchführung von derart komplexen Operationen auswirken. Er erkannte auch, dass diese Einschränkungen daher für die Patienten wichtig sind und diese daher über diese Einschränkungen aufzuklären sind.

Die neun von der Anklage umfassten Patienten waren vor den Operationen jeweils über die normalen Risiken des Eingriffs (sogenannte „Grundaufklärung“) durch einen Arzt (erg.: nicht den Angeklagten) belehrt worden. Eine weitergehende Belehrung der Patienten über die Gesundheitsprobleme des Angeklagten, konkret darüber, dass der Angeklagte einen Schlaganfall erlitten hatte und welche Folgen hieraus noch resultierten, erfolgte in keinem Fall. Dies wusste der Angeklagte. Keiner der verfahrensgegenständlichen Geschädigten hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung vom körperlich geschädigten Angeklagten operieren lassen.

Zwischen April 2011 und Juni 2015 führte der Angeklagte unter anderem die von der Anklageerhebung umfassten (erg.: zwölf) Operationen bei den genannten neun Patienten in seiner Praxis durch, wobei er jeweils, mit Ausnahme der Nachoperation des Geschädigten H., bei der eine Schere zum Einsatz kam, unter Verwendung eines Skalpells einen Schnitt an der Hornhaut vornahm und unter Verwendung von Ultraschall die vorhandene Linse entfernte, um eine neue Linse einsetzen zu können.

Das Landgericht macht sodann Ausführungen zu den einzelnen Operationen und deren Folgen für die Geschädigten. Zudem stellt es fest, dass jeweils keine wirksame Einwilligung der Patienten, die zu einer die Rechtswidrigkeit ausschließenden Rechtfertigung der Körperverletzung hätten führen können, vorlagen.

b) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung betreffend die Geschädigte L., die aufgrund des Eingriffs erblindet ist, verurteilt hat, tragen die Feststellungen den Schuldspruch. Die Feststellungen tragen allerdings den Schuldspruch nicht, soweit das Landgericht den Angeklagten in den weiteren elf Fällen nur wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung verurteilt hat. Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist insoweit jeweils von gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB auszugehen.

aa) Als gefährliches Werkzeug im Sinn von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gilt jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 224 Rn. 4). Sowohl von der Rechtsprechung als auch von der herrschenden Meinung wird die Gefährlichkeit des Werkzeugs unter Verzicht auf eine generelle Gefahreneignung allein verwendungsabhängig bestimmt, so dass es nur auf die konkrete Anwendung irgendeines – „gefährlichen“ oder „ungefährlichen“ – Gegenstandes unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, zB der Konstitution des Opfers, des betroffenen Körperteils oder der Intensität des Werkzeugeinsatzes, ankommt, sofern mit der Anwendung die Gefahr einer erheblichen Verletzung verbunden ist (Schönke/Schröder a.a.O. m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall sowohl im Hinblick auf den Einsatz des Skalpells als auch in dem einen Fall des Einsatzes einer Schere jeweils von einem gefährlichen Werkzeug auszugehen. So wie die Konstitution des Opfers geeignet ist, Auswirkungen auf die Einordnung des verwendeten Gegenstandes als gefährliches Werkzeug zu haben, gilt dies auch für die Konstitution des Angeklagten. Soweit bei einem operativen Eingriff ein Skalpell oder eine Schere eingesetzt wird, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese lege artis eingesetzt werden. Dh, dass diese Werkzeuge für den Eingriff benötigt werden und derjenige, der sie einsetzt, in der Lage ist, sie ordnungsgemäß und fachgerecht einzusetzen. Das ist nicht der Fall, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein ordnungsgemäßer und fachgerechter Gebrauch aufgrund der körperlichen Einschränkungen, wie sie beim Angeklagten nach den Feststellungen des Tatgerichts vorlagen, nicht möglich ist.

cc) Der Senat konnte in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Schuldspruchberichtigung vornehmen. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor (vgl. MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 354 Rn 13 ff. m.w.N; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 1 StR 590/16 –, juris): Die vollständigen und tragfähigen Urteilsfeststellungen belegen den tatmehrheitlichen Schuldspruch von elf Fällen der gefährlichen Körperverletzung. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Tatvorwurf nach der unverändert zugelassenen Anklage bereits auf gefährliche Körperverletzung lautete und in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass insgesamt eine Verurteilung von zwölf Fällen in Betracht kommt.

3. Aufgrund der Änderung des Schuldspruchs war das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben (§ 353 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der geänderte Schuldspruch, der mit einem veränderten Strafrahmen einhergeht, Auswirkungen auf den Strafausspruch hat. Die Sache war insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

4. Zur Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Bundesgerichtshof bestand keine Veranlassung, da der Senat zur aktuellen Fassung des § 224 StGB nicht von der Rechtsprechung eines Obergerichts abweicht.

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Bayerisches Oberstes Landesgericht Urteil, 19. März 2024 - 205 StRR 8/24 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2016 - 1 StR 590/16

bei uns veröffentlicht am 20.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 590/16 vom 20. Dezember 2016 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:201216B1STR590.16.0 Der 1. Strafsenat des Bu

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(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 590/16
vom
20. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:201216B1STR590.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 20. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO und entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 1. August 2016
a) im Tenor dahingehend gefasst, dass die Angeklagte der versuchten unerlaubten Durchfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision der Angeklagten erzielt mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Das Landgericht hat die Angeklagte ausweislich des Verhandlungsprotokolls und des zunächst gleichlautenden Tenors des schriftlichen Urteils wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und anschließend das Urteil dahingehend berichtigt , dass die Angeklagte statt der versuchten Einfuhr der versuchten Durchfuhr schuldig ist. Diese Urteilsberichtigung war unzulässig, weil der Tenor so verkündet wurde wie er in den schriftlichen Urteilsgründen niedergelegt ist und kein offensichtliches Schreibversehen oder eine sonstige offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt (vgl. hierzu näher Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 268 Rn. 9 ff.).
3
Der Senat hat allerdings in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die dem Tatgericht verwehrte Schuldspruchberichtigung vorgenommen. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 354 Rn. 13 ff. mwN): Die vollständigen und tragfähigen Urteilsfeststellungen belegen – wie das Landgericht selbst erkannt hat – den tateinheitlichen Schuldspruch der versuchten Durchfuhr von Betäubungsmitteln. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Tatvorwurf nach der unverändert zugelassenen Anklage ohnehin neben der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf den tateinheitlich begangenen Versuch der Durchfuhr von Betäubungsmitteln lautet.
4
2. Die Strafzumessung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall des § 29a Abs. 1 BtMG vorliegt, hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes der Beihilfe nicht eingestellt.
5
Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist – wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB – auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in einem nächsten Schritt die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 9. August 2016 – 1 StR 331/16 mwN).
6
Angesichts der Höhe der Strafe, die sich nahe der Obergrenze des für einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG vorgesehenen Strafrahmens bewegt, kann der Senat nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf dem Rechtsfehler beruht. Da es sich um einen bloßen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen aufrecht erhalten bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).
Raum Jäger Cirener
Mosbacher Bär

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.