Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Juli 2015 - L 7 AS 546/14

bei uns veröffentlicht am23.07.2015
vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 11 AS 543/12, 13.03.2012

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2014, S 11 AS 543/12, wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt für die Zeit ab 01.01.2006 bis 31.12.2010 höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeiten der Bewilligung von Leistungen.

Seit 01.10.2005 betreibt der Kläger ohne Unterbrechung ein Gewerbe mit An- und Verkauf von Flohmarktartikeln, Computern sowie einen Ebay-Handel.

Der 1959 geborene Kläger ist geschieden und hat ein Kind, das bei der Mutter lebt. Seit Mai 2008 tilgt der Kläger UVG-Rückstände für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.09.2008 mit einer Rate in Höhe von monatlich 100,00 €. Seit Juni 2009 tilgt der Kläger zusätzlich aufgelaufene Schulden aus Unterhaltsverpflichtungen wegen Trennungsunterhalt gegenüber seiner ehemaligen Frau in Raten zu 50,00 € monatlich. Zahlungen auf laufenden, titulierten Kindesunterhalt erfolgten zeitweise.

Der Kläger war zunächst vom 01.10.2005 bis einschließlich 01.02.2011 im Leistungsbezug beim Beklagten, wobei letztmalig mit Bescheid vom 22.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2011 Leistungen bewilligt wurden. Vom 01.02.2011 bis 30.10.2012 war der Kläger dann nicht mehr im Leistungsbezug beim Beklagten. Seit 01.11.2012 erhält der Kläger neben seiner selbstständigen Tätigkeit wieder Leistungen nach dem SGB II.

Am 15.12.2010 und am 15.03.2011 stellte der Kläger für die Zeit ab 01.01.2006 Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X. Seine Unterhaltsverpflichtungen bzw. Unterhaltszahlungen gegenüber seiner minderjährigen Tochter und gegenüber seiner ehemaligen Ehefrau seien in dieser Zeit nicht zutreffend berücksichtigt worden und hätten zu höheren Leistungen führen müssen. Die beiden Überprüfungsanträge wurden vom Beklagten mit Bescheid vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 abgelehnt. Zahlungen auf laufenden Kindesunterhalt seien in der vom Kläger nachgewiesenen Höhe stets berücksichtigt worden. Zahlungen auf Unterhaltsrückstände seien nicht vom Einkommen abzusetzen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem vor dem Sozialgericht Augsburg zwischenzeitlich noch der Zeitraum vom 01.05.2008 bis einschließlich 30.11.2009 anhängig war, entschied das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 13.03.2012, dass dem Kläger für diese Zeit wegen Anrechnung der jeweiligen Tilgungsleistungen bezüglich UVG-Schulden höhere Leistungen von insgesamt 637,88 € für den gesamten Zeitraum nachzuzahlen seien. Dieses Urteil setzte der Beklagte mit Bescheid vom 30.04.2012 für den diesen Zeitraum um.

Aufgrund des Urteils stellte der Kläger am 08.05.2012 erneut einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X betreffend sämtliche Bewilligungsbescheide ab 2006 bis einschließlich Ende 2010. Mit dem Urteil sei bestätigt worden, dass im gesamten Zeitraum sämtliche von ihm getätigten Unterhaltszahlungen - auch solche auf Unterhaltsrückstände - auf sein Nebenerwerbseinkommen anzurechnen gewesen seien.

Mit Bescheid vom 09.05.2012 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag vom 08.05.2012 ab. Eine Überprüfung sei nur möglich für Bescheide, die maximal ein Jahr zurückliegen, also bezüglich Bescheide mit einer Geltungsdauer ab 01.01.2011. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, im Rahmen des Überprüfungsverfahrens müsste auch der Bescheid vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 überprüft werden und dieser habe den von ihm gewünschten Überprüfungszeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 betroffen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zwar beträfe der Überprüfungsbescheid vom 04.08.2011 auch weiter zurückliegende Leistungen. Die früheren Bewilligungszeiträume würden aber über den Umweg des Überprüfungsbescheides nicht Gegenstand eines erneuten Überprüfungsverfahrens.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg. Seine von ihm getätigten Unterhaltszahlungen in den Jahren 2006 bis 2010 seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.

Von seinem Einkommen müssten 100,00 € monatlich wegen seiner Zahlungen auf den UVG-Rückstand abgesetzt werden, dazu 50,00 € monatlich auf den rückständigen Trennungsunterhalt bezüglich seiner Frau. Zudem habe er laufend Unterhalt in Höhe von 343,00 € an seine Tochter gezahlt.

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erhob der Kläger auch Nichtigkeitsfeststellungsklage. Alle für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 ergangenen Verwaltungsakte seien nichtig, weil der zuständige Sachbearbeiter beim Beklagten Zahlungen auf Unterhaltsrückstände nicht als vom Einkommen abzusetzende Unterhaltszahlungen anerkannt habe und damit verursacht habe, dass der Kläger seinen Unterhaltspflichten nicht habe nachkommen können mit dem Strafbarkeitsrisiko nach § 170 StGB. Daraus ergebe sich auch der Nichtigkeitsgrund der Befangenheit des zuständigen Sachbearbeiters beim Beklagten, da dieser stets zu seinem Nachteil habe handeln wollen. Auch die fehlerhafte Annahme der Behörde, dass es sich bei Zahlungen auf Unterhaltsrückstände um keine Unterhaltszahlung handle, führe zur Nichtigkeit der Bescheide.

Mit Urteil vom 16. Juni 2014 hob das Sozialgericht Augsburg den Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 teilweise auf und verpflichtete den Beklagten, den Bewilligungsbescheid vom 22.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2011 abzuändern und dem Kläger für Januar 2011 insgesamt Leistungen in Höhe von 841,76 € zu bewilligen. Im Übrigen wies das Sozialgericht die Klage ab.

Die Klage gegen den Überprüfungsbescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 sei nur für Januar 2011 begründet. Grundsätzlich sei - anders als der Beklagte meint - rückwirkend der Zeitraum ab 01.01.2007 zu überprüfen.

Zwar seien nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, der am 01.01.2011 in Kraft getreten ist, aufgrund des Antrags vom 08.05.2012 nur Bescheide zu überprüfen, welche seit Beginn des dem Antrag vorangehenden zurückliegenden Jahres ergingen, also Bescheide, die ab 01.01.2011 ergingen.

In diesen Zeitraum ab 01.01.2011 fiele aber auch der Überprüfungsbescheid vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012. Nachdem dieser Bescheid damit noch in den Zeitraum bis 01.01.2011 falle, seien alle Zeiträume, die im Rahmen dieses Überprüfungsbescheides zu überprüfen gewesen wären, nochmals zu überprüfen, also alle Bewilligungsbescheide, die nach dem 01.01.2007 ergangen sind.

Die ab 01.01.2007 zu überprüfenden Bescheide seien jedoch allesamt - bis auf Januar 2011 - rechtmäßig gewesen. Mit Urteil vom 20.02.2012, Az.: B 14 AS 53/12 R, habe des Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass Zahlungen auf Unterhaltsrückstände keine Absetzbeträge vom Einkommen darstellten. Auf die Frage, ob hierzu ein Titel vorliege, komme es dabei nicht an. Der Abzug scheitere bereits daran, dass es sich um rückständigen und nicht um laufenden Unterhalt handle und dass diese Zahlungen nicht von § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II a. F. erfasst gewesen wären. Die Begleichung von Unterhaltsverbindlichkeiten stelle im Ergebnis mangels Pfändung nur eine nicht zwingende Einkommensverwendung dar. Dieses Urteil des BSG sei für den gesamten Zeitraum ab 01.01.2007 anzuwenden. Im Ergebnis sei daher die Ablehnung des Überprüfungsantrags nicht zu beanstanden.

Allerdings sei der letzte in den streitgegenständlichen Zeitraum fallende Bescheid vom 22.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2011 bezüglich des Monats Januar 20011 rechtswidrig und es müßten dem Kläger in diesem Monat höhere Leistungen zu gewährt werden. Zu Unrecht sei im Januar 2011 eine Zahlung auf laufenden, titulierten Kindesunterhalt nicht mit einkommensmindernd berücksichtigt worden. Für Januar 2011 habe der Kläger eine höhere Zahlung durch Kontoauszug nachgewiesen. Außerdem habe sich ab 01.01.2011 der Regelbedarf erhöht. Dem Kläger hätten im Monat Januar 2011 deshalb höhere Leistungen von insgesamt 841,76 € zugestanden. Insoweit sei die Klage begründet.

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide sei gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Ein Feststellungsinteresse liege vor, da der Kläger sich vom Beklagten die bestandskräftigen Bescheide als rechtsbindend für die Höhe der gewährten Leistungen entgegen halten lassen müsse.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei jedoch unbegründet, da die in der Zeit vom 01.01.2006 bis Januar 2011 ergangenen Verwaltungsakte nicht nichtig seien.

Soweit der Kläger im Gerichtsverfahren vorgetragen habe, dass die Bescheide ihn an der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gehindert hätten und er sich deshalb strafbar gemacht hätte, so dass die entsprechenden Bescheide nichtig seien, treffe dies nicht zu. Die ergangenen Bescheide verlangten vom Kläger nicht unmittelbar strafbares Verhalten. Insbesondere sei dem Kläger nicht die Erfüllung einer bestehenden Unterhaltspflicht verboten worden. Die Frage der Einkommensverwendung, wie etwa zur Zahlung von Unterhaltsrückständen, sei unabhängig von der Höhe der bewilligten Leistung.

Soweit der Kläger sich auf eine Befangenheit des Sachbearbeiters berufe, könne dies nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen, da die bloße Befangenheit eines Sachbearbeiters an sich nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führe.

Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass die Bescheide nichtig seien, weil seine Unterhaltszahlungen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, handle es sich schon nach dem Sachvortrag um keinen „offensichtlichen“ Fehler, der eine Nichtigkeit bedingen könnte.

Bis auf Januar 2011 seien alle Bescheide betreffend den Zeitraum ab 01.01.2007 bis Januar 2011 rechtmäßig gewesen. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids für Januar 2011 stelle keinen besonders schweren Fehler dar, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes hätte führen müssen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er bezweifle die Anwendbarkeit des vom SG genannten Urteils des BSG. Der Beklagte habe ihn durch einschüchterndes und bewusst falsches Handeln „vorsätzlich taktisch“ sowie „Manipulationen“ beeinflusst und dadurch seine wirtschaftliche Not herbeigeführt. Das Handeln des Beklagten müsse auf Vorsatz überprüft werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.06.2014 aufzuheben und die Nichtigkeit des Überprüfungsbescheids vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 (basierend auf den Anträgen vom 15.12.2010 und 15.03.2011) und des Überprüfungsbescheides vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 (Antrag vom 08.05.2012) sowie aller im Bewilligungszeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 ergangenen Verwaltungsakte festzustellen,

hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2014 abzuändern und den Bescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 insgesamt aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bewilligungsbescheide für die Zeit ab 01.01.2006 bis einschließlich 31.12.2010 zu verpflichten, neu zu entscheiden und ihm Leistungen für diesen gesamten Zeitraum unter Anrechnung seiner Unterhaltszahlungen, auch soweit es sich um die Tilgung titulierter Unterhaltsrückstände handelt, zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand ist nach dem Berufungsantrag der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2006 bis einschließlich 31.12.2010 (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 13/12 R Rz. 12).

Diesen Anspruch verfolgt der Kläger prozessual zum einen dadurch, dass er Nichtigkeitsfeststellungsklagen bezüglich des Überprüfungsbescheids vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 (basierend auf den Anträgen vom 15.12.2010 und 15.03.2011) und des Überprüfungsbescheides vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 (Antrag vom 08.05.2012) sowie aller im Bewilligungszeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 ergangenen Bescheide erhebt; diese Bescheide sind Streitgegenstand des Nichtigkeitsfeststellungsverfahrens.

Zum anderen begehrt der Kläger im Wege der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage höhere Leistungen nach den SGB II. Zulässige Klage gegen einen Überprüfungsbescheid nach § 44 SGB X ist nach der Rechtsprechung des BSG diese Klagekombination (z. B. BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 4 AS 4/14 R Rz. 11). Streitgegenstand ist insoweit allein der Überprüfungsbescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06 2012.

Den erhobenen Klagen liegt allerdings nicht eine Mehrheit von Klageansprüchen zugrunde, sondern ein einziger Anspruch (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.1962, 3 RK 31/60 Rz. 14), da als Klageziel mit allen Klagen verfolgt wird, letztlich vom Beklagten höhere Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum zu erhalten. Wenn ein Kläger dergestalt Klageanträge miteinander verbindet, so macht er im Ergebnis nur einen Anspruch geltend. Diesem einheitlichen Klageanspruch muss eine einheitliche Entscheidung des Gerichts entsprechen (BSG a. a. O., vgl. auch BSG, Urteil vom 07.09.2006, B 4 RA 43/05 R).

Zunächst ist gemäß dem vom Kläger gestellten Antrag über die Feststellung der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG zu entscheiden.

Anschließend ist erst über die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG i. V. m. § 54 Abs. 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 11.02.2015, B 4 AS 29/14 R Rz.12) gegen den Überprüfungsbescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06 2012 zu entscheiden, der gegenüber dem Hauptantrag vom Kläger prozessual als Hilfsantrag erhoben wurde.

1. Nichtigkeitsfeststellungsklagen nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG

Die Berufung bezüglich der Nichtigkeitsfeststellungsklagen ist unbegründet.

a) Überprüfungsbescheid vom 04.08.2011

aa) Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Überprüfungsbescheids vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 (basierend auf den Anträgen vom 15.12.2010 und 15.03.2011) ist zwar zulässig.

Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist nicht subsidiär; vorher musste der Kläger bei der Behörde keinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit stellen und ggf. mittels einer Verpflichtungsklage auf Rücknahme des nichtigen Verwaltungsaktes gegen die Behörde vorgehen (vgl. Schneider-Danwitz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X § 40 Rz. 69). Hier hat der Kläger einen solchen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 40 Abs. 5 SGB X bei der Behörde nicht gestellt und einen solchen Antrag auch nicht im Klageweg verfolgt, was nicht notwendig ist (BSG, Urteil vom 23.02.1989, 11/7 RAr 103/87). Einen solchen Antrag hat er auch nicht hilfsweise zu seiner Nichtigkeitsfeststellungklage gestellt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 07.09.2006, B 4 RA 93/05 R Rz. 9).

Auch kann ein Feststellungsinteresse bejaht werden. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger sich vom Beklagten den bestandskräftigen, ablehnenden Überprüfungsbescheid als Rechtsgrund für die Höhe der gewährten Leistungen entgegenhalten lassen muss und insoweit ein Interesse an Feststellung der Nichtigkeit des Überprüfungsbescheids besteht. Bei Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides müsste die Behörde uneingeschränkt neu über den damit offenen Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum entscheiden, wobei die ursprünglichen Überprüfungsanträge Maßstab der Überprüfung sind. Dabei würden Anträge vom 15.12.2010 und 15.03.2011 nach der damaligen Rechtslage rückwirkend den vom Kläger gewünschten Zeitraum ab 01.01.2006 eröffnen, § 44 Abs. 4 Satz 5 SGB X.

bb) Die Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen den Überprüfungsbescheid vom 04.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 ist jedoch unbegründet.

Nichtigkeitsgründe gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 oder Nr. 4 SGB X sind nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass der Bescheid ihn an der Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gehindert hätte und er sich deshalb strafbar gemacht hätte, kommt allenfalls ein Nichtigkeitsgrund nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB X in Betracht.

Nichtigkeit nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB X liegt jedoch nur vor, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Strafe oder bußgeldbedrohte Handlung verlangt wird. Dies war jedoch nicht der Fall. Vom Kläger wurde durch den Bescheid keine - strafbare oder nicht strafbare - Handlung verlangt, sondern ihm vielmehr im Wege eines ablehnenden Überprüfungsverfahrens lediglich höhere Leistungen verwehrt. Die Frage, wie ein Leistungsempfänger mit seiner Leistung umgeht, ist unabhängig von der Höhe der bewilligten Leistung. Darin erschöpft sich jedoch der Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes.

Deshalb kann eine Strafbarkeit gemäß § 170 Strafgesetzbuch (StGB) niemals direkt einen Leistungs- oder sogar auch einen Ablehnungsbescheid erfüllt werden (BSG, Urteil vom 20.02.2014, B 14 AS 53/12 R, Rz. 28). § 170 StGB setzt voraus, dass der Betreffende „sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht“ und auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erfüllt ist.

Die beiden sonstigen vom Kläger vorgetragenen angeblichen Nichtigkeitsgründe, nämlich die Befangenheit des Sachbearbeiters und die fehlerhafte Annahme der Behörde, dass es sich bei Zahlungen auf Unterhaltsrückstände um keine Unterhaltszahlung handle, stellen keine im Gesetz explizit geregelten Fallgestaltungen dar und können daher allenfalls nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X zur Nichtigkeit führen.

Gemäß § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Hiervon ist nur auszugehen, wenn zum einen ein besonders schwerwiegender Fehler vorliegt, wie beispielsweise absolute sachliche Unzuständigkeit der erlassenen Behörde, absolute rechtliche Unmöglichkeit, völlige Unbestimmtheit oder Unverständlichkeit des Verwaltungsaktes. Auch erschlichene Verwaltungsakte oder solche, die durch Drohung, arglistige Täuschung oder Bestechung erlangt worden sind, können nichtig sein.

Zudem muss der Mangel offensichtlich sein. Dafür reicht es nicht aus, dass es sich um einen besonders schwerwiegenden Fehler handelt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen, kann die vom Kläger vorgetragene eventuelle Befangenheit eines Sachbearbeiters niemals zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führen (vgl. von Wulffen/Schütze SGB X, 8. Auflage, 2014, § 17 Rz. 8). Bloße Befangenheit eines Sachbearbeiters ist für sich genommen - wenn sie vorläge - kein so schwerwiegenden Fehler, der den Verwaltungsakt nichtig macht. Vielmehr muss der Verwaltungsakt im Ergebnis einen offensichtlichen schwerwiegenden Fehler aufweisen, was hier nicht der Fall ist.

Soweit der Kläger geltend macht, dass der Überprüfungsbescheid nichtig sei, weil die Behörde nicht anerkannt habe, dass auch die Zahlungen auf Unterhaltsrückstände vom Einkommen abzusetzen seien, kann - selbst wenn dem so wäre - hierin ebenfalls kein offensichtlicher Fehler liegen, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 40 Abs. 1 SGB X führen würde. Ob eine Behörde alles vollständig und richtig ermittelt und den Sachverhalt richtig gewürdigt und rechtlich zutreffend entschieden hat, ist eine Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, bedingt aber keine Nichtigkeit.

Im Ergebnis ist die zulässige Nichtigkeitsfeststellungsklage unbegründet.

b) Überprüfungsbescheid vom 09.05.2011

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Überprüfungsbescheids vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 ist unzulässig.

Nachdem der Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist Klage gegen den Überprüfungsbescheid erhoben hat, fehlt es an einem Feststellungsinteresse (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.1989, 11/7 RAr 103/87 Rz. 16).

Bei einer Nichtigkeitsfeststellungsklage wird nur über die Nichtigkeit des Bescheides, nicht aber die Gewährung höherer Leistungen entschieden würde. Da der Kläger letztlich höhere Leistungen begehrt, fehlt ihm das Feststellungsinteresse bezüglich einer Nichtigkeitsklage bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage (ebenso LSG NRW, Urteil vom 14.02.2014, L 12 AS 15/05 Rz. 34).

Solange ein Überprüfungsbescheid noch nicht rechtskräftig ist, kann ein Kläger gegenüber einer Nichtigkeitsfeststellungsklage weitergehenden Rechtsschutz über die - ihm noch offenstehende - Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gegen den Überprüfungsbescheid erlangen. Denn im Rahmen der in dieser Klagenkombination enthaltenen Anfechtungsklage sind Nichtigkeitsgründe zu prüfen. Bei erfolgreicher Anfechtung (auch mit Nichtigkeitsgründen) wird anschließend zwingend auch über höhere Leistungen entschieden (Verpflichtungs- und Leistungsklage).

c) Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit sämtlicher Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 ist ebenfalls unzulässig.

Zwar sind die Bewilligungsbescheide alle bestandskräftig, so dass das Feststellungsinteresse nicht schon wegen einer anderen noch offen stehenden Rechtsschutzmöglichkeit, die den Interessen des Klägers mehr entspricht (vgl. oben unter b), entfallen würde.

Trotzdem fehlt es in Bezug auf bestandkräftige Bewilligungsbescheide an einem Feststellungsinteresse. Denn ein Begünstigter kann kein Interesse daran haben, dass die Rechtsgrundlage für die erhaltenen Leistungen beseitigt wird und er dadurch einer Erstattungsforderung des Leistungsträgers gegenüber steht (vgl. LSG NRW, Urteil vom 14.02.2014, L 12 AS 15/05 Rz. 34).

Ein Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, er nehme das Risiko in Kauf, dass alle bestehenden Bewilligungen mit seiner Nichtigkeitsfeststellung beseitigt würden, da dann über seinen Antrag neu entschieden werden müsste. Wenn ein Kläger letztlich höhere Leistungen begehrt, fehlt ihm stets das Feststellungsinteresse bezüglich einer Nichtigkeitsklage bzw. Nichtigkeitsfeststellungsklage, mit der lediglich der Rechtsgrund für bereits erhaltene Leistungen - die Bewilligungsbescheide - beseitigt würde (ebenso LSG NRW, Urteil vom 14.02.2014, L 12 AS 15/05 Rz. 34).

2. Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (Hilfsantrag)

Die Berufung ist auch insoweit unbegründet.

Der Überprüfungsbescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Eine Nichtigkeit des angefochtenen Bescheids ist nicht gegeben, da keine Nichtigkeitsgründe vorliegen. Insoweit wird auf die auch hier zutreffenden Ausführungen unter 1. a) bb) verwiesen.

Der Kläger begehrt seinem Berufungsantrag nach eine Überprüfung der ihm in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 bewilligten Leistungen. Leistungen für Januar 2011 sind nach dem Berufungsantrag nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Der aufgrund des Überprüfungsantrags vom 08.05.2012 ergangene streitgegenständliche Überprüfungsbescheid vom 09.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06 2012 hat zu Recht darauf abgestellt, dass der im Jahr 2012 gestellte Antrag vom 08.05.2012 nur ein Jahr, also auf den 01.01.2011, zurückwirkt.

Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 i. V. m. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Dem Anspruch des Klägers auf Neuberechnung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum bis Dezember 2010 steht § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X entgegen (vgl. BayLSG, Urteil vom 19.03.2014, L 16 AS 289/13 Rz. 17). Im Ergebnis kann der Kläger für die Zeit vor dem 01.01.2011 weder eine Nachzahlung von Sozialleistungen noch eine isolierte Rücknahme früherer Bescheide verlangen.

Entgegen der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden können, werden nach der am 01.04.2011 in Kraft getretenen Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nur für ein Jahr rückwirkend erbracht, wenn der Antrag auf Überprüfung nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist (§ 77 Abs. 13 SGB II).

Da der Kläger seinen streitgegenständlichen Überprüfungsantrag erst am 08.05.2011 gestellt hat, war eine rückwirkende Überprüfung und Nachzahlung von Leistungen nur für die Zeit ab 01.01.2011 zulässig. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird vom Beginn des Jahres angerechnet, in dem der Antrag gestellt worden ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB X). Bei der Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.

Nachdem § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Nachzahlung von Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.2011 ausscheidet, bedurft es auch keiner Entscheidung des Beklagten darüber, ob dem Kläger im Leistungszeitraum bis Dezember 2010 Leistungen vorenthalten worden sind. Die Unanwendbarkeit der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X steht einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 26.06.2013, B 7 Ay 6/12 R Rz. 10).

Im Ergebnis ist die Berufung insgesamt unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

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(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

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(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen d

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(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2)

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Tatbestand Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig sind

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Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 4 AS 4/14 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

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Bundessozialgericht Urteil, 20. Feb. 2014 - B 14 AS 53/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.02.2014

Tenor Das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 wird geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 8. April 2009 werd
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Bundessozialgericht Urteil, 12. Okt. 2016 - B 4 AS 37/15 R

bei uns veröffentlicht am 12.10.2016

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 - L 7 AS 546/14 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Landessozialgerichts wird klarstellend wie folgt gefasst: Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 10. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 werden geändert und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom 31. Mai 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2011 für den Zeitraum vom 4. Juni bis 8. Oktober 2010 340 Euro als Mehrbedarfsleistung für Fahrtkosten zu gewähren.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung - im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs durch Fahrtkosten, die im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts mit seiner 1999 geborenen Tochter entstanden sind.

2

Der Beklagte bewilligte dem alleinstehenden in D. wohnenden Kläger auf dessen Fortzahlungsantrag für den zuvor benannten Zeitraum eine Regelleistung in Höhe von monatlich 359 Euro (Bescheid vom 31.5.2010, geändert durch Bescheid vom 25.1.2011 wegen der Bewilligung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung ab dem 15.10.2010). Über berücksichtigungsfähiges Einkommen verfügte er nicht. Er bewohnte ein in seinem Miteigentum stehendes Zweifamilienhaus und erhielt als Unterkunftsleistungen einen Betrag von 341,78 Euro monatlich. Die Tochter des Klägers lebte zunächst in K. bei ihrer Mutter. Die Eltern hatten ein gemeinsames Sorgerecht. Alle 14 Tage von Freitag bis Sonntag übte der Kläger sein Umgangsrecht aus. In den Sommerferien verbrachte die Tochter drei Wochen bei ihm. Er holte das zehn- bzw elfjährige Kind an den Besuchswochenenden und zu Ferienbeginn mit dem eigenen Pkw in K. ab und brachte sie sonntags bzw am Ferienende wieder dorthin zurück. Die Mutter lehnte es ab, dass die Tochter die Bahnfahrt von K. nach D. und zurück allein unternehme. Am 9.11.2010 teilte der Kläger dem Beklagten ua mit, an welchen Tagen sich die Tochter seit dem 1.6.2010 bei ihm aufgehalten hatte und dass sie seit dem 8.10.2010 bei ihm lebe. Ferner machte er die Erstattung der ihm durch die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts entstandenen Aufwendungen geltend. Durch Bescheid vom 10.3.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Fahrtkostenerstattung in Höhe von 135,60 Euro. Dabei ging er von insgesamt zurückgelegten 3151 km aus, dividierte diese Summe durch zwei und multiplizierte sie mit 0,20. Von dem sich hieraus ergebenden Betrag von 315,20 Euro brachte er 10 % von der Regelleistung, die er dem Kläger für fünf Monate (Juni bis Oktober 2010) gewährt hatte (5 x 359 = 1795 Euro - hiervon 10 % = 179,50 Euro), in Abzug. Insoweit bestünden Einsparmöglichkeiten durch Umschichtung innerhalb der Regelleistung. Den Widerspruch wies er - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage durch den Kläger beim SG Augsburg - mit derselben Begründung zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2011).

3

Der Kläger hat nunmehr einen Anfechtungs- und Leistungsantrag gestellt und eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 0,30 Euro für insgesamt zurückgelegte 3151 km begehrt. Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger weitere 179,50 Euro mit der Begründung zugesprochen, dass die von dem Beklagten in dieser Höhe vorgenommene Berücksichtigung einer Einsparung rechtswidrig sei (Gesamtleistung: 179,50 Euro + 135,60 Euro = 315,10 Euro). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.1.2012).

4

Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, 17 mal eine Wegstrecke von 272 km zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem Pkw zwischen D. und K. zurückgelegt zu haben. Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihm nicht zumutbar gewesen, denn die Gesamtfahrtzeit betrage dann 5 Stunden, während er mit dem Pkw lediglich drei Stunden benötigt habe. Das LSG hat der Berufung insoweit stattgegeben, als es dem Kläger Leistungen von 80 Euro für den Monat Juni 2010, 100 Euro für den Monat Juli 2010, 40 Euro für den Monat August 2010 sowie jeweils 60 Euro für die Monate September 2010 und Oktober 2010 (insgesamt 340 Euro) abzüglich bereits erbrachter und vom SG ausgeurteilter Leistungen zugesprochen hat. Im Übrigen hat es die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kläger zwar einen Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II habe. Insoweit sei jedoch nur der unabweisbare Bedarf zu decken und seien Einsparmöglichkeiten zu nutzen. Unabweisbar sei der Bedarf lediglich in Höhe der Aufwendungen für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dem günstigsten Preis, hier mit dem "Bayern-Ticket" 2. Klasse zu einem Preis pro Fahrkarte von 20 Euro. Das LSG hat festgestellt, dass im streitigen Zeitraum die Fahrt zwischen D. und K. mit öffentlichen Verkehrsmitteln 2 bis 2 1/2 Stunden gedauert habe, mit einem Zwischenaufenthalt in U. von 45 bis zu 60 Minuten. Für die sonntägliche Fahrt von D. nach K. hätten zwei Anschlüsse (Abfahrt 13:25 Uhr bzw 17:25 Uhr) mit kurzem Zwischenaufenthalt und jeweils einer Gesamtfahrdauer von 1 Stunde und 47 Minuten bestanden. Die Mutter habe 17 "Fahrtage" zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 bestätigt. Die Nutzung der Bahn sei dem Kläger auch trotz der im Vergleich längeren Fahrtzeit als mit einem Pkw zumutbar. Eine Einschränkung des Umgangsrechts folge hieraus nicht, denn bei den gemeinsamen Fahrten mit der Tochter habe er dieses bereits ausüben können. Weitere Einsparmöglichkeiten seien nicht ersichtlich, insbesondere keine solchen aus dem in der Regelleistung vorgesehenen Ansatz für Mobilitätsbedarf.

5

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 6 SGB II sowie eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn er auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werde. Die Entscheidung des LSG stelle zugleich eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung dar. Er begehrt einen Betrag von 1072,10 Euro, der sich aus 0,30 Euro x 4624 gefahrenen Kilometern errechnet (1387,20 Euro), abzüglich der bereits vom Beklagten erbrachten 315,10 Euro.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 10.7.2013 und des SG Augsburg vom 17.1.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010 weitere 1072,10 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend führt er aus, dass keine unbeschränkte Sozialisierung der Scheidungsfolgekosten durch Leistungen der Grundsicherung zu erfolgen brauche. Es sei dem Kläger zuzumuten, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen, auch wenn diese länger dauerten als solche mit einem Pkw. Es gehe insoweit nicht um zeitsparendes und möglichst komfortables Reisen. Eine Einschränkung des Umgangsrechts sei damit nicht verbunden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Entscheidungen von SG und Beklagtem insoweit zutreffend geändert, als es die Höhe des Mehrbedarfs des Klägers, der ihm durch die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter zwischen dem 4.6. und dem 8.10.2010 entstanden ist, mit 340 Euro beziffert hat. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die von ihm begehrten, über den zugesprochenen Betrag von 340 Euro hinausgehenden Leistungen (weitere 1047,20 Euro).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit der Tochter im Zeitraum vom 4.6. bis 8.10.2010. Der Beklagte hatte ihm eine Regelleistung und ab Mitte Oktober 2010 einen Mehrbedarf für Alleinerziehung durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.5.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.1.2011 für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 bewilligt und den die Regelleistung erhöhenden Härtemehrbedarf durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 mit 135,60 Euro beziffert. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als nach der ausdrücklichen Erklärung des Klägers Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; s auch Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - RdNr 12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die weiteren Regelungen in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können jedoch nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11). Dies gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9 ff; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 12). Daher stellt der Anspruch auf eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12).

11

2. Zutreffende Klageart ist hier die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage. Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Teilaufhebung des die Fahrtkosten bewilligenden Bescheides vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011. Die Verpflichtungsklage ist auf die Änderung des im Zeitpunkt der Mitteilung des Klägers vom 9.10.2010 bereits bestandskräftigen Ausgangsbescheides vom 31.5.2010 in der Fassung des Bescheides vom 25.1.2011 gerichtet. Diese Bescheide sind auf der Grundlage des § 44 SGB X zu überprüfen(vgl dazu BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 10; s auch Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 13). Der die laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligende Bescheid vom 31.5.2010 ist nach dem klägerischen Begehren insoweit rechtswidrig iS des § 44 SGB X, als die Leistung von Beginn des Bewilligungsabschnitts an um den Härtemehrbedarf für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts hätte höher sein müssen. Mit der Leistungsklage beantragt der Kläger die Erbringung einer Leistung für höheren Regelbedarf über den von dem Beklagten bewilligten Betrag hinaus.

12

3. Vorliegend sind durch den Bescheid vom 31.5.2010 iS von § 44 Abs 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So liegt der Fall hier.

13

Der Kläger erfüllte nach den Feststellungen des LSG in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er hatte wegen seiner Hilfebedürftigkeit im Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2010 Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro gemäß § 20 Abs 2 S 1 SGB II(idF des Gesetzes über die Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) sowie ab dem 15.10.2010 auf Leistungen für einen Mehrbedarf durch Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), wie durch Änderungsbescheid vom 25.1.2011 bewilligt. Daneben stand ihm - ohne dass es eines gesonderten Antrags insoweit bedurft hätte (vgl nur BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN) -ein Anspruch auf Leistungen für Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter nach § 21 Abs 6 SGB II zu.

14

Die Voraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II liegen hier dem Grunde nach vor. Zum Zeitpunkt des ersten geltend gemachten Bedarfs für eine Fahrt am 4.6.2010 kann der Kläger sein Begehren bereits auf diese Vorschrift stützen. Sie ist mit dem Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010 durch dessen Art 3a Nr 2 Buchst b mit Wirkung vom 3.6.2010 in § 21 SGB II eingefügt worden(BGBl I 671). Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2).

15

a) Bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts handelt es sich um einen besonderen Bedarf. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 4.6.2014 (B 14 AS 30/13 R - RdNr 20 - zur Veröffentlichung vorgesehen) in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b. Senats vom 7.11.2006 (B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22)an.

16

Ein besonderer Bedarf im Einzelfall ist dann gegeben, wenn die Bedarfslage eine andere ist, als die, die bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen vorliegt. Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (vgl auch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 75, Stand V/2011). Dies ist bei den Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts ungeachtet der Tatsache, dass im Regelbedarf ein Anteil für Fahrtkosten enthalten ist, der Fall. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12)und bei der Einfügung des § 21 Abs 6 SGB II im Mai 2010 ua speziell die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern als Anwendungsfall der Härtefallklausel im Blick hatte(BT-Drucks 17/1465, S 9), betrifft der Bedarf hier nicht nur die üblichen Fahrten im Alltag, sondern eine spezielle Situation bei der Aufrechterhaltung des Umgangs mit einem Kind. Diese Situation ist mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden, wenn die Wohnorte aufgrund der Trennung der Eltern weiter entfernt voneinander liegen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 97, 102; s auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 83, Stand V/2011). So liegt der Fall auch hier, denn der Kläger hatte seinen Wohnort rund 140 km entfernt von dem der Mutter, bei der das Kind lebte.

17

b) Der Bedarf war im vorliegenden Bewilligungsabschnitt auch ein laufender, nicht nur einmaliger. Dabei kann offen bleiben, ob ein Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II nur dann ein laufender ist, wenn er prognostisch dauerhaft, regelmäßig und längerfristig entstehen wird(zu diesen Anforderungen s BSG im Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl hierzu kritisch Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 80; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 74, Stand V/2011; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 f). Der Senat neigt dazu, die Reduzierung des Begriffs "laufender Bedarf" auf diesen Inhalt als nicht durch den Wortlaut des § 21 Abs 6 S 1 SGB II geboten zu bewerten. Es ist vielmehr im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des laufenden Bedarfs in Abgrenzung zum einmaligen Bedarf eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu treffen. Dabei können Umschreibungen wie dauerhaft, regelmäßig oder längerfristig sowie eine prognostische Betrachtung nur Anhaltspunkte dafür sein, ob es sich um einen "laufenden Bedarf" handelt. Im vorliegenden Fall war jedoch nur über Leistungen bis zum Zuzug des Kindes zum Kläger zu befinden, sodass ungeprüft bleiben konnte, ob der Bedarf auch in Zukunft entstehen oder ggf entfallen wird, etwa weil im Hinblick auf das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes es nicht mehr erforderlich sein wird, das Kind abzuholen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 73). Im streitigen Bewilligungsabschnitt ist der besondere Bedarf durch die regelmäßige Ausübung des Umgangsrechts - hier alle zwei Wochen an einem Wochenende von Freitag bis Sonntag im Zeitraum von Juni bis Oktober - laufend entstanden. Die Mutter des Kindes hatte in dieser Zeit ihre Zustimmung dazu verweigert, das zehn- bzw elfjährige Kind die Zugfahrt alleine unternehmen zu lassen (vgl zur Maßgeblichkeit von Entscheidungen der Familiengerichte bzw von Vereinbarungen zum Umfang des Umgangsrechts Behrend, jM 2014, 22, 27 f).

18

c) Ebenso ist der Bedarf unabweisbar. Nach § 21 Abs 6 S 2 SGB II ist der Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Wenn der Kläger das verfassungsrechtlich geschützte Umgangsrecht mit seinem Kind ausüben möchte, ist das Entstehen des Bedarfs durch Fahrtkosten dem Grunde nach unabweisbar. Der Bedarf ist auch erheblich (aa) und kann nicht durch Zuwendungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Klägers gedeckt werden (bb). Allerdings ist der anzuerkennende Bedarf der Höhe nach niedriger als vom Kläger geltend gemacht. Insoweit sind Einsparmöglichkeiten zu berücksichtigen (cc).

19

aa) Die Erheblichkeit des hier geltend gemachten Bedarfs steht außer Zweifel. Der erkennende Senat folgt dem 14. Senat des BSG, wenn er als erheblich einen atypischen Bedarf erkennt, der von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen, unter Verweis auf BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 28). Zutreffend weist er darauf hin, dass Anknüpfungspunkt insoweit letztlich die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) und damit die Frage ist, ob das menschenwürdige Existenzminimum trotz Mehraufwendungen noch gewährleistet werden kann oder über die Regelleistung hinausgehende Leistungen dazu erforderlich sind (vgl BT-Drucks 17/1465, S 8). Im vorliegenden Fall ist eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf sowohl im Hinblick auf die Regelleistung von damals 359 Euro insgesamt, aber auch den in der damaligen Regelleistung enthaltenen Betrag für Fahrtkosten von rund 20 Euro zu bejahen.

20

bb) Eine Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter ist nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht erfolgt. Auch sind nach dessen Feststellungen keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Realisierung unterhaltsrechtlicher Ansprüche gegen die Mutter des Kindes vorhanden (vgl zur "ersten objektiv rechtlich möglichen Umsetzung einer Änderung": BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 7/10 R - BSGE 107, 97 = SozR 4-4200 § 11 Nr 34, RdNr 29 ff; vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, juris RdNr 23; Behrend jM 2014, 22, 27 f). Der Senat folgt auch insoweit dem 14. Senat, wenn dieser darauf verweist, dass die im Grundsatz gegebene Einsparmöglichkeit durch "Umschichtung", also einer Präferenzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BT-Drucks 17/1465, S 6 und 8), bei Bedarfen durch Fahrtkosten für die Ausübung des Umgangsrechts ausscheidet. Dieser Gedanke kommt nur bei Bedarfen, die dem Grunde nach vom Regelbedarf umfasst sind, zum Tragen. Dies ist aber gerade hinsichtlich des hier im Streit stehenden Mehrbedarfs nicht der Fall (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - juris RdNr 25 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ebenso wenig ist der Kläger auf den Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen (§ 12 Abs 2 Nr 4 SGB II) als Einsparmöglichkeit zu verweisen. Dieser dient nur dazu, einmalige Bedarfe abzufangen. Müsste dieser Ansparbetrag für laufende Aufwendungen abgezweigt werden, stünde er gerade als Ansparbetrag für notwendige Anschaffungen nicht mehr zur Verfügung. Auch das Bestreiten des Bedarfs durch ein Darlehen (§ 24 Abs 1 SGB II) ist ausgeschlossen, denn insofern ist aufgrund der Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 - BVerfGE 125, 175, 255 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 208; s auch BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - RdNr 121) davon auszugehen, dass nur einmalig auftretende "Bedarfsspitzen" über die Darlehensregelung erfasst werden können, sodass dies kein denkbarer Weg ist, um die laufend auftretenden Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts abzufangen.

21

cc) Allerdings versteht der erkennende Senat das Merkmal der "Einsparmöglichkeit" des § 21 Abs 6 SGB II so, dass auch bei einem dem Grunde nach unabweisbaren Bedarf die Höhe der hierfür gewährten Leistungen unter Berücksichtigung realistischer Einsparmöglichkeiten zu bemessen ist. Bei der Bestimmung der grundsicherungsrechtlich gebotenen Einsparmöglichkeit hinsichtlich der Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechts ist Ausgangspunkt die verfassungsrechtliche Absicherung dieses Rechts durch Art 6 Abs 2 GG. Eine Einschränkung der Kosten des Umgangsrechts allein aus fiskalischen Gründen scheidet daher aus. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls (Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist - auch sozialhilferechtlich - eine Leistung für die Wahrnehmung des Umgangsrechts geboten, die dem Elternrecht beider Elternteile Rechnung trägt und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles dem Wohl des Kindes entspricht (BVerfG Beschluss vom 25.10.1994 - 1 BvR 1197/93 - juris RdNr 25). Mit dem BVerwG ist daher eine individualisierende Betrachtung, die alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände würdigt, verfassungsrechtlich geboten. Es sind demnach das Alter, die Entwicklung und die Zahl der Kinder, die Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten, die Einstellung des anderen Elternteils zum Umgangsrecht, insbesondere das Vorliegen und der Inhalt einverständlicher Regelungen, die Entfernung der jeweiligen Wohnorte beider Elternteile und die Art der Verkehrsverbindungen in den Blick zu nehmen (BVerwG Urteil vom 22.8.1995 - 5 C 15/94 - juris RdNr 12; vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21, RdNr 86, Stand V/2011).

22

Daneben ist zu berücksichtigen, dass Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung tragen, wonach die menschenwürdige Existenz gefährdet ist, wenn in bestimmten Situationen der Leistungsberechtigte allein auf die Regelleistung verwiesen wird und damit nicht in der Lage sein könnte, einen weiteren anerkannten, zwingenden Bedarf zu decken(vgl auch BT-Drucks 17/1465, S 8; BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207 f).

23

Im Rahmen dieser Vorgaben sind andererseits bei der Beurteilung der "Einsparmöglichkeiten" sowohl die dem System des SGB II immanente Subsidiarität der Leistungserbringung nach § 5 Abs 1 S 1 SGB II(BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 21),als auch die aus § 3 Abs 3 1. Halbs SGB II folgende Beschränkung auf eine Leistungserbringung nur für den Fall, dass die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, zu berücksichtigen. So hat der erkennende Senat bereits befunden, dass die getätigten Ausgaben iS eines durch Grundsicherungsleistungen zu deckenden Bedarfs aus Sicht eines verständigen Leistungsberechtigten nicht offenkundig außer Verhältnis zu dem stehen dürfen, was einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 5, RdNr 22). Der darüber hinausgehende Bedarf ist nicht mehr der Höhe nach unabweisbar. Hieraus folgt: Die Aufwendungen für die Kosten des Umgangsrechts müssen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen im Sinne des Grundsicherungsrechts sein; der Leistungsberechtigte muss also die kostengünstigste und gleichwohl im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts verhältnismäßige sowie zumutbare Variante zur Bedarfsdeckung wählen bzw hat nur Anspruch auf Leistungen in deren Höhe. Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger hier keinen grundsicherungsrechtlich zu deckenden Bedarf, der über einen solchen hinaus geht, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würde und den das LSG zutreffend nur insoweit als unabweisbar zugrunde gelegt hat.

24

Der Kläger macht einen Bedarf geltend, der bedingt durch die Nutzung eines Pkw - folgt man seinen Berechnungen - über 1000 Euro höher ist, als der, der durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstanden wäre. Folgt man den Ausführungen des 14. Senats des BSG in seiner aktuellen Entscheidung zum Bedarf für die Ausübung des Umgangsrecht (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 28 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und legt der Berechnung eine Kilometerpauschale von 0,20 Euro iS von § 5 Abs 1 BRKG zugrunde, so wäre der Bedarf des Klägers durch die Fahrt mit dem Pkw immer noch 584,80 Euro höher als der aufgrund der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel(4624 km x 0,20 = 924,80 - 340 = 584,80 Euro). Zwar weist der 14. Senat insoweit darauf hin, dass es sich nicht um hypothetische Einsparungsmöglichkeiten handeln dürfe (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Jedoch hat das LSG nach eingehenden Ermittlungen festgestellt, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, unter Nutzung des Bayern-Tickets die Fahrtkosten pro Abholfahrt auf 20 Euro zu senken. Für den gesamten hier streitigen Zeitraum ergäbe sich dann ein Gesamtbedarf von 340 Euro.

25

Der Verweis auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist hier auch weder unverhältnismäßig, noch wird der Kläger dadurch unzumutbar in seinem verfassungsrechtlich abgesicherten Umgangsrecht beeinträchtigt. Der Kläger hatte alle 14 Tage ein Umgangsrecht mit seiner im hier streitigen Zeitraum zehn bzw elf Jahre alten Tochter, das sich über 2 1/2 Tage erstreckte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)betrug die maximale Fahrtzeit für eine Fahrtstrecke mit der Bahn jeweils rund 2 bis 2 1/2 Stunden, während mit dem Pkw ca 1 1/2 Stunden von Nöten waren.

26

Der Kläger gelangt mit der Bahn ebenso wie mit dem Auto an sein Ziel. Beide Reisemöglichkeiten sind daher grundsätzlich "gleich gut" im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, das Umgangsrecht auszuüben. Die Aufwendungen für die Bahnfahrt sind jedoch um den 2,8-fachen oder, legt man das BRKG zugrunde, um den 1,5-fachen monatlichen Regelbedarf niedriger als die für die Fahrt mit dem Pkw. Im Hinblick auf die Orientierung der Leistungshöhe an der Deckung nur einfacher und grundlegender Bedürfnisse kann daher eine Kostensenkung bei gleichen Ausgangsbedingungen vom Leistungsberechtigten gefordert werden. Die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verbundene Verlängerung der Fahrtzeit um eine Stunde pro Fahrtstrecke ist im Hinblick auf die Preisdifferenz zwischen den vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Nutzung des Pkw und dem Preis für ein Bahnticket nicht unangemessen.

27

Anders als in dem vom 14. Senat zu entscheidenden Fall wäre das Umgangsrecht des Klägers auch nicht unzumutbar durch die Verlängerung der Fahrtzeit beeinträchtigt worden. Im Fall des 14. Senats wäre durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwar auch eine zusätzliche Fahrtzeit entstanden. Die Verlängerung der Fahrtzeit hätte jedoch das ohnehin nur fünf Stunden dauernde Umgangsrecht des dortigen Klägers mit dem damals vierjährigen Kind um eine weitere Stunde verkürzt (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - RdNr 24 - zur Veröffentlichung vorgesehen) und damit in nicht hinzunehmendem Maße beschränkt. Vorliegend wäre das mindestens 48 Stunden dauernde Umgangsrecht durch die Fahrtzeitverlängerung nur unerheblich eingeschränkt worden. Soweit es die Fahrtzeiten mit der Tochter des Klägers betrifft, konnte während der Bahnfahrt, anders als je nach den Umständen des Falles bei einem vierjährigen Kind, das Umgangsrecht durch Unterhaltung und Beschäftigung mit dem Kind bereits ausgeübt werden. Soweit es die Fahrten betrifft, die der Kläger auf dem Hin- und Rückweg jeweils alleine zurückgelegt hat, ist die Verlängerung der Fahrtzeit um je eine Stunde ebenfalls nicht unzumutbar. Es sind nach den Feststellungen des LSG keine Gründe ersichtlich, die für den Kläger eine zwingende Verkürzung erforderlich gemacht hätten, etwa, weil er aufgrund einer Erwerbstätigkeit erst zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte starten oder früher wieder zurück sein müssen.

28

4. Durch die Beschränkung der Mehrbedarfsleistung in dem zuvor dargelegten Umfang wird der Kläger auch nicht in seinem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Gleichbehandlung oder in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Im Hinblick auf die klägerische Rüge der Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG ist bereits nicht erkennbar, gegenüber welcher Gruppe von Normadressaten er durch die Bewilligung von Leistungen zur Wahrnehmung des Umgangsrechts in Höhe der Kosten für ein Bahnticket ungleich behandelt werden könnte. Hierdurch wird auch weder das Persönlichkeitsrecht des Klägers, noch dessen Handlungsfreiheit iS des Art 2 Abs 1 GG beeinträchtigt. Die Bewilligung staatlicher Leistungen tangiert nicht dessen abwehrrechtliche Dimension (BVerfG Beschluss vom 29.5.2013 - 1 BvR 1083/09 - RdNr 10). Maßstab ist hier vielmehr das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, für dessen Ausgestaltung aus grundrechtlicher Sicht allein Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG maßgeblich ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II ist jedoch gerade Ausfluss dessen auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207).

29

5. Der Tenor war klarstellend neu zu fassen, da das LSG den Verpflichtungsantrag des Klägers nicht tenoriert hat, obwohl es ebenfalls davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Bescheid vom 10.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2011 um einen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 31.5.2010 ändernden Bescheid handelt.

30

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 13. März 2014 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Monat Dezember 2008, insbesondere unter Berücksichtigung einer um weitere Absetzbeträge verringerten Einkommenssteuererstattung als Einkommen.

2

Die Kläger, die miteinander verheiratet sind, bezogen seit 2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im streitgegenständlichen Zeitraum entstanden ihnen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 419,22 Euro. Sie erhielten - steuerlich gemeinsam veranlagt - im Juli 2008 eine Einkommensteuererstattung für das Jahr 2007 in Höhe von 1975,03 Euro (Steuerbescheid vom 11.7.2008). Das zu versteuernde Einkommen beruhte auf Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit im Jahre 2007. Die Klägerin erzielte in diesem Jahr keine Einkünfte. Der Beklagte verteilte den Erstattungsbetrag als einmalige Einnahme des Klägers auf sechs Monate und berücksichtigte beginnend im August 2008 zunächst bis November 2008 (Ablauf des Bewilligungszeitraums) einen Betrag von monatlich 329,17 Euro als "sonstiges Einkommen".

3

Dies setzte er auch im Bewilligungszeitraum ab dem 1.12.2008 bis 31.1.2009 fort. Für Dezember 2008 errechnete er ausgehend von einem Gesamtbedarf beider Kläger von 1039,26 Euro (Regelleistungen jeweils 316 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung von 407,26 Euro, ermittelt aus den tatsächlichen Kosten abzüglich einer Pauschale für die Warmwasseraufbereitung von 5,98 Euro pro Person) unter Berücksichtigung von Einkommen des Klägers in Höhe von 941,17 Euro, bestehend aus Alg in Höhe von 642 Euro sowie einem monatlichen Anteil der Einkommensteuererstattung in Höhe von 329,17 Euro, abzüglich einer Versicherungspauschale von 30 Euro, einen Leistungsbetrag in Höhe von 49,04 bzw 49,05 Euro (Bescheid vom 21.11.2008).

4

Im Widerspruchsverfahren erhöhte der Beklagte den Leistungsbetrag unter Absetzung des Beitrags für eine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 25,89 Euro auf jeweils 61,99 Euro (Änderungsbescheid vom 28.8.2009). Darüber hinaus blieb der Widerspruch erfolglos. Die Steuererstattung stehe auch bei gemeinsamer Veranlagung der Eheleute nach den steuerlichen Vorschriften allein demjenigen zu, von dessen Einkommen die Steuern entrichtet worden seien, also hier dem Kläger. Die Versicherungspauschale könne daher auch nicht zweimal in Abzug gebracht werden. Ebenso wenig sei der Erwerbstätigenfreibetrag abzusetzen, denn es handele sich bei der Einkommenssteuererstattung nicht um Erwerbseinkommen (Widerspruchsbescheid vom 2.9.2009).

5

Dem Begehren der Kläger, ihnen für den Monat Dezember 2008 um jeweils 65,01 Euro höhere Leistungen zu gewähren, hat das SG in Höhe von jeweils weiteren 11,01 Euro stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (Urteil vom 16.2.2011). Die Steuererstattung sei jeweils zur Hälfte Einkommen der Kläger, sodass auch bei der Klägerin die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro abzusetzen sei. Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags komme hingegen nicht in Betracht. Zudem seien Heizkosten nach dem Heizkostenspiegel lediglich in Höhe von 73 Euro angemessen und - nach Abzug einer Warmwasserpauschale - in Höhe von nur 61,80 Euro statt 81,68 Euro zu berücksichtigen.

6

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG "abgeändert" und den Klägern unter Abänderung der angefochtenen Bescheide für Dezember 2008 lediglich weitere Leistungen in Höhe von jeweils 0,28 Euro anstatt der vom SG zuerkannten 11,01 Euro zugesprochen. Die weitergehende Berufung des Beklagten hat es ebenso wie die Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen. Bei der Ermittlung der Kosten der Unterkunft und Heizung sei der Abzugsbetrag für die Warmwasserbereitung um 0,28 Euro pro Person zu hoch bemessen. Nur insoweit seien die Bescheide zu ändern und die Berufung des Beklagten unbegründet. Eine Aufteilung der Steuererstattung als berücksichtigungsfähiges Einkommen auf beide Ehepartner sei indes nicht vorzunehmen, weil das der Steuererstattung zugrundeliegende Guthaben ausschließlich auf Vorausleistungen des Klägers beruhe. Diese vom "Kopfteilprinzip" abweichende Zuordnung sei steuer- und familienrechtlich anerkannt. Nach sozialrechtlichen Grundsätzen gelte nichts anderes. Der Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro für die Beiträge zu privaten Versicherungen könne daher auch nur bei dem Kläger berücksichtigt werden. Ein Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags von der Steuererstattung komme, wie vom SG zutreffend erkannt, nicht in Betracht, da es sich bei der Steuererstattung nicht um Einkünfte aus Erwerbstätigkeit handele (Urteil vom 13.3.2014).

7

Mit der vom LSG zugelassen Revision machen die Kläger ihren abgewiesenen Anspruch weiterhin geltend und begehren für Dezember 2008 höhere Leistungen von 64,73 Euro pro Person. Sie rügen sinngemäß eine Verletzung von § 11 SGB II und § 30 SGB II in der im Dezember 2008 geltenden Fassung. Von der Steuererstattung sei in einem ersten Schritt der Erwerbstätigenfreibetrag des § 30 SGB II aF abzuziehen. Auch ein Freibetrag von 100 Euro gemäß § 11 Abs 2 S 1 SGB II sei zu berücksichtigen. Die Erstattung sei dann in einem zweiten Schritt auf beide Kläger je zu 1/2 aufzuteilen, da sie als Gesamtgläubiger einen Anspruch auf eventuelle Rückzahlungen hätten. Nach der erfolgten Aufteilung sei dann bei beiden Klägern die Versicherungspauschale von 30 Euro in Abzug zu bringen.

8

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts am 13. März 2014 und des Sozial-gerichts Dresden vom 16. Februar 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21. November 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. August 2009, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2009 zu ändern und ihnen für Dezember 2008 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von jeweils 64,73 Euro zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung über den vom LSG zuerkannten Betrag hinaus. Zu Recht hat das LSG die Einkommensteuererstattung als Einkommen alleine des Klägers bewertet und außer der Versicherungspauschale und dem monatlichen Beitrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung keine weiteren Absetzungen, insbesondere keine Absetzungen von Freibeträgen wegen Erwerbstätigkeit, vorgenommen.

12

1. Streitgegenstand des Rechtstreits sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Dezember 2008 in Höhe von 64,73 Euro pro Person, über die Beträge hinaus, die von dem Beklagten durch Bescheid vom 21.11.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.8.2009, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.2009 bewilligt bzw durch das Urteil des LSG zuerkannt worden sind. Ihr Begehren verfolgen die Kläger zulässigerweise mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 iVm § 54 Abs 4 SGG).

13

2. Die Kläger haben gemäß § 19 iVm § 7 SGB II nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum. Nach § 19 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung vor Arbeitsuchende vom 20.7.2006 ) iVm § 7 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 ) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Der durch Leistungen zur Grundsicherung zu deckende Hilfebedarf der Kläger iS des § 9 SGB II geht jedoch nicht über den vom LSG festgestellten Umfang hinaus. Nach § 9 Abs 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 ) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ua nicht aus zu berücksichtigendem Einkommen decken kann. Bei Personen, die - wie hier die Kläger - in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs 2 S 1 SGB II). Dem Bedarf der Kläger nach § 20 Abs 1 SGB II (idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des SGB II vom 10.10.2007 ) und § 22 Abs 1 S 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 ) sind dementsprechend das Einkommen des Klägers in Gestalt des Alg und die auf monatliche Beträge aufgeteilte, im Juli 2008 zugeflossene Einkommenssteuererstattung gegenüberzustellen.

14

3. Der konkrete Bedarf der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich aus den Regelleistungen gemäß § 20 SGB II in Höhe von je 316 Euro pro Person und den nach § 22 Abs 1 SGB II zu übernehmenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 407,82 Euro (pro Kopf 203,91 Euro). Als Kosten der Unterkunft und Heizung ist der von den Klägern nach den Feststellungen des LSG tatsächlich aufgewandte Betrag von 419,22 Euro unter Abzug einer Pauschale für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 5,70 Euro pro Person (vgl dazu BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R, BSGE 100, 94 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R, BSGE 104, 179 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 28 ff) zu berücksichtigen.

15

4. Dem sich daraus ergebenden Gesamtbedarf von 519,91 Euro pro Person war allein Einkommen des Klägers in Höhe von insgesamt 915,28 Euro gegenüberzustellen (dazu a). Einkommen der Klägerin war nicht zu berücksichtigen. Diese übte im Dezember 2008 zwar bereits im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme eine Tätigkeit aus, doch erhielt sie Bezüge erst ab dem Folgemonat. Eine teilweise Berücksichtigung der Steuererstattung als Einkommen der Klägerin mit der Folge der einkommensmindernden Absetzung einer Versicherungspauschale iS von § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V(in der hier anwendbaren Fassung vom 17.12.2007 - BGBl I 2942) auch bei der Klägerin, kommt hingegen nicht in Betracht (dazu b).

16

a) Das anzurechnende Einkommen der Klägers setzt sich zusammen aus dem von ihm im Dezember 2008 bezogenen Alg II in Höhe von 642 Euro sowie dem monatlichen Anteil von 329,17 Euro der im Juli 2008 in Höhe von 1975,03 Euro erstatteten Steuern im Rahmen des sechsmonatigen Verteilzeitraums.

17

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Steuererstattung, auch wenn sie - wie hier - in dem Bedarfszeitraum zugeflossen ist, der dem streitigen Bewilligungsabschnitt unmittelbar voranging (Juli 2008), im Hinblick auf den laufenden, nicht unterbrochenen Leistungsbezug berücksichtigungsfähiges Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 ; vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R, RdNr 10; BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R, RdNr 12; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R, RdNr 23). Zutreffend geht das LSG auch davon aus, dass die Steuererstattung aufgrund ihrer Höhe von 1975,03 Euro nach § 2 Abs 4 S 1 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme, beginnend ab dem auf den Monat des Zuflusses folgenden Monat, also ab August 2008, in Höhe von monatlich 329,17 Euro zu verteilen war. Anhaltspunkte dafür, dass die auf sechs Monate erfolgte gleichmäßige Verteilung nicht angemessen im Sinne von § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V war, bestehen nicht(vgl dazu BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R, RdNr 16; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R, BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 23).

18

Das Einkommen des Klägers war um die Versicherungspauschale von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V idF vom 17.12.2007 ) sowie nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB II um den tatsächlich aufgewandten Beitrag für eine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 25,89 Euro zu bereinigen, sodass sich insgesamt ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 915,28 Euro ergab.

19

Demgegenüber liegen weder die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Erwerbstätigenpauschale von 100 Euro gemäß § 11 Abs 2 S 2 SGB II vor, noch ist der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II(idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.8.2005 ; seit 1.4.2011 § 11b Abs 3 SGB II) abzusetzen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschriften, der Gesetzesbegründung sowie deren Sinn und Zweck.

20

Bereits der Wortlaut der Vorschriften spricht gegen den Abzug der Erwerbstätigenpauschale oder des Erwerbstätigenfreibetrags von der Einkommenssteuererstattung. Sowohl der Absetz- als auch der Freibetrag werden nur Hilfebedürftigen eingeräumt, die erwerbstätig sind. Der Kläger war im Monat Dezember 2008 nicht erwerbstätig, sondern arbeitslos. Die Einräumung des Absetz- und Freibetrags von der Einkommensteuererstattung widerspräche auch der gesetzgeberischen Intention.

21

Nach der Begründung zum Freibetragsneuregelungsgesetz sollte es Ziel der Freibetragsregelungen sein, Hilfebedürftigen stärkere Anreize als bislang zur Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bieten, damit diese mittelfristig aus eigenen Kräften und möglichst ohne Unterstützung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (BT-Drucks 15/5446, S 1). Diese Zielsetzung geht bei einer einmaligen Einnahme in der Gestalt der Einkommenssteuererstattung jedoch ins Leere. Die Erwerbstätigenpauschale nach § 11 Abs 2 S 2 SGB II bewirkt, dass die ansonsten nur auf Nachweis absetzbaren Aufwendungen nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II (Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Aufwendungen) ohne Nachweis pauschal abgegolten werden. In dieser pauschalen Freistellung von Erwerbseinkommen liegt die beschriebene Anreizfunktion (vgl BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 19; BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 49/13 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 66 RdNr 22). Mangels Erwerbstätigkeit des Klägers konnten diesem Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum aber schon gar nicht entstehen. Mit der Erzielung einer Einkommenssteuererstattung sind solche Mehraufwendungen nicht verbunden (vgl zum Kindergeld auch BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 49/13 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 66 RdNr 18 ff).

22

Soweit auch von anderen Einkommensarten Absetzungen vor ihrer Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II vorzunehmen sind, ist der Beklagte dem nachgekommen. So hat er zutreffend einen Betrag für eine Versicherungspauschale von 30 Euro, die grundsätzlich unabhängig von der Einkommensart in Abzug zu bringen ist, unberücksichtigt gelassen. Darüber hinaus sieht das Gesetz keine weitere pauschalierte Absetzung vom Einkommen, das nicht Erwerbseinkommen ist, vor. Lediglich Beiträge zu einer Versicherung auf der Grundlage des § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB II - allerdings in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, wie hier für die Kfz-Haftpflichtversicherung - sind ebenfalls vom "Nichterwerbseinkommen" abzugsfähig(BSG Urteil vom 5.6.2014, B 4 AS 49/13 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 66 RdNr 19 ff).

23

Eine Absetzung des Freibetrags nach § 30 SGB II von der Einkommenssteuererstattung würde ebenfalls dessen Sinn und Zweck zuwiderlaufen. Zweck des Freibetrages nach § 30 SGB II ist es, anders als bei den Absetzungen nach § 11 Abs 2 SGB II, nicht nur Ausgleich für tatsächliche Aufwendungen zu schaffen, sondern die Aufnahme und Beibehaltung einer konkreten Erwerbstätigkeit - auch wenn diese nicht bedarfsdeckend ist - zu fördern, um Hilfebedürftigkeit iS des § 2 Abs 1 S 1 SGB II zumindest zu verringern(vgl BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 18)und nicht, worauf das Vorbringen der Revisionsführer hinausläuft, eine unspezifische "Belohnung" für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu gewähren. Anreize für die Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit vermag eine Steuererstattung jedoch schon deshalb nicht zu bieten, weil es an einem Bezug zu einer aktuell ausgeübten Erwerbstätigkeit (vgl zu diesem Erfordernis BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 17) fehlt. Eine Steuererstattung beruht allenfalls auf einer - unter Umständen sogar länger zurückliegenden - früheren Erwerbstätigkeit.

24

Die Entstehung eines Anspruchs auf eine Steuererstattung ist im Übrigen von Umständen abhängig, die keinen Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit aufweisen. Zu diesen Umständen zählen - jedenfalls bei Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit - die im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen stehende Wahl der Steuerklasse und die Eintragung von Steuerfreibeträgen. Wenn zugleich Leistungen nach dem SGB II bezogen werden, ist diese Entscheidung über die Steuerklasse und die Eintragung eines Steuerfreibetrags auch leistungsrechtlich von Bedeutung. Sie beeinflussen die Höhe des "Nettoeinkommens" und damit unmittelbar die Höhe der ggf aufstockenden Leistungen. Ebenso lag der Fall hier. Die Kläger standen nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)seit 2005 ununterbrochen im Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Kläger hat mithin durch die Wahl der Steuerklasse IV und den Verzicht auf die Eintragung eines Steuerfreibetrages sein "Nettoeinkommen" gesenkt und im Gegenzug höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - im Übrigen unter Berücksichtigung der nunmehr begehrten Absetzbeträge für Erwerbstätigkeit - aufstockend erhalten. Die Anreizfunktion der Freibetragsregelungen im Hinblick auf die Verringerung der Hilfebedürftigkeit würde jedoch durch die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenfreibetrags bei einer Einkommenssteuererstattung gleichsam konterkariert, wenn der durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu deckende Hilfebedarf ein zweites Mal - auf Grundlage desselben Erwerbseinkommens - vergrößert würde.

25

b) Die Steuererstattung ist auch nicht zur Hälfte als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen mit der Folge, dass bei ihr ebenfalls einkommensmindernd die Absetzung einer Versicherungspauschale iS von § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V vorzunehmen wäre. So gilt für Erwerbseinkommen eines Partners einer Bedarfsgemeinschaft, dass dieses bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II zunächst einmal Einkommen desjenigen bleibt, der es erzielt, soweit keine ausdrückliche anderweitige rechtliche Zurechnung erfolgt ist (s zB § 11 Abs 1 S 4 SGB II). Vom Erwerbseinkommen sind zunächst die Absetzbeträge, die beim Einkommensbezieher individuell entstanden sind, etwa Fahrtkosten zum Arbeitsort oder titulierte Unterhaltszahlungen, und ggf pauschale Absetzungen in Abzug zu bringen. Erst dieses "bereinigte" Einkommen wird dann zur Bedarfsdeckung berücksichtigt und horizontal innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II verteilt. Nichts anders ist anzunehmen, wenn - wie hier - durch einen Partner Einkommen in Form einer Steuererstattung durch steuerrechtliche Gestaltungen erwirkt wird. Die gemeinsame steuerliche Veranlagung von Eheleuten ändert hieran nichts. Die nach steuerrechtlichen Maßgaben vorzunehmende Zuordnung der Steuererstattung entspricht inhaltlich der sozialrechtlichen.

26

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, sind zusammen veranlagte Eheleute in Bezug auf einen Erstattungsanspruch weder Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB noch Mitgläubiger iS des § 432 BGB(so bereits BFH vom 25.7.1989 - VII R 118/87, BFHE 157, 326, juris RdNr 9 ff und BFH vom 18.9.1990 - VII R 99/89, BFHE 162, 279, juris RdNr 6; zuletzt BFH vom 15.11.2005 - VII R 16/05, BFHE 211, 396, juris RdNr 9, mit Anmerkung Schuster, jurisPR-SteuerR 8/2006 Anm 2 und BFH vom 17.2.2010 - VII R 37/08, juris RdNr 9, mit Anm Jäger, jurisPR-SteuerR 28/2010 Anm 1). Erstattungsberechtigt ist nach § 37 Abs 2 AO vielmehr derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schulden, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuer gemäß § 26b EStG und § 44 Abs 1 AO der Fall ist. Der Erstattungsanspruch steht dann demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Werden Steuern im Abzugsverfahren erhoben, gilt nichts anderes. Ein sich ergebender Erstattungsbetrag steht alleine demjenigen zu, für dessen Rechnung der Abzug erfolgt ist (vgl Ratschow in Klein, Abgabenordnung, 12. Aufl 2014, § 37 RdNr 71; Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl 2014, § 37 RdNr 35).

27

Eine hälftige Aufteilung ist nach der Rechtsprechung des BFH nur in den Fällen vorzunehmen, in denen Einkommensteuer-Vorauszahlungen eines Ehegatten für zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute geleistet wurden, die beide Einkommen erzielt haben, und zum Zeitpunkt der Steuervorauszahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen. Bei einer zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft wird unterstellt, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen will. Beide Ehegatten sollen dann im Falle des Entstehens eines Erstattungsanspruchs hälftig erstattungsberechtigt sein (vgl nur BFH vom 15.11.2005 - VII R 16/05, BFHE 211, 396, juris RdNr 9 ff; BFH vom 22.3.2011 - VII R 42/10, BFHE 233, 10, juris RdNr 23 ff; zur Kritik Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl 2014, § 37 RdNr 34). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Denn nach den Feststellungen des LSG beruhte der Erstattungsanspruch ausschließlich auf Steuervorauszahlungen des Klägers. Nur er alleine hatte im Jahre 2007 steuerpflichtiges Einkommen, von dem im Abzugsverfahren Steuern einbehalten wurden. Die Steuerzahlung ist also allein auf seine Rechnung erfolgt. Vor diesem Hintergrund kommt entgegen der Revision auch unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Gesichtspunkte eine Aufteilung des Erstattungsbetrages nicht in Betracht.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 wird geändert und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 8. April 2009 werden insgesamt zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind für alle Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Strittig ist nur noch für Januar 2007 die Höhe des vom beklagten Jobcenter den Klägern zu zahlenden Arbeitslosengeldes II (Alg II) im Hinblick auf die Berücksichtigung von Zahlungen des Klägers zu 2 auf Unterhaltsrückstände als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen.

2

Die Klägerin zu 1, geboren im Jahr 1973, und der Kläger zu 2, geboren im Jahr 1966, lebten zusammen in einem Haushalt mit den Kindern der Klägerin Lisa, geboren am 28.9.1992, und Laura, geboren am 1.8.1996. Beide Kinder erhielten jeweils monatlich 257 Euro Unterhalt und 154 Euro Kindergeld. Monatlich waren für die Unterkunft zu zahlen 287,68 Euro Grundmiete, 100,84 Euro Betriebskosten sowie 93,12 Euro Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung. Der Kläger hatte monatlich ein Erwerbseinkommen von 960 Euro brutto und 746,90 Euro netto sowie Ausgaben für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von 21,05 Euro und Fahrkosten von 64,60 Euro. Außerdem leistete er monatlich Zahlungen auf einen Unterhaltstitel in Höhe von 269 Euro in dieser Höhe sowie weitere 150 Euro auf Rückstände von ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit.

3

Der Beklagte bewilligte den Klägern für Januar 2007 insgesamt 690,67 Euro Alg II (für die Klägerin 339,75 Euro, für den Kläger 350,92 Euro) und berücksichtigte dabei die Regelleistungen, jeweils ein Viertel der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung sowie Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung (für die Klägerin: 35,79 Euro, für den Kläger: 51,13 Euro; Bewilligungsbescheid vom 11.1.2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18.4.2007; Widerspruchsbescheid vom 24.4.2007).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die auf höheres Alg II gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom 8.4.2009). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufungen der Kläger den Beklagten verurteilt, für Januar bis September 2007 weiteres Alg II, davon für Januar 2007 an die Klägerin weitere 59,98 Euro und den Kläger weitere 48,81 Euro, zu zahlen, und ihre weitergehenden Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 7.12.2011). Zur Begründung hat es neben der rechnerischen Herleitung der Beträge als für das Ergebnis entscheidend ausgeführt, dass die Zahlungen des Klägers auf die Unterhaltsrückstände als Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch in der damaligen Fassung (SGB II aF) zu berücksichtigen seien, weil nach dem Wortlaut der Vorschrift die Absetzung nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei, der Sinn der Regelung ebenfalls für diese Auslegung spreche und die Zahlungen auch nicht mit einer freiwilligen Schuldentilgung vergleichbar seien.

5

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung des § 11 Abs 2 SGB II aF, weil es sich bei der Zahlung auf Unterhaltsrückstände um die Tilgung von Schulden handeln würde, nicht aber um laufende Unterhaltszahlungen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Dezember 2011 zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 8. April 2009 insgesamt zurückzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben auf Vorschlag des Senats sich hinsichtlich der im Revisionsverfahren ursprünglich ebenfalls umstrittenen Monate Februar bis September 2007 dem Ausgang des Verfahrens hinsichtlich des Monats Januar 2007 unterworfen sowie einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Urteil des LSG vom 7.12.2011 ist zu ändern und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des SG vom 8.4.2009 sind insgesamt zurückzuweisen. Denn weder die Klägerin noch der Kläger haben für Januar 2007 einen Anspruch auf höheres Alg II als ihnen der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden in Höhe von 339,75 Euro für die Klägerin und von 350,92 Euro für den Kläger bewilligt hat.

10

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die aufgrund des Teilvergleichs zwischen den Beteiligten auf den Monat Januar 2007 beschränkte Überprüfung der Verurteilung des Beklagten durch das LSG zur Zahlung von weiteren 59,98 Euro an die Klägerin und weiteren 48,81 Euro an den Kläger, einschließlich der entsprechenden Änderungen des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, insbesondere ist die Revision des Beklagten zulässig, ebenso die Klagen und Berufungen der Kläger. Aufgrund des von allen Beteiligten erklärten Einverständnisses kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

11

Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und vom LSG zugesprochenen Anspruch auf höhere Leistungen sind §§ 19 ff iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2006, BGBl I 3376, im Folgenden: SGB II aF). Denn in Rechtstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, werden von den Klägern erfüllt, ebenso wenig liegt ein Ausschlusstatbestand(vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II) vor. Strittig ist nur das Ausmaß ihrer Hilfebedürftigkeit und damit die Höhe ihrer Ansprüche auf Alg II.

12

Die Kläger haben keine höheren Ansprüche auf Alg II als die ihnen vom Beklagten bewilligten 339,75 Euro für die Klägerin und 350,92 Euro für den Kläger, weil sie nur jeweils einen Anspruch auf 326,04 Euro haben, wie sich aus der Verteilung nach § 9 Abs 2 SGB II(dazu 4.) ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 Euro (dazu 3.) auf ihren jeweiligen Bedarf von 431,41 Euro (dazu 2.) und den ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter Lisa in Höhe von 15,41 Euro (dazu 1.) ergibt. Ob sie zu berücksichtigendes Vermögen nach § 12 SGB II haben, kann angesichts dessen dahingestellt bleiben.

13

1. Die Klägerin und der Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft, weil sie, wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen entnommen werden kann, in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zusammenleben (vgl § 7 Abs 3 Nr 1, 3 SGB II aF).

14

Die Tochter Laura der Klägerin ist nicht Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Denn ihr Bedarf aus 207 Euro Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 120,41 Euro (287,68 Euro Grundmiete plus 100,84 Euro Betriebskosten plus 93,12 Euro Heizkosten - ohne Warmwasserbereitung - ergibt 481,64 Euro, dividiert nach dem Kopfteilprinzip durch vier) liegt unter ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 Euro, berechnet aus den 257 Euro Unterhalt plus 154 Euro Kindergeld, bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622, im Folgenden: Alg II-V 2004), sodass sogar ein Kindergeldüberhang von 53,59 Euro verbleibt.

15

Die Tochter Lisa der Klägerin ist hingegen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger, weil sie ihren Bedarf aus ihrem Einkommen nicht decken kann (vgl § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Denn ihr Bedarf aus 276 Euro Regelleistung plus anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 120,41 Euro liegt über ihrem zu berücksichtigenden Einkommen von 381 Euro, berechnet aus den 257 Euro Unterhalt plus 154 Euro Kindergeld, bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Alg II-V 2004(BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23 RdNr 20 ff), sodass eine Deckungslücke von 15,41 Euro verbleibt.

16

2. Der Bedarf der Kläger errechnet sich mit jeweils 431,41 Euro, bestehend aus 311 Euro Regelleistung nach § 20 Abs 3 SGB II aF und 120,41 Euro anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Einen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II haben sie jeweils nicht, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat.

17

Denn die den Klägern vom Beklagten gewährten Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II sind Teil des vorliegend umstrittenen Alg II(vgl nur Urteil des Senats vom heutigen Tage in der Sache B 14 AS 65/12 R mwN). Ein Anspruch auf einen solchen Mehrbedarf ist für die Kläger zu verneinen, da die bei ihnen bestehenden Erkrankungen Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus Typ I als Ernährung Vollkost bedingen und der Kostenaufwand für diese mit dem in der Regelleistung enthaltenen Ernährungsanteil zu decken ist (vgl die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge von 2008 und die entsprechenden Ausführungen im zuvor genannten Urteil des Senats). Besondere Umstände des Einzelfalles, die eine andere Bewertung nach sich ziehen könnten, sind vom LSG nicht festgestellt worden; von den Beteiligten sind keine dahingehenden Rügen erhoben worden.

18

3. Bei den Klägern ist ein Einkommen von insgesamt 214,51 Euro zu berücksichtigen.

19

Das Einkommen der Klägerin von 23,59 Euro ergibt sich aus dem Kindergeldüberhang ihrer Tochter Laura in Höhe von 53,59 Euro (vgl § 11 Abs 1 Satz 1, 3 SGB II aF), bereinigt um die Versicherungspauschale nach § 3 Nr 1 Alg II-V 2004.

20

Beim Kläger ist ein Erwerbseinkommen von 190,92 Euro zu berücksichtigen. Dieser Betrag ergibt sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 Euro, wenn es um die einkommensbezogenen Absetzbeträge von insgesamt 286,98 Euro (dazu a) und die Zahlung auf den titulierten laufenden Unterhalt (dazu b) bereinigt wird (746,90 - 286,98 - 269 = 190,92 Euro). Seine Zahlung auf die Unterhaltsrückstände ist jedoch - entgegen dem Urteil des LSG - nicht von seinem Erwerbseinkommen abzusetzen (dazu c). Dem steht die Rechtsprechung zu den "bereiten Mitteln" nicht entgegen (dazu d).

21

a) Die einkommensbezogenen Absetzbeträge des Klägers errechnen sich ausgehend von seinem Nettoeinkommen von 746,90 Euro mit insgesamt 286,98 Euro wie folgt: Anstelle des Grundfreibetrags nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF ist ein Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II aF von 130,98 Euro anzusetzen, weil der Kläger nach den Feststellungen des LSG zu berücksichtigende monatliche Aufwendungen nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3, 5 SGB II aF iVm § 3 Alg II-V 2004 in Höhe von 130,98 Euro hatte (Versicherungspauschale 30 Euro, Kfz-Haftpflichtversicherung 21,05 Euro, Werbungskostenpauschale 15,33 Euro, Fahrkosten 64,60 Euro), plus 140 Euro Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II aF sowie 16 Euro Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 2 SGB II aF, weil das Bruttoeinkommen 960 Euro betrug.

22

b) Außerdem sind - unstreitig - die laufenden Unterhaltszahlungen von 269 Euro pro Monat abzusetzen (vgl § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF), weil es sich um eine Zahlung auf eine entsprechende titulierte Forderung handelt.

23

c) Die Zahlung des Klägers in Höhe von weiteren 150 Euro auf Rückstände aus ebenfalls titulierten Unterhaltsforderungen ihm gegenüber aus der Vergangenheit ist jedoch - entgegen dem Urteil des LSG - nicht als Absetzbetrag von seinem Erwerbseinkommen zu berücksichtigen.

24

Das LSG hat hinsichtlich dieses Betrags ebenfalls die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF bejaht, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf die laufenden Unterhaltszahlungen begrenzt sei und eine teleologische Einschränkung der Vorschrift in dem Sinne, dass Unterhaltsrückstände nicht erfasst sein sollten, weil es sich um Schulden handele, nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift(Hinweis auf BT-Drucks 16/1410 S 20) nicht gerechtfertigt sei, vielmehr habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag nicht als "bereites" und damit als einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehe, auch wenn noch keine Pfändung zugunsten eines Unterhaltsgläubigers erfolgt sei.

25

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Wortlaut des früheren, im strittigen Zeitraum geltenden § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF, der mit dem heutigen § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II identisch ist, lautet: "Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag" und bezieht sich auf den einleitenden Satzteil "Vom Einkommen sind abzusetzen". Dem LSG ist zuzubilligen, dass dem Wortlaut der Norm nicht entnommen werden kann, ob es sich um laufende Unterhaltsverpflichtungen handeln muss oder ggf auch Schulden für die Vergangenheit umfasst sein können. Entscheidend ist jedoch, und darüber geht das LSG hinweg, dass nach dem Wortlaut nur Aufwendungen bis zur Höhe des in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrags abgesetzt werden können, nicht aber darüber hinausgehende, nicht titulierte Beträge (BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35). Dem vom LSG festgestellten Unterhaltstitel entsprechen nur die vom Kläger erbrachten Aufwendungen für die - laufenden - Unterhaltszahlungen in Höhe von 269 Euro, die auch als Absetzbetrag bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt wurden. Die vom Kläger begehrte und vom LSG bejahte Absetzung seiner Zahlungen von weiteren 150 Euro für Unterhaltsrückstände geht gerade über diesen titulierten Betrag pro Monat hinaus.

26

Für diese an dem Unterhaltstitel und dem in ihm bezeichneten Betrag orientierte Auslegung streiten auch der Sinn und Zweck dieses Absetzbetrags, der einerseits bezogen ist auf die nach dem Monatsprinzip des SGB II (§ 41 SGB II) zu berechnenden Einnahmen der leistungsberechtigten Person und andererseits auf die ebenfalls nach Monaten berechneten Unterhaltsverpflichtungen sowie das den Leistungen nach dem SGB II ebenso wie den Unterhaltszahlungen zugrunde liegende Ziel, den aktuellen Lebensbedarf der betroffenen Personen zu sichern. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung, die auszugsweise lautet: "Mit der Einfügung von Nummer 7 wird geregelt, dass Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, den Betroffenen nicht als 'bereites', d. h. einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung stehen" (BT-Drucks 16/1410 S 20). Auch hierin wird der aktuelle Bezug zu dem titulierten Betrag zur Befriedigung des Unterhaltsbedarfs deutlich. Aus diesem gemeinsamen Ziel sowohl der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als auch der Zahlung von Unterhalt, die Existenz der betroffenen Personen in bestimmten Zeitabschnitten zu sichern, wird deutlich, dass eine Auslegung, die eine Zahlung auf Schulden für die Vergangenheit miteinbezieht, die nicht von dem aktuell fälligen Titel umfasst sind, über das gesetzgeberische Ziel hinausgeht, zumal die Berücksichtigung von Aufwendungen zur Erfüllung titulierter gesetzlicher Unterhaltspflichten im Ergebnis bewirkt, dass die Unterhaltspflicht mittelbar vom Jobcenter getragen wird. Aus diesen Überlegungen folgt auch, dass entgegen der Auffassung des LSG eine Gleichstellung von Zahlungen auf Unterhaltsrückstände mit laufenden Unterhaltszahlungen grundsätzlich nicht möglich ist, weil sich beide Zahlungsziele grundlegend unterscheiden. Laufende Zahlungen dienen der Befriedigung des aktuellen Bedarfs, während Zahlungen auf Unterhaltsrückstände zunächst die Vergangenheit betreffen, auch wenn diese in aller Regel Auswirkungen auf die Gegenwart hat.

27

Aus systematischen Gründen spricht gegen eine Berücksichtigung von Zahlungen auf Unterhaltsrückstände als Absetzbetrag, dass als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen zu berücksichtigen sind und Ausnahmen nur für bestimmte Einnahmen und bestimmte Absetzbeträge gemacht werden (vgl § 11 SGB II aF; §§ 11 bis 11b SGB II nF). Angesichts dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses bedarf das Eingreifen einer Ausnahme einer klaren gesetzlichen Rechtsgrundlage (den Ausnahmecharakter betonend auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11b RdNr 257 ff). Zudem ist zu beachten, dass das SGB II die Übernahme von Schulden nur ausnahmsweise vorsieht, nämlich zur Sicherung der Unterkunft, aber auch dann in der Regel nur darlehensweise (§ 22 Abs 5 SGB II aF, § 22 Abs 8 SGB II nF; vgl zur grundsätzlichen Verneinung der Übernahme von Schulden schon die Gesetzesbegründung zum Entwurf des SGB II in BT-Drucks 15/1516 S 56 sowie: BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14; Söhngen in Juris-PK SGB II, § 11b RdNr 16). Dies folgt aus dem Zweck der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, in einer aktuellen Notlage das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum zu sichern (vgl § 1 Abs 1 SGB II nF). Die durch die Berücksichtigung einer Zahlung auf Unterhaltsschulden als Absetzbetrag von den Einnahmen bewirkte mittelbare Übernahme von solchen Schulden durch das Jobcenter ist damit nicht in Einklang zu bringen.

28

Aus der Vorschrift des § 170 Strafgesetzbuch (StGB) über die Strafbarkeit bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht folgt nichts Anderes, weil diese voraussetzt, dass der Betreffende "sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht" und auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit erfüllt ist(Fischer, StGB, 60. Aufl 2013, § 170 RdNr 8 ff). Dass eine Person, die neben ihrem Erwerbseinkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als sog Aufstocker erhält, diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, ist von weiteren Voraussetzungen abhängig, nicht aber die automatische Folge einer Nichtzahlung auf Unterhaltsrückstände, wenn die laufenden Unterhaltspflichten erfüllt werden.

29

Die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF trägt im Übrigen durch ihre Bezugnahme auf den in dem Unterhaltstitel festgelegten Betrag auch Gründen der Verwaltungspraktikabilität Rechnung, weil durch die Vorlage des Titels und des Nachweises der Zahlung der Absetzbetrag relativ einfach zu bestimmen ist(BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35, RdNr 16). Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn über den titulierten Betrag hinausgehende Zahlungen auf Unterhaltsrückstände als Abzugsbetrag berücksichtigt werden, wie es nach der Entscheidung des LSG der Fall wäre.

30

d) Die Zahlung der 150 Euro auf die Unterhaltsrückstände führt auch nicht aufgrund der Rechtsprechung zu Einkommen als "bereiten Mitteln" zu einer entsprechenden Verringerung des zu berücksichtigenden Einkommens. Diese Rechtsprechung bezieht sich vielmehr auf die Berücksichtigung von fiktiven Einnahmen, insbesondere in Fallkonstellationen, in denen den Anspruchstellern eine größere einmalige Einnahme zugeflossen war, die nach den jeweiligen normativen Vorgaben auf mehrere Monate aufzuteilen war und letztlich in den jeweiligen Monaten eine fiktive Einkommensanrechnung erfolgte (vgl § 2 Abs 3 Alg II-V 2004, heute § 11 Abs 3 SGB II nF; vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57; BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62), oder wenn bestimmte Einkommensteile zB gepfändet waren und von daher von vornherein nicht zur Verfügung standen (BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 19: Pfändung; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22: Einbehaltung eines Betriebskostenguthabens). Vorliegend ist jedoch nicht die Berücksichtigung einer fiktiven oder den Klägern grundsätzlich von vornherein nicht zur Verfügung stehenden Einnahme umstritten, sondern ein Absetzbetrag von einem realen Einkommenszufluss im jeweiligen Monat, also letztlich die Berücksichtigung einer bestimmten mangels Pfändung nicht zwingenden Einkommensverwendung.

31

Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II aF geht davon aus, dass es sich bei den zufließenden Einnahmen grundsätzlich um bereite Mittel handelt, solange keine Pfändung erfolgt ist(ebenso BSG vom 9.11.2010 - B 4 AS 78/10 R - BSGE 107, 106 = SozR 4-4200 § 11 Nr 35, RdNr 21) und hat gerade mit dieser Begründung den weiteren Absetzbetrag wegen der erbrachten laufenden Unterhaltszahlungen bis zur titulierten Höhe geschaffen.

32

4. Der Anspruch der Klägerin und des Klägers auf jeweils 326,04 Euro Alg II im Januar 2007 errechnet sich aus ihren Gesamtbedarfen von jeweils 431,41 Euro plus dem Restbedarf der ihrer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Tochter Lisa in Höhe von 15,41 Euro und der anteilsmäßigen Verteilung ihres zu berücksichtigenden Einkommens von insgesamt 214,51 Euro nach § 9 Abs 2 SGB II.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, so daß der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einer Schwangeren zum Unterhalt verpflichtet ist und ihr diesen Unterhalt in verwerflicher Weise vorenthält und dadurch den Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
3.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
4.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
5.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig sind noch die Überprüfung und Nachzahlung von Leistungen für den Zeitraum November 2006 bis April 2010.

Der Kläger lebt in einem Haus mit zwei Wohnungen, das er mit seiner Ehefrau 2002 auf Kreditbasis erworben hatte. Zusammen mit seiner Familie (Ehefrau und zwei seiner Söhne) bewohnt er die größere Wohnung, die kleinere Wohnung ist seit 2005 an einen seiner Söhne und dessen Familie vermietet. Die Bedarfsgemeinschaft des Klägers bezieht seit 2006 laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Für den Zeitraum November 2006 bis April 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen mit Bescheiden vom 06.12.2006, 11.05.2007, 30.11.2007, 15.05.2008, 31.10.2008, 05.05.2009 und 26.10.2009 (jeweils mit Änderungsbescheiden).

Nachdem der Kläger wegen einer erheblichen Leistungskürzung für die ab Mai 2010 zustehenden Leistungen Widerspruch eingelegt hatte, erfolgte eine Neuberechung der Kosten der Unterkunft, die zu einer Erhöhung der Leistungen um mehrere Hundert Euro monatlich führte (Änderungsbescheide vom 30.08.2010 und 17.11.2010). Daraufhin stellte der Kläger am 24.11.2010 Antrag auf Überprüfung des gesamten Bewilligungszeitraums von 2006 bis April 2010 und beanstandete, dass in diesem Zeitraum die gesamten Mieteinnahmen als Einkommen angerechnet worden seien, ohne die anteilig auf diese Wohnung entfallenden Kosten abzuziehen. Am 04.02.2011 beantragte ein Rechtsanwalt nochmals die Überprüfung der den Kläger betreffenden Bewilligungsbescheide nach dem SGB II. Das Überprüfungsverfahren führte zu einer Nachzahlung von mehreren Tausend Euro (Änderungsbescheide vom 25.07.2011 und 15.12.2011). In der den Widerspruchsbescheiden vom 30.11.2011, 01.12.2011 und 22.12.2011 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde jeweils darauf hingewiesen, dass gegen diese Entscheidung jeder Betroffene innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben könne.

Zum Betreff „Weiterer Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X“ stellte der Kläger mit Schreiben vom 19.01.2012 am 25.01.2012 beim Beklagten einen Überprüfungsantrag mit dem Ziel der Überprüfung der Positionen Versicherungspauschale (mit Nennung der Bescheide vom 02.12.2010, 26.03.2011, 24.05.2011, 21.09.2011, 31.10.2011, 26.11.2011), Warmwasserkosten für die Zeit ab 2008 (mit Nennung der Widerspruchsbescheide vom 01.12.2011 und 22.12.2011) und Hausstrom für den Zeitraum ab November 2006.

Nachdem der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 01.02.2012 zunächst abgelehnt hatte, fertigte er im Widerspruchsverfahren die den Leistungszeitraum von Januar 2011 bis Mai 2012 betreffenden Änderungsbescheide vom 03.05.2012, mit denen dem Anliegen des Klägers insoweit Rechnung getragen wurde, als für die Zeit ab 01.01.2011 Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage übernommen und Heizkosten ohne Abzug der Warmwasserkosten geleistet wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei Leistungen nach dem SGB II § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gelte, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahre trete. Im Rahmen des am 19.01.2012 gestellten Überprüfungsantrags könne somit nur noch der Zeitraum ab dem 01.01.2011 überprüft werden. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR könne beim Kläger nur berücksichtigt werden, wenn Einkommen angerechnet werde. Da bei ihm kein Mieteinkommen mehr angerechnet werde, könne diese auch nicht mehr vom Einkommen abgezogen werden und komme folglich nicht mehr zur Geltung. Ein weiterer auf die Anrechnung des Kindergelds und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe bezogener Überprüfungsantrag des Klägers vom 19.06 2012 hatte Erfolg (Änderungsbescheide vom 05.07.2012 bezüglich der Leistungen ab 01.01.2011).

Der Kläger hat mit Schreiben vom 05.07.2012 am 06.07.2012 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Streitig seien „die Änderungsbescheide für den Zeitraum 17.11.2006 bis 30.04.2010 vom 25.07.2011 und 15.12.2011, und die Widerspruchsbescheide hierzu vom 01.12.2011 und 22.12.2011, Bescheid hierzu vom 01.02.2012 mit Widerspruchsbescheid hierzu vom 06.06.2012“. Zur Klärung diverser Kosten- und Anrechnungspositionen sei am 19.01.2012 ein neuer Überprüfungsantrag gestellt worden. Der Beklagte habe die Kosten für Unterkunft und Heizung, die für die Zeit November 2006 bis April 2010 in Höhe von 13.086,49 EUR hätten nachbezahlt werden müssen, um nahezu die Hälfte reduziert („Kürzungsorgie“). Er beziehe sich auf § 45 Abs. 1 bis 4 und § 47 Abs. 2 SGB X. Der Beklagte habe am 25.07.2011 und 15.12.2011 „Vorgänge nach § 45 SGB X, hier die systematische Minderungen von rechtsgültig beschiedenen und gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung für den gesamten gleichen zurückliegenden Zeitraum 17.11.2006 bis 30.04.2010 verdeckt durchgeführt, ohne die hierfür eindeutigen Vorschriften des § 45 SGB X“ zu beachten. Die Inhalte nach § 45 SGB X seien nichtig und unwirksam. Die rechtswidrige Minderung der Kosten für Unterkunft und Heizung sei nicht Gegenstand des Antrags nach § 44 SGB X vom 21.11.2010 gewesen. Die Änderungsbescheide vom 25.07.2011 und 15.12.2011 hätten auf der Basis der ursprünglichen Bewilligungs- und Änderungsbescheide erstellt werden müssen, mit entsprechender Auszahlung der Nachzahlungsbeträge. Dann hätte der Beklagte ein ordentliches Verfahren gemäß § 45 SGB X durchführen können. Der Beklagte habe die rechtswidrige Kürzung der Unterkunfts- und Heizungskosten genutzt, um die Absetzbeträge (Drei-Personenkostenanteile in der Mietwohnung) von den Mieteinnahmen zu kürzen. Hierdurch seien die Leistungen um weitere 4.060,12 EUR gekürzt worden. Nachzuzahlen seien auch die rechtswidrig nicht gewährten Zuschläge nach § 24 SGB II für den Zeitraum 24.12.2006 bis 23.12.2008 (2.432,54 EUR). Die gesamte Nachzahlungsforderung sei mit 5% zu verzinsen. Die hier relevanten Überprüfungsanträge gemäß § 44 SGB X seien am 21.11.2010 und 04.02.2011, somit vor dem 01.04.2011 gestellt worden.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 20.02.2013 abgewiesen, das dem Kläger am 27.03.2013 zugestellt worden ist. Die Klage sei unzulässig, soweit sie auf Nachzahlungen für den Zeitraum November 2006 bis April 2010 gerichtet sei. Der Kläger habe gegen die auf den Überprüfungsantrag vom 04.02.2011 bzw. 21.10.2010 bezogenen Widerspruchsbescheide innerhalb der Klagefrist keine Klage erhoben, so dass die Bescheide bestandskräftig geworden seien. Soweit der Kläger anführe, dass die Widerspruchsbescheide als nichtig zu beurteilen seien, führe er eine Nichtigkeitsfeststellungsklage ins Feld, die aber nicht seinem Begehren entspreche, weil eine Nachzahlung für den Zeitraum November 2006 bis April 2010 damit nicht erreicht werden könne. Im Übrigen läge Nichtigkeit gemäß § 40 SGB X nicht vor. Hinsichtlich des Zeitraums ab Januar 2011 sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Bei einem Überprüfungsantrag vom 19.01.2012 sei die Überprüfung zu Recht auf den Zeitraum ab 01.01.2011 beschränkt worden. Zuletzt habe der Kläger nur noch den fehlenden Abzug der Versicherungspauschale bemängelt. Die Anrechnung der Versicherungspauschale sei rechtmäßig erfolgt.

Mit der beim Sozialgericht Augsburg am 25.04.2013 eingegangenen Berufung gegen dieses Urteil beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20.02.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 01.02.2012 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 03.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2012 zur Nachberechnung der im Zeitraum November 2006 bis April 2010 zustehenden Leistungen und Auszahlung der Restforderung zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und auf die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger gegen den Bescheid vom 01.02.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 zulässig erhobene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) hat keinen Erfolg, weil die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Soweit sich die zum Sozialgericht Augsburg am 06.07.2012 erhobene Klage gegen die Bescheide vom 25.07.2011 und 15.12.2011 und die Widerspruchsbescheide vom 01.12.2011 und 22.12.2011 richtet, ist sie unzulässig, weil die im ersten Überprüfungsverfahren erteilten Bescheide und Widerspruchsbescheide mangels rechtzeitiger Klageerhebung in der Sache bindend geworden sind (§ 77 SGG). Der Kläger hat gegen die Widerspruchsbescheide vom 30.11.2011, 01.12.2011 und 22.12.2011, die jeweils mit einer korrekten Rechtsmittelbelehrung versehen waren, nicht innerhalb der Monatsfrist des § 87 SGG Klage zum Sozialgericht erhoben.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 01.02.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 03.05.2012, diese wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2012, soweit es der Beklagte ablehnte, für die Zeit vor dem 01.01.2011 eine Neuberechnung der der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zustehenden Leistungen nach dem SGB II vorzunehmen.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 i. V. m. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Soweit der Beklagte im Rahmen der durch den Antrag des Klägers vom 19./25.01.2012 veranlassten Überprüfung diese Voraussetzungen als gegeben sah, erteilte er die Änderungsbescheide vom 03.05.2012 und leistete die sich für die Zeit ab Januar 2011 ergebende Nachzahlung.

Dem Anspruch des Klägers auf Neuberechnung der Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum November 2006 bis April 2010 und Nachzahlung einer Restforderung steht § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach kann der Kläger für die Zeit vor dem 01.01.2011 weder eine Nachzahlung von Sozialleistungen noch eine isolierte Rücknahme früherer Bescheide verlangen.

Entgegen der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden können, werden nach der am 01.04.2011 in Kraft getretenen Vorschrift gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur für ein Jahr rückwirkend erbracht, wenn der Antrag auf Überprüfung nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist (§ 77 Abs. 13 SGB II). Da der Kläger seinen „weiteren“ Überprüfungsantrag am 25.01.2012 gestellt hatte, war eine rückwirkende Überprüfung und Nachzahlung von Leistungen nur für die Zeit ab 01.01.2011 zulässig. Der Zeitpunkt der Rücknahme wird vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt worden ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SGB X). Die seit 01.04.2011 geltende Neuregelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie beruht auf dem Grundgedanken, dass für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts und der Eingliederung in Arbeit dienen und dabei im besonderen Maß die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollen (sog. Aktualitätsgrundsatz), die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X zu lang und eine kürzere Frist von einem Jahr sach- und interessengerecht ist (so die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/3404, S. 114 und S. 117 zur entsprechenden Regelung im Sozialhilferecht, § 116a SGB XII).

Nachdem wegen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Nachzahlung von Leistungen für Zeit vor dem 01.01.2011 ausscheidet, bedurfte es auch keiner Entscheidung des Beklagten darüber, ob dem Kläger im Leistungszeitraum November 2006 bis April 2010 Leistungen vorenthalten worden sind. Die Unanwendbarkeit der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X steht einer isolierten Rücknahme entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, B 7 AY 6/12 R, Juris Rn. 10).

Angemerkt sei allerdings, dass der Kläger zu Unrecht davon ausgeht, dass im Rahmen des von ihm beantragten Verfahrens nach § 44 SGB X eine Fehlerkorrektur nur zu seinen Gunsten hätte erfolgen dürfen und bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nicht auch weitere Unrichtigkeiten hätten korrigiert werden dürfen, wodurch sein Nachzahlungsanspruch geringer als erhofft ausgefallen ist. Auf diesem Fehlverständnis beruht auch seine Auffassung, dass die Inhalte nach § 45 SGB X nichtig und unwirksam seien. Der Kläger übersieht dabei, dass es keinen Bestandsschutz einzelner Berechnungselemente eines Leistungsanspruchs gibt. Vielmehr ist die nach Rücknahme eines Bewilligungsbescheids gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche neue Entscheidung über den Leistungsanspruch in jeder Hinsicht nach Maßgabe des geltenden Rechts zu treffen. § 44 SGB X bezweckt für Fälle einer zulasten von Leistungsempfängern rechtswidrigen Entscheidung einen Ausgleich zwischen dem Interesse an materieller Gerechtigkeit einerseits und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit andererseits. Damit nicht vereinbar wäre es, wenn einem Leistungsempfänger über § 44 SGB X eine im Vergleich zum geltenden Recht bessere Rechtsposition eingeräumt würde (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand 2013, § 44 SGB X Rn. 34: „keine Rosinenpickerei“).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.