Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Sept. 2015 - L 2 U 174/10

bei uns veröffentlicht am18.09.2015
vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 5 U 82/09, 16.03.2010

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. März 2010 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. eine Wie-Berufskrankheit festzustellen ist.

Der 1941 geborene Kläger war vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Auszubildender und Maschinenschlosser bei der Firma S. in A-Stadt, anschließend vom 19. August 1963 bis 30. Juni 1965 und vom 1. Januar 1967 bis 30. September 1987 als kaufmännischer Angestellter - unterbrochen durch die Wehrdienstzeit vom 1. Juli 1965 bis 31. Dezember 1966 - und ab 1. Oktober 1987 als Lagerist tätig. Am 8. Januar 1996 zeigte der Hautarzt Dr. K. M. gegenüber der damaligen Berufsgenossenschaft der Gas- und Wasserwerke (BGFW) eine toxische Enzephalopathie mit Perfusionsstörung des Gehirns als Berufskrankheit an, verursacht durch den Umgang mit Lösungsmitteln und Schmierstoffen. Der Kläger gab Beschwerden seit 1986 an, die er auf seinen beruflich bedingten Kontakt mit Lösungsmitteln, Nitro-Waschbenzin, Nitrofarbe, Schmier- und Kühlmittel, Elektroschweißdämpfe und Dieselabgase zurückführte. Inzwischen bestehe ein `multiple chemical sensitivity Symptom´ (MCS) mit Perfusionsstörungen des Gehirns und einem Mangel an IgG bei Reduzierung der Subklassen IgG 1 und IgG 4, diagnostiziert durch Dr. M. (Befundbericht vom 29. Dezember 1995). Als Beschäftigungszeiten, während der er einer gesundheitlichen Schädigung ausgesetzt war, die zu der jetzigen Erkrankung geführt haben könnte, gab er in einem Fragebogen am 22. Januar 1997 die Zeit vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH an. Die Berufsgenossenschaft gab den Vorgang mit Schreiben vom 29. Januar 1997 an die Beklagte ab.

Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Berichte bei, so den Entlassungsbericht des Krankenhauses A-Stadt über einen stationären Aufenthalt vom 9. November bis 4. Dezember 1992. Das Klinikum der Universität U. stellte am 8. August 1994 hinsichtlich einer Behandlung vom 14. Juli bis 2. August 1994 als Diagnose den Verdacht auf eine habituelle frühzeitige Alterung der Haut nach häufiger Sonnenexposition. Nach dem Bericht des Röntgenologen und Nuklearmediziners Dr. L. bestand eine deutliche Perfusionsstörung in beiden Temporalregionen mit linksseitiger Betonung sowie in der rechten Occiptialregion. Der Internist Dr. S. berichtete am 24. Mai 1998 u. a. von einer Amalgamintoxikation, einer ausgeprägten psychophysischen Erschöpfung sowie einer deutlichen Perfusionsstörung.

Der MDK in Bayern bescheinigte in einem Gutachten zur Arbeitsunfähigkeit vom 19. Dezember 1996 u. a. einen ausgeprägten psychovegetativen Erschöpfungszustand bei Verdacht auf neurotische Fixierung (DD: Perfusionsstörung des Gehirns). Ferner liegt ein Leistungsauszug der Krankenkasse (DAK) vor.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten bescheinigte am 19. November 1997 für die Tätigkeit als Maschinenschlosser von August 1955 bis August 1963 je nach Art der ausgeführten Tätigkeit einen Umgang mit Reinigungsmitteln (Waschbenzin, Nitroverdünnung und „TRI“) sowie mit lösemittelhaltigen Lacken. Der durchschnittliche Zeitbedarf sei auf 30 Minuten/Tag zu veranschlagen. Während eines halben Jahres im Getriebebau während der Ausbildung habe bei Reinigungsarbeiten (durchschnittlich drei bis maximal fünf Stunden pro Tag) eine erhöhte Exposition gegenüber Lösemitteln aus Reinigern bestanden. Für die Tätigkeit als Lagerist bei den Stadtwerken wurde eine Exposition gegenüber lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. verneint (Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft vom 7. Mai 1997 sowie Stellungnahme des Techn. Aufsichtsbeamten vom 7. Mai 1997 für die Tätigkeit als Lagerist seit 1. Oktober 1987). In dieser Zeit sei keine Verarbeitung von lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. durch den Kläger erfolgt.

Der Gewerbearzt Dr. K. empfahl mit Stellungnahme vom 6. Juli 1998, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht anzuerkennen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Erkrankungen des Versicherten und der angeschuldigten beruflichen Exposition in den Jahren 1955 bis 1963 sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Das Expositionsende liege mittlerweile 35 Jahre zurück, dennoch sei die Erkrankung vor allem in den neunziger Jahren fortgeschritten, weshalb ein Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht mit der vom Gesetzgeber geforderten Wahrscheinlichkeit bestehe.

Mit Bescheid vom 12. August 1998 lehnte die Beklagte einen „Anspruch auf Entschädigung“ aus Anlass der angegebenen Gesundheitsbeschwerden ab. Es liege weder eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vor; die weit zurückliegende Exposition stehe nicht in enger zeitlicher Beziehung mit den vor allem in den neunziger Jahren fortschreitenden Gesundheitsbeschwerden. Zum anderen liege auch keine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) vor, weil die Erkrankungen nicht beruflich verursacht seien.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 1998 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben (Az.: S 3 U 464/98). Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte des Allgemeinarztes F. vom 11. November 1999, des Dr. M. vom 20. Januar 2000, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 22. Februar 2000, wonach auf neurologischem Gebiet kein krankhafter Befund bestehe, des Internisten Dr. B. vom 14. März 2000 sowie der Betriebsärztin der Stadt A-Stadt, Dr. S., vom 3. März 2000 eingeholt.

Der mit einem Gutachten beauftragte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 5. April 2000 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger keine Erkrankungen an Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Es lägen Befindlichkeitsstörungen vor, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit Lösungsmitteln verursacht würden. Die Befindlichkeitsstörungen hätten in den letzten Jahren, also mehrere Jahrzehnte nach Expositionsende, eine zunehmende Progredienz erfahren. Sie seien im Sinne einer chronifizierten somatoformen bzw. hypochondrischen Störung (ICD-10: F 45.2) zu werten und damit „ganz eindeutig nicht einer Berufskrankheit zuzuordnen.“ (Gutachten S. 26).

Das Sozialgericht hat ferner auf klägerischen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Dermatologen und Umweltmediziner Dr. K. M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt und im Einvernehmen mit den Parteien mit Beschluss vom 1. September 2000 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 26. März 2009 hat der Kläger die Fortführung des Verfahrens beantragt (neues Az.: S 5 U 82/09). Dr. M. hat in seinem umweltmedizinischen Gutachten vom 24. Dezember 2009 ausgeführt, dass beim Kläger eine Enzephalopathie Grad II b mit Schädigung der Basalganglien sowie eine Polyneuropathie infolge beruflicher Einwirkung von Lösemitteln vorlägen. Die Erkrankungen seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den beruflichen Kontakt mit Lösemitteln verursacht. Ihre Entwicklung würde durch einen genetischen Polymorphismus der Glutation-S-Transferase M1 sowie die resorptive Belastung mit Quecksilber begünstigt. Es sei nach neuesten Studien unschädlich, dass die Erkrankungen nach Expositionsende fortgeschritten seien, denn der Kläger sei durch Autoabgase und polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe auch nach seiner beruflichen Tätigkeit als Maschinenschlosser exponiert gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde auf 50 v. H. geschätzt. Die Beschäftigungsdauer habe ausgereicht, um die Krankheiten auszulösen.

Die Beklagte hat eingewandt, der Sachverständige Dr. M. lege eine Expositionszeit von 7,5 Jahren zugrunde, obwohl der TAD nur für 1 1/2 Jahre eine erhöhte Exposition gegenüber Lösungsmitteln festgestellt habe. Bei den von Dr. M. erhobenen Befunden eines vermehrten Vibrationsempfindens im Bereich der Daumenballen und Innenknöchel sowie dem demonstrierten Kraftverlust beider Hände handele es sich nicht um polyneuropathische Befunde. Derartige Befunde habe im Übrigen Dr. H. nicht erhoben. Gegen eine Enzephalopathie spräche der Untersuchungsbefund des Dr. H., der Hirnnervenausfälle, neurogene Ausfälle, formale und inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen, Wahnwahrnehmungen, gestörte Denkabläufe, Konzentrations- und Merkfähigkeitseinschränkungen bzw. kognitive Leistungseinbußen nicht festgestellt habe. Außerdem spreche der zeitliche Verlauf der Erkrankung gegen eine berufliche Verursachung.

Im Klageverfahren hat der Kläger neben der Feststellung, dass eine Enzephalopathie und eine Polyneuropathie Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sind, auch beantragt, „die Beklagte zu verurteilen, ihm infolgedessen eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. zu gewähren.“

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2010 abgewiesen. Eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 S. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Das Sozialgericht hat sich dem Gutachten des Dr. H. angeschlossen. Es stünde zur Überzeugung des Gerichts nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger an einer (toxischen) Polyneuropathie oder an einer Enzephalopathie leide. Selbst wenn eine dieser Erkrankungen vorlägen, könnten diese nicht der beruflichen Tätigkeit als Maschinenschlosser zugerechnet werden. Die von Dr. M. erstmals in seinem Gutachten behauptete Polyneuropathie sei nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Lösungsmittelexposition aufgetreten; vielmehr seien die vermeintlich beruflich verursachten Beschwerden erst nach mehreren Jahren aufgetreten. Ein Ursachenzusammenhang im Rechtssinn könne somit auch unter Heranziehung des Merkblatts des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung - BMGS - zur BK Nr. 1317 (BArbl. 2005 H 3 S. 49) und einschlägiger Fachliteratur nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hergestellt werden.

Hinsichtlich einer Enzephalopathie, deren klinische Diagnose auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann, spreche die kurze Expositionsdauer und der fehlende zeitliche Zusammenhang aufgrund der langen Latenzzeit zwischen dem Ende der Exposition und Beginn der Erkrankung eindeutig gegen eine berufliche Verursachung.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat der Kläger weiterhin die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV und eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v. H. begehrt. Er sei nicht nur während seiner Ausbildungszeit gegenüber organischen Lösemitteln exponiert gewesen, sondern auch während seiner gesamten weiteren beruflichen Tätigkeit, wenn auch dort in möglicherweise geringeren Mengen. Sehr früh gesetzte Bedingungen könnten, auch nach langen Latenzzeiten oder bei nur geringen zusätzlichen neurotoxischen Belastungen, später zu einer manifesten Enzephalopathie führen. Es könnte eine Wie-Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII angenommen werden.

Der Senat hat medizinische Akten der DRV Bund beigezogen, die u. a. folgende Gutachten enthält:

Nach dem Gutachten des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 25. Juni 1996 bestehen beim Kläger eine massive hypochondrische Depression mit hirnorganischem Psychosyndrom, eine möglicherweise hirnorganische Depression bei vorzeitigem Hirnabbau und eine Empfindlichkeit gegenüber zahlreichen chemischen Substanzen.

Dr. H. hat in einem nervenärztlichen Gutachten im sozialgerichtlichen Rentenverfahren (Az.: S 13 RA 47/97) vom 15. Juli 1998 eine chronifizierte somatoforme bzw. hypochondrische Störung von erheblichem Krankheitswert, eine arterielle Hypertonie, ein Hautekzem mit unklaren Hautblutungen und die Notwendigkeit einer Marcumar-Behandlung nach tiefer Beinvenenthrombose links und Lungenembolie diagnostiziert. Tätigkeiten aus dem Berufskreis Lagerist, kaufmännischer Angestellter, Pförtner und allgemeiner Arbeitsmarkt könnten nur mehr weniger als zwei Stunden täglich zugemutet werden.

Nach dem internistischen Gutachten des Dr. R. vom 17. April 1998, ergangen für das Sozialgericht in demselben Verfahren, sind als internistische Gesundheitsstörungen festgehalten: tiefe Beinvenenthrombose links mit mehreren Lungenembolien 1996, Bluthochdruck, grenzwertige Blutzuckerstoffwechselstörung, Fettstoffwechselstörung.

Der Senat hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. Dr. C. vom 12. Januar 2015 eingeholt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lägen beim Kläger ein hirnorganisches Psychosyndrom, Angst und Depression gemischt sowie auch eine Polyneuropathie vor. Im Gegensatz zu dem hirnorganischen Psychosyndrom sei eine zumindest leichtgradige Polyneuropathie bereits im Zeitraum 2000 bis 2005 nachweisbar gewesen. Der Begriff der Enzephalopathie sei lediglich eine etwas allgemeine Umschreibung des im ICD 10-Katalog verankerten hirnorganischen Psychosyndroms. Er könne aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennen, dass die bestehende Enzephalopathie und Polyneuropathie durch Einwirkungen von organischen Lösungsmitteln Ende der 50er Jahre verursacht wurden.

Auch liege keine Wie-Berufskrankheit vor. Nach dem Studium der vorliegenden Literatur könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass das Antiphospholipid-Syndrom (APS) durch eine Lösemittelbelastung ausgelöst wurde, zumal das APS zu den häufigen Autoimmunerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung gehöre. Die geltend gemachte MCS-Erkrankung stehe ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der beruflichen Lösemittelexposition in den 1950er Jahren. Ein vermehrtes Auftreten von MCS-Syndromen viele Jahre nach einer Lösemittelexposition sei beim derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht beweisbar.

Der Kläger hat ausgeführt, dass der Sachverständige eine fortbestehende Enzephalopathie - wohl Schweregrad mindestens IIb - bestätigt habe. Die insoweit bezüglich der Frage der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Verursachung durch Arbeitsplatzbelastungen zugrunde gelegte ältere wissenschaftliche Lehrmeinung (2009) entspreche nicht mehr dem jetzigen Wissensstand, insbesondere nicht dem angepassten Merkblatt zur BK Nr. 1317. Danach sei es durchaus möglich, dass eine durch Lösemittel verursachte Enzephalopathie sich auch nach Beendigung der Exposition verschlechtere.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass es sich bei den Merkblättern um unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht handele. Letztlich käme aber selbst in den Merkblättern zur Enzephalopathie und zur Polyneuropathie zum Ausdruck, dass regelmäßig ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Gefahrstoffexposition und dem Beginn einer Erkrankung vorliegen müsse. Ausnahmen seien nur selten beschrieben und wenn, dann auch nicht mit einer zeitlichen Latenz von zig-Jahren. Die zeitliche Lücke wie im vorliegenden Fall (frühester Beginn der Erkrankung 1980) sei auch nach dem Merkblatt ein deutliches Argument gegen einen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankungen mit der beruflichen Exposition gegenüber Lösemitteln. Gegen den ursächlichen Zusammenhang spreche auch die ausgeprägte Verschlechterung der Erkrankungen seit dem Jahr 2000. Der Kläger könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen der betrieblichen Gefahrstoffexposition und den Erkrankungen positiv nachweisen; es gelte keine Beweislastumkehr.

Der Kläger hat zuletzt ausgeführt, dass laut Gutachten des Prof. Dr. Dr. C. eine leichtgradige Polyneuropathie und eine Enzephalopathie bestünden. Die Versuche der Beklagten, diese für die haftungsausfüllende Kausalität wichtigen Feststellungen zu relativieren, seien nicht überzeugend. Außerberufliche Ursachen für die von dem Sachverständigen festgestellten Erkrankungen seien nicht einmal im Ansatz erkennbar.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2015 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nochmals auf die Arbeitsbedingungen in dem Betrieb bis 1963 hingewiesen, die man sich nach heutigem Verständnis gar nicht mehr vorstellen könne. Auch habe der Kläger bereits damals geschildert, dass es ihm beim Heimfahren von der Arbeit mit dem Fahrrad immer schwindlig geworden sei. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1998 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV bzw. eine Wie-Berufskrank- heit wegen bestehender Enzephalopathie und Polyneuropathie sowie wegen eines Antiphospholipid-Syndroms vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Schwerbehindertenakten, die beigezogen wurden, der Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), jedoch unbegründet. Es ist weder eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV noch eine Wie-Berufskrankheit anzuerkennen.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1998, mit dem die Beklagte gemäß dem Tenor der Entscheidung einen Entschädigungsanspruch ablehnte. Allerdings hat die Beklagte hierbei inhaltlich nur darüber entschieden, ob eine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV bzw. eine Wie-Berufskrankheit vorlag und dies im Ergebnis verneint. Der Bescheid ist dahingehend auslegungsbedürftig, dass die Beklagte nicht in die Prüfung der einzelnen Leistungsansprüche wie einer Verletztenrente eingestiegen ist, sondern nur eine negative Feststellung hinsichtlich des Vorliegens der Berufskrankheit stellen wollte. Zulässige Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (BSG, Az.: B 2 U 30/07).

Soweit das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit im sozialgerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich beantragt und thematisiert wurde, liegt im Berufungsverfahren jedenfalls eine zulässige Klageerweiterung vor, die als sachdienlich angesehen wird (§ 99 Abs. 1 SGG). Die streitgegenständlichen Bescheide bezogen sich ausdrücklich auch auf die Ablehnung von Leistungen aufgrund einer Wie-Berufskrankheit.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 1. Januar 1997 zu entscheiden war (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO). Die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit ging am 8. Januar 1996 bei einem Versicherungsträger ein.

Nach § 551 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d. h. eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnete und die der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit erlitten hat. Maßgeblich ist seit 1. Dezember 1997 die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S. 2623). Vorliegend betrifft der Rechtsstreit Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.

Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. z. B. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 14). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 24 m. w. N.). Die Beweislast trifft insoweit den Versicherten.

Die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wurde durch die BKV aus dem Jahre 1997 (BGBl I 1997, 2625 f), in Kraft getreten am 1. Dezember 1997, eingeführt. Gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 BKV ist, wenn ein Versicherter am 1. Dezember 1997 an einer Krankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 leidet, auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist. Lagen wie hier diese Erkrankungszeichen und somit der Eintritt des Versicherungsfalls bereits seit 1980 vor, ist eine Anerkennung dieser Krankheit als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wegen der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 4 BKV 1997 ausgeschlossen, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1993 eingetreten ist. Eine Rückwirkungsklausel ist wirksam (BSG, Urt. v. 24. Februar 2000, SozR 3-2200 § 551 Nr. 14). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zuletzt - soweit ersichtlich - in seinem Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2007 (BVerfG, Az.: 1 BvR 3144/06 - juris) die Vereinbarkeit solcher Stichtagsregelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung bestätigt. Aus seinem Beschluss vom 23. Juni 2005 (BVerfG, SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 32) ergibt sich hierzu nichts anderes. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2006 (BSGE 96, 297 - 303; juris Rn. 21) hieran festgehalten.

Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob der Versicherungsfall beim Kläger erst nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten ist, da dann jedenfalls eine Wie-Berufskrankheit zu prüfen wäre. Die BKV 1997 bewirkt nur, dass ab ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 1997 eintretende, mit dem vorliegenden Sachverhalt ansonsten vergleichbare Fälle nicht mehr als Wie-BK anerkannt werden können, zumal das Nichtvorliegen einer Listen-Berufskrankheit ein (negatives) Tatbestandsmerkmal für eine Wie-Berufskrankheit ist. Die mit „Rückwirkung“ überschriebene Übergangsregelung in § 6 BKV 1997 regelt ebenso lediglich ab ihrem Inkrafttreten am 1. Dezember 1997 eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der BKV 1997 auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten eingetreten sind und am 1. Dezember 1997 noch andauern (BSGE 102, 121 ff). Vorliegend ist das Vorliegen einer entsprechenden Berufskrankheit zu prüfen, da die Erkrankung vor dem Stichtag eingetreten ist und das Verwaltungsverfahren, das auch auf Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit gerichtet war, bereits 1996 und somit vor Inkrafttreten der BKV-Änderung 1997 in Gang gesetzt war. Aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12. August 1998 ergibt sich bereits, dass die Beklagte auch das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit ablehnte. Auch ist das Berufungsverfahren antragsgemäß nicht auf die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit beschränkt (vgl. hierzu z. B. BSG, SozR 4-2700 § 9 Nr. 13).

Die vom Kläger als Wie-Berufskrankheit geltend gemachte Polyneuropathie bzw. Enzephalopathie ist auch nicht als Wie-Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO anzuerkennen, da die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO objektiv nicht gegeben sind.

Nach den Feststellungen des TAD sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 1317 bzw. einer Wie-Berufskrankheit wegen bestehender Polyneuropathie und Enzephalopathie nur in der Zeit von August 1955 bis August 1963, als der Kläger als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH tätig war, erfüllt. Der Kläger war, verstärkt in der Ausbildungszeit, je nach Art der ausgeführten Tätigkeit (Getriebebau, „Automischer“) einem Umgang mit Reinigungsmitteln (Waschbenzin, Nitroverdünnung und „TRI“) sowie mit lösemittelhaltigen Lacken ausgesetzt. Den durchschnittlichen Zeitbedarf veranschlagte der TAD auf 30 Minuten/Tag. Während eines halben Jahres im Getriebebau im Rahmen der Ausbildung hat bei Reinigungsarbeiten (durchschnittlich drei bis maximal fünf Stunden pro Tag) eine erhöhte Exposition gegenüber Lösemitteln aus Reinigern bestanden. Mangels vorliegender Angaben zu den Mengenverhältnissen der verwendeten Lösungsmittel ist eine konkrete Expositionsabschätzung im Bezug auf Grenzwerte aber nicht möglich. Der TAD gelangte somit zu einer erhöhten Belastung nur während des halben Jahres im Getriebebau. Soweit vom Kläger auf die heute kaum mehr vorstellbaren Arbeitsbedingungen in dem damaligen Betrieb hingewiesen wird, deckt sich dies mit der grundsätzlichen Einschätzung des TAD, dass in den Jahren von August 1955 bis August 1963 eine Expositionsbelastung vorhanden war - auch wenn der TAD die erhöhte, relevante Expositionsdauer auf die ersten 1 1/2 bzw. das ein halbes Jahr beschränkt. Der Senat kann diese zeitliche Einschränkung offen lassen, da vorliegend aber jedenfalls die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht gegeben sind.

Für die Tätigkeit als Lagerist bei den Stadtwerken A-Stadt wurde allerdings vom TAD eine Exposition gegenüber lösungsmittelhaltigen Stoffen, Nitrofarben etc. verneint. Hiergegen hat der Kläger substantiiert nichts vorgebracht; auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sich nur auf die Tätigkeit bei der Fa. S. GmbH bezogen. Nach den Ermittlungen des TAD bei den Stadtwerken A-Stadt arbeitete der Kläger dort seit 1. Oktober 1987 als Lagerist. Sein Umgang mit Farben, Lacken, Schmierstoffen etc. beschränkte sich darauf, diese in handelsüblichen, verschlossenen Gebinden in Empfang zu nehmen, zu verstauen und bei Bedarf auszugeben. Eine Verarbeitung dieser Stoffe durch ihn erfolgt nicht.

Eine Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln und deren Gemische bei der Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter ist nicht ersichtlich und ebenfalls vorgetragen. Der Kläger selber gab in dem Fragebogen vom 22. Januar 1997 als belastungsrelevante Tätigkeit nur die Zeit vom 1. August 1955 bis 2. August 1963 als Maschinenschlosser bei der Fa. S. GmbH an.

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts steht aufgrund des vom Senat eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. Dr. C. zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger sowohl eine Polyneuropathie als auch eine Enzephalopathie als Erkrankungen vorliegen. Der Sachverständige stellte in neurologischer Hinsicht, unterstützt durch eine elektrophysische Untersuchung, eine seit 2005 bestehende ausgeprägt progrediente Polyneuropathie der Beine fest, darüber hinaus einen Mischtremor. Noch im Jahre 2000 schloss Dr. H. als Gutachter eine Polyneuropathie sowie eine Enzephalopathie aus, er diagnostizierte jedoch eine chronifizierte somatoforme bzw. hypochondrische Störung, wie sie sich auch in der rentenrechtlichen Begutachtung der Jahre 1996 und 1998 ergab. Dr. M. gab den Schweregrad der Polyneuropathie in seinem Gutachten vom 24. Dezember 2009 mit Grad IIb (mittlere Form) an.

Eine Enzephalopathie bzw. ein hirnorganisches Psychosyndrom wird von Prof. Dr. Dr. C. ebenfalls bestätigt. Der Kläger zeigte im Rahmen der Untersuchung hierauf deutliche Hinweise mit neurokognitiven Defiziten und auch einer Wesensveränderung.

Soweit für den Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde, dass ihm während der Arbeit bei der Fa. S. GmbH häufig nach der Arbeit schwindlig gewesen sei, ist dies auch von Prof. Dr. Dr. C. in der Anamnese erfasst und gewürdigt worden. Gegenüber dem Sachverständigen gab er auf Nachfrage an, dies sei etwa drei bis viermal in der Woche beim Reinigen von Getriebeteilen der Fall gewesen. Dennoch bewertete der Sachverständige im Hinblick auf die vorliegenden Befunde, dass die für eine Polyneuropathie bzw. Enzephalopathie maßgebliche Symptomatik „frühestens Anfang der 1980er Jahre“ (Seite 33 des Gutachtens) begonnen hat - zunächst nur im Rahmen vor allem subjektiv bestehender Beschwerden. Ein Beginn der Erkrankung bereits in den 50-er Jahren ist somit nach Überzeugung des Senats nicht belegt.

Für die Feststellung einer Berufskrankheit ist darüber hinaus die o.g. Einwirkungskausalität erforderlich, die vom Senat im Ergebnis verneint wird. Die ersten Beschwerdesymptome traten nach dem Gutachten auch des Prof. Dr. Dr. C. beim Kläger wie dargelegt (frühestens) Anfang der 1980er-Jahre auf, also ca. 17 Jahre nach Beendigung der Tätigkeit bei der Fa. S. GmbH im Jahre 1963. Vermehrt Erkrankungszeichen und Behandlungen finden sich nach Aktenlage sogar erst ab dem Jahre 1992. Eine ausgeprägte Verschlechterung des Beschwerdebildes einer Enzephalopathie und Polyneuropathie ist seit dem Jahre 2000 und insbesondere seit 2005 zu verzeichnen. Wenn Prof. Dr. Dr. C. von einer erst seit 2005 bestehenden ausgeprägt progredienten Polyneuropathie der Beine spricht, liegen mehrere Jahrzehnte zwischen einem Expositionsende und diesem Zeitpunkt.

Eine von 1955 bis 1963 beruflich bedingte Einwirkung mit der Folge einer toxischen Schädigung wäre über Jahrzehnte still verlaufen, mindestens 17 Jahre (1963 - 1980) bzw. fast 25 Jahre, bezogen auf die vom TAD feststellte erhöhte Expositionsbelastung zu Beginn der Tätigkeit, und hätte sich erst dann nach rund 40 Jahre (1963 - 2000) exponentiell verschlechtert.

Angesichts der Flüchtigkeit von Lösemitteln nach Ende der Exposition ist häufig eine Rückbildung von Symptomen zu erwarten, so dass eine Beschwerdezunahme nach Expositionsende gegen einen Ursachenzusammenhang mit der Lösemittelexposition spricht. Nach der Fachliteratur zeichnen sich eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie durch unterschiedliche Krankheitsverläufe aus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin (S/M/V), Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 241). Jeweils gilt aber, dass grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn besteht. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn sei aufgrund der kurzen biologischen Halbwertzeiten der neurotoxischen Lösungsmittel toxikologisch nicht plausibel. Allerdings kann eine toxische Polyneuropathie nach Expositionsende zeitlich begrenzt über wenige Monate eine Verschlechterung der Symptomatik zeigen. Jedoch ist eine langfristige weitere Verschlechterung nicht belegt, vielmehr kommt es zu Rückbildungen der Symptomatik (so z. B. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317, Anm. 2.1). Bei einer Enzephalopathie wird am häufigsten ein Fortbestehen oder nur leichte Minderungen des Symptomerlebens bzw. psychischer Leistungsdefizite nach Expositionsende beschrieben. Eine Progression wurde bei Studien deutlich überwiegend nicht festgestellt, mit Ausnahme bei sehr hoher und langer Lösungsmittelexposition, wie sie beim Kläger aufgrund der o.g. Feststellungen des TAD aber nicht der Fall war (zitiert aus S/M/V, a. a. O. bzw. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Anm. 2.2; so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13. Dezember 2007, Az.: L 6 U 2016/03: LS: „Die Persistenz oder Verschlechterung einer Polyneuropathie nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel entgegen der im Merkblatt zur Berufskrankheit gem. BKV Anl.

Nr. 1317 in der Fassung der Bekanntmachung des BMGS im BABl. 2005, Heft 3, Seite 49 vertretenen Auffassung in aller Regel aus“).

Allerdings bestehen unter Fachkreisen Diskrepanzen zur Prognoseeinschätzung (s. a. BSGE 96, 297 ff, juris Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, a. a. O.). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist aber Prof. Dr. Dr. C. hierauf in seinem Gutachten eingegangen (siehe S. 34) und ist nicht bei dieser grundsätzlichen Feststellung verharrt. Nach dem überarbeiteten Merkblatt zur BK Nr. 1317 aus dem Jahr 2005 (BArbBl. 3/2005 S. 49 ff.) wird unter Punkt III dargelegt, dass sich lösungsmittelbedingte Polyneuropathien häufig nach Unterlassung der Exposition verbessern. Ferner wird ausgeführt, dass sie sich in der Regel in engem zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Lösungsmittelexposition entwickeln, wobei die klinische Diagnose der Polyneuropathie auch noch zwei bis drei Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Die Studien werden hier unterschiedlich bewertet mit dem Ergebnis, dass eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt (Merkblatt, a. a. O., bezüglich Polyneuropathie). Auch hinsichtlich der Enzephalopathie wird in dem Merkblatt ausgeführt, dass eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt. Allerdings wird auch festgestellt, dass für die Differentialdiagnose von Bedeutung ist, dass eine Progredienz der Erkrankung nach Expositionskarenz gegen die Annahme eines Ursachenzusammenhangs spricht.

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Merkblätter den Senat nicht binden. Es handelt sich hierbei lediglich um rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft können sie nicht verwendet werden, zumal sie häufig nicht auf aktuellem Stand sind; sie stellen lediglich eine wichtige, nicht aber unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).

Zum anderen erläuterte der Sachverständige Prof. Dr. Dr. C. unter Heranziehung einer Metaanalyse aus dem Jahre 2009 (van Valen et al., Neurotoxicology 2009, 30: 1172-1186), dass es sich um non-progressive Erkrankungen handelt. Eine Literaturrecherche des Sachverständigen über Veröffentlichungen der letzten fünf Jahre ergab keine neuen Ergebnisse bezüglich des Langzeitverlaufs. Aber selbst wenn eine ausnahmsweise mögliche Progression angenommen wird, ist in dem hier zu entscheidenden Fall eine erhebliche zeitliche Lücke von 17 Jahren von 1963 bis 1980 bzw. von 25 Jahren von 1955 bis 1980, also bis zum Auftreten der ersten Beschwerden, vorhanden. Eine lange Latenzzeit zwischen Ende der Exposition und Beginn der Krankheit spricht - wie z. B. auch eine relativ geringe Exposition und eine kurze Expositionsdauer - gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit (vgl. Mehrtens/Brandenurg, a. a. O., Anm. 3). Eine Progredienz erfuhren die Erkrankungen in den 90er-Jahren sowie verstärkt nach dem Jahr 2000. Ein medizinisch-wissenschaftlicher Beleg für den dennoch bestehenden Ursachenzusammenhang mit der ursprünglichen Tätigkeit existiert bei dieser Sachlage nicht.

Hinzu kommt, dass vom Sachverständigen Konkurrenzursachen für das Entstehen einer Polyneuropathie und Enzephalopathie wie vor allem stark erhöhter Blutdruck (seit 1989, bestätigt bei der aktuellen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. C. mit einem Wert von 195/110 mmHg) sowie das internistisch diagnostizierte APS benannt werden. Beides geht mit mikroangiopathischen Veränderungen, d. h. Schädigungen im Bereich der kleinsten Gefäße, einher. Diese können Ursache sowohl für eine Enzephalopathie als auch für eine Polyneuropathie sein.

Weitere Recherchen beim medizinischen Sachverständigenrat, wie vom Kläger zuletzt angeregt, erscheinen vor diesem Hintergrund entbehrlich. Bei Prof. Dr. Dr. C., der hierzu Literaturrecherchen vorgenommen hat, handelt es sich um einen ausgewiesenen neurologischen Experten des BKH C-Stadt und zertifizierten Gutachter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Das Vorliegen einer Wie-Berufskrankheit bzgl. eines APS wird vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. C. ebenfalls abgelehnt, der dies eher als Konkurrenzursache für eine Polyneuropathie und Enzephalopathie wertet. Auch hierzu hat der Sachverständige die vorliegende Literatur gesichtet und ist überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden kann, dass ein APS durch eine Lösemittelbelastung ausgelöst wurde. Das APS gehört zu den häufigen Autoimmunerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Selbst wenn organische Lösemittel als Risikofaktor für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen gelten, kann hierauf eine Einwirkungskausalität nicht mit der notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit belegt werden, zumal die Risikoerhöhung nach der Darstellungen des Sachverständigen als lediglich geringfügig angesehen wird. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass ihn die Lösemittelbelastung während seiner Adoleszenz traf, ist der Sachverständige auch dieser Argumentation nachgegangen und hat - auch unter Vergleich mit der Gruppe von jugendlichen Lösemittelschnüfflern - keine verwertbaren Angaben in der Fachliteratur gefunden, die sich mit dem diesbezüglichen Langzeitverlauf beschäftigen. Dass der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, ein derartiger Kausalzusammenhang sei nicht auszuschließen, erfüllt dies nicht die notwendigen Anforderungen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang.

Eine Wie-Berufskrankheit wegen eines MCS-Syndroms hat der Kläger zuletzt nicht mehr geltend gemacht.

Die Berufung war daher vom Senat zurückzuweisen.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Sept. 2015 - L 2 U 174/10 zitiert 15 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 99


(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 212 Grundsatz


Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 214 Geltung auch für frühere Versicherungsfälle


(1) Die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels gelten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind; dies gilt nicht für die Vorschrift über Leistungen an Berechtigte im

Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung - KraftfAusbV 2001 | § 6 Berichtsheft


Der Auszubildende hat ein Berichtsheft in Form eines Ausbildungsnachweises zu führen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, das Berichtsheft während der Ausbildungszeit zu führen. Der Ausbildende hat das Berichtsheft regelmäßig durchzusehen.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 13. Dez. 2007 - L 6 U 2016/03

bei uns veröffentlicht am 13.12.2007

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels gelten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind; dies gilt nicht für die Vorschrift über Leistungen an Berechtigte im Ausland.

(2) Die Vorschriften über den Jahresarbeitsverdienst gelten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn der Jahresarbeitsverdienst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals oder aufgrund der §§ 90 und 91 neu festgesetzt wird. Die Vorschrift des § 93 über den Jahresarbeitsverdienst für die Versicherten der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und ihre Hinterbliebenen gilt auch für Versicherungsfälle, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetreten sind; die Geldleistungen sind von dem auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden 1. Juli an neu festzustellen; die generelle Bestandsschutzregelung bleibt unberührt.

(3) Die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen gelten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. § 73 gilt auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind.

(4) Soweit sich die Vorschriften über das Verfahren, den Datenschutz sowie die Beziehungen der Versicherungsträger zueinander und zu Dritten auf bestimmte Versicherungsfälle beziehen, gelten sie auch hinsichtlich der Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind.

Der Auszubildende hat ein Berichtsheft in Form eines Ausbildungsnachweises zu führen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, das Berichtsheft während der Ausbildungszeit zu führen. Der Ausbildende hat das Berichtsheft regelmäßig durchzusehen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Im Streit steht die Anerkennung und Entschädigung einer Polyneuropathie (PNP) als Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 1302, 1310 oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1931 geborene Kläger übte ab 1950 bei der Zimmerei G. und Z. GmbH & Co. KG eine Tätigkeit als Zimmermann bzw. Rolladen- und Jalousienbaumeister aus. Ab 1. November 1992 bezog er Rente wegen Berufsunfähigkeit, seit 1. September 1994 bezieht er Altersrente.
Am 22. Mai 1995 ging die ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer BK des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. D. vom 18. Mai 1995 bei der Beklagten ein. Darin war ausgeführt, dass der Kläger seit 23. April 1993 nicht mehr arbeite und über eine Gefühllosigkeit beider Füße und Fußheberschwäche rechts geklagt habe, die 1990 erstmals aufgetreten seien. Der Kläger führe diese Beschwerden auf Kontakt mit Holzschutzmitteln zurück. Das Vorliegen einer BK nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKVO (Erkrankung durch halogenierte Aryloxide [Pentachlorphenol]) werde angenommen und auf das Versprühen von Holzschutzmitteln zurückgeführt. Der Anzeige beigefügt waren die Arztbriefe der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 17. Juni 1993 („... seit ca. einem halben Jahr zunehmend Lähmung des rechten Fußes bemerkt...“), des PD Dr. M.-W., Diakoniekrankenhaus S. H., vom 24. August 1993 (Diagnose: PNP, überwiegend motorisch, mit Fußheber- und Zehenheberparese beidseits unklarer Genese, Verdacht auf Neuroborreliose Stadium III, Suralisbiopsie am 22. Juli 1993, Ulcus ventrikuli), des Urologen Dr. S. vom 9. November 1993 mit Laborbefunden in Anlage (Untersuchung des Bluts auf neurotoxische Substanzen aus Holzschutzmitteln ohne einschlägigen Befund) sowie der Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes, Dipl.-Ing. S., vom 26. September 1994, in dem zusammenfassend aufgeführt war, dass der Kläger praktisch sein ganzes Berufsleben mit unterschiedlichen Gefahrstoffen (organische Lösungsmittel, Wirkstoffe von Holzschutzmitteln) in Kontakt gekommen sei. Beigefügt war der Analysebericht 94 vom 9. November 1994 über eine Expositionsmessung in der Maler- und Lackiererei des Beschäftigungsbetriebs.
Die Beklagte zog von der Krankenkasse das Vorerkrankungsverzeichnis sowie ärztliche Unterlagen aus Verfahren um die Anerkennung einer Asbestose als BK bei, ebenso die Unterlagen von der früheren Landesversicherungsanstalt Württemberg im Verfahren um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit, die u.a. den Bericht der Neurologischen Universitätsklinik und Poliklinik im K. Klinikum, W., Prof. Dr. T., vom 16. Januar 1995 (nach stationärem Aufenthalt des Klägers vom 4. - 13.10.1994) enthielten. Der Kläger sei vorgestellt worden, um einen Zusammenhang der seit etwa 2 Jahren bestehenden polyneuropathischen Beschwerden mit der beruflichen Holzschutzmittelexposition und Asbest-Exposition als Zimmermann abzuklären. Zusammenfassend kam Prof. Dr. T. zum Schluss, es handle sich um eine vorwiegend axonale, beinbetonte sensomotorische PNP unklarer Ätiologie.
Unter dem 13. Juni 1995 zeigte der ehemalige Beschäftigungsbetrieb das Vorliegen einer BK an.
Die Beklagte zog ferner den Arztbrief von Oberarzt Dr. M. vom 01.08.1995 über eine weitere, vom 22. März 1995 - 11.April 1995 durchgeführte stationäre Heilbehandlungsmaßnahme in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums W. bei. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass sich klinisch wie elektrophysiologisch, verglichen mit dem Zustand 1994, ein nahezu stabiles Krankheitsbild einer axonalen sensomotorischen PNP gefunden habe. Häufig gelinge es für diese Art der Neuropathie nicht, eine eindeutige Ursache zu finden. Die Differentialdiagnostik der primär axonalen PNP umfasse die meisten toxischen, paraneoplastischen und vaskulären PNPn. Man habe eine paraneoplastische Genese vorliegend ausschließen können. In Anbetracht des Krankheitsverlaufs erscheine auch eine Intoxikation mit Holzschutzmitteln denkbar. Es werde ein arbeitsmedizinisches Gutachten empfohlen.
Die Beklagte zog weiter die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Untersuchungen vom 17. Januar 1985, 19. Februar 1992 und 26. Mai 1994 bei und legte die gesamten Unterlagen dem Beratungsarzt C., Arzt für Arbeitsmedizin, vor. Dieser führte unter dem 17. November 1995 u.a. aus, es sei auch eine BK nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO denkbar. Es sei von einer früheren relevanten Einwirkung neurotoxischer Stoffe auszugehen, die bestehende axonale Polyneuropathie könne viele Ursachen haben. Die jetzt negativen Schadstoffmessungen im Blut sprächen nicht gegen eine frühere toxische Belastung. Fraglich sei jedoch das späte und progrediente Auftreten der PNP. Er schlage wegen der Komplexität der Fragestellung eine Begutachtung vor.
Unter dem 3. Juni 1996 erstellte im Auftrag der Beklagten Prof. Dr. K., Arzt für Arbeitsmedizin, Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung, ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten zur Frage, ob eine BK nach Nr. 1310 oder 1302 der Anlage 1 zur BKVO vorliege. Dieser diagnostizierte eine axonale sensomotorische beinbetonte PNP mit schlaffer Paraparese der Beine und ausgeprägter Gangstörung und strumpfförmiger Sensibilitätsstörung bis in Kniehöhe beidseits, eine Störung der Feinmotorik und Sensibilität beider Hände, einen Verdacht auf autonome PNP mit Zustand nach Vorhofflimmern, eine beginnende tubuläre Nierenschädigung ohne Nierenfunktionseinschränkung, eine geringgradige Lungenasbestose mit Pleuraplaques (anerkannte BK nach Nr. 4103, MdE weniger als 20 v. H.), einen Verdacht auf Lärmschwerhörigkeit beidseits (MdE ca. 10 v. H.), ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Lenden-, Hals- und Brustwirbelsäulenbeschwerden und Hüftgelenksarthrose beidseits, links mehr als rechts, einen medikamentös eingestellten Bluthochdruck, eine reaktive Depression, geringfügige Psoriasis und eine Penicillinallergie. Er führte aus, aus arbeitsmedizinischer Sicht fehle noch eine abschließende Stellungnahme des TAD über die aus arbeitstechnischer Sicht anzunehmende Exposition mit Lösungsmitteln und eventuellen Inhaltsstoffen von Holzschutzmitteln. Auch fehle es an Aussagen dazu, ob in früheren Jahren (1950 - 1975) eine Exposition gegenüber Arsen in erheblicher Menge als Holzschutzmittelinhaltsstoff, gegenüber Hexan, Quecksilber, Acrylamid, Methyl-n-Botylketon oder Hydraulikölen vorgelegen habe. Auch nach den von ihm durchgeführten Laboruntersuchungen lasse sich weitgehend ausschließen, dass die PNP durch ein autoimmunologisches, entzündliches oder paraneoplastisches Geschehen hervorgerufen werde. Die häufigsten PNP-Ursachen in Gestalt von Alkoholmissbrauch und Zuckererkrankung hätten sicher ausgeschlossen werden können. Klinische Hinweise für das Vollbild einer Enzephalopathie hätten nicht bestanden. Aufgrund des Fortschreitens der PNP ohne therapeutische Besserung bestehe eine nachvollziehbar reaktive Depression. Die Ursächlichkeit der Beschwerden könne jedoch erst nach einer abschließenden Stellungnahme des TAD beurteilt werden.
Unter dem 17. Juli 1996 erstellte Dipl.-Ing. S. eine arbeitstechnische Stellungnahme, der u. a. Analyseberichte über im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers verwendete Arbeitsmittel und Sicherheitsdatenblätter beilagen. Der Kläger wurde am 23. Mai 1996 nochmals durch den TAD befragt und machte unter dem 29. Mai 1996 schriftlich ergänzende Angaben.
10 
Nach Vorlage der Ermittlungsergebnisse des TAD führte Prof. Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 1996 aus, ein Kontakt mit n-Hexan sei nach den Ausführungen des TAD nicht völlig ausgeschlossen, eine langjährige Exposition gegenüber Toluol, Xylol, Ethylbenzol und Isopropylbenzol könne als gesichert, auch oberhalb der Grenzwerte, über lange Zeit angenommen werden. Eine geringere, im Ausmaß unklare Exposition sei mit den in geringen Mengen in den Lösungsmitteln vorhandenen Stoffen Permethrin, Dichlorfluanid, Furmecyclox, Magnesiumsilicofluorid, PCP, Lindan und bleihaltigen Verbindungen sowie Phenylquecksilberoleat und Methyl-Ethyl-Ketoxim anzunehmen. Nach der Arbeitsbeschreibung des TAD (keine Schutzhandschuhe, keine Masken, häufig Hautkontakt und durchtränkte Kleidung) müsse man bei hautresorptiven Stoffen annehmen, dass die Auslöseschwelle zumindest für Lösemittelgemische langjährig und häufig überschritten worden sei. Auch wenn bei der durchgeführten Messung die Einzelsubstanzen (vor allem Lösemittel) weit unterhalb der MAK-Werte gemessen worden seien, sei zu beachten, dass der ursprüngliche Arbeitsplatz des Klägers nicht mehr vorhanden gewesen sei. Im Übrigen sei im November 1994 der Messwert für ein unbekanntes Kohlenstoffwassergemisch über dem 3-fachen des MAK-Wertes bei einem 1-Stunden-Wert und über die Schichtlänge 9 ml/m³ oberhalb des empfohlenen MAK-Wertes von 50 ml/m³ gemessen worden. Zusammenfassend seien die Angaben des TAD daher so zu interpretieren, dass eine Exposition oberhalb der Grenzwerte mit Lösungsmitteln sowie einem unbekannten Kohlenstoffwasserstoffgemisch eher wahrscheinlich gewesen sei. Die Ursache der beim Kläger bestehenden beinbetonten PNP mit schlaffer Paraparese beider Beine und ausgeprägter Gangstörung könnte idiopathisch (und somit nicht erklärbar) oder möglicherweise auch lösungsmittelbedingt erklärbar sein. Letzteres erscheine wahrscheinlich, da eine langjährige Exposition mit Lösungsmitteln vorgelegen habe, die zudem noch geringe Mengen an Bioziden unterschiedlichster Art mit ebenfalls neurotoxischem Charakter enthalten hätten. So sei von Methyl-Ethyl-Keton bekannt, dass es PNPn auslösen könne, aber auch die neurotoxische Wirkung anderer Lösemittel potenziere. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit lasse sich allerdings nur begründen, wenn exaktere Expositionsdaten vorliegen würden. Auszuschließen sei ein Zusammenhang aber nicht.
11 
Auf ergänzende Anfrage der Beklagten führte Prof. Dr. K. unter dem 30. September 1996 aus, die MdE belaufe sich auf 40-50 v.H.
12 
Die staatliche Gewerbeärztin Dr. H. schlug in ihrer Stellungnahme vom 20. November 1996 die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen BK im Anschluss an Prof. Dr. K. vor.
13 
Auf ergänzende Anfrage nahm der TAD unter dem 20. Januar 1997 erneut zu den stattgehabten Expositionen Stellung. Er führte aus, für die Zeit von 1950 bis 1952 (Zimmermannslehre) könne eine genaue zeitliche Gewichtung der belastenden oder nicht belastenden Tätigkeiten nicht mehr vorgenommen werden. Die reine Holzbearbeitung ohne Gefahrstoffkontakt werde auf 90-95% Tätigkeitsanteil geschätzt, das manuelle Auftragen von Holzschutzmitteln mit Pinseln auf etwa 5-10%. Der Kläger habe in dieser Zeit Kontakt zu organischen Lösungsmitteln und Holzschutzmitteln gehabt. Während der Tätigkeit als Zimmermannsgeselle von 1952 bis 1965 habe der Kläger etwa 20% der Arbeitszeit mit Holzbearbeitung im Freien ohne Gefahrstoffbelastung verbracht, 10% mit dem Spritzen und Nachstreichen vorbehandelter Hölzer im Freien, 30% mit dem nicht gefahrstoffbelasteten Aus- und Einbau von Dachstühlen und 30% mit dem Spritzen von Hölzern in nahezu geschlossenen Räumen. Der Gesamtanteil gefahrstoffbelasteter Tätigkeiten habe bei 40% gelegen. Von 1965 bis 1976 habe der Anteil bei etwa 60% gelegen, in der Zeit von 1976 bis 1986 bei etwa 35% und von 1986 bis 1994 von etwa 15%. Es könne darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht gegenüber n-Hexan exponiert gewesen sei.
14 
Im Auftrag der Beklagten erstellte unter dem 23. Juni 1997 Prof. Dr. G., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten. Dieser führte aus, beim Kläger bestehe mittlerweile eine ausgeprägte PNP mit sensiblen Störungen handschuhförmig an den Händen und strumpfförmig an den Unterschenkeln und Füßen sowie rechtsbetont an den Füßen mit hochgradigen atrophischen Lähmungserscheinungen, insbesondere für Fußhebung und Zehenbewegungen. Trotz umfangreicher neurologischer Diagnostik habe eine Ursache der senso-motorischen PNP nicht aufgedeckt werden können. Dieser Sachverhalt sei für Polyneuropathien im höheren Lebensalter nicht ungewöhnlich, da ein nicht unerheblicher Prozentsatz von PNPn im höheren Lebensalter idiopathisch bleibe. Der klinische Verlauf mit langsamer Zunahme auch nach Ende einer anzunehmenden Exposition mit neurotoxischen Substanzen spreche nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand über neurotoxisch bedingte PNPn eher gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Befunde und Verlauf sprächen darüber hinaus auch eher gegen das Vorliegen einer neurotoxisch bedingten Enzephalopathie.
15 
Prof. Dr. Dr. L., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität E.-N. erstattete unter dem 11. Juli 1997 ein arbeitsmedizinisch-internistisches Fachgutachten. Er diagnostizierte eine langsam zunehmende, überwiegend axonale senso-motorische PNP unklarer Genese, einen arteriellen Hypertonus mit Verdacht auf beginnende Hirngefäßveränderungen, eine beginnende Coxarthrose beidseits, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, eine Adipositas sowie eine chronisch-venöse Insuffizienz und führte aus, dass die durch den TAD durchgeführten Ermittlungen eine langjährige und sehr hohe Exposition gegenüber Arbeitsstoffen mit Wirkung auf das periphere Nervensystem nicht zweifelsfrei hätten objektivieren können. Insbesondere in den Jahren 1976 bis 1986 sei der Gesamtanteil gefahrstoffbelasteter Tätigkeiten auf etwa 35% geschätzt worden, 1986 bis 1995 nur auf 15%. Mit Blick auf die verwendeten Arbeitsstoffe könne gesagt werden, dass es sich nicht um Arbeitsstoffe handle, von denen eine stark schädigende Wirkung auf das periphere Nervensystem zu erwarten sei. Daher sei aus seiner Sicht die haftungsbegründende Kausalität aufgrund der arbeitstechnischen Ermittlungen nicht erfüllt. Einschränkend müsse jedoch ausgeführt werden, dass detaillierte Angaben über die konkrete Expositionshöhe gegenüber den verschiedenen Arbeitsstoffen nicht vorlägen. Eine eindeutige Ursache der PNP habe auch durch die durchgeführten Untersuchungen nicht aufgedeckt werden können. Manifeste außerberufliche Risikofaktoren für die Induktion einer PNP lägen nicht vor. Hinsichtlich des Krankheitsverlaufs sei zu erkennen, dass sich erste Beschwerden 1991 manifestiert hätten, als die Exposition gegenüber lösemittelhaltigen Stoffen eher gering gewesen sei. Trotz der Tätigkeitsaufgabe im Jahr 1994 habe der Kläger eine Zunahme der Beschwerdesymptomatik an den unteren Extremitäten geklagt, seit etwa 1 ½ Jahren seien auch die Finger betroffen. Dieser klinische Verlauf mit einer langsamen Zunahme auch nach Ende der Exposition spreche eher gegen einen ursächlichen Zusammenhang.
16 
Mit Bescheid vom 7. August 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach den Nrn. 1310 und 1302 der Anlage zur BKV ab, da keine Erkrankung durch Halogenkohlenwasserstoffe oder durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide vorliege. Es liege auch keine nach § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) wie eine BK zu entschädigende Erkrankung vor.
17 
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. K.. Die Beklagte fragte daraufhin Prof. Dr. L. an, wie hoch die Exposition gegenüber Lösungsmitteln gelegen haben müsse, um eine PNP zu induzieren und ob sich durch die zum 1. Dezember 1997 in die Anlage zur BKV aufgenommene BK nach Nr. 1317 eine andere Bewertung ergebe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Februar 1998 führte Prof. Dr. L. daraufhin aus, dass eine arbeitsmedizinisch- toxikologische Exposition sich an den damals gültigen Grenzwerten orientiere, wobei eine Grenzwertüberschreitung aber nicht schon mit einer Krankheit oder BK gleichzusetzen sei. Die Ermittlung, in welcher Höhe eine Exposition vorgelegen habe, sei Aufgabe des TAD. Eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV liege ebenfalls nicht vor.
18 
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. L. und führte aus, auch eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV liege nicht vor. Im Übrigen scheide eine Entschädigung wegen dieser BK im Hinblick auf § 6 der ab 1. Dezember 1997 gültigen BKV schon deshalb aus, weil der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1993 eingetreten wäre.
19 
Dagegen erhob der Kläger am 12. Juni 1998 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. K.. Ergänzend führte er aus, wenn vor 1994 durch die Beklagte keine Messungen im Betrieb durchgeführt worden seien und erst nach Durchführung entsprechender Messungen Veränderungen im Betriebsablauf durchgeführt worden seien, könne dies nicht zu seinen Lasten gehen.
20 
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
21 
Das SG beauftragte Prof. Dr. K., den Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der J.-G.-Universität M., mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 14. Juli 1999 führte er aus, es sei nach den Ermittlungen des TAD davon auszugehen, dass der Kläger mit neurotoxischen Lösemitteln in Kontakt gewesen sei. Nicht gesichert sei allerdings eine kritische Expositionshöhe. Hiervon könne ausgegangen werden, wenn in der überwiegenden Zahl der Schichten Konzentrationen aufgetreten seien, bei denen Erkrankungen oder manifeste Störungen des Nervensystems bekannt seien. Die kritischen neurotoxischen Grenzwerte beliefen sich für Toluol auf 80 ml/m³ und für Xylol auf 100 ml/m³. Angesichts der vorliegenden Messdaten sei jedoch unwahrscheinlich, dass eine relevante Exposition vorgelegen habe. Das Expositionsrisiko gegenüber Holzschutzmitteln sei als gering einzuschätzen, da Holzschutzmittel praktisch immer in wässrigen Lösungen angesetzt würden und diese damit einen nur sehr geringen Dampfdruck besitzen würden. Eine nennenswerte krankheitsrelevante Exposition sei daher auch insoweit nicht wahrscheinlich. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt. Berücksichtige man darüber hinaus noch den Krankheitsverlauf, sei auch deshalb nicht von einer lösemittelbedingten PNP auszugehen. Dagegen spreche zum einen der Umstand, dass es sich beim Kläger um vorwiegend motorische Ausfälle handle, die auch noch drei bis vier Jahre nach Berufsaufgabe progredient gewesen seien und derzeit immer noch geringfügig fortschreiten würden. Gegen eine toxische Verursachung durch Holzschutzmittel spreche, dass chronische Dauerschäden im Sinne einer Polyneuropathie durch Holzschutzmittel bisher ausschließlich nach akuten schweren Vergiftungen beobachtet worden seien, die praktisch immer stationär behandlungsbedürftig seien. Eine solche Vergiftung sei beim Kläger aber mit Sicherheit auszuschließen. Die haftungsausfüllende Kausalität sei daher wegen des untypischen Krankheitsverlaufs unwahrscheinlich.
22 
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete unter dem 22. Januar 2001 Dr. M., Arzt für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, ein neurologisches Zusatzgutachten und Prof. Dr. H., Internist und Nephrologe, unter dem 28. März 2001 ein internistisch-umweltmedizinisches Gutachten unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. M.. Dr. M. führte aus, er habe eine sensomotorische PNP mit pathologischen und teils nicht mehr messbaren Nervenleitgeschwindigkeiten an den Beinen und normalen Nervenleitgeschwindigkeiten an den Händen bzw. Armen diagnostiziert. Diese Beschwerden hätten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gehvermögens und einer damit einhergehenden Gangunsicherheit geführt. Hinweise auf hirnorganische Veränderungen im Sinne einer toxischen Enzephalopathie hätten sich nicht objektivieren lassen. Er habe, verglichen mit den Voruntersuchungen, am rechten Bein eine Verschlechterung, links allerdings eine Verbesserung festgestellt. Er bejahte das Vorliegen einer BK nach Nr. 1302 und 1317 und führte aus, dagegen spreche weder das späte Auftreten noch der Krankheitsverlauf. Letzterer sei nach seiner Erfahrung sogar typisch für schadstoffinduzierte PNPn. Andere Ursachen könnten ausgeschlossen werden, so dass es aus seiner Sicht unzulässig sei, den Kläger in die Gruppe ungeklärter PNPn einzureihen. Der Versicherungsfall sei vor dem 31.12.1992 eingetreten (etwa 1990/1991), die MdE betrage 40 v.H.
23 
Prof. Dr. H. führte als Diagnosen auf internistischem Fachgebiet eine arterielle Hypertonie mit konzentrischer Linksherzhypertrophie und diastolischer Funktionsstörung des linken Ventrikels, intermittierendes Vorhofflimmern, Asbestose, Antistreptolysin-Titer erhöht, C-reaktives Protein erhöht und Albuminurie, auf neurologischem Fachgebiet eine sensomotorische Polyneuropathie mit pathologischen und teils nicht mehr messbaren Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG) an den Beinen und noch normalen NLGs an den Händen bzw. Armen auf. Den Immunstatus beschrieb er mit „Löslicher Interleukin-6-Rezeptor erhöht. Interleukin 10 erhöht. IgA-anti-Fab erhöht, IgM-anti-Fc stark erhöht“. Zur Belastung mit Pestiziden und anderen chlororganischen Schadstoffen im Heparinblut führte er auf: „Belastungen durch die polychlorierten Biphenyle Nr. 138, 153 und 180, Hexachlorbenzolbelastung“. Er führte aus, dass die Erhöhung der bei der Beschreibung des Immunstatus aufgeführten Werte in der Regel bei persistierenden chronischen Entzündungsprozessen nachgewiesen werde und eine Leistungsbeeinträchtigung hierdurch objektiviert werde. Er erachte unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. M. eine BK nach den Nrn. 1310, 1312 und 1317 als gegeben, wie durch die von ihm erstmals durchgeführten immunologischen Untersuchungen bestätigt worden sei. Zudem sei der Kläger vor der Verarbeitung der entsprechenden Substanzen symptomfrei gewesen, Symptome hätten sich erst bei der Verarbeitung eingestellt. Der Erkrankungsbeginn sei auf 1990/1991 festzulegen.
24 
Das SG bat daraufhin Prof. Dr. K. um eine ergänzende Stellungnahme. Dieser führte unter dem 7. November 2001 aus, Dr. M. habe in seinem Gutachten die Behauptung, dass weder das späte Auftreten der Erkrankung noch deren Verlauf gegen eine lösemittelbedingte Polyneuropathie spreche, nicht begründet. Gleiches gelte für die von Dr. M. behauptete erhebliche neurotoxische Schadstoffexposition. Bei den von Prof. Dr. H. aufgeführten Laborergebnissen sei zu konstatieren, dass polychlorierte Biphenyle und Hexachlorbenzol ubiquitäre Umweltgifte seien, aus denen sich eine ausschließlich berufliche Belastung nicht ableiten lasse. Die Werte seien zudem nur geringfügig erhöht und mit großer Wahrscheinlichkeit ohne jegliche klinische Relevanz. Die von ihm weiter festgestellten erhöhten Laborwerte seien, wobei die allermeisten im Normalbereich liegen würden, unspezifische Entzündungsparameter und belegten in keiner Weise eine Erkrankung. Auch sei eine eindeutige Erkrankungshäufung, wie z.B. häufige Infekte, beim Kläger nicht erkennbar. Er gehe auch nicht auf den möglichen Zusammenhang zwischen der von ihm vermuteten Immunschädigung und der bestehenden Polyneuropathie ein. Er halte daher an seiner Beurteilung im Gutachten vom 14. Juli 1999 fest.
25 
Durch Urteil vom 13. Februar 2003 wies das SG, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. K., die Klage ab. Es bestünden bereits begründete Zweifel am Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität. Aber auch die von Prof. Dr. K. gezogenen Schlussfolgerungen mit Blick auf den Zeitpunkt des Entstehens der Erkrankung und den Krankheitsverlauf sprächen gegen einen Zusammenhang der Erkrankung mit den angeschuldigten beruflichen Schadstoffbelastungen.
26 
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 14. Mai 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Mai 2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, mit Ausnahme von Prof. Dr. H., dessen Schreiben vom 18. Juni 2003 er vorgelegt hat, hätten die übrigen Gutachter keine Bestimmung des Immunstatus durchgeführt, obwohl dies zur Kausalitätsbeurteilung unverzichtbar sei. Sie hätten ferner nicht berücksichtigt, dass er vor Expositionsbeginn symptomfrei gewesen sei und seine Beschwerden sich erst während der Streicharbeiten mit Holzschutzmitteln entwickelt hätten. Seine gesundheitlichen Störungen seien erstmals im Juni 1993 und somit nach dem Stichtag vom 1. Januar 1993 aufgetreten. Er hat eine „Öffentliche Mitteilung“ des früheren Ministers für Arbeit und Soziales Dr. Blüm zum Merkblatt zur BK Nr. 1317 in der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1997 vorgelegt. Dass Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 6. Juni 2006 zutreffend argumentiere, ergebe sich schon aus der Neufassung des Merkblatts zur BK 1317 im Jahr 2005, wonach wegen einer Progredienz der Erkrankung nach Expositionsende eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht mehr ausgeschlossen werden könne.
27 
Der Kläger beantragt sinngemäß,
28 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. Februar 2003 sowie den Bescheid vom 7. August 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 1998 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, zu verurteilen, seine Erkrankung als BK nach Nr. 1302, 1310 oder 1317 der Anlage zur BKV anzuerkennen, höchst hilfsweise wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII, und ihm Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
29 
Die Beklagte beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Sie weist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
32 
Mit Beschluss vom 19. Februar 2004 hat der Senat die Holz-Berufsgenossenschaft zum Verfahren beigeladen, da der Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers mit Wirkung vom 1. Januar 2003 an diese überwiesen worden ist.
33 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
34 
die Berufung zurückzuweisen.
35 
Sie führt zur Begründung aus, Prof. Dr. H. habe Zusammenhänge nur vermutet, nicht begründet. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass bezüglich einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV der Versicherungsfall, lege man die Beurteilung von Dr. M. und Prof. Dr. H. zugrunde, vor dem 31. Dezember 1992 eingetreten sei und schon deshalb eine Anerkennung der zugrunde liegenden Erkrankung als BK ausscheide. Darüber hinaus sei der Vollbeweis einer ausreichenden beruflichen Exposition nicht erbracht.
36 
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat Prof. Dr. K. unter dem 6. Juni 2006 ein Gutachten unter Berücksichtigung des neuropsychologischen Zusatzgutachtens der psychologischen Psychotherapeutin Dr. V. vom 10. Februar 2006 erstellt. Prof. Dr. K. hat ausgeführt, dass die vom TAD vorgelegten Daten zu den Belastungen des Klägers am ehemaligen Arbeitsplatz durch Lösungsmittel nur unzureichend erhoben worden seien, insbesondere aber nicht berücksichtigt worden sei, dass der Kläger auch dann, wenn er keinen unmittelbaren Kontakt mit entsprechenden Gefahrstoffen gehabt habe, durch die Atemluft weiterhin einer Lösungsmittelexposition ausgesetzt gewesen sei. Denn die Kollegen des Klägers, die mit ihm in einer Werkhalle gearbeitet hätten, hätten weiterhin mit diesen Stoffen hantiert. Darüber hinaus habe sich das Merkblatt zur BK Nr. 1317 dahingehend geändert, dass die Progredienz der Erkrankung nach Expositionsende nunmehr der Verursachung einer Polyneuropathie durch toxische Stoffe nicht mehr entgegen stehe. Dies entkräfte die Gutachten von Prof. Dr. G., Prof. Dr. L. und Prof. Dr. K.. Die Ausführungen von Prof. Dr. H. seien wiederum nicht geeignet, einen Zusammenhang der Erkrankung mit den angeschuldigten Stoffen zu begründen, da die bei dem Kläger vorliegenden Befunde auf persistierende Entzündungsprozesse im Organismus hinwiesen, jedoch eine Immunsuppression nicht erkennen ließen. Angesichts des Verlaufs der Erkrankung, fehlender außerberuflicher Entstehungsfaktoren sowie der vom Kläger geschilderten Arbeitsplatzverhältnisse sei davon auszugehen, dass eine BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vorliege. Diese sei nach dem 1. Januar 1993 erstmals von Dr. B. diagnostiziert worden, sodass die Rückwirkungsklausel des § 6 BKV der Anerkennung als BK nicht entgegen stehe.
37 
Am 19.04.2007 hat der Vorsitzende des Senats Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., E. und H.. Insoweit wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
38 
Er hat ferner den behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. unter dem 14.07.2007 und die behandelnde Neurologin Dr. B.-F. unter dem 17.07.2007 jeweils schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Schließlich hat er von Prof. Dr. T. das nach Aktenlage erstattete Gutachten vom 19. September 2007 eingeholt. Dieser hat darin das Vorliegen einer BK der Nummern 1302 bzw. 1310 mit der Begründung verneint, derzeit existierten keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die generelle Geeignetheit der hier interessierenden Holzschutzwirkstoffe Lindan und Pentachlorphenol, beim Menschen eine PNP zu verursachen. Hinsichtlich der geltend gemachten BK Nr. 1317 sprächen der Krankheitsbeginn und der Krankheitsverlauf der PNP insbesondere nach Beendigung der Schadstoffexposition gegen eine toxisch bedingte PNP. Soweit in dem im Jahr 2005 vom Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - veröffentlichten neuen Merkblatt zur BK 1317 ausgeführt werde, nicht selten bleibe die lösungsmittelbedingte PNP klinisch nach Unterlassung der gefährdeten Tätigkeit konstant oder verschlechtere sich, werde diese Schlussfolgerung durch die im Merkblatt zitierte Literatur nicht gestützt.
39 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
40 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
41 
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
42 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 7. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
43 
Hinsichtlich der streitgegenständlichen BKen nach den Nummern 1302 und 1310 sind noch die Vorschriften des bis zum 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I, Seite 721) anzuwenden. Dies folgt aus dem in § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) normierten Versicherungsfallprinzip. Die Ausnahmeregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII, wonach die Vorschriften u. a. über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzustellen sind, ist nicht einschlägig, da im Sinne dieser Vorschrift Leistungen erstmals festzusetzen sind, wenn die materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Festsetzung der Leistung erst später erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2003 - L 7 U 1931/02).
44 
Hinsichtlich der geltend gemachten BK Nr. 1317 sind dagegen die Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen SGB VII und der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 (BKV) anzuwenden. Die BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV wurde nämlich erst durch die BKV vom 31. Oktober 1997 eingefügt, weshalb eine Entscheidung hierüber zuvor nicht erfolgen konnte.
45 
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht für die in § 539 RVO aufgeführten Personenkreise. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind versichert insbesondere Beschäftigte bei einem Arbeitsunfall. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO galt als Arbeitsunfall auch eine BK. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Nach Satz 3 der Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
46 
Entsprechende Regelungen finden sich seit 1. Januar 1997 in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und in § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII. Ergänzend bestimmt § 9 Abs. 3 SGB VII: Erkranken Versicherte, die in Folge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Abs. 1 genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese in Folge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
47 
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum Einen die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKVO ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
48 
Hiervon ausgehend hat es das SG zu Recht abgelehnt, die Beklagte zur Anerkennung einer BK nach den Nummern 1302, 1310 oder 1317 zu verurteilen.
49 
Nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO sind Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe als BK anzuerkennen, nach der Nr. 1310 Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide. Seit 1. Januar 1997 ist ferner als BK anzuerkennen eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
50 
Zunächst liegt bei dem Kläger nach der Überzeugung des Senats keine Enzephalopathie vor, die unter einen der drei aufgeführten BK-Tatbestände subsumiert werden könnte. Denn der Neurologe Prof. Dr. G. hat bei seiner Untersuchung vom 3. Juni 1997 keine über das altersentsprechende Ausmaß hinausgehende, belangvolle Zeichen einer organischen psychischen Beeinträchtigung vorgefunden. Auch der Neurologe Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 22. Januar 2001 keinen Anhaltpunkt für eine Enzephalopathie gesehen. Dem hat sich Prof. H. in seinem Gutachten vom 28. März 2001 angeschlossen, ebenso Prof. Dr. K. im Gutachten vom 6. Juni 2006, der sich hierfür auch auf das neuropsychologische Zusatzgutachten von Dr. V. vom 10. Februar 2006 gestützt hat. Schließlich hat Prof. Dr. L. im Gutachten vom 11. Juli 1997 eine berufsbedingte Enzephalopathie ausdrücklich ausgeschlossen und Prof. Dr. K. im Gutachten vom 14. Juli 1999 eine solche nicht erörtert.
51 
Einigkeit besteht ferner darüber, dass bei dem Kläger mittlerweile eine ausgeprägte senso-motorische PNP vorliegt. Der Krankheitsverlauf ist mit Prof. Dr. T. als langsam progredient zu interpretieren. Während nämlich Dr. B. anlässlich ihrer Erstdiagnose im Juni 1993 deutliche Paresen der Fuß- und Zehenhebung bei gering ausgeprägten sensiblen Störungen beschrieben hat, hat Prof. Dr. G. im Juni 1997 bereits eine ausgeprägte Polyneuropathie auch mit sensiblen Störungen an den Händen und Beinen erhoben. In ihrem aktuellen Bericht vom 17. Juli 2007 hat Dr. B.-F. ferner bestätigt, dass sich der Leidenszustand des Klägers im Verlauf ihrer Behandlung durch eine Zunahme der Paresen und der sensiblen Störungen verschlechtert hat. Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich aus dem Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. M. vom 14. Juli 2007 ziehen, in dem immer wieder, z. B. bei den Eintragungen für den 28. August 2000 und den 22. Mai 2001, von einer weiteren Verschlechterung der PNP die Rede ist.
52 
Grundsätzlich kommt eine PNP als ein den BKen der Nummern 1302, 1310 und 1317 der Anlage zur BKV entsprechendes Krankheitsbild in Betracht. Das Vorliegen einer BK nach den Nummern 1302 sowie 1310 der Anlage zur BKV kann deshalb ausgeschlossen werden, weil keine hinreichende Exposition gegenüber den hierfür in Betracht zu ziehenden Gefahrstoffen nachgewiesen ist. Insoweit kommt hinsichtlich der BK 1302 eine Exposition gegenüber Lindan und hinsichtlich der BK Nr. 1310 eine Exposition gegenüber Pentachlorphenol in Betracht. Gegenüber diesen beiden Stoffen war der Kläger jedoch ausweislich der Feststellungen des TAD vom 20. Januar 1997 nur in der Zeit bis 1976 exponiert. Befunde, die aus heutiger Sicht als PNP interpretiert werden können, haben sich bei dem Kläger jedoch frühestens in den Jahren 1990 und 1991 bemerkbar gemacht. Anlässlich der arbeitsmedizinischen Untersuchung durch Dr. C. am 1. September 1995 wurde keine erhöhte Belastung mit den Holzschutzmitteln Lindan und Pentachlorphenol festgestellt. Der für Lindan maßgebliche Referenzwert von 50 ng/l wurde mit einer Serumkonzentration mit 29 ng/l deutlich unterschritten, ebenso der Referenzwert für Pentachlorphenol von 10 μg/l mit einem Wert von 4,0 μg/l. Danach erscheint es folgerichtig, dass Prof. Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 1996 das Vorliegen einer BK der Nummern 1302 oder 1310 verneint hat. Prof. Dr. T. hat ferner in seinem den Senat überzeugenden Gutachten vom 19. September 2007 darauf hingewiesen, dass es für die Holzschutzmittelwirkstoffe Lindan und Pentachlorphenol derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine peripher neurotoxische Wirksamkeit gibt. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Publikationen von Schaumburg von 2000 sowie Neundörfer und Heuß von 2007 kann die generelle Geeignetheit, dass diese Chemikalien bei Menschen eine PNP zu verursachen vermögen, nicht bestätigt werden. Soweit Dr. M. eine BK Nr. 1302 bejaht hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass er eine erhebliche Belastung durch Lindan in der Zeit bis 1976 unterstellt hat und den Krankheitsverlauf mit dem sehr späten Auftreten der Symptome ab 1990 nicht hinreichend berücksichtigt hat. Prof. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 28. März 2001 keine eigenständige Bewertung des Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern sich lediglich den entsprechenden Ausführungen Dr. M. angeschlossen.
53 
Hinsichtlich der BK Nr. 1317 lässt der Senat offen, ob die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen ist, d.h. ob der Kläger während seiner Berufstätigkeit Lösungsmitteln in einem Maße exponiert war, das ausreichend war, um eine Polyneuropathie hervorzurufen. Zwar ist nachgewiesen, dass der Kläger im Zeitraum von 1950 bis April 1993 während seiner Arbeit als Zimmermann inhalativ und dermal lösungsmittelhaltigen Holzschutzmitteln ausgesetzt gewesen ist. Wie der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 1997 für den Senat überzeugend dargelegt hat, haben diese Holzschutzmittel die folgenden organischen Lösungsmittel enthalten: Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Testbenzin K60, Shellsol AB, Butylacetat, Butanol, Propyl- und Isopropylbenzol, Mesitylen, Kristallöl 30 und 60, Testbenzin, Isopropylbenzol und Trimethylbenzol. Dagegen war der Kläger zu keiner Zeit gegenüber n-Hexan exponiert, da die Testbenzine, Kristallöle und Shellsoltypen, mit denen er in Berührung gekommen ist, diesen Stoff nicht enthalten haben. Nach Auffassung von Prof. Dr. T. sind jedoch lediglich n-Hexan (auch in Verbindung mit Methylethylketon) und Methyl-n-butylketon geeignet, beim Menschen eine PNP zu verursachen. Prof. Dr. L. ist in seinem Gutachten vom 11. Juli 1997 nicht soweit gegangen, diesen Stoffen jegliche schädigende Wirkung auf das periphere Nervensystem abzusprechen, bewertend hat er aber dargelegt, hinsichtlich der Art der verwendeten Lösungsmittel müsse gesagt werden, dass es sich hierbei nicht um solche Arbeitsstoffe handle, von denen eine stark schädigende Wirkung auf das periphere Nervensystem zu erwarten sei. Eine stark schädigende Wirkung sei dagegen bei einem relevanten Kontakt gegenüber n-Hexan sowie den (unter die Nr. 1310 der Anlage zur BKV fallenden) Stoffen Alkylchlorid, Dimethylaminopropionitril, Acrylamid, Dichlorazythelen und Kohlendisulfid zu erwarten. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 14.07.1999 schließlich nicht zwischen stark und nur schwach schädigenden neurotoxischen organischen Lösungsmitteln differenziert, sondern die aromatischen Kohlenwasserstoffe Benzol, Toluol, Xylol und Stryrol ebenso wie die aliphatischen Kohlenwasserstoffe n-Hexan und n-Heptan als neurotoxische organische Lösungsmittel bezeichnet. Welcher der divergierenden wissenschaftlichen Auffassungen der Vorzug zu geben ist, lässt der Senat offen.
54 
Offen bleibt ebenso die Frage, welche Quantität die stattgehabte Lösungsmittelbelastung hatte. Wie Prof. Dr. T. überzeugend dargelegt hat, ist für eine exakte Bestimmung der Lösemittelbelastung nach inhalativer und dermaler Aufnahme ein biologisches Monitoring im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen erforderlich. Solche sind jedoch während des Berufslebens des Klägers nicht durchgeführt worden, so dass aufgrund des bestehenden Informationsdefizits eine abschließende Bewertung der Quantität der Lösungsmittelexposition des Klägers nicht möglich ist. Insbesondere helfen die im November 1994 bei der Firma G. und Z. durchgeführten Messungen nicht weiter, weil nicht feststeht, dass die damals festgestellten Konzentrationen, die jeweils unterhalb der Nachweisgrenze oder ganz erheblich unterhalb der jeweils gültigen MAK-Werte lagen, auch in der Beschäftigungszeit des Klägers in ähnlicher Höhe gegeben waren. Schließlich hat auch die Vernehmung der Zeugen B., E. und H. am 19.04.2007 insoweit keinen Erkenntnisgewinn erbracht.
55 
Die erörterten Fragen im Zusammenhang mit der haftungsbegründenden Kausalität können deshalb offen bleiben, weil die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Schadstoffexposition des Klägers und der Entstehung seiner PNP nicht im Sinne der Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann. Dagegen sprechen entscheidend der Beginn und der Verlauf der PNP. Diese Erkrankung hat sich bei dem Kläger in den Jahren 1990 und 1991 zum ersten Mal subjektiv bemerkbar gemacht. Zwar hat die Neurologin Dr. B. erstmals am 17. Juni 1993 die Diagnose einer „schweren, überwiegend motorischen distalen Polyneuropathie vom gemischt axonal-demyelinisierenden Typ“ erhoben. Für den Eintritt des Versicherungsfalls ist jedoch auf den Beschwerdebeginn abzustellen. Soweit nämlich Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei BKen auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit abzustellen (vgl. § 9 Abs. 5 SGB VII). Insoweit entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Dr. R. von den Kliniken S. vom 24. August 1999, dass bei dem Kläger seit ca. 1991 eine langsam progrediente distale Parese der Beine bestand. Die Krankheit hat sich mithin zu einem Zeitpunkt erstmals manifestiert, als der Anteil gefahrstoffbelastender Tätigkeiten nur noch bei ca. 15 % gegenüber 35 % im Zeitraum von 1976 bis 1986 und ca. 60 % im Zeitraum von 1965 bis 1976 lag. Dass in diesen Umständen des Krankheitsbeginns ein starkes Argument gegen einen Kausalzusammenhang mit der Exposition gegenüber neurotoxischen Substanzen zu sehen ist, haben Prof. Dr. L. und Prof. Dr. T. für den Senat überzeugend dargelegt.
56 
Auch der Krankheitsverlauf der PNP, insbesondere nach Beendigung der Schadstoffexposition im April 1993, spricht gegen einen solchen Kausalzusammenhang. Zwar wird im Merkmal zur BK Nr. 1317 in der Fassung der Bekanntmachung des Bundesministers für Gesundheit und Soziales im Bundesarbeitsblatt 2005, Heft 3, Seite 49 ausgeführt: „Lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus“. Hieran ist der Senat jedoch nicht gebunden. Die Merkblätter zu den einzelnen BKen sind keine Gesetzes- oder Verordnungsmaterialien und haben von daher keinerlei Verbindlichkeit, weder für den im Einzelfall gehörten Sachverständigen und den Unfallversicherungsträger noch für die Gerichte (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2401 Nr. 1). Die vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - beim Bundesminister für Arbeit erarbeiteten Merkblätter sollen dem Arzt lediglich rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft können sie nicht verwendet werden, zumal sie häufig nicht auf aktuellem Stand sind; sie stellen lediglich eine wichtige, nicht aber unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt, besteht nicht einmal eine Garantie, dass die Neufassung eines Merkblatts einen Erkenntnisfortschritt gegenüber der vorausgegangenen Fassung (vgl. hier das Merkblatt in der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1997, Bundesarbeitsblatt 1997, Heft 12, Seite 31) beinhaltet. Wie Prof. Dr. T. für den Senat überzeugend dargelegt hat, handelt es sich bei der toxischen PNP grundsätzlich um ein selbstbegrenzendes Krankheitsbild. Dies bedeutet, dass nach Beendigung der Exposition - abhängig vom Schweregrad der initialen Läsion - nach einem mehr oder minder langen Intervall mit einer Remission bzw. einer vollständigen Ausheilung zu rechnen ist. Diese Abfolge ist in der Regel nach zwei bis drei Jahren abgeschlossen. Das Fortschreiten des Krankheitsbildes nach Expositionsende über Monate und Jahre stellt deshalb ein wichtiges Kriterium gegen die Annahme einer schadstoffbedingten Verursachung dar. Im Merkblatt von 1997 wurde deshalb in Bezug auf die PNP ausgeführt: „Ein Fortschreiten der Erkrankung nach mehrmonatiger Expositionskarenz schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel aus“. Die gegenteilige Schlussfolgerung im Merkblatt von 2005 wird durch die in diesem Merkblatt zitierte Literatur nicht gestützt. Zu diesem Ergebnis ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften gekommen, der Prof. Dr. T. angehört hat und deren Abschlussbericht zur Veröffentlichung ansteht. Darin wird unter anderem auf die Studie von Chang von 1990 eingegangen, in der über eine Verlaufsbeobachtung von 11 Fällen mit n-Hexan-induzierter PNP über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren berichtet wird. Nachdem sich in den ersten drei Monaten nach Ende der Exposition in einigen Fällen eine Verschlechterung motorischer Störungen zeigte, kam es im weiteren Verlauf in allen Fällen zu einer Besserung der Symptomatik, wobei diese hinsichtlich sensibler Störungen früher zu beobachten war. In einer vergleichbaren Langzeit-Verlaufsuntersuchung an 90 Arbeitern aus der Schuhindustrie mit einer n-Hexan-induzierten PNP fand Valentino (1996) in keinem Fall eine Progression der Symptomatik. In Nachuntersuchungen, die zum Teil mehr als 10 Jahre nach Expositionsende durchgeführt wurden, konnte eine vollständige Besserung motorischer Ausfallsymptome und eine weitestgehende Besserung sensibler Störungen festgestellt werden. Auch in einer Studie von Huang et al. von 1989 zeigte sich eine Zunahme der Symptomatik nur für einen Zeitraum von ein bis drei Monaten nach Expositionsende mit einer Plateauphase nach etwa zwei bis fünf Monaten und nachfolgender nahezu vollständiger Restitution der klinischen Symptomatik sowie der neurophysiologischen Parameter. Die gleiche Einschätzung einer grundsätzlich günstigen Prognose findet sich in einer aktuellen Studie von Kuang et al. von 2001, die auf einer Untersuchung von 102 Arbeitern mit einer n-Hexan-induzierten PNP beruht. In allen Fällen zeigte sich nach Expositionsende im Verlauf eine vollständige Rückbildung des Symptomatik. In der Studie von Allen et al. von 1975 ging es um eine PNP von 86 Patienten nach Methyl-n-butylketon-Exposition. In der Gruppe der klinisch mittel- bis schwergradig Betroffenen zeigten sämtliche Patienten eine Besserung der Symptomatik nach Expositionskarenz. In der Gruppe mit „milder PNP“ kam es nur bei einem von 38 Patienten zu einer leichtgradigen Verschlechterung, in der Gruppe mit „minimaler PNP“ wurde gleichfalls über eine vereinzelte minimale Verschlechterung berichtet. Nach der Studie von Billmaier et al. von 1974 war weder klinisch noch neurophysiologisch eine Progression der toxischen PNP zu beobachten; in der Mehrzahl der Fälle kam es im Verlauf zu einer Besserung des Symptomatik. Die Verlaufsuntersuchung von Cianchetti et al. von 1976 an 122 Arbeitern aus der Schuhindustrie mit toxischer PNP beschreibt eine vorübergehende Verschlechterung der klinischen Symptomatik sowie der Elektrophysiologie innerhalb von maximal 4 Monaten nach Expositionsende. Im weiteren Verlauf kam es bei einer Beobachtungsdauer von bis zu 30 Monaten zu einer individuellen, im Zeitverlauf unterschiedlichen Rückbildung der Symptomatik. Eine Progression der Symptome war in keinem Fall zu beobachten. In ähnlicher Weise beschreiben Passero et al. in einer Studie von 1983 über 53 Arbeiter aus der Schuhindustrie insbesondere bei den schwergradig Betroffenen eine Verschlechterung des Symptomatik in den ersten Monaten nach Expositionsende. In der Langzeitbeobachtung fand sich eine generelle Besserung im Verlauf. Eine Progredienz der PNP-Symptomatik war in keinem Fall zu beobachten. Die im Merkblatt von 2005 ebenfalls aufgeführte Studie von Ørbaek und Lindgren betrifft die Verlaufsbeobachtung einer toxischen Enzephalopathie und ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht verwertbar. Eine wesentliche Übereinstimmung der aufgeführten Studien ist mit Prof. Dr. T. darin zu sehen, dass es langfristig - mit Ausnahme von Einzelfällen - durchgehend nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik, sondern zu einer kompletten oder inkompletten Rückbildung vorbestehender peripher neurogener oder neurophysiologischer Veränderungen gekommen ist. Die Zunahme einer PNP nach Expositionsende lässt nach alledem - entgegen dem Merkblatt in der Fassung von 2005 - auf einen von der toxischen Belastung unabhängigen Krankheitsprozess oder eine zusätzliche Ursache schließen. Bei Fehlen einer solchen zusätzlichen Ursache kann eine Progression durch eine weit zurückliegende toxische Belastung nicht schlüssig erklärt werden. Hiervon sind Prof. Dr. G., Prof. Dr. Dr. L. und Prof. Dr. K. vor Bekanntwerden des Merkblatts von 2005 zutreffend ausgegangen. Ihrer Beurteilung ist deshalb im Ergebnis ebenso zu folgen wie derjenigen von Prof. Dr. T., der sich unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine den Senat überzeugende Art und Weise mit dem Inhalt der Merkblätter von 1997 und von 2005 auseinandergesetzt hat. Hingegen vermochte der Senat den Gutachten von Prof. Dr. K., Dr. M., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. K. nicht zu folgen. Das Gutachten Prof. Dr. K. lässt jegliche Auseinandersetzung mit den Gesichtspunkten des Krankheitsbeginns und des Krankheitsverlaufs vermissen. Dr. M. ist davon ausgegangen, verglichen mit den Voruntersuchungen habe sich am rechten Bein eine Verschlechterung, links dagegen eine Verbesserung eingestellt. Die Annahme einer Verbesserung ist jedoch aufgrund der Bekundungen der behandelnden Ärzte, insbesondere im Berufungsverfahren, als widerlegt anzusehen. Die Auffassung von Dr. M., das späte Auftreten der PNP sowie deren Krankheitsverlauf beim Kläger sei typisch für schadstoffinduzierte PNPn, widerspricht diametral den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Prof. Dr. H. hat, wie Prof. Dr. T. zutreffend erkannt hat, keine eigenständige Bewertung des fraglichen Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern sich lediglich der Beurteilung Dr. M. angeschlossen. Prof. Dr. K. hat sich nicht hinreichend mit der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur zum Krankheitsbild und dem Krankheitsverlauf der n-Hexan-bedingten PNP auseinandergesetzt und ist im Hinblick auf das Merkblatt in der Fassung von 2005 von einer unzutreffenden Prämisse ausgegangen.
57 
Die Vorschrift des § 9 Abs. 3 SGB VII kommt hier deshalb nicht zur Anwendung, weil der untypische Krankheitsverlauf wie dargelegt für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit spricht.
58 
Liegt mithin bei dem Kläger keine BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor, so ist die von der Beklagten und der Beigeladenen gestellte und bejahte Frage nicht mehr entscheidungserheblich, ob bereits die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 2 der BKV vom 31.10.1997 im vorliegenden Fall der Anerkennung als BK entgegensteht. Trotzdem soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Rechtsauffassung der Beklagten und der Beigeladenen mit der neuesten Rechtssprechung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 5/05 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) nicht in Einklang steht. Danach umfasst nämlich die Rückwirkungsregelung des § 6 Abs. 2 BKV im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Verfahren auf Feststellung einer Quasi-Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO nicht.
59 
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Sie konnte mit dem im Berufungsverfahren sinngemäß gestellten Hilfsantrag aus den nämlichen Gründen keinen Erfolg haben. Soweit es die Beklagte, bestätigt durch das Urteil des SG, abgelehnt hat, die PNP des Klägers gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, kommt ein derartiger Anspruch heute schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil seit dem 01.01.1993 eine entsprechende Listenkrankheit anerkannt werden kann.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
61 
Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat der Senat die Revision zugelassen. Es misst den - in der Neufassung des Merkblattes zur BK 1317 in der Bek. des BMGS in BArbBl. 2005, Heft 3, Seite 49 bejahten - Fragen, ob lösungsmittelbedingte PNPn nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit nicht selten konstant bleiben oder sich verschlechtern und ob eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt, grundsätzliche Bedeutung bei. Hierüber kann das BSG als Revisionsgericht entscheiden, da es um die Feststellung von sog. Rechtstatsachen (auch allgemeine oder generelle Tatsachen genannt, vgl. grundlegend Rauscher, SGb 1986, S. 45, 47) handelt, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm - hier der BK Nr. 1317 Anl. BKV - benötigt werden. (vgl. BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R = SGb 2007, 503 ff. unter Aufgabe seiner anders lautenden früheren Rechtsprechung in BSG SozR 3 - 2200 § 551 Nr. 16, S. 83; BSGE 91, 23, 29).

Gründe

 
41 
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
42 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 7. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
43 
Hinsichtlich der streitgegenständlichen BKen nach den Nummern 1302 und 1310 sind noch die Vorschriften des bis zum 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I, Seite 721) anzuwenden. Dies folgt aus dem in § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) normierten Versicherungsfallprinzip. Die Ausnahmeregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII, wonach die Vorschriften u. a. über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzustellen sind, ist nicht einschlägig, da im Sinne dieser Vorschrift Leistungen erstmals festzusetzen sind, wenn die materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Festsetzung der Leistung erst später erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2003 - L 7 U 1931/02).
44 
Hinsichtlich der geltend gemachten BK Nr. 1317 sind dagegen die Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen SGB VII und der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 (BKV) anzuwenden. Die BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV wurde nämlich erst durch die BKV vom 31. Oktober 1997 eingefügt, weshalb eine Entscheidung hierüber zuvor nicht erfolgen konnte.
45 
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht für die in § 539 RVO aufgeführten Personenkreise. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind versichert insbesondere Beschäftigte bei einem Arbeitsunfall. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO galt als Arbeitsunfall auch eine BK. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Nach Satz 3 der Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
46 
Entsprechende Regelungen finden sich seit 1. Januar 1997 in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und in § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII. Ergänzend bestimmt § 9 Abs. 3 SGB VII: Erkranken Versicherte, die in Folge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Abs. 1 genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass diese in Folge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
47 
Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum Einen die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, er muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKVO ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
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Hiervon ausgehend hat es das SG zu Recht abgelehnt, die Beklagte zur Anerkennung einer BK nach den Nummern 1302, 1310 oder 1317 zu verurteilen.
49 
Nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO sind Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe als BK anzuerkennen, nach der Nr. 1310 Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide. Seit 1. Januar 1997 ist ferner als BK anzuerkennen eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
50 
Zunächst liegt bei dem Kläger nach der Überzeugung des Senats keine Enzephalopathie vor, die unter einen der drei aufgeführten BK-Tatbestände subsumiert werden könnte. Denn der Neurologe Prof. Dr. G. hat bei seiner Untersuchung vom 3. Juni 1997 keine über das altersentsprechende Ausmaß hinausgehende, belangvolle Zeichen einer organischen psychischen Beeinträchtigung vorgefunden. Auch der Neurologe Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 22. Januar 2001 keinen Anhaltpunkt für eine Enzephalopathie gesehen. Dem hat sich Prof. H. in seinem Gutachten vom 28. März 2001 angeschlossen, ebenso Prof. Dr. K. im Gutachten vom 6. Juni 2006, der sich hierfür auch auf das neuropsychologische Zusatzgutachten von Dr. V. vom 10. Februar 2006 gestützt hat. Schließlich hat Prof. Dr. L. im Gutachten vom 11. Juli 1997 eine berufsbedingte Enzephalopathie ausdrücklich ausgeschlossen und Prof. Dr. K. im Gutachten vom 14. Juli 1999 eine solche nicht erörtert.
51 
Einigkeit besteht ferner darüber, dass bei dem Kläger mittlerweile eine ausgeprägte senso-motorische PNP vorliegt. Der Krankheitsverlauf ist mit Prof. Dr. T. als langsam progredient zu interpretieren. Während nämlich Dr. B. anlässlich ihrer Erstdiagnose im Juni 1993 deutliche Paresen der Fuß- und Zehenhebung bei gering ausgeprägten sensiblen Störungen beschrieben hat, hat Prof. Dr. G. im Juni 1997 bereits eine ausgeprägte Polyneuropathie auch mit sensiblen Störungen an den Händen und Beinen erhoben. In ihrem aktuellen Bericht vom 17. Juli 2007 hat Dr. B.-F. ferner bestätigt, dass sich der Leidenszustand des Klägers im Verlauf ihrer Behandlung durch eine Zunahme der Paresen und der sensiblen Störungen verschlechtert hat. Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich aus dem Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. M. vom 14. Juli 2007 ziehen, in dem immer wieder, z. B. bei den Eintragungen für den 28. August 2000 und den 22. Mai 2001, von einer weiteren Verschlechterung der PNP die Rede ist.
52 
Grundsätzlich kommt eine PNP als ein den BKen der Nummern 1302, 1310 und 1317 der Anlage zur BKV entsprechendes Krankheitsbild in Betracht. Das Vorliegen einer BK nach den Nummern 1302 sowie 1310 der Anlage zur BKV kann deshalb ausgeschlossen werden, weil keine hinreichende Exposition gegenüber den hierfür in Betracht zu ziehenden Gefahrstoffen nachgewiesen ist. Insoweit kommt hinsichtlich der BK 1302 eine Exposition gegenüber Lindan und hinsichtlich der BK Nr. 1310 eine Exposition gegenüber Pentachlorphenol in Betracht. Gegenüber diesen beiden Stoffen war der Kläger jedoch ausweislich der Feststellungen des TAD vom 20. Januar 1997 nur in der Zeit bis 1976 exponiert. Befunde, die aus heutiger Sicht als PNP interpretiert werden können, haben sich bei dem Kläger jedoch frühestens in den Jahren 1990 und 1991 bemerkbar gemacht. Anlässlich der arbeitsmedizinischen Untersuchung durch Dr. C. am 1. September 1995 wurde keine erhöhte Belastung mit den Holzschutzmitteln Lindan und Pentachlorphenol festgestellt. Der für Lindan maßgebliche Referenzwert von 50 ng/l wurde mit einer Serumkonzentration mit 29 ng/l deutlich unterschritten, ebenso der Referenzwert für Pentachlorphenol von 10 μg/l mit einem Wert von 4,0 μg/l. Danach erscheint es folgerichtig, dass Prof. Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 1996 das Vorliegen einer BK der Nummern 1302 oder 1310 verneint hat. Prof. Dr. T. hat ferner in seinem den Senat überzeugenden Gutachten vom 19. September 2007 darauf hingewiesen, dass es für die Holzschutzmittelwirkstoffe Lindan und Pentachlorphenol derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine peripher neurotoxische Wirksamkeit gibt. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Publikationen von Schaumburg von 2000 sowie Neundörfer und Heuß von 2007 kann die generelle Geeignetheit, dass diese Chemikalien bei Menschen eine PNP zu verursachen vermögen, nicht bestätigt werden. Soweit Dr. M. eine BK Nr. 1302 bejaht hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass er eine erhebliche Belastung durch Lindan in der Zeit bis 1976 unterstellt hat und den Krankheitsverlauf mit dem sehr späten Auftreten der Symptome ab 1990 nicht hinreichend berücksichtigt hat. Prof. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 28. März 2001 keine eigenständige Bewertung des Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern sich lediglich den entsprechenden Ausführungen Dr. M. angeschlossen.
53 
Hinsichtlich der BK Nr. 1317 lässt der Senat offen, ob die haftungsbegründende Kausalität zu bejahen ist, d.h. ob der Kläger während seiner Berufstätigkeit Lösungsmitteln in einem Maße exponiert war, das ausreichend war, um eine Polyneuropathie hervorzurufen. Zwar ist nachgewiesen, dass der Kläger im Zeitraum von 1950 bis April 1993 während seiner Arbeit als Zimmermann inhalativ und dermal lösungsmittelhaltigen Holzschutzmitteln ausgesetzt gewesen ist. Wie der TAD der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 20. Januar 1997 für den Senat überzeugend dargelegt hat, haben diese Holzschutzmittel die folgenden organischen Lösungsmittel enthalten: Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Testbenzin K60, Shellsol AB, Butylacetat, Butanol, Propyl- und Isopropylbenzol, Mesitylen, Kristallöl 30 und 60, Testbenzin, Isopropylbenzol und Trimethylbenzol. Dagegen war der Kläger zu keiner Zeit gegenüber n-Hexan exponiert, da die Testbenzine, Kristallöle und Shellsoltypen, mit denen er in Berührung gekommen ist, diesen Stoff nicht enthalten haben. Nach Auffassung von Prof. Dr. T. sind jedoch lediglich n-Hexan (auch in Verbindung mit Methylethylketon) und Methyl-n-butylketon geeignet, beim Menschen eine PNP zu verursachen. Prof. Dr. L. ist in seinem Gutachten vom 11. Juli 1997 nicht soweit gegangen, diesen Stoffen jegliche schädigende Wirkung auf das periphere Nervensystem abzusprechen, bewertend hat er aber dargelegt, hinsichtlich der Art der verwendeten Lösungsmittel müsse gesagt werden, dass es sich hierbei nicht um solche Arbeitsstoffe handle, von denen eine stark schädigende Wirkung auf das periphere Nervensystem zu erwarten sei. Eine stark schädigende Wirkung sei dagegen bei einem relevanten Kontakt gegenüber n-Hexan sowie den (unter die Nr. 1310 der Anlage zur BKV fallenden) Stoffen Alkylchlorid, Dimethylaminopropionitril, Acrylamid, Dichlorazythelen und Kohlendisulfid zu erwarten. Prof. Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 14.07.1999 schließlich nicht zwischen stark und nur schwach schädigenden neurotoxischen organischen Lösungsmitteln differenziert, sondern die aromatischen Kohlenwasserstoffe Benzol, Toluol, Xylol und Stryrol ebenso wie die aliphatischen Kohlenwasserstoffe n-Hexan und n-Heptan als neurotoxische organische Lösungsmittel bezeichnet. Welcher der divergierenden wissenschaftlichen Auffassungen der Vorzug zu geben ist, lässt der Senat offen.
54 
Offen bleibt ebenso die Frage, welche Quantität die stattgehabte Lösungsmittelbelastung hatte. Wie Prof. Dr. T. überzeugend dargelegt hat, ist für eine exakte Bestimmung der Lösemittelbelastung nach inhalativer und dermaler Aufnahme ein biologisches Monitoring im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen erforderlich. Solche sind jedoch während des Berufslebens des Klägers nicht durchgeführt worden, so dass aufgrund des bestehenden Informationsdefizits eine abschließende Bewertung der Quantität der Lösungsmittelexposition des Klägers nicht möglich ist. Insbesondere helfen die im November 1994 bei der Firma G. und Z. durchgeführten Messungen nicht weiter, weil nicht feststeht, dass die damals festgestellten Konzentrationen, die jeweils unterhalb der Nachweisgrenze oder ganz erheblich unterhalb der jeweils gültigen MAK-Werte lagen, auch in der Beschäftigungszeit des Klägers in ähnlicher Höhe gegeben waren. Schließlich hat auch die Vernehmung der Zeugen B., E. und H. am 19.04.2007 insoweit keinen Erkenntnisgewinn erbracht.
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Die erörterten Fragen im Zusammenhang mit der haftungsbegründenden Kausalität können deshalb offen bleiben, weil die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Schadstoffexposition des Klägers und der Entstehung seiner PNP nicht im Sinne der Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann. Dagegen sprechen entscheidend der Beginn und der Verlauf der PNP. Diese Erkrankung hat sich bei dem Kläger in den Jahren 1990 und 1991 zum ersten Mal subjektiv bemerkbar gemacht. Zwar hat die Neurologin Dr. B. erstmals am 17. Juni 1993 die Diagnose einer „schweren, überwiegend motorischen distalen Polyneuropathie vom gemischt axonal-demyelinisierenden Typ“ erhoben. Für den Eintritt des Versicherungsfalls ist jedoch auf den Beschwerdebeginn abzustellen. Soweit nämlich Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei BKen auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit abzustellen (vgl. § 9 Abs. 5 SGB VII). Insoweit entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Dr. R. von den Kliniken S. vom 24. August 1999, dass bei dem Kläger seit ca. 1991 eine langsam progrediente distale Parese der Beine bestand. Die Krankheit hat sich mithin zu einem Zeitpunkt erstmals manifestiert, als der Anteil gefahrstoffbelastender Tätigkeiten nur noch bei ca. 15 % gegenüber 35 % im Zeitraum von 1976 bis 1986 und ca. 60 % im Zeitraum von 1965 bis 1976 lag. Dass in diesen Umständen des Krankheitsbeginns ein starkes Argument gegen einen Kausalzusammenhang mit der Exposition gegenüber neurotoxischen Substanzen zu sehen ist, haben Prof. Dr. L. und Prof. Dr. T. für den Senat überzeugend dargelegt.
56 
Auch der Krankheitsverlauf der PNP, insbesondere nach Beendigung der Schadstoffexposition im April 1993, spricht gegen einen solchen Kausalzusammenhang. Zwar wird im Merkmal zur BK Nr. 1317 in der Fassung der Bekanntmachung des Bundesministers für Gesundheit und Soziales im Bundesarbeitsblatt 2005, Heft 3, Seite 49 ausgeführt: „Lösungsmittelbedingte Polyneuropathien verbessern sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit häufig, nicht selten bleibt die lösungsmittelbedingte Polyneuropathie jedoch klinisch nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit konstant oder verschlechtert sich. Eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht aus“. Hieran ist der Senat jedoch nicht gebunden. Die Merkblätter zu den einzelnen BKen sind keine Gesetzes- oder Verordnungsmaterialien und haben von daher keinerlei Verbindlichkeit, weder für den im Einzelfall gehörten Sachverständigen und den Unfallversicherungsträger noch für die Gerichte (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2401 Nr. 1). Die vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - beim Bundesminister für Arbeit erarbeiteten Merkblätter sollen dem Arzt lediglich rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft können sie nicht verwendet werden, zumal sie häufig nicht auf aktuellem Stand sind; sie stellen lediglich eine wichtige, nicht aber unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar (BSG SozR 3-5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt, besteht nicht einmal eine Garantie, dass die Neufassung eines Merkblatts einen Erkenntnisfortschritt gegenüber der vorausgegangenen Fassung (vgl. hier das Merkblatt in der Bekanntmachung vom 1. Dezember 1997, Bundesarbeitsblatt 1997, Heft 12, Seite 31) beinhaltet. Wie Prof. Dr. T. für den Senat überzeugend dargelegt hat, handelt es sich bei der toxischen PNP grundsätzlich um ein selbstbegrenzendes Krankheitsbild. Dies bedeutet, dass nach Beendigung der Exposition - abhängig vom Schweregrad der initialen Läsion - nach einem mehr oder minder langen Intervall mit einer Remission bzw. einer vollständigen Ausheilung zu rechnen ist. Diese Abfolge ist in der Regel nach zwei bis drei Jahren abgeschlossen. Das Fortschreiten des Krankheitsbildes nach Expositionsende über Monate und Jahre stellt deshalb ein wichtiges Kriterium gegen die Annahme einer schadstoffbedingten Verursachung dar. Im Merkblatt von 1997 wurde deshalb in Bezug auf die PNP ausgeführt: „Ein Fortschreiten der Erkrankung nach mehrmonatiger Expositionskarenz schließt eine Verursachung durch Lösungsmittel aus“. Die gegenteilige Schlussfolgerung im Merkblatt von 2005 wird durch die in diesem Merkblatt zitierte Literatur nicht gestützt. Zu diesem Ergebnis ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften gekommen, der Prof. Dr. T. angehört hat und deren Abschlussbericht zur Veröffentlichung ansteht. Darin wird unter anderem auf die Studie von Chang von 1990 eingegangen, in der über eine Verlaufsbeobachtung von 11 Fällen mit n-Hexan-induzierter PNP über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren berichtet wird. Nachdem sich in den ersten drei Monaten nach Ende der Exposition in einigen Fällen eine Verschlechterung motorischer Störungen zeigte, kam es im weiteren Verlauf in allen Fällen zu einer Besserung der Symptomatik, wobei diese hinsichtlich sensibler Störungen früher zu beobachten war. In einer vergleichbaren Langzeit-Verlaufsuntersuchung an 90 Arbeitern aus der Schuhindustrie mit einer n-Hexan-induzierten PNP fand Valentino (1996) in keinem Fall eine Progression der Symptomatik. In Nachuntersuchungen, die zum Teil mehr als 10 Jahre nach Expositionsende durchgeführt wurden, konnte eine vollständige Besserung motorischer Ausfallsymptome und eine weitestgehende Besserung sensibler Störungen festgestellt werden. Auch in einer Studie von Huang et al. von 1989 zeigte sich eine Zunahme der Symptomatik nur für einen Zeitraum von ein bis drei Monaten nach Expositionsende mit einer Plateauphase nach etwa zwei bis fünf Monaten und nachfolgender nahezu vollständiger Restitution der klinischen Symptomatik sowie der neurophysiologischen Parameter. Die gleiche Einschätzung einer grundsätzlich günstigen Prognose findet sich in einer aktuellen Studie von Kuang et al. von 2001, die auf einer Untersuchung von 102 Arbeitern mit einer n-Hexan-induzierten PNP beruht. In allen Fällen zeigte sich nach Expositionsende im Verlauf eine vollständige Rückbildung des Symptomatik. In der Studie von Allen et al. von 1975 ging es um eine PNP von 86 Patienten nach Methyl-n-butylketon-Exposition. In der Gruppe der klinisch mittel- bis schwergradig Betroffenen zeigten sämtliche Patienten eine Besserung der Symptomatik nach Expositionskarenz. In der Gruppe mit „milder PNP“ kam es nur bei einem von 38 Patienten zu einer leichtgradigen Verschlechterung, in der Gruppe mit „minimaler PNP“ wurde gleichfalls über eine vereinzelte minimale Verschlechterung berichtet. Nach der Studie von Billmaier et al. von 1974 war weder klinisch noch neurophysiologisch eine Progression der toxischen PNP zu beobachten; in der Mehrzahl der Fälle kam es im Verlauf zu einer Besserung des Symptomatik. Die Verlaufsuntersuchung von Cianchetti et al. von 1976 an 122 Arbeitern aus der Schuhindustrie mit toxischer PNP beschreibt eine vorübergehende Verschlechterung der klinischen Symptomatik sowie der Elektrophysiologie innerhalb von maximal 4 Monaten nach Expositionsende. Im weiteren Verlauf kam es bei einer Beobachtungsdauer von bis zu 30 Monaten zu einer individuellen, im Zeitverlauf unterschiedlichen Rückbildung der Symptomatik. Eine Progression der Symptome war in keinem Fall zu beobachten. In ähnlicher Weise beschreiben Passero et al. in einer Studie von 1983 über 53 Arbeiter aus der Schuhindustrie insbesondere bei den schwergradig Betroffenen eine Verschlechterung des Symptomatik in den ersten Monaten nach Expositionsende. In der Langzeitbeobachtung fand sich eine generelle Besserung im Verlauf. Eine Progredienz der PNP-Symptomatik war in keinem Fall zu beobachten. Die im Merkblatt von 2005 ebenfalls aufgeführte Studie von Ørbaek und Lindgren betrifft die Verlaufsbeobachtung einer toxischen Enzephalopathie und ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht verwertbar. Eine wesentliche Übereinstimmung der aufgeführten Studien ist mit Prof. Dr. T. darin zu sehen, dass es langfristig - mit Ausnahme von Einzelfällen - durchgehend nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik, sondern zu einer kompletten oder inkompletten Rückbildung vorbestehender peripher neurogener oder neurophysiologischer Veränderungen gekommen ist. Die Zunahme einer PNP nach Expositionsende lässt nach alledem - entgegen dem Merkblatt in der Fassung von 2005 - auf einen von der toxischen Belastung unabhängigen Krankheitsprozess oder eine zusätzliche Ursache schließen. Bei Fehlen einer solchen zusätzlichen Ursache kann eine Progression durch eine weit zurückliegende toxische Belastung nicht schlüssig erklärt werden. Hiervon sind Prof. Dr. G., Prof. Dr. Dr. L. und Prof. Dr. K. vor Bekanntwerden des Merkblatts von 2005 zutreffend ausgegangen. Ihrer Beurteilung ist deshalb im Ergebnis ebenso zu folgen wie derjenigen von Prof. Dr. T., der sich unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine den Senat überzeugende Art und Weise mit dem Inhalt der Merkblätter von 1997 und von 2005 auseinandergesetzt hat. Hingegen vermochte der Senat den Gutachten von Prof. Dr. K., Dr. M., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. K. nicht zu folgen. Das Gutachten Prof. Dr. K. lässt jegliche Auseinandersetzung mit den Gesichtspunkten des Krankheitsbeginns und des Krankheitsverlaufs vermissen. Dr. M. ist davon ausgegangen, verglichen mit den Voruntersuchungen habe sich am rechten Bein eine Verschlechterung, links dagegen eine Verbesserung eingestellt. Die Annahme einer Verbesserung ist jedoch aufgrund der Bekundungen der behandelnden Ärzte, insbesondere im Berufungsverfahren, als widerlegt anzusehen. Die Auffassung von Dr. M., das späte Auftreten der PNP sowie deren Krankheitsverlauf beim Kläger sei typisch für schadstoffinduzierte PNPn, widerspricht diametral den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Prof. Dr. H. hat, wie Prof. Dr. T. zutreffend erkannt hat, keine eigenständige Bewertung des fraglichen Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern sich lediglich der Beurteilung Dr. M. angeschlossen. Prof. Dr. K. hat sich nicht hinreichend mit der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur zum Krankheitsbild und dem Krankheitsverlauf der n-Hexan-bedingten PNP auseinandergesetzt und ist im Hinblick auf das Merkblatt in der Fassung von 2005 von einer unzutreffenden Prämisse ausgegangen.
57 
Die Vorschrift des § 9 Abs. 3 SGB VII kommt hier deshalb nicht zur Anwendung, weil der untypische Krankheitsverlauf wie dargelegt für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit spricht.
58 
Liegt mithin bei dem Kläger keine BK nach der Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor, so ist die von der Beklagten und der Beigeladenen gestellte und bejahte Frage nicht mehr entscheidungserheblich, ob bereits die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 2 der BKV vom 31.10.1997 im vorliegenden Fall der Anerkennung als BK entgegensteht. Trotzdem soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Rechtsauffassung der Beklagten und der Beigeladenen mit der neuesten Rechtssprechung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 5/05 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) nicht in Einklang steht. Danach umfasst nämlich die Rückwirkungsregelung des § 6 Abs. 2 BKV im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Verfahren auf Feststellung einer Quasi-Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO nicht.
59 
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Sie konnte mit dem im Berufungsverfahren sinngemäß gestellten Hilfsantrag aus den nämlichen Gründen keinen Erfolg haben. Soweit es die Beklagte, bestätigt durch das Urteil des SG, abgelehnt hat, die PNP des Klägers gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, kommt ein derartiger Anspruch heute schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil seit dem 01.01.1993 eine entsprechende Listenkrankheit anerkannt werden kann.
60 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
61 
Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat der Senat die Revision zugelassen. Es misst den - in der Neufassung des Merkblattes zur BK 1317 in der Bek. des BMGS in BArbBl. 2005, Heft 3, Seite 49 bejahten - Fragen, ob lösungsmittelbedingte PNPn nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit nicht selten konstant bleiben oder sich verschlechtern und ob eine Persistenz oder eine Verschlechterung der Erkrankung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließt, grundsätzliche Bedeutung bei. Hierüber kann das BSG als Revisionsgericht entscheiden, da es um die Feststellung von sog. Rechtstatsachen (auch allgemeine oder generelle Tatsachen genannt, vgl. grundlegend Rauscher, SGb 1986, S. 45, 47) handelt, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm - hier der BK Nr. 1317 Anl. BKV - benötigt werden. (vgl. BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R = SGb 2007, 503 ff. unter Aufgabe seiner anders lautenden früheren Rechtsprechung in BSG SozR 3 - 2200 § 551 Nr. 16, S. 83; BSGE 91, 23, 29).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.