vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 4 R 463/14, 21.10.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.10.2014 wird zurückgewiesen, soweit ihr nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis entsprochen wurde.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch streitig, ob beim Kläger eine volle Erwerbsminderung vorliegt oder bereits vor dem 01.04.2016 eine teilweise Erwerbsminderung oder teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestanden hat und ihm aus diesen Gründen weitere Rentenleistungen zu gewähren sind.

Der 1955 geborene Kläger hat nach seinen Angaben von September 1970 bis Juni 1973 den Beruf eines Betriebsschlossers erlernt. In der Folgezeit war er sowohl in diesem Beruf als auch in anderen Tätigkeiten wie Produktionshelfer, Verkaufsfahrer, Maschinenbediener tätig. Von 1983 bis 1985 wurde er zum Informationselektroniker umgeschult. Danach war er mit Tätigkeiten in der Servicetechnik und Computertechnik beschäftigt, zuletzt von April 2001 bis Januar 2002 im Personaldienstleistungsunternehmen M. in A-Stadt. Dort hat er als IT-System-Elektroniker Fehlerbehebung an Laptops und PCs vorgenommen und gegebenenfalls defekte Teile, wie Grafikkarten oder Festplatten getauscht. Im Anschluss daran war der Kläger arbeitslos und bezog Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Dem Kläger sind durch das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) Region Unterfranken (Versorgungsamt) ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen G zuerkannt worden.

Ende 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Antragsdatum: 12.11.2013). Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger im Folgenden am 04.02.2014 internistisch durch Dr. S. und am 06.03.2014 chirurgisch-orthopädisch durch Dr. G. untersucht. Zusammengefasst wurden dabei folgende Gesundheitsstörungen beschrieben:

1. Coronare Herzerkrankung, Zustand nach Vorderwandinfarkt 2002 mit Bypass-Operation, Aneurysmektomie und Thrombektomie.

2. Arterielle Hypertonie.

3. Diabetes mellitus Typ-2b unter oraler Therapie.

4. Kompensierte Niereninsuffizienz.

5. Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom bei Spinalkanalstenose C4-C7.

6. Brustwirbelsäulen-Lendenwirbelsäulen-Syndrom.

7. Parästhesien im Handbereich.

8. Chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom mit end- bis mittelgradiger Funktionseinschränkung.

9. Chronisches Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulen-Syndrom mit Hyperlordose, endgradige Funktionseinschränkung.

10. Endgradige Funktionseinschränkung beider Hüftgelenke.

11. Endgradige Funktionseinschränkung beider Kniegelenke.

12. Beginnende Rhizarthrose beidseits.

13. Kompensierte Arterielle-Verschluss-Krankheit beider Beine, derzeit Stadium II a.

14. Leichter Ruhetremor beider Hände mit wechselnder Intensität und Ausprägung.

Aus internistischer Sicht wurde der Kläger für leichte Tätigkeiten täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig angesehen. Einschränkungen bestünden hinsichtlich Heben von Lasten über 5 bis 10 kg, häufigem Bücken, Klettern, Steigen, Überkopfarbeiten, besonderem Zeitdruck, Nachtschicht, Anforderungen an die grobe Kraft und die Feinmotorik. Der Kläger sei sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch im zuletzt ausgeübten Beruf einsatzfähig. Auch aus chirurgisch-orthopädischer Sicht wurde ein Leistungsvermögen von täglich sechs Stunden und mehr für den allgemeinen Arbeitsmarkt beschrieben, jedoch eine zeitliche Einschränkung für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit angenommen. An qualitativen Einschränkungen sei zu beachten: Es müsse sich um Tätigkeiten ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten mit mehr als 5 bis 10 kg, ohne Arbeit mit fortgesetzten Kraftaufwand, ohne erhöhte Anforderung an die Feinmotorik und Fingergeschicklichkeit, ohne häufiges Gehen auf unebenen Flächen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung im Stehen, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne monotone Dauerbelastung des Schultergürtels und ohne häufiges Knien und Hocken handeln.

Mit Bescheid vom 12.03.2014 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig. Im Beruf als Computertechniker könne er nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, könne jedoch auf andere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die dem Kläger aufgrund seines beruflichen Werdegangs auch zumutbar seien.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 03.04.2014 am 07.04.2014 Widerspruch ein und machte geltend, dass er in seinem Beruf als Informationselektroniker nicht mehr arbeiten könne und ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung Vertrauensschutzregelungen zustehen würden. Außerdem sei es ihm nicht möglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über sechs Stunden täglich zu arbeiten. Er wäre nicht einmal in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 zurück. Obwohl der Kläger in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei, sei er noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Er sei auf den gesamten Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland verweisbar. Eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung habe unter diesen Umständen nicht gewährt werden können.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13.05.2014 per Telefax Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. E. und Dr. K. eingeholt und vor der mündlichen Verhandlung am 21.10.2014 ein Gutachten durch den Internisten und Sozialmediziner Dr. G. erstellen lassen. Dieser hat als wesentliche Gesundheitsstörungen beim Kläger angegeben:

1. Koronare Herzerkrankung, abgelaufener Vorderwandinfarkt 2002, bei anschließender Bypass-Operation mit Entfernung eines Aneurysmas, zuletzt Stabilität bei nur leicht reduzierter Pumpleistung des linken Herzens.

2. Typ 2-Diabetes mellitus, diätetisch geführt.

3. Rezidivierendes Angioödem.

4. Degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom mit Funktionsbeeinträchtigung vorwiegend an der Halswirbelsäule, Arthralgie in mehreren Gelenken, jedoch nur geringe Funktionseinschränkung.

5. Übergewichtigkeit.

Der Kläger könne unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen zumindest sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder auch überwiegend im Sitzen ausüben. Auszuschließen seien übermäßige nervliche Belastungen, längere Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken und Tätigkeiten außerhalb geschlossener Räume. Gegenüber den Vorgutachten hätte sich keine wesentliche Änderung weder seitens der Befunde noch des Leistungsvermögens eingestellt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er eine zweijährige Ausbildung mit Abschluss bei der IHK absolviert habe. Daraufhin hat der Bevollmächtigte der Beklagten erläutert, dass als mögliche Verweisungstätigkeiten beispielsweise die des Pförtners oder Museumswärters in Betracht kommen würden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.10.2014 die Klage abgewiesen. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass beim Kläger für den allgemeinen Arbeitsmarkt keine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens nachgewiesen sei und weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliegen würde. Hinsichtlich der Frage der Berufsunfähigkeit hat das SG ausgeführt, dass der Kläger als Angelernter mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren einzustufen sei. Er sei damit auf den Verweisungsberuf eines Pförtners verweisbar. Diese Tätigkeit sei im Auskunftssystem der Bundesagentur für Arbeit (www.berufenet.de) näher beschrieben und stimme mit dem Leistungsbild des Klägers überein.

Mit Telefaxschreiben vom 17.11.2014 hat der Kläger Berufung gegen dieses Urteil beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er hat auf das Vorliegen schmerzhafter Angioödeme hingewiesen, die am ganzen Körper, insbesondere auch an den Fußsohlen und Händen auftreten würden. Weiter sei die berufliche Tätigkeit des Klägers falsch beurteilt worden. Die Verkürzung der eigentlich 3,5-jährigen Ausbildung zum Informationselektroniker sei im Rahmen der Umschulung wegen der bereits abgeschlossenen Ausbildung zum Betriebsschlosser erfolgt. Der Kläger habe sämtliche Ausbildungsziele der Regelausbildung erreicht und sei daher als Facharbeiter einzuordnen. Der Kläger hat einen Facharbeiterbrief über seine Ausbildung als Betriebsschlosser vorgelegt. Die Firma M. Personaldienste hat dem Senat mitgeteilt, dass der Kläger als IT-System-Elektroniker eingesetzt gewesen sei und üblicherweise hierfür eine Facharbeitertätigkeit mit regelmäßig dreijähriger Ausbildung erforderlich sei und eine Entlohnung nach der Entgeltgruppe 3 erfolge. Angaben näherer Art zum Kläger seien nicht möglich, da der Kläger länger als zehn Jahre ausgeschieden sei. Alle personenbezogenen Daten würden nach zehn Jahren vernichtet.

Der Senat hat weiter einen Befundbericht beim behandelnden Arzt Dr. E. eingeholt, den dieser am 20.03.2016 erstellt hat. Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 24.08.2016 auf seinen Antrag hin ab dem 01.10.2016 Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt.

Mit Schreiben vom 27.03.2017 hat die Beklagte mitgeteilt, dass nach Auswertung eines internistischen Gutachtens, das Dr. S. am 14.12.2016 auf ihre Veranlassung hin erstellt habe, der Kläger nur noch über ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfüge. Die Beklagte gebe ein Vergleichsangebot ab.

Aus dem Gutachten des Dr. S. vom 14.12.2016 sind folgende Gesundheitsstörungen zu ersehen:

1. Koronare Herzerkrankung mit Zustand nach 2-fach-Bypass-Operation 2002.

2. Zustand nach Vorderwandinfarkt 2002 mit Aneurysmabildung, Aneurysmaresektion 2002.

3. Kardiale Insuffizienz bei ischämischer Kardiomyopathie.

4. Halswirbelsäulen-Syndrom mit mäßiggradigen Funktionseinschränkungen und Feinmotorikstörung im Handbereich.

5. Diabetes mellitus Typ 2b, orale Therapie.

6. Omarthrose und Impingementsyndrom rechte Schulter mit Funktionseinschränkung, Gonalgie.

7. Rezidivierendes Angioödem.

8. Adipositas.

Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Informationselektroniker sei nur noch unter drei Stunden täglich möglich. Es ergebe sich ein Leistungsbild, wonach der Kläger leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten könne. Häufiges Bücken, Klettern, Steigen und Überkopfarbeiten, überdurchschnittlicher Zeitdruck, Nachtschicht und besondere Anforderung an die Feinmotorik im Handbereich seien ausgeschlossen.

Im Erörterungstermin vom 06.03.2017 hat die Beklagte ihr Vergleichsangebot zurückgezogen, da es nicht der aktuellen rechtlichen Situation entspreche. Der Senat hat im Nachgang einen weiteren Befundbericht bei Dr. K. eingeholt. Im Erörterungstermin vom 31.07.2017 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach beim Kläger aufgrund eines Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung auf Dauer vom 20.03.2016 die entsprechenden gesetzlichen Leistungen ab 01.04.2016 zu gewähren sind und vom 01.10.2016 bis 30.09.2019 die Leistungen wegen einer arbeitsmarktbedingten vollen Erwerbsminderung auf Zeit gewährt werden.

Die Beklagte hat keinen Nachweis für die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer Facharbeitertätigkeit beim Kläger gesehen. Falls gleichwohl vom Vorliegen einer Facharbeitertätigkeit ausgegangen werden sollte, würde sie hilfsweise die Tätigkeiten eines Poststellenmitarbeiters und eines Registrators als mögliche Verweisungstätigkeiten benennen.

Die Klägerseite hat das Teilanerkenntnis als solches angenommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erklärt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 21.10.2014 und unter Abänderung des Bescheides vom 12.03.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 dazu zu verurteilen, dem Kläger ab Antragstellung den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, hilfsweise der teilweisen Erwerbsminderung und weiter hilfsweise der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.10.2014 zurückzuweisen, soweit ihr nicht mit dem angenommen Teilanerkenntnis entsprochen wurde.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung außerhalb des vom Teilanerkenntnis der Beklagten erfassten Umfangs. Dem Kläger kann allerdings ein Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden, auch wenn er in dem noch strittigen Zeitraum in der Vergangenheit anderweitige Sozialleistungen bezogen hat, so dass bei ihm - zumindest für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung - keinerlei finanzielles Interesse bestehen dürfte.

Die Entscheidung konnte durch den Berichterstatter anstelle des Senats getroffen werden (§ 155 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 SGG), nachdem die Beteiligten dem zugestimmt hatten.

Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

  • 1.voll erwerbsgemindert sind,

  • 2.in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und

  • 3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung sowie wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gelten, hat der Kläger für alle in Frage kommenden Leistungszeitpunkte im hier noch streitigen Zeitraum einer möglichen Rentengewährung erfüllt.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im strittigen Zeitraum bis zur Zuerkennung der Altersrente lag eine volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht vor. Sämtliche Gutachten - auch das nach Altersrentenbeginn erstellte - sind eindeutig zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger aus medizinischer Sicht noch mindestens 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein könnte. Der Senat folgt diesen Gutachten.

Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Diese Feststellung ergibt sich für den Kläger aus dem Gutachten des Dr. S. vom 14.12.2016. In der Tatsache, dass dieser Gutachter den Kläger auch bereits im Februar 2014 untersucht gehabt hatte und zu einem anderen sozialmedizinischen Ergebnis gelangt war, sieht der Senat einen klaren Beleg dafür, dass beim Kläger eine feststellbare Verschlechterung seiner Gesundheit eingetreten ist und nicht - wie der Kläger vorbringt - die Einschränkungen schon seit langem in gleicher Weise vorgelegen haben. Der Senat sieht keinen Ansatzpunkt für weitere medizinische Ermittlungen; aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen ist eine richtungsweisende Verschlechterung der gesundheitlichen Situation beim Kläger vor dem 20.03.2016, dem Zeitpunkt des von der Beklagten anerkannten Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung, nicht zu belegen. Damit fehlt es am erforderlichen Nachweis der Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den von der Beklagten anerkannten Umfang hinaus.

Der Kläger ist nach den zuvor erstellten Gutachten in der Zeit vor dem 20.03.2016 noch in der Lage gewesen, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wobei es sich um leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder auch überwiegend im Sitzen handeln musste. Nicht zumutbar waren übermäßige nervliche Belastungen wie besonderer Zeitdruck oder Nachtschicht, längere Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen, schweres Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg, häufiges Bücken, Knien, Hocken, Klettern oder Steigen und Tätigkeiten außerhalb geschlossener Räume. Anforderungen an die Feinmotorik und Fingergeschicklichkeit sowie die Dauerbelastung des Schultergürtels durften ebenfalls nicht erhöht sein.

In bestimmten Ausnahmefällen kann eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung auch ohne quantitative Leistungsminderung erfolgen. Dazu müssten allerdings die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was aus Sicht des Senates nicht der Fall ist. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach juris) ist bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand September 2016, § 43 SGB VI, Rn 37 ff).

Für den Senat ergeben sich bereits keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im strittigen Zeitraum, weil praktisch alle genannten Einsatzfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen waren. Auch wenn hierbei noch Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu beachten waren, wurde das Tätigkeitsfeld nicht als Ganzes in Frage gestellt.

Aber selbst wenn man das Vorliegen von ernstlichen Zweifeln annehmen wollte, so stellen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen sich im strittigen Zeitraum nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen dar. Es liegen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen vor, wie sie vielfach bei körperlich und teilweise psychisch beeinträchtigten Erwerbstätigen anzutreffen sind; es ist aber in den aus Sicht des Senats überzeugenden Gutachten ein hinreichendes körperliches Restleistungsvermögen, eine ausreichende Sinneswahrnehmung und eine kaum geschwächte psychische Stabilität beschrieben gewesen.

Der Kläger ist auch nicht gehindert gewesen, einen eventuellen Arbeitsplatz zu erreichen. Die Gehfähigkeit des Klägers ist zwar durch Gesundheitsstörungen des Klägers vor allem auf unebenen Untergründen etwas eingeschränkt; sie war aber noch in dem geforderten Umfang (4 mal täglich mehr als 500 Meter in jeweils weniger als 20 Minuten) vorhanden, wie aus dem Gutachten des Dr. G. zu ersehen ist. Auch die Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wird ärztlicherseits bejaht.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Zwar gehört der Kläger aufgrund seines Geburtsdatums zu dem grundsätzlich von dieser Vorschrift erfassbaren Personenkreis. Auch hat er ursprünglich - durch Facharbeiterbrief nachgewiesen - unstrittig die Tätigkeit des Betriebsschlossers erlernt und ausgeübt gehabt, die einen qualifizierten Berufsschutz bewirkt hatte. Er hat diese Tätigkeit jedoch schon vor Jahren aufgegeben und ist danach zunächst Tätigkeiten nachgegangen, die bestenfalls als Anlerntätigkeit anzusehen waren. Damit ist der Kläger nicht dem sog. oberen Bereich der Anlerntätigkeiten zuzuordnen gewesen und uneingeschränkt auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, die ihm gesundheitlich zumutbar sind (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 240 SGB VI, Rn. 114).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Angabe des Klägers, dass er zum Informationselektroniker umgeschult worden sei und damit im Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (vgl. Gürtner a.a.O. Rn. 24 mwN aus der Rechtsprechung) als Facharbeiter (3. Stufe) einzuordnen gewesen sei. Zwar ist die Argumentation der Klägerseite nachvollziehbar, dass es bei einer Umschulung nicht auf die tatsächliche - unter Berücksichtigung von Vorausbildungen verkürzte - Umschulungsdauer, sondern auf die übliche Ausbildungszeit des Berufs ankomme, in dem ein Ausbildungsabschluss erworben wurde. Der Senat folgt aber der Argumentation der Beklagtenseite, wonach ein weitergehender Berufsschutz beim Kläger nicht nachgewiesen ist. Art und Umstände der Umschulung sind ebenso wenig belegt wie das Vorhandensein eines Abschlusszeugnisses als Informationselektroniker. Hinzu kommt, dass der Kläger - auch nach seinen eigenen Angaben im Rentenverfahren - nach anfänglicher Beschäftigung als Informationselektroniker in einem anderen - sehr weit gefächerten - Berufsbild, nämlich als Computertechniker, gearbeitet haben will. Die vom Senat eingeholten Auskünfte zu der vom Kläger zuletzt ausgeübten Beschäftigung bei einem Zeitarbeitsunternehmen sind unpräzise und sogar widersprüchlich, was nicht verwundert, wenn das Unternehmen im weiteren ausführt, dass es über keinerlei Unterlagen über den Kläger mehr verfügt. Die gegebenen Auskünfte beziehen sich also offensichtlich auf die üblicherweise vorliegenden Merkmale und beinhalten damit die angegebene Spannweite von der Anlerntätigkeit bis zur Facharbeitertätigkeit. Somit wäre der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem er - wie dargestellt - vor dem 20.03.2016 bei Beachtung der erforderlichen Arbeitsbedingungen noch mehr als 6 Stunden täglich einsatzfähig war.

Aber selbst wenn man anders als der Senat eine Zuordnung des Klägers zur 3. Stufe des Mehrstufenschemas als belegt ansehen wollte und von der medizinischen Nichteinsatzfähigkeit im maßgeblichen Ausbildungsberuf insgesamt - also nicht nur an Arbeitsplätzen mit besonderen Anforderungen an die Fingergeschicklichkeit - ausgehen wollte, hat der Kläger im strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gehabt. Die Beklagte hat mit den Berufen eines Registrators und eines Poststellenmitarbeiters hilfsweise Verweisungstätigkeiten benannt gehabt, auf sie sich ein Facharbeiter verweisen lassen müsste (vgl. z.B. BayLSG, Urt. v. 16.12.2015, Az. L 13 R 250/14 - zitiert nach juris - mwN zur Rechtsprechung). Der Kläger hätte sich auf Grund der dann als Facharbeiter anzunehmenden Vorkenntnisse auch in diese Tätigkeiten innerhalb von einer Zeit bis zu 3 Monaten einarbeiten können müssen. Die Tätigkeiten sind auch mit dem sozialmedizinischen Leistungsbild des Klägers vereinbar, insbesondere stellen sie keine besonderen Anforderungen an die Feinmotorik der Hände und an schweres Heben oder Tragen (vgl. BayLSG, a.a.O. Rz. 63 und 64).

Das Vorliegen von Berufsunfähigkeit ist beim Kläger damit im noch streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachgewiesen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.10.2014 - soweit sie noch streitbefangen war - im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewähren muss.

2

Die 1954 geborene Klägerin hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist auch in ihrer türkischen Muttersprache (primäre) Analphabetin, weil sie keine Zahlen kennt, nur minimale Buchstabenkenntnisse besitzt und deshalb selbst mit fremder Hilfe weder lesen noch schreiben kann. In Deutschland arbeitete sie ab November 1987 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im September 2004 durchgehend als Reinigungskraft bei der Stadt B.

3

Sie leidet an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Erkrankung. Trotz dieser Krankheiten kann sie noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Der Analphabetismus der Klägerin beruht nicht auf einer gesundheitlichen Störung.

4

Ihren Antrag vom 21.6.2005 auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte ab, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 22.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 6.1.2006). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des SG Detmold vom 10.12.2007).

5

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 21.6.2005 eingetretenen Leistungsfall befristet bis zum 31.1.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom 21.2.2011): Die Klägerin habe die allgemeine Wartezeit zurückgelegt, erfülle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und sei voll erwerbsgemindert. Denn ihr sei der Arbeitsmarkt unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen praktisch verschlossen. Zwar seien die qualitativen Leistungseinschränkungen nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließe, nicht ungewöhnlich und ließen für sich allein noch keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin in einem Betrieb einsetzbar sei. Gleichwohl seien keine beruflichen Tätigkeiten ersichtlich, die sie auf der Grundlage ihres Restleistungsvermögens und ihres muttersprachlichen Analphabetismus noch verrichten könne. Der Analphabetismus sei bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, zu berücksichtigen, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, die die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderten, aufgrund weiterer Leistungseinschränkungen und der Beschränkung des Restleistungsvermögens auf nur leichte Arbeiten nicht mehr zweifelsfrei offenstehe. Eine realistische Verwertung des Restleistungsvermögens im Erwerbsleben setze voraus, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspreche, wodurch sichergestellt werde, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Eine konkrete Verweisungstätigkeit, die die Klägerin mit den verbliebenen Fähigkeiten noch verrichten könne, sei indes nicht ersichtlich. Die Tätigkeiten als Museumswärterin/Aufseherin, Küchenhilfe, Büglerin, Mitarbeiterin in einer Mangel, Warensortiererin in der Kunststoff- und Metallindustrie oder in der Papier- und Elektroindustrie, die die Beklagte benannt habe, könne die Klägerin teils aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, teils aufgrund des Analphabetismus nicht mehr ausüben.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung von § 43 SGB VI: Nach der Rechtsprechung des BSG sei in der Regel davon auszugehen, dass Versicherte, die noch körperlich leichte Tätigkeiten- wenngleich mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten könnten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen erwerbstätig sein könnten. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei in dieser Situation nur zu benennen, wenn ausnahmsweise eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Das LSG führe jedoch selbst nachvollziehbar aus, dass sämtliche Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ungewöhnlich seien und für sich allein keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen ließen, dass sie in einem Betrieb einsetzbar sei. Bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, müsse ihr Analphabetismus außer Acht bleiben. Denn er beruhe nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder auf intellektuellen Defiziten, sondern darauf, dass sie keine Schule besucht und deshalb weder Lesen noch Schreiben erlernt habe. Ein solcher Analphabetismus sei als Bildungsdefizit und nicht als Erwerbsminderung auslösende Krankheit oder Behinderung zu werten. Soweit sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 10.12.2003 (B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1) stütze, stehe diese Entscheidung nicht mit dem Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) in Einklang. Danach sei es ausgeschlossen, "einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten" könne, "deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich" erschwerten. Analphabetismus sei jedoch nichts anderes als "mangelnde Ausbildung". Für die Überwindung des Analphabetismus seien nicht die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern die Bundesagentur für Arbeit, die Grundsicherungsträger sowie die Kommunen und Länder zuständig; das daraus resultierende Arbeitsmarktrisiko dürfe nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Soweit die Rechtsprechung schließlich zwischen Analphabetismus und mangelnden Deutschkenntnissen unterscheide, sei diese Differenzierung inkonsequent. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11) müssten unzureichende Deutschkenntnisse bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit außer Acht bleiben, weil dem Rentenversicherungsträger sonst ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfasstes Risiko aufgebürdet werde. Nichts anderes müsse für Analphabetismus gelten. Dass der Klägerin der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen ihres Analphabetismus erschwert sei, könne ebenso wenig wie der Umstand berücksichtigt werden, dass sie aufgrund mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse nicht ausreichend kommunizieren könne.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor: Aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfülle sie die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei ihr Analphabetismus zu berücksichtigen sei. Als primäre Analphabetin sei sie auf dem Arbeitsmarkt, unter Hinzutreten weiterer ungewöhnlicher Erschwernisse, schlichtweg nicht (mehr) vermittelbar und könne auch auf Alternativtätigkeiten nicht (mehr) verwiesen werden. Selbst wenn man den primären Analphabetismus außer Acht ließe, seien zumutbare Verweisungstätigkeiten weder ersichtlich noch von der Beklagten benannt worden. Vor dem Hintergrund bestehender Fürsorgepflicht hätte die Beklagte durch Rehabilitations- bzw Förderungsmaßnahmen dem Analphabetismus entgegenwirken und hierdurch eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wiederherstellen müssen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Der Klägerin steht kein Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung zu.

11

1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 43 Abs 2 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754) in Betracht (§ 300 Abs 1 SGB VI). Danach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 2 S 1 Nr 2 und 3) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 S 1 Nr 1). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 S 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3). Nach § 102 Abs 2 S 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung zählt(§ 33 Abs 3 Nr 2 SGB VI), auf Zeit geleistet. Die Befristung (§ 32 Abs 2 Nr 1 SGB X) erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 S 2 iVm § 101 Abs 1 SGB VI) und kann wiederholt werden (§ 102 Abs 2 S 3 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

12

2. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), kann die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden (arbeits)täglich, dh an fünf Tagen in der Woche, verrichten. Dieses zeitliche (quantitative) Leistungsvermögen schließt die Annahme einer "vollen Erwerbsminderung" gemäß § 43 Abs 3 Halbs 1 SGB VI aber noch nicht aus. Vielmehr kommt es nach dieser Vorschrift iVm § 43 Abs 2 S 2 SGB VI entscheidend darauf an, ob die Klägerin "wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande" ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts … erwerbstätig zu sein". Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

13

Die Rentenversicherungsträger und im Streitfall die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 20 Abs 1 S 1 SGB X, § 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 21 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X, § 106 Abs 3 Nr 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen,

        

a)    

Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet,

        

b)    

Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den

        

c)    

Ursachenzusammenhang ("wegen") zwischen a) und b).

14

a) Das LSG hat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass die Klägerin "an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und an einer depressiven Erkrankung leidet". Dabei handelt es sich - auch soweit psychische Leiden vorliegen (s dazu BSGE 21, 189 = SozR Nr 39 zu § 1246 RVO; SozR Nr 15 zu § 1254 aF RVO) - um Krankheiten iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI, dh um regelwidrige Körper- bzw Geisteszustände(BSGE 14, 207 = SozR Nr 5 zu § 45 RKG), die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit herabzusetzen (BSGE 13, 255 = SozR Nr 11 zu § 1246 RVO). Den Analphabetismus oder dessen Ursachen hat das Berufungsgericht dagegen nicht als Krankheit bezeichnet, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass die komplette Lese- und Schreibinkompetenz "nicht auf einer gesundheitlichen Störung" beruht. Sie ist auch keine "Behinderung", weil dazu rentenversicherungsrechtlich nur (weiter die Begriffsbestimmung in § 2 Abs 1 SGB IX) krankheitsbedingte Störungen zählen (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 98; Kunze, DRV 2001, 192), deren Entwicklung - anders als bei einer Krankheit (vgl dazu BSGE 28, 114 = SozR Nr 28 zu § 182 RVO) - irreversibel abgeschlossen ist. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" kann aber durch Erlernen der Schriftsprache überwunden werden.

15

b) Das LSG hat weiter bindend festgestellt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten kann. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr.

16

c) Zwischen diesen Leistungseinschränkungen (Erwerbsminderung) und den Krankheit(en) bzw Behinderung(en) muss ein Ursachenzusammenhang bestehen ("wegen"). Die Leistungsminderung muss wesentlich (Theorie der wesentlichen Bedingung, vgl BSGE 96, 291, 293 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 15)auf einer Krankheit oder Behinderung (den versicherten Risiken) beruhen und nicht auf sonstigen Umständen wie Lebensalter, fehlenden Sprachkenntnissen (Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 11 S 38 f; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 9 S 34 f; SozR 2200 § 1246 Nr 61) oder Arbeitsentwöhnung (BSGE 7, 66). Aus den Darlegungen des LSG zum Ursachenzusammenhang geht hinreichend deutlich hervor, dass die beschriebenen Leistungseinschränkungen und Minderbelastbarkeiten aus den zuvor festgestellten Gesundheitsstörungen "resultieren". Außerdem hält das Berufungsgericht ausdrücklich fest, dass der Analphabetismus der Klägerin "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruht", also gerade kein Ursachenzusammenhang zwischen ihm und einer der festgestellten Erkrankungen vorliegt.

17

3. Steht das krankheits- bzw behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein. Diese Frage ist hier zu verneinen. Die zitierte Formulierung verwendete der Gesetzgeber ursprünglich im Arbeitsförderungsrecht (§ 103 AFG, § 119 SGB III, seit dem 1.4.2012: § 138 Abs 5 SGB III) und übertrug sie später auf das Recht der Renten wegen Erwerbsminderung. Mit dieser Übernahme griff er gleichzeitig die Rechtsprechung des BSG auf, wonach dem Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigem Leistungsvermögen praktisch verschlossen war, wenn er krankheitsbedingt keine "Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen" mehr ausüben konnte (sog 1. Katalog- und Seltenheitsfall, vgl dazu nur Senatsurteil vom 27.5.1977 - 5 RJ 28/76 - SozR 2200 § 1246 Nr 19 und die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Die hierzu und zum Arbeitsförderungsrecht entwickelte Rechtsprechung ist auf die gesetzliche Neuformulierung übertragbar.

18

a) "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind (BSGE 11, 16, 20). Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen (BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 29, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 43 Nr 16 vorgesehen; zum Arbeitsförderungsrecht: BSGE 11, 16, 20; 44, 164, 172 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 46, 257, 259 = SozR 4100 § 103 Nr 17; BSG SozR 4100 § 103 Nr 23 S 55; BSG Urteil vom 21.4.1993 - 11 RAr 79/92 - Die Beiträge 1994, 431). Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29; BSGE 46, 257, 262, 264 = SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f; BSG Urteil vom 21.4.1993, aaO, Die Beiträge 1994, 431). Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25), für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem SGB II und III Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO RdNr 27). Die Klägerin kann nach den Feststellungen des LSG an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihr Nacht- und Wechselschichten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt sie im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Sie hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Wer aber in einem Betrieb unter den dort üblicherweise herrschenden Bedingungen arbeiten kann, ist auch imstande, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein.

19

b) Soweit unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" gefasst werden (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29), "wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz", handelt es sich ausschließlich um kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu. Wie der berufliche Werdegang der Klägerin exemplarisch und stellvertretend für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen zeigt, zählen Lese- und Schreibkompetenzen keinesfalls zu den üblichen Grundbedingungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Andernfalls könnten primäre Analphabeten nie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden, wären schon vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (voll) erwerbsgemindert und könnten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst erhalten, nachdem sie die Wartezeit von 20 Jahren zurückgelegt haben (§ 43 Abs 6 iVm § 50 Abs 2 SGB VI).

20

4. Folglich kommt es entscheidend darauf an, ob die Klägerin trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Diese Frage ist zu bejahen.

21

a) Um nachprüfbar zu machen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das BSG bereits zum Parallelproblem im Recht der Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§§ 1246, 1247 RVO bzw §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Altfassung - aF) die Pflicht der Rentenversicherungsträger entwickelt, dem Versicherten zumindest eine zumutbare Tätigkeit (sog Verweisungstätigkeit) konkret zu benennen, die er mit seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch ausüben kann (sog Benennungsgebot), wenn eine Rente wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgelehnt werden sollte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229; SozR 2200 § 1246 Nr 72, 74, 98 und 104). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale genügte nicht (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits musste kein konkreter Arbeitsplatz bezeichnet werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteile vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33 und vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

22

b) Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit entbehrlich, sofern der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte im unteren Bereich (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

23

c) Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten tatsächlichen Vermutung bzw Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts durch die sog Katalog- und Seltenheitsfälle ist in diesem Zusammenhang bedeutsam (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Maßstäbe haben auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 19).

24

5. Für den Regelfall darf damit auch für die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF (iS einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung) davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der zumindest körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, noch in der Lage ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen(s auch § 43 Abs 3 SGB VI nF). Es ist mehrschrittig zu prüfen (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 und Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 35):

25

a) Im ersten Schritt ist festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw ), die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. Es genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; BSG vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand März 2012; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

26

b) Lassen sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben und kommen deshalb "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen auf, stellt sich im zweiten Schritt die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteil vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44 sowie BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f und Nr 21 S 73 f sowie Beschluss vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 - Juris RdNr 24). Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die schwierig zu konkretisieren (BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 sowie SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f) und vernünftig zu handhaben sind (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33 ). Da es für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, keinen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt, können auch für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemeingültigen Anforderungen aufgestellt werden (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23). Auch der jeweilige Begründungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Wie sich der Richter die jeweils erforderliche Tatsachenkenntnis verschafft, liegt in seinem Ermittlungsermessen (vgl § 103 SGG). Angesichts des unzulänglichen Gesamtüberblicks über typische Anforderungen ungelernter Verrichtungen ist ihm dabei ein weiter Freiraum für Einschätzungen zuzugestehen. Gleichwohl muss aber aus rechtsstaatlichen Gründen ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gesichert bleiben (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 ff und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25).

27

c) Erst wenn nach diesen Maßstäben eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33). Hierbei sind dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen, sondern es muss auch individuell geprüft werden, ob der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen kann. Außerdem ist dann zu beachten, dass auf Tätigkeiten nicht verwiesen werden darf, die auf dem Arbeitsmarkt nur in ganz geringer Zahl vorkommen (Katalogfall Nr 3), die an Berufsfremde nicht vergeben werden (Katalogfall Nr 4) oder für Betriebsfremde unzugänglich sind, weil es sich um reine Schonarbeitsplätze (Katalogfall Nr 5) oder Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr 6) handelt (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Kann der Versicherte die Verweisungstätigkeit krankheits- oder behinderungsbedingt nicht mehr ausüben, oder kann er sich die fehlenden fachlichen oder überfachlichen Kompetenzen nicht innerhalb von drei Monaten aneignen, so ist er auch dann (voll) erwerbsgemindert, wenn sein zeitliches (quantitatives) Leistungsvermögen uneingeschränkt erhalten ist.

28

6. Zu Recht hat das LSG eine schwere spezifische Leistungsbehinderung verneint. Sie liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108; Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände (vgl BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 17 S 61 ; BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 19 S 68 ; BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 ) - beispielsweise Einäugigkeit (Senatsurteile vom 12.5.1982 - 5b/5 RJ 170/80 - Juris RdNr 8 und vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30, 90), Einarmigkeit (Senatsurteil vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30) und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 19) sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104, 117; weitere Beispiele bei BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 und bei Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu, weil er keine "Behinderung" ist (s Gliederungspunkt 2 a) und damit auch keine "Leistungsbehinderung" sein kann.

29

7. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch keine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, die es ausnahmsweise notwendig machen könnte, den Ausschluss eines Rechts auf Rente nicht lediglich abstrakt mit der Einsetzbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu begründen, sondern hierfür die konkrete Benennung einer noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit zu fordern. Insofern kann vorliegend offen bleiben, ob es sich bei dem muttersprachlichen Analphabetismus der Klägerin für sich um eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung in diesem Sinne handelt (vgl dazu Senatsurteile vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 17 ff und vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 R - Juris RdNr 19 sowie BSG Urteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62 S 288). Nach der unverändert einschlägigen Verweisungsrechtsprechung des Großen Senats des BSG (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) begründet nämlich bei zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten allein die "Summierung" - notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden - die Benennungspflicht, nicht aber, wie das Berufungsgericht meint, bereits das Zusammentreffen einer - potenziell - ungewöhnlichen und einer oder mehrerer "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen. Durch die genannte Rechtsprechung des Großen Senats und den ausdrücklichen Ausschluss einer Berücksichtigung der "jeweiligen Arbeitsmarktlage" in § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI ist auch bereits entschieden, dass weitere Fälle einer Benennungspflicht nicht in Betracht kommen. Im Hinblick auf die qualitativen Einschränkungen, die bei der Klägerin zu beachten sind, hat das LSG jedoch unangefochten festgestellt, dass diese sämtlich nicht ungewöhnlich sind. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die "vernünftige Handhabung" des unbestimmten Rechtsbegriffs der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gewährleistet nach der Rechtsprechung des Großen und des erkennenden Senats, dass abweichend vom Regelfall der abstrakten Betrachtungsweise die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit als unselbstständiger Zwischenschritt, nur aber auch immer dann erfolgen muss, wenn ernsthafte Zweifel unter anderem an der betrieblichen Einsetzbarkeit bestehen. Ob und ggf in welcher Intensität Zweifel aufkommen und ob in der Gesamtschau eine "Summierung" ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu bejahen ist, lässt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls entscheiden, weil die denkbaren Kombinationsmöglichkeiten der qualitativen Leistungseinschränkungen unüberschaubar sind und die Summanden je nach Schweregrad, Anzahl und Wechselwirkungen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Feste Grenzlinien lassen sich nicht festlegen, zumal auch der Begriff "leichte Arbeiten", auf den sich die genannten Merkmale als Ausnahmen beziehen, erhebliche Unschärfen enthält, die es erforderlich machen, die im Einzelfall vorliegenden Leistungseinschränkungen insgesamt in ihrer konkreten Bedeutung für die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt zu bewerten (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Nur so erscheint eine "vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe" gewährleistet, wie sie der Große Senat des BSG (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33) vorausgesetzt hat. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten sind die bisherigen Entscheidungen des BSG zum Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nur als Einzelfallentscheidungen zu werten, die den Besonderheiten der jeweiligen Sachlage Rechnung zu tragen suchen. Auch wenn die Leistungseinschränkungen dort gleich oder vergleichbar formuliert sind, handelt es sich keinesfalls um identische Sachverhalte. Vielmehr liefern die jeweiligen Beurteilungen allenfalls Anhaltspunkte für weitere Entscheidungen; ihnen lassen sich jedoch keine generellen Abgrenzungskriterien entnehmen (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Deshalb steht dem Tatrichter bei der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ein weiter Freiraum für Einschätzungen zu (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25). Denn die Begriffe der "Ungewöhnlichkeit" von Leistungseinschränkungen und ihre "Summierung" lassen sich nicht mit einem abschließenden Katalog unabdingbarer Merkmale und Untermerkmale im Voraus definieren (Klassen- oder Allgemeinbegriff), sondern nur einzelfallbezogen durch eine größere und unbestimmte Zahl von (charakteristischen) Merkmalen umschreiben (offener Typus- oder Ordnungsbegriff), wobei das eine oder andere Merkmal gänzlich fehlen oder je nach Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein kann. Ob an der Einsetzbarkeit eines individuellen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Zweifel bestehen und sich ggf überwinden lassen, ob Leistungseinschränkungen "ungewöhnlich" sind und wie sie sich nach Art, Umfang und Ausprägung wechselseitig beeinflussen ("summieren"), beurteilt sich anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch einen wertenden Ähnlichkeitsvergleich. Eine solche Würdigung des Einzelfalls nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vollzieht sich auf tatsächlichem Gebiet und obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Bei derartigen richterlichen Wertungsakten gibt es keine logisch ableitbare einzig richtige Entscheidung, sondern einen Bereich, der sich letztlich der logischen Nachprüfbarkeit entzieht. Rational argumentativ ist dieser (originäre) Wertungsakt nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob er auf einer zutreffenden und rechtlich verwertbaren Tatsachengrundlage beruht, ob die richtigen Wertungsmaßstäbe erkannt und angewandt wurden und ob er sich innerhalb eines gewissen Spielraums der Angemessenheit bzw des Vertretbaren bewegt ("vernünftige Handhabung"). Bei derartigen genuinen Wertungsakten sind mehrere Entscheidungen gleichermaßen richtig, weil sich nach rein logischen Maßstäben nicht mehr entscheiden lässt, welche innerhalb eines Spielraums nach zutreffenden Maßstäben getroffene Entscheidung richtiger als die andere ist.

30

Das LSG hat vorliegend Inhalt und Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs der ungewöhnlichen Leistungseinschränkung, wie sie sich hiernach ergeben, berücksichtigt und im Rahmen der ihm vorbehaltenen tatrichterlichen Bewertung die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen - mit Ausnahme des Analphabetismus der Klägerin - als "gewöhnlich", also keine Benennungspflicht auslösend, eingestuft. Dabei hat es sich im Wesentlichen an der vom Großen Senat rezipierten beispielhaften Auflistung derartiger Einschränkungen orientiert. Insofern bedarf es auf der Ebene der Feststellung tatsächlicher Umstände jeweils der Bewertung, ob mit einer festgestellten Leistungseinschränkung für sich und im Zusammenwirken mit gleichwertigen anderen gerade im konkreten Einzelfall die Gefahr verbunden ist, dass der Versicherte auf in Wahrheit nicht existierende Arbeitsmöglichkeiten verwiesen wird, deren Feststellung wiederum Aufgabe des Tatsachengerichts ist. Solange daher der Tatrichter - wie hier das LSG - von einem rechtlich zutreffenden Verständnis der Benennungspflicht und ihrer Voraussetzungen ausgeht, handelt es sich um die Feststellung von Individualtatsachen, an die das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG und in dessen Grenzen gebunden ist. Vorliegend ist daher rechtlich ohne konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Tätigkeit im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Restleistungsvermögen noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann, also noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine (unbenannte) Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Damit scheidet auch ein Recht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs 1, § 240 Abs 1 SGB VI).

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Die im September 1958 geborene Klägerin hat von September 1975 bis Juni 1977 den Beruf der Köchin erlernt und war - nach Zeiten der Kindererziehung - zunächst bis 1990 im erlernten Beruf tätig. Von 1990 bis 1991 war sie als Verkäuferin, von 1991 bis 1993 erneut als Köchin und von 1993 bis 1996 in einem Supermarkt als Abteilungsleiterin „Fisch und Meer“ versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Selbstständigkeit (Betrieb eines Eiscafés) war sie von 1996 bis 2006 als Abteilungsleiterin in einer Metzgerei und zuletzt von 2007 bis 2008 als Metzgereiverkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss daran war sie bis November 2008 arbeitsunfähig mit Bezug von Krankengeld und anschließend arbeitslos.

Mit Antrag vom 13. Mai 2009 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese zog einen Entlassungsbericht des A. Klinikum Bad A. vom 20. Oktober 2008 über Maßnahmen der stationären medizinischen Rehabilitation auf orthopädischer Grundlage bei, an denen die Klägerin vom 16. September bis 14. Oktober 2008 teilgenommen hatte. Hierin wird ein Bandscheibenprolaps C 6/7, C 5/6, ein Cervicobrachialsyndrom links, eine Migräne sowie ein Zustand nach Hallux valgus Operation rechts 2003, links 2005 diagnostiziert und der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt. Als Metzgereiverkäuferin sei die Klägerin nur noch unter 3 Stunden täglich leistungsfähig.

Die Beklagte holte ein nervenärztliches Gutachten von Dr. B. vom 7. Juli 2009 ein. Dr. B. stellte bei der Klägerin einen Kombinationskopfschmerz (Migräne und Zervicocranialsyndrom), ein Zervicobrachialsyndrom links mit sensibler Reizung C 6/7 links und einen Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung fest. Dr. B. erklärte, als Metzgereiverkäuferin sei die Klägerin nur unter 3 Stunden täglich leistungsfähig. Zurzeit bestehe auch wegen der Schmerzen und der Schmerzmedikation eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 3 bis unter 6 Stunden. Etwa in einem halben Jahr sei nach Korrektur der Therapie und Abheilung der Operationsfolgen (Operation an der zweiten Zehe rechts am 24. Juni 2009) Besserung zu erwarten.

Die ebenfalls mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Orthopädin und Rheumatologin Dr. N. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 8. September 2009 bei der Klägerin einen kernspintomographisch diagnostizierten alten linksmediolateralen osteochondrotisch überbauten Bandscheibenvorfall C 6/7 und osteochondrotisch überbauten alten rechtsmediolateralen Bandscheibenvorfall C 5/6 sowie einen Zustand nach Zehenkorrekturoperation beidseits. Die Klägerin sei als Köchin bzw. Metzgereiverkäuferin nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hingegen noch 6 Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 12. Oktober 2009 den Rentenantrag ab. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr täglich tätig sein.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, es seien eine im November 2009 operativ behandelte Meniskusproblematik, Krämpfe in den Händen sowie neurologische Probleme nicht berücksichtigt worden.

Die Beklagte beauftragte nach Beiziehung weiterer Befundberichte Dr. K. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachten. Dieser stellte unter dem 12. Oktober 2010 bei der Klägerin ein chronisches Cervicobrachialsyndrom, ein chronischrezidivierendes Lumbalsyndrom sowie statische Fußbeschwerden mit Metatarsalgien fest und erklärte, als Metzgereiverkäuferin sei die Klägerin nur noch unter 3 Stunden einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten leichte Tätigkeiten noch 3 bis unter 6 Stunden täglich absolviert werden.

Die Beklagte zog dann noch einen Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Metzgerei E. vom 14. November 2007 bei, aus der eine Vollzeitbeschäftigung der Klägerin als Metzgereiverkäuferin ab 5. November 2007 mit einem Bruttolohn von 1.950.- Euro hervorgeht.

Nachdem sich der sozialmedizinische Dienst der Beklagten der Leistungsbeurteilung durch Dr. K. nicht angeschlossen hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2011 zurück. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in den zumutbaren Verweisungstätigkeiten als Kassiererin in Bädern, zoologischen Gärten und Theatern noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und auf das Gutachten des Dr. K. verwiesen.

Das SG hat nach Beiziehung diverser Befundberichte zunächst ein orthopädisches Gutachten von Dr. K. eingeholt. In seinem Gutachten vom 15. November 2011 hat der Sachverständige bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

1. Rezidivierendes, schmerzhaftes Lendenwirbelsyndrom bei leichtgradiger Funktionseinschränkung ohne Zeichen des Nervenwurzelreizes, mit degenerativen Veränderungen der Bandscheiben

2. Armschmerz beidseits ohne funktionelle Veränderungen der HWS bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelbandscheiben

3. Mittelfußschmerz beidseits bei Zustand nach Hallux valgus-Korrekturoperationen

4. Migräne

5. Verdacht auf dysphorische Grundstimmung.

Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten 6 Stunden täglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Schwerarbeit, dauerhafte mittelschwere Arbeiten, längere Anmarschweg zur Arbeit, Zeitdruckarbeiten, Arbeiten überwiegend im Stehen, mit langstreckigem Gehen oder in Zwangshaltungen der LWS oder des Nackens, häufiges Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, Besteigen höherer Leitern und besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit. Die Klägerin könne noch viermal täglich Strecken von mehr als 500 m in ca. 20 Minuten zurücklegen. Die einfache zumutbare Wegstrecke belaufe sich auf vier Kilometer. Eine psychiatrische Begutachtung sei angezeigt.

Hiergegen hat die Klägerin eingewandt, es würden Erbkrankheiten verschwiegen, wie vorliegend eine gewisse Krebsneigung, aber auch die Medikamenteneinnahme. Die Beschwerden der Klägerin wurden vom Sachverständigen entstellend verharmlosend wiedergegeben. Außerdem sei mittlerweile ein weiterer Bandscheibenvorfall eingetreten. Das Gutachten sei deshalb nicht verwertbar, so dass ein weiteres orthopädisches Gutachten einzuholen sei.

Das SG hat sodann ein nervenärztliches Gutachten von Dr. A. eingeholt. Diese hat in ihrem Gutachten vom 12. September 2012 bei der Klägerin eine Dysthymie sowie einen Kombinationskopfschmerz diagnostiziert und der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden täglich für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts bescheinigt. Nicht mehr zumutbar seien Zeitdruck-, Wechselschicht- und Nachtarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an das Hörvermögen und an die nervliche Belastbarkeit. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, es müssten noch Befunde bei dem behandelnden Psychologen Dr. L. und der ärztlichen Psychotherapeutin V.-K. eingeholt werden. Die Behandlungen der Klägerin würden angesprochen, fänden aber keine Beachtung. Das Gutachten sei daher nicht verwendbar. Eine Nachfrage des SG nach der Anschrift der beiden neu benannten Ärzte ist nicht beantwortet, jedoch Prof. Dr. D. als Gutachterin gemäß § 109 SGG benannt worden.

Prof. Dr. D. hat in ihrem neurologischen Gutachten vom 5. September 2013 eine hochfrequente bis chronische Migräne mit Medikamentenübergebrauch, rezidivierende unspezifische Lumbalgien ohne radikuläre Defizite, ein leichtes bis mittelschweres depressives Syndrom mit Somatisierung, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas sowie Beschwerden im Bereich der Füße festgestellt. Die Klägerin sei noch in der Lage, vollschichtig leichte bis maximal mittelschwere Arbeiten aus wechselnder Arbeitshaltung heraus zu verrichten. Ausgeschlossen seien das Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in gebückter Haltung, Arbeiten, die die Rotation im Bereich der Wirbelsäule voraussetzen, Arbeiten mit psychischer Stressbelastung und stark wechselnden Bezugspersonen sowie Wechselschichttätigkeiten.

Insoweit hat die Klägerin umfangreich weitere Befundberichte vorgelegt u. a. über eine Gewebeprobeentnahme an der Wange (Diagnose: Lichen ruber) sowie über eine operierte Gebärmuttersenkung, ein Lymphödem und eine Leitveneninsuffizienz. Die Diagnosen insbesondere aktueller Entwicklungen würden nur unvollständig wiedergegeben. Auch versäume es Prof. Dr. D., das Wirbelsäulensyndrom zu konkretisieren. Bei Bandscheibenvorfällen müsse eine Belastung der Wirbelsäule absolut unterbleiben. Damit könne die Klägerin auch keine überwiegend sitzende Tätigkeit verrichten. Prof. Dr. D. sei zu einer ergänzenden Stellungnahme aufzufordern.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass in Bezug auf die neue Diagnose Lichen ruber eine gutartige Veränderung histologisch gesichert worden sei. Nach der Gebärmutteroperation sei die Klägerin beschwerdefrei.

Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2014 unter Berufung auf die vorliegenden Gutachten abgewiesen. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Kassiererin in Verkaufsräumen oder Freizeiteinrichtungen noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, eine Verweisung der Klägerin sei nicht möglich. In den benannten Verweisungsberufen müsse sie schwer heben. Auch könne die Klägerin nicht in einem Supermarkt an der Kasse arbeiten, da sie nicht längere Zeit sitzen könne. Darüber hinaus sei die Klägerin insbesondere aufgrund ihrer Schwellfüße nicht in der Lage, eine Tätigkeit von 3 Stunden oder mehr auszuüben. Sie könne auch keine längeren Wegstrecken zurücklegen.

Der Senat hat diverse Befundberichte und einen Entlassungsbericht der F. vom 17. Juni 2014 über eine Teilnahme der Klägerin an stationären Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation vom 15. Mai bis 5. Juni 2014 beigezogen. Hierin werden als Diagnosen eine Lumboischialgie beidseits und bei SLAP- Läsion Typ I und Synovialis rechts, ein Zustand nach Arthrose rechte Schulter mit Tenotomie LBS, partielle Synovektomie, Debridement SSP, Bursektomie SAC, AC- und bei PASTA - (gelenksseitige Partialruptur Supraspinatussehne) - Läsion rechts und bei Bursitis subacromialis genannt. Die Klägerin sei noch in der Lage, als Metzgereiverkäuferin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich und mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten aus wechselnden Arbeitspositionen heraus zu verrichten. Zu vermeiden seien das Heben von Lasten über 15 kg, Arbeiten mit Armvorhaltung unter Belastung sowie Überkopfarbeiten.

Der Senat hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma E. eingeholt, wonach die von der Klägerin vom 5. November 2007 bis 11. April 2008 verrichtete Tätigkeit als Metzgereifachverkäuferin eine Facharbeitertätigkeit gewesen sei. Er hat dann unter Übersendung einschlägigen berufskundlichen Materials von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. C. vom 8. Oktober 2015.

Dr. C. hat bei der Klägerin eine Mischsymptomatik bestehend aus einer dysthymen Störung und einer Angststörung mit zum Teil phobischer Prägung wechselnden Ausmaßes, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom mit körperlichen und psychischen Ursachen bei degenerativem LWS-Syndrom ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit, degenerativem HWS-Syndrom ohne nervenwurzelbezogenes sensibles oder motorisches Defizit und ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, Impingement-Syndrom der rechten Schulter mit schmerzbedingter Bewegungseinschränkung, Crampus-Syndrom, degenerativen Veränderungen im Bereich des Fußskeletts bei Zustand nach Hallux valgus-Operation beidseits und operativer Behandlung einer Hammerzehe Z2 rechts, degenerativen Veränderungen im Bereich der Kniegelenke bei Zustand nach Meniskusoperation beidseits und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie eine einfache Migräne und eine Adipositas permagna diagnostiziert.

Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten möglichst wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend sitzend, im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien das Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen (Überkopfarbeiten, Tätigkeiten in der Hocke oder in gebückter Position) oder unter Zeitdruck sowie Nachtschichttätigkeiten.

Tätigkeiten als Registratorin oder als Poststellenmitarbeiterin seien der Klägerin zumutbar. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich.

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung werde nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mehr geltend gemacht.

Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Februar 2014 und des Bescheids der Beklagten vom 12. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2011 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 12. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2011 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die zuletzt nur noch beantragte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI zu.

Gem. § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die zuletzt von der Klägerin versicherungspflichtig verrichtete Tätigkeit war die einer Metzgereifachverkäuferin. Hierbei hat es sich nach Angaben des letzten Arbeitgebers um eine Angestelltentätigkeit mit einer längeren, regelmäßig dreijährigen Ausbildung gehandelt. Zwar hat die Klägerin nicht die einschlägige dreijährige Ausbildung zur Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk (Fleischerei) durchlaufen. Sie ist jedoch ausgebildete Köchin und hat bereits hier einschlägige Kenntnisse erworben. Zudem ist sie langjährig als Verkäuferin im Lebensmittelbereich tätig gewesen, so dass für den Senat diese Beurteilung durch den Arbeitgeber nachvollziehbar ist.

Der Klägerin steht damit Berufschutz als Ausgebildete zu. Dennoch kommt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht. Denn nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. C. ist die Klägerin jedenfalls in der Lage, noch in den zumutbaren Verweisungstätigkeiten einer Registratorin bzw. Mitarbeiterin in einer Poststelle mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten zu verrichten.

Bei der Klägerin stehen die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem und orthopädischem Fachgebiet im Vordergrund.

Bei der Untersuchung durch den erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. C. war die deutlich übergewichtige Klägerin in einem etwas reduzierten Allgemeinzustand bei Hypertonus. Die Fußpulse waren beidseits gut tastbar, die Halsgefäße auskultatorisch frei. An Kopf und Hirnnerven zeigten sich keine wesentlichen Auffälligkeiten, die Kopfbeweglichkeit war normgerecht. Der Visus war ungestört, eine beidseits bestehende Hypakusis ist durch Hörgeräte kompensiert.

In Bezug auf den Bewegungsapparat der Klägerin fanden sich keine nennenswerten Auffälligkeiten. Allenfalls imponierte ein etwas schwerfälliges Bewegungs- und Gangverhalten. Ein Hinken war allerdings nicht feststellbar. Nacken- und Schürzengriff waren der Klägerin beidseits durchführbar, der Nackengriff rechts nur mit einer Ausweichbewegung. Das Zeichen nach Laségue war lediglich endgradig lumbal positiv, im klassischen Sinne negativ, Nervenwurzeldehnungszeichen waren nicht provozierbar. Der Finger-Boden-Abstand betrug 36 cm, reduzierte sich jedoch in der Langsitzposition auf 13 cm. Bei der Prüfung der Motorik zeigten sich seitengleiche bis mittellebhafte Muskeleigenreflexe bei lockerem Muskeltonus und ungestörter Muskeltrophik. Auch die grobe Kraft wies keine Störungen auf. Die Koordination war ungestört, ebenso die Sensibilität, wenn man von einem leichten Taubheitsgefühl unter den Vorderfüßen bei allerdings massiver Hornhautbildung absieht.

In psychopathologischer Hinsicht war die körperlich gepflegte Klägerin bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert bei freundlichem und zugewandtem Kontaktverhalten. Die Stimmung war subdepressiv bis depressiv bei außerordentlicher Klagsamkeit. Die affektive Schwingungs- und die Resonanzfähigkeit waren nur leichtgradig herabgesetzt. Die Klägerin konnte situationsadäquat wiederholt lächeln. Auch hat die Klägerin angegeben, durchaus freudfähig zu sein. Die depressive Symptomatik bestehe bei ihr nicht ununterbrochen, sondern mitunter für mehrere Tage, um dann aber wieder auszusetzen. Antrieb und Dynamik waren bei Berücksichtigung der von ihr gemachten Angaben erniedrigt.

Die Untersuchung des Medikamentenspiegels erbrachte keine messbare Serumskonzentration in Bezug auf das verordnete Schmerzmittel (Tilidin) bzw. Antidepressivum (Citalopram), was nach den Ausführungen von Dr. C. darauf hindeutet, dass die Klägerin die Medikamente nicht einnimmt. In kognitiver Hinsicht zeigten sich keine wesentlichen Störungen. Auffällig war nur eine leichte Dyskalkulie bei eher geringem Abstraktionsvermögen. Die Gedächtnisleistungen waren ungestört, wobei die Klägerin stellenweise ein wenig unkonzentriert wirkte. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit liegt bei der Klägerin im Bereich der Norm.

In Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachten Angstsymptomatik in Form einer Agoraphobie sowie einer grundsätzlichen Angstbereitschaft (z. B. Angst beim Ertönen eines Martinshorn, es könne einer ihrer Angehörigen zu Schaden gekommen sein), hat Dr. C. ausgeführt, diese basiere zu einem erheblichen Teil auf einer ausgeprägten primärpersönlich angelegten Asthenie der Klägerin, einer gewissen nervösen Schwäche und einer verstärkten psychischen Affizierbarkeit. Eine Behandlung dieser Affektstörung ist nach Angaben von Dr. C. bisher nicht wirklich konsequent erfolgt. Die Klägerin war nur für einige Monate in psychiatrischer Behandlung, auch eine psychotherapeutische Behandlung hat lediglich 12 Stunden umfasst. Dies spricht nach Auffassung des Senats gegen einen erheblichen Leidensdruck der Klägerin. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass Dr. C. den Eindruck gewonnen hat, bei der Klägerin liege ein nicht unerheblicher sekundärer Krankheitsgewinn vor. Sie hat ihre Hausarbeit nahezu komplett an den Ehemann delegiert.

In Bezug auf das vielgestaltige Schmerzsyndrom der Klägerin geht ein erheblicher Teil auf degenerative Veränderungen im Bereich des Stütz- und Halteapparats zurück. Von Gewicht sind hier insbesondere zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich der HWS zwischen HWK 5 und 7 sowie in Höhe LWK 5/SWK 1. Allerdings liegen bei der Klägerin insoweit weder Nervenwurzelreizerscheinungen noch nervenwurzelbezogene sensible oder motorische Defizite vor. Auch im Bereich der großen Körpergelenke sind die Beschwerden nur zum Teil somatogen. Ein wesentlicher Teil der Schmerzsymptomatik geht sicherlich auch auf die erhebliche Adipositas der Klägerin zurück, die zu einer massiven Überlastung des Halte- und Stützapparates führt. Insoweit ist nach den Feststellungen von Dr. C. ebenfalls noch keine Behandlung (diätetische Maßnahmen, vor allem aber Steigerung der körperlichen Aktivität der Klägerin) in Angriff genommen worden. Die Klägerin verfügt über ein relativ passives Therapieverständnis. Zu einem gewissen Teil ist auch von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auszugehen, die jedoch ebenfalls nicht adäquat behandelt wird. Die Klägerin ist auch nicht durchgehend auf die Einnahme von Schmerzmedikamente angewiesen, wie sich aus dem Laborbefund ergibt.

Die bei der Klägerin schließlich noch vorliegende einfache Migräne hat bisher noch nicht zu einer Accompagnée-Symptomatik geführt. Das hiergegen verordnete Medikament ist wirksam. Auch hier kann noch nicht von einer Ausschöpfung der Therapiemöglichkeiten gesprochen werden. Eine Intervallbehandlung hat bisher noch nie stattgefunden.

Hieraus hat Dr. C. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass die Klägerin noch mindestens 6 Stunden leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann. Aus diesem Befund lassen sich nur qualitative Leistungseinschränkungen ableiten, noch nicht jedoch ein Absinken des Leistungsvermögens auf unter 6 Stunden täglich. Er steht damit in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern Professor Dr. S. und Dr. A., die im Wesentlichen gleiche Feststellungen getroffen haben.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Mitberücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Insoweit hat Dr. K. festgestellt, dass sich an der Lendenwirbelsäule nur leichtgradige Funktionseinschränkungen mit mäßigen Muskelverspannungen ebenfalls ohne Zeichen eines neurologischen Ausfalls oder Nervenreizes feststellen lassen. An der Halswirbelsäule konnte er keine funktionellen Einschränkungen positivieren. Die Kniegelenke befanden sich in einem physiologischen Funktionszustand. Darüber hinaus bestehen noch mäßige Achsveränderungen an beiden Füßen im Sinne eines Hallux valgus bei Zustand nach mehrmaligen Operationen. An den oberen Extremitäten fanden sich keine funktionelle Auffälligkeiten. Daraus ergeben sich nach Auffassung von Dr. K., der sich der Senat anschließt, nachvollziehbar nur qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen.

Bestätigt wird diese Einschätzung durch die ... Fachklinik F-Stadt, die in ihrem Entlassungsbericht vom 17. Juni 2014 über Maßnahmen der orthopädischen Anschlussheilbehandlung vom 15. Mai bis 5. Juni 2014 der Klägerin ebenfalls noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr bescheinigt. Hier wird von einer gerade aufgebauten Wirbelsäule mit Beckengeradstand, einer frei beweglichen Halswirbelsäule ohne wesentliche Muskelverspannungen oder Druckschmerzen und ohne neurologische Auffälligkeiten berichtet. Auch im Übrigen zeigten sich keine Kernmuskelparesen sowie kein sensomotorisches Defizit bei intakter peripherer Durchblutung. Am auffälligsten war hier die eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter, die allerdings noch im Zusammenhang mit der kurz zuvor erfolgten Operation an der rechten Schulter (Mai 2014) stand und die von Dr. C. gewürdigt worden ist. Die weiteren großen Gelenke an den oberen sowie den unteren Extremitäten waren unauffällig.

Dr. K. hat demgegenüber keine nachvollziehbare Begründung dafür abgegeben, warum aufgrund dieser Gesundheitsstörungen der Klägerin eine quantitative Leistungseinschränkung selbst für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts gegeben sein soll. Er hat nachvollziehbar eine deutliche qualitative Leistungseinschränkung für schwere und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten aufgrund der chronifizierten Beschwerden von Seiten der HWS und LWS dargelegt. Diese hat er dann im Einzelnen ausgeführt (z. B. keine häufigen Überkopfarbeiten kein Tragen von mittelschweren und schweren Lasten). Für die Feststellung, auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich absolviert werden, fehlt indes jede Begründung. Diese Leistungseinschätzung ist auf der Grundlage der erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar und wurde auch durch die Begutachtung von Dr. K. sowie die Feststellungen der ... Fachklinik F-Stadt widerlegt.

Damit steht für den Senat fest, dass die Klägerin nach wie vor zumindest leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich und mehr verrichten kann, wenn die von Dr. C. und Dr. K. genannten qualitativen Einschränkungen berücksichtigt werden.

Mit dem von Dr. C. und Dr. K. überzeugend festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten in den zumutbaren Verweisungstätigkeiten einer Registratorin bzw. Mitarbeiterin einer Poststelle zu verrichten.

Auf Tätigkeiten als Registratorin bzw. Mitarbeiterin einer Poststelle müssen sich auch Facharbeiterinnen bzw. Fachangestellte zumutbar verweisen lassen, da diese Tätigkeit von den Tarifvertragsparteien durch die tarifliche Einstufung in ihrem qualitativen Wert der nächstniedrigeren Gruppe der Angelernten gleichgestellt ist (vgl. hierzu ausführlich Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Februar 2013, Az. L 2 R 1704/11; Urteil vom 25. September 2012, L 13 R 6087/09, in juris, unter Hinweis auf die Entgeltgruppe 3 der Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder-TV-L).

Die Tätigkeit eines Registrators umfasst das Sortieren der von den zuständigen Bürofachkräften zu bearbeitenden Schriftstücke nach den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Merkmalen, das Erledigen von anfallenden Schreibarbeiten wie Führen von Statistiken, Terminüberwachungslisten und Karteien, das Ziehen und Abstellen von Ordnern/Akten, das Weiterleiten der zu bearbeitenden Vorgänge zu den sachbearbeitenden Stellen innerhalb des Betriebs bzw. der Behörde mit Registraturwagen, das Abhängen von Akten oder das Abstellen von Ordnern nach der jeweiligen Bearbeitung. Die schwierigere Tätigkeit im Sinne der (ehemaligen) Vergütungsgruppe BAT VIII umfasst die Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, das Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben, die Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung, die Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art, die Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordnetem Karteien sowie von solchen Karteien, deren Kenntnis die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt, buchhalterische Übertragungsarbeiten, Zinsstaffelberechnungen und die Kontenführung.

Tätigkeiten als Registraturkraft in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst sind als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert, da in den Registraturen die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden sind. Unerheblich ist, dass in Einzelfällen das Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg anfallen, Arbeiten auf Stehleitern und Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten anfallen könnten. Die körperlichen Belastungen hängen weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsplatzorganisation ab; folglich sind das Handhaben schwere Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit eine Registraturkraft verbunden (vgl. Urteil des Senats vom 6. Oktober 2010, Az. L 13 R 596/09, in juris; Urteil des BayLSG vom 28. April 2010, Az. L 1 R 807/09, in juris).

Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost sowie der Hauspost, die Entgegennahme des Inhalts von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerks, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch das Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit im Wechsel vom Sitzen, Gehen und Stehen in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, teilweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände; ausreichend sind durchschnittliche Lese- und Schreibkenntnisse. Das Tragen von Lasten von über 10 kg ist zumindest in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeiten in einer Poststelle. Der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle wird dort regelmäßig von wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. September 2012, Az. L 13 R 4924/09, m. w. N., in juris).

Den von Dr. C. und Dr. K. festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin wird bei Tätigkeiten als Registratorin bzw. Poststellenmitarbeiterin Rechnung getragen. Es handelt sich um leichte Tätigkeiten. Der Wechsel der Arbeitshaltung ist möglich. Zeitdruck-, Wechselschicht- und Nachtarbeiten sowie Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an das Hörvermögen und an die nervliche Belastbarkeit fallen nicht an.

Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass sich die Klägerin in Tätigkeiten als Registratorin innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann. Dies entspricht der Einarbeitungszeit für eine Registraturkraft, wobei Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinaus gehende Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist (wie zum Beispiel bei der Bundesagentur für Arbeit) können die erforderlichen grundlegenden Kenntnisse innerhalb der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. von bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübten Beschäftigten angeeignet werden (vgl. LSG, a. a. O.). Dasselbe gilt in Bezug auf die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin. Auch hier werden keine besonderen Anforderungen in geistiger Hinsicht gestellt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch in der Lage war, ein Eiscafe selbstständig zu führen. Dies ist ebenfalls mit gewissen administrativen Tätigkeiten verbunden.

Bei Arbeitsplätzen in der Registratur handelt es sich auch nicht um typische Schonarbeitsplätze, für die der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen wäre; solche Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden und auch zu besetzen (vgl. BayLSG, a. a. O.). Dasselbe gilt für die Arbeitsplätze als Poststellenmitarbeiterin. Eine hinreichende Verfügbarkeit ergibt sich schon daraus, dass diese Tätigkeiten tarifvertraglich erfasst sind.

Ein Rentenanspruch ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihr liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für sie der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Die von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind nicht ungewöhnlich und schränken die der Klägerin offenstehenden Arbeitsfelder nicht wesentlich ein. Insbesondere liegen keine relevanten Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit der Klägerin vor. Insoweit besteht nur eine Einschränkung für Überkopfarbeiten. Die Klägerin benötigt auch keine ungewöhnlichen Pausen. Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte ist für sie schließlich ebenfalls nicht rentenrelevant eingeschränkt.

Damit steht der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.

Die Berufung war damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.