Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 20. Okt. 2016 - L 19 R 976/14

bei uns veröffentlicht am20.10.2016
vorgehend
Sozialgericht Bayreuth, S 2 R 915/12, 24.06.2014
nachgehend
Bundessozialgericht, B 13 R 385/16 B, 30.01.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auch für die Zeit ab 28.02.2013 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die 1972 geborene Klägerin hatte von September 1989 bis August 1992 den Beruf einer Textilreinigerin erlernt und war später unter anderem als Maschinistin, Reinigungskraft und Hauswirtschafterin versicherungspflichtig beschäftigt. Neben der Kindererziehung - 2 Kinder, geboren im April 2000 und im Oktober 2006 - war sie nur in geringfügigem Umfang nicht versicherungspflichtig erwerbstätig. Im Jahr 2009 erlitt die Klägerin einen privaten Fahrradunfall mit Verletzungen insbesondere am rechten Sprunggelenk.

Am 18.04.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei, u.a. ein orthopädisch-traumatologisches Gutachten, das im Oktober 2010 von Dr. W. für eine private Versicherung erstellt worden war. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 25.06.2012 durch den Allgemein- und Sozialmediziner Dr. H. untersucht, der folgende Gesundheitsstörungen bei ihr beschrieb: 1. Eingeschränktes Geh- und Stehvermögen nach Fußfehlbildung links bei entzündlicher Erkrankung des Nervensystems im Säuglingsalter, Fußfehlform rechts mit Zustand nach zahlreichen operativen Eingriffen. 2. Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule bei Bandscheibenschädigung. 3. Körperübergewicht mit Überlastung tragender Skelettteile. 4. Sehminderung links. 5. Verminderte psychische Belastbarkeit bei chronischem Schmerz. In sozialmedizinischer Hinsicht sei die Klägerin in der Lage, eine überwiegend sitzende Tätigkeit täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Die Klägerin sei auf Gehstützen angewiesen und könne kurze Wege innerhalb des Hauses auch ohne Gehstützen zurücklegen. Es sei von einer Einschränkung der Wegefähigkeit auszugehen, die bei bestehender gültiger Fahrerlaubnis jedoch kompensiert werden könne.

Daraufhin wies die Beklagte mit Bescheid vom 06.07.2012 den Rentenantrag zurück. Die Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch im erforderlichen zeitlichen Umfang einsatzfähig.

Der Widerspruch der Klägerin vom 30.07.2012 wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2012 zurückgewiesen, nachdem Dr. L. das sozialmedizinische Leistungsbild bestätigt hatte: Die Klägerin sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Schichtarbeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Neue medizinische Gesichtspunkte seien nicht festzustellen gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2012 am 11.10.2012 per Telefax Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Sie hat darauf verwiesen, dass sie nach misslungenen Operationen seit 2009 nicht mehr in der Lage sei, richtig zu laufen. Ihre Wegefähigkeit sei aufgehoben. Seit Oktober 2010 seien ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie das Merkzeichen „G“ zuerkannt worden. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie zwar einen Führerschein besitze, ihr jedoch kein Pkw zur Verfügung stehe: Das in der Familie vorhandene Kraftfahrzeug sei auf ihren Ehemann zugelassen und dieser benötige es für die täglichen Fahrten zu seiner Arbeit. Die Klägerseite hat ergänzend ein Attest des Dr. H. vom 21.11.2012 vorgelegt, wonach die Klägerin nicht länger als vier Stunden täglich arbeiten könne.

Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. A. und Dr. H. eingeholt. Ferner ist die Schwerbehindertenakte des Zentrums Bayern Familie und Soziales beigezogen worden. Das Sozialgericht hat sodann den Arzt für Öffentliches Gesundheitswesen Dr. H. mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens vor dem Verhandlungstermin am 24.01.2013 beauftragt. Dieser ist bei seiner Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass im Vergleich zum Rentengutachten vom Juni 2012 eine Verschlechterung der psychischen Situation eingetreten sei und eine mittelgradige depressive Episode bestehe. Zwar sei eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens noch nicht gegeben, aber eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erscheine dringend erforderlich. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender, zeitweilig gehender oder stehender Arbeitshaltung, ohne gehäuftes Bücken, ohne längeres Stehen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten sowie ohne Nachtschicht und ohne besondere Stressbelastung verrichten. Infolge der Gesundheitsstörungen an beiden Beinen sei die Wegefähigkeit eingeschränkt. Das Führen eines Kfz sei möglich. Die Einschränkung der Wegefähigkeit betreffe eine Wegstrecke zu Fuß von weniger als 500 m.

Im Nachgang zu diesem Termin hat die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2013 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt. Um die eingeschränkte Wegefähigkeit auszugleichen, würden die notwendigen Fahrtkosten, um Vorstellungsgespräche zur Erlangung eines Arbeitsplatzes führen und einen künftigen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz regelmäßig erreichen zu können, übernommen. Die anfallenden Fahrtkosten seien mit entsprechenden Nachweisen geltend zu machen und die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit sei zu nutzen. Die Klägerin werde verpflichtet, unverzüglich die Aufnahme einer Beschäftigung der Beklagten mitzuteilen, damit diese dann über mögliche Leistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung entscheiden könne.

Die Klägerseite hat vorgetragen, dass frühestens mit diesem Bescheid die zuvor bestehende Wegeunfähigkeit beseitigt sein könnte. Die Klägerin habe deshalb jedenfalls bis zum 27.02.2013 einen entsprechenden Rentenanspruch. Der Bescheid genüge jedoch auch danach nicht, um die bestehende Wegeunfähigkeit zu beseitigen. Nur wenn die gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kraftfahrzeug tatsächlich nutzen könne, sei es ihr möglich trotz der Beschränkung ihrer Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. Zu verweisen sei auf eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.03.2006 (Az. B 5 RJ 51/04 R). Eine konkrete Übernahme von konkreten Fahrtkosten sei dem Bescheid der Beklagten nicht zu entnehmen. Aus der Formulierung, dass die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit zu wählen sei, lasse sich entnehmen, dass die Beklagte die Klägerin offensichtlich auch auf öffentliche Verkehrsmittel verweisen wolle. Die Klägerin sei aufgrund der Wegeunfähigkeit hierzu jedoch nicht in der Lage. Die Klägerin sei derzeit auf Vermittlungsgespräche bei der zuständigen Agentur für Arbeit in B-Stadt angewiesen. Die Beklagte habe jedoch mit Schreiben vom 11.03.2013 mitgeteilt, dass sich der Bescheid vom 27.02.2013 nicht auf Fahrtkosten für Vermittlungsgespräche bei der Arbeitsagentur beziehe.

Die Beklagte hat entgegnet, dass die Einschränkung der Wegefähigkeit durch die konkrete Zusage im Bescheid vom 27.02.2013 hinsichtlich der Fahrtkostenübernahme beseitigt worden sei. Anders als in dem 2006 entschiedenen Fall sei hier keine noch zu treffende Ermessensentscheidung vorbehalten worden. Weiter hat die Beklagte erläutert, dass aus ihrer Sicht die geltend gemachte jederzeitige Nutzung eines Kfz nicht Fahrten zur Agentur für Arbeit und Fahrten für private Angelegenheiten umfasse. Es gehe hierbei vielmehr um das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufsuchen und ein neues Arbeitsverhältnis eingehen zu können.

Im weiteren Verlauf ist der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.2013 eine medizinische Leistung zur Rehabilitation im Rehabilitations- Präventionszentrums Bad B. bewilligt worden. Im Entlassungsbericht vom 21.08.2013 sind als Diagnosen aufgeführt: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. 2. Adipositas, BMI 37. 3. Eingeschränktes Geh- und Stehvermögen nach Fußfehlbildung links bei entzündlicher Erkrankung des Nervensystems. 4. Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule bei Bandscheibenschädigung. 5. Subcutanes Ganglion dorso lateralis links am Kniegelenk. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen, ohne Nachtschicht und ohne besondere Anforderungen an den Bewegungs- und Haltungsapparat täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte hat sich durch den Rehabilitationsentlassungsbericht in ihrer sozialmedizinischen Einschätzung bestätigt gesehen. Zwar liege bei der Klägerin Wegeunfähigkeit vor. Diese sei jedoch durch Bescheid vom 27.02.2013 mit Übernahme von notwendigen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, zur Erlangung eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes und zur Erreichung des Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes beseitigt worden. Es sei auf das Urteil des BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zu verweisen.

Die Klägerseite hat geltend gemacht, dass Rehabilitationsleistungen auf orthopädischem Gebiet noch ausstehen würden. Zudem reiche die von der Beklagten erklärte Bereitschaft der Kostenübernahme nicht aus, um die bestehende Wegeunfähigkeit zu beseitigen. Es könne nicht von der Klägerin verlangt werden, dass diese zunächst die Fahrtkosten verauslagen müsse und anschließend bei der Beklagten zur Erstattung einreichen solle.

Die Beklagte hat unter Berufung auf Dr. H. darauf verwiesen, dass die durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen über das psychosomatische Fachgebiet hinaus gereicht hätten.

Im Verhandlungstermin vom 28.04.2014 haben die Beteiligten einen widerruflichen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte bereiterklärte, unter Annahme des Eintritts des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 06.06.2009 und vorbehaltlich der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.04.2012 bis 28.02.2013 zu gewähren. Dieser Vergleich ist von der Klägerseite am 12.05.2014 widerrufen worden.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 13.05.2014 darauf hingewiesen, dass der Vergleich bereits mit Bescheid vom 12.05.2014 ausgeführt worden sei und die Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 28.02.2013 in Höhe von 8.414,35 Euro bereits überwiesen worden sei. Vorgelegt worden ist ein Rentenbescheid vom 12.05.2014. Sie hat weiter ausgeführt, dass der Bescheid nach Widerruf des Vergleiches als Teilanerkenntnis der Beklagten zu betrachten sei. Die Klägerseite hat das Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen die Klage fortgeführt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über den 28.02.2013 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.06.2014 die Klage abgewiesen. Bei der Klägerin sei ein ausreichendes sozialmedizinisches Leistungsbild vorhanden; insbesondere sei sie nicht quantitativ leistungsgemindert, wie sich aus sämtlichen ärztlichen Feststellungen ersehen lasse. Der Klägerin seien leichte Arbeiten in überwiegend sitzender, zeitweilig gehender und stehender Arbeitshaltung ohne häufiges Bücken, ohne längeres Stehen, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Nachtschichtbetrieb und ohne besonders stresshafte Arbeitsbedingungen möglich. Der allgemeine Arbeitsmarkt sei der Klägerin auch nicht wegen fehlender Wegefähigkeit verschlossen. Zwar liege bei der Klägerin ein Mobilitätsdefizit vor, weil sie die erforderlichen Wegstrecken, wie sie von der Rechtsprechung für die Wege zu öffentlichen Verkehrsmittel angenommen würden, nicht adäquat zurücklegen könne. Das Mobilitätsdefizit der Klägerin sei jedoch durch Bescheid vom 27.02.2013 beseitigt worden. Die Auffassung der Klägerin, dass der Bescheid vom 27.02.2013 hinsichtlich der Höhe der Kostenübernahme zu unbestimmt sei, werde nicht geteilt. Die Klägerin habe jederzeit Beförderungsdienste für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen und für Fahrten zum Arbeitsplatz und zurück in Anspruch nehmen dürfen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte gegen Vorlage von Quittungen die entstandenen Fahrtkosten in voller Höhe erstatte. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Fahrtkosten zu Vermittlungsgesprächen bestehe dagegen nicht. Im Übrigen gebe es eine Regelung mit der Agentur für Arbeit, die solche Kosten übernommen habe und zukünftig verstärkt auf telefonische Kontakte setze. Das Vorliegen einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen eingeschränkter Wegefähigkeit sei nicht gegeben. Ein weitergehender Rentenanspruch über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus bestehe nicht.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2014 am 13.11.2014 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat die Klägerin erneut ausgeführt, dass die bescheidmäßige Entscheidung der Beklagten nicht ausreiche, das Erreichen eines potentiellen Arbeitsplatzes sicher zu stellen. Die Beklagte habe sich weitere Entscheidungen vorbehalten, wie sich aus dem Begriff der notwendigen Fahrtkosten, dem Hinweis auf die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit und dem Zusatz, dass nach Aufnahme einer Beschäftigung über mögliche Leistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung entschieden werde, ergebe. Eine vage Aussicht auf Kostenübernahme unter unklaren Bedingungen in unbekannter Höhe erlaube es der Klägerin nicht, in gleichem Maße wie ein Versicherter mit eigenem Kfz Arbeitsverhältnisse vorzubereiten oder einzugehen, was im o.g. Urteil des BSG vom 21.03.2006 als erforderlich angesehen worden sei. Zudem habe die Rechtsprechung es bislang für notwendig erachtet, dass in den Fällen, in welchen der Rentenversicherer versuchen wolle, eine Wegeunfähigkeit aufzuheben, der Versicherte eine Arbeitsstelle bereits inne habe oder eine solche vom Rentenversicherungsträger zumindest konkret bezeichnet werden müsse. Das Sozialgericht Bayreuth vertrete hier die Auffassung, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, der Klägerin einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Durch die Entscheidung des 13. Senates, B 13 R 79/11 R, sei keine Änderung gegenüber den bisherigen Entscheidungen des 5. Senates (s. B 5 RJ 51/04 R) vorgenommen worden.

Die Klägerin hat außerdem geltend gemacht, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe und sie die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantrage.

Der Senat hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. C., Dr. F. und Dr. E. eingeholt. Zu diesen ärztlichen Unterlagen hat sich Dr. S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten am 23.10.2015 dahingehend geäußert, dass eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin sich nach wie vor nicht ergebe. Unklar bleibe die Frage der Wegefähigkeit. Auch stelle sich die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug zu führen, wenn bei ihr eine hochgradige Sehminderung bestehe. Die Klägerseite hat noch einen Befund der R. Kliniken B-Stadt vom 25.11.2015 vorgelegt.

Der Senat hat sodann ein Gutachten beim am Zentralklinikum D-Stadt, Prof. Dr. D., eingeholt, der die Klägerin am 07.03.2016 untersucht hat. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin sind im Gutachten vom 24.03.2016 folgendermaßen gefasst worden: 1. Lumbosakrale Chondrose und Spondylarthrose bei bekannter linksbetonter Bandscheibenherniation in L5/S1. 2. Mediale Gonarthrose links. 3. Varusarthrose des rechten oberen Sprunggelenks. 4. Fest verheilte subtalare Arthrodese rechts. 5. Fest verheilte Rückfuß-Arthrodese im Sinne der Korrektur-Arthrodese nach massivem Rückfußvarus bei Ballonhohlfuß rechts. 6. Arthrose im vorderen Abschnitt des unteren Sprunggelenkes links. 7. Verheilte Navicularefraktur links. 8. Fußfehlstellung (Pes abducto planu valgus) links nach Polio im Kindesalter. 9. Ausgedehnte Narbenbildung im Bereich der unteren Extremitäten nach stattgehabten operativen Eingriffen mit Bewegungseinschränkungen der unteren Extremität sowie der Wirbelsäule. 10. Zustand nach Enzephalomeningitis im Alter von sechs Monaten mit daraus resultierender Muskelschwäche des linken Beines sowie eingeschränktem Sehvermögen des linken Auges (bei Amblyopie, Strabismus convergens und älterer Okulomotorius-parese links) 11. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. 12. Adipositas. 13. Neurodermitis. Die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Diese Tätigkeiten sollten überwiegend sitzend, zeitweise gehend und stehend durchgeführt werden. Ein erhöhter Zeitdruck sei zu vermeiden. Dies gelte auch für andere besondere nervliche Belastungen sowie für besondere Belastungen des Bewegungs- und Stützsystems, unfallgefährdete Arbeitsplätze und ungünstige äußere Bedingungen. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, 4-mal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m in zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen, denn sie sei grundsätzlich bei jedem Gang auf die Zuhilfenahme von Unterarmgehstützen beidseits angewiesen. Dagegen könnten öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden. Inwieweit die Klägerin aufgrund der Beeinträchtigung der unteren Extremitäten in der Lage sei, einen privaten Pkw als Fahrerin zu nutzen, könne im Rahmen der heutigen Begutachtung nicht objektiviert werden. Die vorliegenden Erkrankungen seien irreversibler Art soweit sie das orthopädische Fachgebiet betreffen würden.

Mit Schreiben vom 05.07.2016 hat die Klägerin Vorgänge rund um ein Vorstellungsgespräch vom 27.06.2016 geschildert: Sie sei zu einem Vorstellungstermin in ein Nagelstudio in L-Stadt geladen worden; das Einladungsschreiben datiere vom 16.06.2016. Sie habe unmittelbar nach dessen Eingang die Beklagte - mit Telefax-Schreiben vom 22.06.2016 - gebeten, für den Termin einen Fahrdienst zur Verfügung zu stellen, da die Klägerin finanziell nicht in der Lage sei, entsprechende Fahrtkosten vorzufinanzieren. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 24.06.2016 mitgeteilt, dass ein Fahrdienst nicht beauftragt werden könne; angefallene Fahrtkosten seien durch Vorlage von Nachweisen und Belegen im Nachhinein bei ihr geltend zu machen. Der Klägerin sei es dann gelungen, das Vorstellungsgespräch zu verlegen. Sie habe mit neuerlichem Schreiben vom 28.06.2016 um Zahlung eines Fahrtkostenvorschusses gebeten. Auf dieses Schreiben habe die Beklagte nicht reagiert. Die Klägerin habe daher den Vorstellungstermin nicht wahrnehmen können.

Damit sei belegt, dass der Bescheid der Beklagten vom 27.02.2013 nicht die Voraussetzungen dafür erfülle, dass von einer Aufhebung der Wegeunfähigkeit ausgegangen werden könne. Der Bescheid vom 27.02.2013 sei gerade nicht vorbehaltlos, sondern enthalte lediglich eine unverbindliche Zusicherung. Die Klägerin werde nicht so gestellt, als könne sie jederzeit ein Kfz tatsächlich nutzen.

Die Beklagte hat entgegnet, dass laut BSG-Urteil vom 12.12.2011 bereits die Zusicherung von Teilhabeleistungen ausreichen würde, um das Mobilitätsdefizit zu beseitigen. Durch die bestandskräftigen Bescheide werde hier hinreichend klar bestimmt, mit welchen konkreten finanziellen Mobilitätshilfen im Fall der Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen gerechnet werden könne. Eine Prüfung und Ermessensentscheidung über die tatsächliche Höhe der Übernahme von Beförderungskosten sei erst nach Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit möglich. Dies stehe der Wiederherstellung der fehlenden Mobilität durch Teilhabeleistungen bis dahin nicht entgegen. Die Klägerin werde in die gleiche Lage versetzt wie eine Versicherte, die ein privates Kraftfahrzeug besitze. Auch dort müssten die Kosten für den Kauf von Betriebsstoffen oder Ersatzteilen für die Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen vorerst selbst aufgebracht werden.

Die Klägerin hat im Weiteren vorgetragen, dass sie zwischenzeitlich zu einem Probearbeiten - leider aber ohne Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis - eingeladen worden sei; die Fahrtkosten seien von ihr zunächst verauslagt worden. Im Rahmen der Beantragung habe die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2016 ausdrücklich geantwortet, dass im Falle einer konkreten Arbeitsaufnahme im Rahmen der Kraftfahrzeughilfe Beförderungskosten geprüft werden, ob und in welcher Höhe eine Kostenübernahme erfolgen könne. Damit habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie selbst den Bescheid vom 27.02.2013 als noch nicht bindend erachte. In der Folgezeit sind die Taxifahrten für den einen Tag Probearbeit wie von der Klägerin beantragt durch die Beklagte erstattet worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2016 hat die Klägerseite auf Nachfrage geschildert, dass der Klägerin ein PKW nicht zur Verfügung stehe. Der Ehemann der Klägerin fahre täglich mit dem PKW zu seiner Arbeitsstelle und zurück, weil sein Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit zweimaligem Umsteigen zu erreichen sei; auch stehe es diesem frei, wie er seinen PKW nutze.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 12.05.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 28.02.2013 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend ist das Sozialgericht Bayreuth zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin über den 28.02.2013 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat die Klägerin für einen sich an den 28.02.2013 unmittelbar anschließenden Leistungsbezug unproblematisch erfüllt. Aber auch bei einer Unterbrechung des Leistungsbezugs - etwa wegen einer nur vorübergehend vorhandenen Wegefähigkeit - wäre bis zur mündlichen Verhandlung für den dann neu zu beurteilenden Leistungsfall die Voraussetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt, da zumindest auf Grund von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ein durchgehender Streckungstatbestand nach § 43 Abs. 4 SGB VI vorgelegen hätte.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Eine volle Erwerbsminderung gemäß dem Wortlaut von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI liegt bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Ermittlungen eindeutig nicht vor. Sämtliche im Verfahren gehörten Ärzte sind sich darin einig, dass die Klägerin bei Beachtung der Einschränkungen der Arbeitsbedingungen ohne gesundheitliche Gefährdung mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Zwar kommt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 11.12.1969 - Az. GS 4/69; Beschluss vom 10.12.1976 - Az. GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 - jeweils zitiert nach juris) auch dann in Betracht, wenn eine teilweise Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) vorliegen würde, eine Teilzeitbeschäftigung nicht ausgeübt würde und der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin als verschlossen anzusehen wäre (s.a. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 30 mwN). Unabhängig von der Diskussion darüber, ob diese Rechtsprechung auch aktuell noch zur Anwendung zu bringen ist, scheitert ein derartiger Rentenanspruch daran, dass bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats keine teilweise Erwerbsminderung im Rechtssinne vorliegt. Auch dies wird von den im Verfahren gehörten ärztlichen Sachverständigen übereinstimmend so gesehen. Die abweichende sozialmedizinische Auffassung des behandelnden Arztes Dr. H. aus dem Jahr 2012 kann nicht überzeugen, da er hierfür keine substantiierte Begründung gegeben hat.

Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats seinerzeit und auch weiterhin in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Es sollte sich um leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel handeln. Schwere Tätigkeiten, längeres Stehen, Heben und Tragen schwerer Lasten, gehäuftes Bücken, Nachtschicht und besondere Stressbelastung sind der Klägerin nicht mehr zumutbar. Der Senat stützt sich dabei wesentlich auf die Feststellungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. H., aber auch auf die Darlegungen des Dr. H. und des Rehabilitationsentlassungsberichtes des Klinikums Bad B …

Aber selbst wenn - wie im Fall der Klägerin - eine relevante quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens an geeigneten Arbeitsplätzen nicht besteht, kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung erfolgen. Dazu müssten allerdings die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was entgegen den Ausführungen der Klägerseite aus Sicht des Senates bei der Klägerin nicht der Fall ist.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach juris) ist bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner a.a.O. Rn 37 mwN).

Für den Senat ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da die Klägerin für einen Einsatz in all diesen Arbeitsfeldern grundsätzlich als geeignet anzusehen scheint, auch wenn hierbei selbstverständlich die genannten Anforderungen an die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu beachten sind. Diese können auch beachtet werden. Zudem würden sich die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen auch nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen darstellen.

Die Klägerin ist auch nicht gehindert, einen eventuellen Arbeitsplatz zu erreichen. Die Klägerin, die sich darauf beruft, dass ihr Rente zu gewähren sei, da sie mögliche Arbeitsplätze nicht erreichen könne, kann dies nach Auffassung des Senats nicht hinreichend belegen. Zwar ist die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich eingeschränkt und - zwischen den Beteiligten insoweit unstrittig - bereits seit Rentenantragstellung unter den von der Rechtsprechung geforderten Umfang (4 mal täglich mehr als 500 Meter in jeweils weniger als 20 Minuten - vgl. z.B. BSG, Urt. v. 17.12.1991, Az. 13/5 RJ 73/90 - nach juris) abgesunken. Damit ist - abstrakt - ausgeschlossen, dass die Klägerin Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß erreichen kann, unabhängig von der konkreten Situation im Einzelfall.

Ein Wegfall der Wegefähigkeit wäre aber nur zu bejahen gewesen, wenn die Klägerin auch nicht anderweitig in der Lage wäre bzw. gewesen wäre, einen potentiellen Arbeitsplatz zu erreichen.

Das Erreichen eines potentiellen Arbeitsplatzes mit einem PKW scheitert aus Sicht des Senates nur daran, dass das in der Familie zur Verfügung stehende Fahrzeug werktäglich vom Ehemann der Klägerin genutzt wird. Dagegen verfügt die Klägerin über eine entsprechende Berechtigung ein Kraftfahrzeug zu führen - Führerschein - und hat diesen nicht etwa wegen gesundheitlicher Einschränkungen zurückgegeben. Auch ist nichts vorgetragen worden oder sonst bekannt geworden, dass im Führerschein der Klägerin besondere Auflagen etwa zur Ausstattung des Kfz gemacht worden wären. Auch wenn ärztlicherseits keine abschließende Aussage dazu erfolgt ist, ob die Klägerin tatsächlich zukünftig sicher ein Kraftfahrzeug führen kann, ist nach dem gegenwärtigen Stand davon noch auszugehen.

Da die Klägerin jedoch belegen konnte, dass sie keinen eigenen PKW besitzt und auch keinen zur Verfügung hat, nachdem ihr Ehemann diesen zum Erreichen seines Arbeitsplatzes nutzt, hatte die Beklagte der Klägerin für die Zeit bis 28.02.2013 eine zeitlich befristete Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit zugebilligt. Begründet war dies damit, dass die Klägerin in dieser Zeit nicht in der Lage gewesen sei, einen möglichen Arbeitsplatz zu erreichen. Für den Zeitraum vor dem 01.03.2013 liegt ein angenommenes Teilanerkenntnis vor, so dass dieser Zeitraum nicht mehr streitgegenständlich ist.

Im verbliebenen streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.03.2013 hat die Beklagte mit dem Bescheid über die Gewährung von Teilhabeleistungen vom 27.02.2013 der Klägerin diese Mobilität ermöglicht und zwar in gleicher Weise, wie wenn die Klägerin für das Erreichen eines vorhandenen oder potentiellen Arbeitsplatzes ein Kfz zur Verfügung gehabt hätte. Nach dem Urteil des BSG vom 21.03.2006 (B 5 RJ 51/04 R - nach juris) reicht es zur Behebung der Wegeunfähigkeit nicht aus, dass Teilhabeleistungen der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) für den Fall einer Arbeitsaufnahme lediglich in Aussicht gestellt werden. Vielmehr soll bereits eine Bewilligung derartiger Leistungen erfolgen. Diese Rechtsprechung und die damit verbundenen Maßstäbe bestätigt der 13. Senat des BSG ausdrücklich (Urt. v. 12.12.2011, Az. B 13 R 21/10 R).

Gleichwohl sieht der 13. Senat des BSG es als möglich an, auch in Fällen, in denen noch kein konkreter Arbeitsplatz für den Betroffenen zur Verfügung steht, Teilhabeleistungen so konkret zuzusichern, dass damit die Wegeunfähigkeit beseitigt sein kann. Die Grenze für einen derartigen Ausnahmefall lässt sich sowohl in der Entscheidung über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs (Az. B 13 R 79/11 R) als auch in dem Fall der Zurückverweisung (Az. B 13 R 21/10 R) näher erkennen. Es können sowohl unmittelbar bewilligte Leistungen, aber auch Zusicherungen nach § 34 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ausreichen, wenn sie hinreichend konkret und vorbehaltlos sind.

Diesen Anforderungen kommt zur Überzeugung des Senats der Bescheid vom 27.02.2013 nach. Im Einzelnen enthält er folgende Passage: „Um die eingeschränkte Wegefähigkeit auszugleichen, übernehmen wir für Sie die notwendigen Fahrkosten, um Vorstellungsgespräche zur Erlangung eines Arbeitsplatzes zu führen und Ihren künftigen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz regelmäßig erreichen zu können.“ Weiter wird ausgeführt: Der Bescheid bleibe gültig bis ein neuer Bescheid nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) ergehe; die Aufnahme einer Beschäftigung sei mitzuteilen, dann ergehe eine neue Entscheidung. Es sei die kostengünstigste Beförderungsmöglichkeit zu nutzen.

In dem Wortlaut erfolgt zunächst eine vorbehaltlose rechtliche Bindung der Beklagten: „Wir übernehmen“. Die Textgestaltung begrenzt die Zusicherung allerdings in die Zukunft hinsichtlich einer Änderung der Verhältnisse. Darin liegt aber kein unzulässiger Vorbehalt oder eine Einschränkung der Rechtswirksamkeit des Bewilligungsbescheides. Vielmehr wird lediglich darauf hingewiesen, dass es bei einer Änderung der Verhältnisse rechtlich zulässig und inhaltlich sinnvoll ist, einen bisher bestehenden, unanfechtbar gewordenen Bescheid für die Zukunft anzupassen d.h. abzuändern. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lässt dies ausdrücklich so zu. Erst mit einer auf eine solche Änderung gestützten neuen Entscheidung soll die Wirkung der bisherigen Entscheidung entfallen. Auch inhaltlich ist es sinnvoll, bei Vorliegen eines Dauerarbeitsplatzes die neuen Gegebenheiten noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob andere Teilhabeleistungen wie Kostenzuschuss zur Beschaffung eines eigenen Kfz oder die Stellung eines regelmäßigen Beförderungsdienstes dann vorrangig erscheinen.

Auch der Hinweis darauf, dass die Übernahme von Beförderungskosten im Rahmen der „Notwendigkeit“ und „Kostengünstigkeit“ erfolgt, stellt keinen unzulässigen Vorbehalt dar. Es handelt sich dabei um allgemeine Klauseln zum Umgang mit Ressourcen der Versichertengemeinschaft, die klarstellen sollen, dass Luxusvarianten für die Beförderung nicht abgerechnet werden können. Soweit durch die konkrete Formulierung „kostengünstigste“ bei der Klägerin individuell gleichwohl eine Unsicherheit aufgekommen sein könnte, ob individuelle Beförderungsdienste (Taxifahrten) damit ausgeschlossen werden sollten, wäre dies durch eine Rückfrage bei der Beklagten leicht aufklärbar gewesen. Die Klägerin hat auch sonst den Kontakt mit der Beklagten gesucht. Der Senat sah keinen unzulässigen Vorbehalt, auch wenn die Beklagte zukünftig ihre Formulierungen hier noch etwas verbessern könnte.

Die nachfolgenden tatsächlichen Geschehnisse bei der Anwendung des Bescheids vom 27.02.2013 und die Äußerungen der Beklagten in diesem Zusammenhang vermögen den Bescheidinhalt und damit die zugesicherten Ansprüche nicht abzuändern. Ergänzend merkt der Senat an, dass er darin auch inhaltlich keine stichhaltigen Argumente für das Vorliegen eines Rentenanspruches der Klägerin erkennen würde. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass weder die Übernahme einer tatsächlichen Beförderung, noch die Zahlung von Vorschüssen durch die Beklagte zugesichert waren. Ebenso ist die Kostenerstattung zu Recht nur für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen und Probearbeit sowie in der Anfangszeit einer regelhaften Beschäftigung - bis zum Erlass eines neuen Bescheids - zugesichert, während Fahrten zu Besuchsterminen bei der Bundesagentur für Arbeit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallen. Ein weitergehender Inhalt der Zusicherung ist deshalb nicht erforderlich gewesen. Aus der Ablehnung weitergehender Wünsche der Klägerin - Stellung eines Fahrdienstes, Zahlung eines Vorschusses - erwächst kein Nachteil für die Beklagte. Ihren zugesicherten Verpflichtungen ist die Beklagte nachgekommen: auch die Klägerseite bestätigt die Übernahme der Taxikosten für den Probearbeitstermin.

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist nicht beantragt worden; sie käme für die Zeit ab März 2013 ebenfalls nicht in Betracht, da die Klägerin weder die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 SGB VI noch des § 240 SGB VI erfüllt.

Dementsprechend ist die Entscheidung der Beklagten, die einen Rentenanspruch der Klägerin über das Teilanerkenntnis hinaus nicht als belegt ansieht, nicht zu beanstanden und die Berufung der Klägerin gegen das dies bestätigende Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 24.06.2014 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 34 Begrenzung von Rechten und Pflichten


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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.9.2008 infolge eingeschränkter Wegefähigkeit.

2

Die im Jahre 1963 geborene Klägerin bezieht seit April 2007 Leistungen der Grundsicherung (SGB II). Sie ist schwerbehindert und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt (Bescheid des Versorgungsamts Berlin vom 26.11.2007: GdB von 60 und Merkzeichen "G"). Dem liegen im Wesentlichen ein fortgeschrittenes arteriosklerotisches Gefäßleiden mit Ausbildung einer arteriellen Verschlusskrankheit der Beine und eine Herzerkrankung zugrunde. Im Rahmen einer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde festgestellt, dass es der Klägerin nicht mehr zumutbar war, viermal täglich Wegstrecken von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen (Gutachten Dr. W. vom 24.1.2007).

3

Der im Juni 2007 gestellte Rentenantrag blieb erfolglos (Bescheid vom 24.10.2007, Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008). Die Klägerin könne noch körperlich mittelschwere Arbeiten ständig im Sitzen für mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen verrichten. Die bei ihr bestehende Wegeunfähigkeit sei durch den im Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheid der Beklagten vom 1.8.2008 entfallen; hiermit hat die Beklagte für den Zeitraum vom 11.8.2008 bis zum 31.8.2009 die Übernahme der notwendigen Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen bewilligt und sich bereit erklärt, "im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses (im genannten Zeitraum) ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme Leistungen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes" in Form der "tatsächlich anfallenden Beförderungskosten" zu übernehmen.

4

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 22.10.2009 der Klägerin über den 31.8.2009 hinaus zunächst bis zum 31.8.2010 dieselben Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie im Bescheid vom 1.8.2008 gewährt. Das SG Berlin hat nach weiteren Ermittlungen (internistisches Gutachten Dr. K. vom 2.6.2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 7.8.2009) die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.6.2007 zu gewähren (Urteil vom 29.4.2010). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wegeunfähigkeit der Klägerin nicht durch die Bescheide über Teilhabeleistungen (vom 1.8.2008 und 22.10.2009) entfallen sei, weil sich die Leistungen nicht auf ein bestehendes oder konkret in Aussicht gestelltes Arbeitsverhältnis bezogen hätten.

5

Im Verfahren über die Berufung der Beklagten hat diese - entsprechend der Zusage der Beförderungskosten vor dem SG am 29.4.2010 - mit weiterem Bescheid vom 17.9.2010 über den 31.8.2010 hinaus zunächst bis zum 31.8.2011 die Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zu Vorstellungsgesprächen bewilligt und die Kostenzusage für die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Bewilligungszeitraum erneuert. In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Beklagte die Berufung hinsichtlich des Zeitraums vom 1.6.2007 bis zum 31.8.2008 zurückgenommen.

6

Im Übrigen hat das LSG Berlin-Brandenburg das Urteil des SG Berlin aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.4.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, sodass ihr kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI)zustehe. Sie sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten. Dies folge aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Klageverfahren. Einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung könne sie nicht aus ihrer mangelnden Wegefähigkeit herleiten. Zwar sei sie nicht mehr in der Lage, Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurückzulegen, und auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr nicht mehr zumutbar, sodass ein Minimum an Mobilität zum Aufsuchen der Arbeitsstelle als Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos nicht mehr vorliege(Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10). Gleichwohl sei ihre Wegeunfähigkeit ab dem 1.9.2008 durch die konkret bewilligten Leistungen zur Rehabilitation (Bescheide der Beklagten vom 1.8.2008, 22.10.2009 und 17.9.2010 gemäß § 16 SGB VI, § 33 SGB IX) als behoben anzusehen (Hinweis auf BSG SozR Nr 101 zu § 1246 RVO; SozR 2200 § 1247 Nr 47 und Nr 53). Zur Beseitigung der rentenrechtlichen Wegeunfähigkeit reiche es aus, wenn der Leistungsträger geeignete Mobilitätshilfen anbiete (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; SozR 3-2600 § 44 Nr 10; BSG vom 30.1.2002 - B 5 RJ 36/01 R und Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R). Nicht erforderlich sei, dass das Mobilitätsdefizit dadurch behoben werde und der Versicherte tatsächlich am Arbeitsleben teilnehme. Es müssten aber rechtlich verbindliche Erklärungen des Versicherungsträgers - regelmäßig in Form eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X) -ergehen, auf die der Versicherte vertrauen dürfe; die Regelung letzter Detailfragen sei nicht erforderlich. Entgegen der Ansicht des SG (und des Sächsischen LSG, Urteil vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01) müsse kein konkretes Arbeitsverhältnis bestehen oder dies in Aussicht gestellt worden sein, um das Mobilitätsdefizit zu beheben. Denn dies würde eine große Anzahl arbeitsuchender oder arbeitsunwilliger Versicherter von vornherein ausschließen. Im Übrigen würde diese Sichtweise dem Grundsatz "Reha vor Rente" widersprechen (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VI, § 8 Abs 2 SGB IX).

7

Den aufgezeigten Anforderungen genügten die Bescheide der Beklagten über die Teilhabeleistungen. Die in Form eines Verwaltungsakts (§§ 31, 33 SGB X) erteilte Erklärung, Kosten für Fahrten mit dem Taxi zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen und im Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten zu übernehmen, stellten eine hinreichend konkrete Festlegung der Art und Ausgestaltung der Rehabilitationsleistung dar. Die zeitliche Einschränkung der jeweiligen Bewilligungszeiträume auf ein Jahr stehe der Bestimmtheit des Leistungsangebots nicht entgegen. Die Beklagte habe auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie Rehabilitationsleistungen in Form einer Mobilitätshilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV - vom 28.9.1987, BGBl I 2251, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003, BGBl I 2848) dem Grunde nach gewähre und dass sie ihrem Ermessen entsprechend von der Härtefallregelung (§ 9 Abs 1 KfzHV) Gebrauch mache. Sie habe die Klägerin so behandelt, als stehe ihr für das Zurücklegen des Weges von und zur Arbeitsstätte kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Zudem habe sie ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Kosten eines Beförderungsdienstes nicht nur bezuschusst, sondern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin voll übernommen würden (§ 9 Abs 1 S 2 KfzHV). Unerheblich sei, dass die Klägerin die Teilhabeleistungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen habe. Auch wenn dem Versicherten Teilhabeleistungen nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden könnten (§ 115 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGB VI), dürfe der Versicherte seinem Rentenbegehren nicht durch die Ablehnung der angebotenen Teilhabeleistungen zum Erfolg verhelfen. Auch dies widerspreche dem Grundsatz "Reha vor Rente".

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Entgegen der Ansicht des LSG habe die Beklagte die rentenrechtliche Wegefähigkeit nicht durch die Bescheide über Teilhabeleistungen am Arbeitsleben wiederherstellen können. Es mangele an der Bezugnahme auf ein bestehendes oder konkret in Aussicht gestelltes Arbeitsverhältnis. Auch fehlten Bestimmungen über die Höhe der Beförderungskosten bzw den Umfang der Beförderungsdienste. Die im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses abgegebenen Erklärungen seien notwendigerweise abstrakt und daher unverbindlich. Gemäß § 13 Abs 2 SGB VI seien Teilhabeleistungen aber in Form eines Verwaltungsakts gemäß § 31 SGB X zu bestimmen. Die von der Beklagten abgegebenen Erklärungen stellten noch nicht einmal Zusicherungen iS von § 34 SGB X dar. Auch reiche der bloße Hinweis auf eine nach der KfzHV mögliche Bewilligung von Teilhabeleistungen nicht aus. Es widerspreche dem Grundgedanken des Rehabilitationsrechts, dass die tatsächliche Aufhebung des Mobilitätsdefizits zur Beseitigung der Wegeunfähigkeit nicht erforderlich sei. Die vom LSG vertretene Ansicht führe dazu, dass ein bestehender Rentenanspruch mit Hilfe des Rehabilitationsrechts ausgehöhlt werde.

9

           

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2010 auch für den Zeitraum ab dem 1. September 2008 zurückzuweisen.

10

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des LSG hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

13

Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.9.2008 hat.

14

Die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin (1.) ist nach den Maßstäben der Rechtsprechung des BSG (2.) durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden. Es liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist (3.).

15

1. Der Rentenanspruch richtet sich nach § 43 SGB VI(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

16

Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ist die Klägerin weder teilweise (§ 43 Abs 1 SGB VI) noch voll (Abs 2 aaO) erwerbsgemindert. Ihr Leistungsvermögen ist zwar in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht eingeschränkt (körperlich leichte Tätigkeiten, täglich mindestens sechs Stunden).

17

Auch wegen ihrer eingeschränkten Wegefähigkeit steht ihr keine Rente wegen Erwerbsminderung zu.

18

a) Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen.

19

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 RVO und § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) umschrieben hatten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 mwN; SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Auch der erkennende Senat hat das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des von §§ 43, 44 SGB VI aF versicherten Risikos erachtet(BSG vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 20 mwN). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) unverändert fort (vgl BSG vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris RdNr 12; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris).

20

Konkret gilt: Hat wie hier der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 53 S 106, Nr 56 S 111; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21). Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30 f). Dazu gehört zB auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl BSGE 24, 142, 145 = SozR Nr 56 zu § 1246 RVO Bl Aa 44 Rückseite; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21).

21

b) Auf dieser Grundlage tragen die tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Annahme, dass die Klägerin nicht mehr über die erforderliche Mobilität verfügt, um eine Arbeitsstelle des allgemeinen Arbeitsmarktes aus eigener Kraft aufzusuchen. Sie kann weder Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurücklegen, noch ist ihr die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Zwar ist sie im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und verfügt über langjährige Fahrpraxis. Das Kfz des Ehemannes steht ihr jedoch nicht jederzeit zur Verfügung, sodass sie nicht auf dessen ansonsten zumutbare Benutzung verwiesen werden kann.

22

Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Auch die Beklagte geht davon aus, dass der Klägerin kein geeignetes Fahrzeug zur Bewältigung des Weges von und zur Arbeitsstätte zur Verfügung steht.

23

Die Beklagte hat jedoch die rentenrechtliche Wegeunfähigkeit der Klägerin für die streitige Zeit wieder beseitigt.

24

2. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG möglich, wenn der Rentenversicherungsträger durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Versicherten wiederherstellt (vgl BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 38; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 23).

25

Rehabilitationsleistungen des Rentenversicherungsträgers richten sich nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur möglichst dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erbracht werden können, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen(§§ 10, 11 SGB VI) erfüllt sind und kein gesetzlicher Leistungsausschluss (§ 12 SGB VI) vorliegt. Die Entscheidung der Frage, "ob" einem Versicherten Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind, ist anhand der og Vorschriften zu beurteilen. Erst die Entscheidung, "wie" die Rehabilitationsleistungen, etwa nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung (§ 13 S 1 SGB VI) zu erbringen sind, dh welche Leistungen in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers (stRspr, vgl BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; Nr 3 S 15; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11). Der Rentenversicherungsträger erbringt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den bereichsübergreifenden Vorschriften der §§ 33 bis 38 SGB IX(§ 16 SGB VI). Die Leistungen nach § 33 Abs 3 Nr 1 und Nr 6 SGB IX(Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes; sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um eine angemessene Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten), umfassen ua die Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV (§ 33 Abs 8 S 1 Nr 1 SGB IX). Die KfzHV enthält eigene Leistungsvoraussetzungen (zu §§ 3, 4 KfzHV vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - BSGE 107, 157 = SozR 4-5765 § 4 Nr 1, RdNr 16 ff)und besondere Ermessensregelungen (§ 9 KfzHV, vgl BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11 mwN).

26

Hierzu hat der 5. Senat des BSG klarstellend ausgeführt, dass nicht bereits das Angebot von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation genüge, um den Eintritt des Versicherungsfalls abzuwenden, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität effektiv wiederhergestellt sei. Offengelassen hat der 5. Senat, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Fälle denkbar seien, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit eines arbeitslosen Versicherten beseitige. Eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung könne daher nur in Betracht kommen, wenn die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetze, die derjenigen eines Versicherten gleiche, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitze und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten sei, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen könne. Nur wenn der gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kfz tatsächlich nutzen könne, sei es ihm möglich, trotz der Beschränkung der Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, sodass bei vollschichtigem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt trotz Wegeunfähigkeit nicht als verschlossen anzusehen sei (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22).

27

Diesen aufgezeigten Maßstäben schließt sich der erkennende Senat an.

28

3. Die von der Beklagten bewilligten bzw zugesicherten Teilhabeleistungen haben das Mobilitätsdefizit der arbeitsuchenden Klägerin im streitigen Zeitraum beseitigt. Es liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, wonach die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer vom Versicherungsträger bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist.

29

a) Nach zutreffender Auslegung des LSG erfüllen die Bescheide der Beklagten vom 1.8.2008, 22.10.2009 und vom 17.9.2010 die oben genannten Anforderungen.

30

Der erste Regelungskomplex der Bescheide betrifft die jeweils auf ein Jahr befristete Bewilligung der Übernahme der notwendigen Kosten für Taxifahrten zur Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen in voller Höhe. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 S 1 SGB X, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 9, 13, 16 SGB VI iVm § 33 Abs 1 und Abs 3 Nr 1 SGB IX konkret bewilligt.

31

Der zweite Regelungskomplex der Bescheide enthält die jeweils auf ein Jahr befristete Zusage, die tatsächlich entstehenden Beförderungskosten ohne finanzielle Eigenbeteiligung der Klägerin im Fall der Arbeitsaufnahme zur Erhaltung des Arbeitsplatzes zu übernehmen. Hierbei handelt es sich um eine Zusicherung gemäß § 34 Abs 1 S 1 SGB X, die als solche ebenfalls die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts hat(stRspr, vgl BSG SozR 3-1300 § 34 Nr 2 S 4; BSGE 56, 249, 251 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 13 S 43; SozR 2200 § 1237 Nr 10 S 10). Die Zusicherung hat die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsakts Gewissheit zu verschaffen (vgl BSG SozR 3-1300 § 34 Nr 2 S 4 mwN). Die Beklagte hat sich zu der Behandlung eines in der Zukunft liegenden, konkreten Sachverhalts verpflichtet. Der Regelungswille der Behörde ist in den Bescheiden deutlich erkennbar geworden. Damit folgt aus der wirksamen Zusicherung ein Rechtsanspruch auf die zugesagte Regelung (BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 9 RdNr 15).

32

Ob die erteilten Bescheide über die Teilhabeleistungen eine zutreffende Rechtsgrundlage haben, kann hier dahinstehen. Die Klägerin hat die Bescheide nicht angegriffen (§ 77 SGG).

33

Durch die bestandskräftigen Bescheide war für die Klägerin ab 1.9.2008 aber hinreichend klar bestimmt, mit welchen konkreten finanziellen Mobilitätshilfen sie im Fall der Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen und bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit rechnen konnte. Ihnen war deutlich zu entnehmen, dass die Klägerin die volle Kostenerstattung ihrer tatsächlichen Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt erhalten sollte, wie die Beklagte bei Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit abschließend über Leistungen der Kraftfahrzeughilfe (§ 2 Abs 1 KfzHV)unter Festlegung eines ggf zu tragenden Eigenanteils (vgl dazu BSG SozR 3-5765 § 9 Nr 2)bzw über Zuschüsse zu Beförderungskosten gemäß der Härtefallregelung des § 9 KfzHV(BSG SozR 4-5765 § 9 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 10)nach den dann gegebenen individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin neu entscheiden würde. Dass eine solche Prüfung und Ermessensentscheidung erst nach Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit möglich war, steht der Wiederherstellung der fehlenden Mobilität durch geeignete Teilhabeleistungen bis dahin nicht entgegen.

34

b) Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der Klägerin die ihre Wegeunfähigkeit beseitigende Bewilligung von Teilhabeleistungen nicht erst ab dem Zeitpunkt eines bestehenden oder konkret in Aussicht gestellten Arbeitsverhältnisses erfolgen durfte (so aber Sächsisches LSG, vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01; dem folgend SG Berlin vom 8.1.2008 - S 6 R 1224/06, beide in Juris). Zum einen hat die Beklagte entsprechende Leistungen bindend bewilligt. Zum anderen widerspräche ein solches Erfordernis bereits dem Wortlaut von § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX, wonach Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben ua als Hilfen zur "Erlangung eines Arbeitsplatzes" erfolgen können. Auch die Härtefallregelung von § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KfzHV sieht Hilfen zur "Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit" vor. Dem Rehabilitationsrecht lassen sich keine rechtlichen Anhaltspunkte für die von der Klägerin vertretene Sichtweise entnehmen, mit der Prüfung von Teilhabeleistungen müsse so lange zugewartet werden, bis der Versicherte zumindest eine konkrete Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit hat. Im Gegenteil, aus den bereichsübergreifenden Vorschriften des Rehabilitationsrechts (SGB IX) ergibt sich, dass Leistungen zur Teilhabe bezwecken, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden oder zu überwinden (§ 4 Abs 1 Nr 2 SGB IX). § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI normiert zudem als Aufgabe rentenrechtlicher Teilhabeleistungen die Verhinderung von Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Leistungen zur Teilhabe haben daher Vorrang vor Rentenleistungen, die im Falle des Erfolgs der Teilhabeleistungen nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VI). Der hieraus abgeleitete Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" war schon unter Geltung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (§ 7 Abs 1 RehaAnglG) anerkannt (vgl BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Er war dann verletzt, wenn der Rentenversicherungsträger berufsfördernde Leistungen der Rehabilitation erst nach einem Arbeitsangebot oder einer Arbeitsaufnahme zu prüfen begann (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 39). Nach Inkrafttreten des SGB IX ist dieser Grundsatz für alle Rehabilitationsträger im Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor Rentenleistungen fortgeschrieben worden (§ 8 Abs 2 SGB IX). Hieran zeigt sich, dass das frühe Eingreifen von Rehabilitationsleistungen zur Vermeidung von Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit gesetzlich bezweckt ist (vgl Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HandKomm zum SGB IX, 3. Aufl 2010, § 8 RdNr 26; ders in jurisPR-SozR 2/2007 Anm 4).

35

c) Auch dies übersieht die Klägerin, wenn sie meint, die Beklagte habe lediglich abstrakte Erklärungen über zukünftige Sachverhalte abgegeben. Vielmehr haben sich die konkret bewilligten oder zugesicherten Teilhabeleistungen auf die aktuelle Situation der Arbeitsuche bezogen, die mit Hilfe konkreter Teilhabeleistungen ermöglicht werden soll. Zu diesem Zeitpunkt können aber noch keine konkreten Teilhabeleistungen bewilligt oder zugesichert werden, die erst im Fall einer dauerhaften Erwerbstätigkeit (nach Ablauf der Probezeit) unter veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommen. Denn diese Leistungen setzen eine erneute Prüfung und Ermessensentscheidung der Beklagten schon im Hinblick auf eine Eigenbeteiligung des Versicherten voraus (§ 2 Abs 1, § 9 KfzHV).

36

Hier haben die bewilligten bzw zugesicherten Teilhabeleistungen der Beklagten die Klägerin während des jeweils bewilligten Leistungszeitraums in jene Lage versetzt, die derjenigen eines Versicherten gleicht, der einen Führerschein und ein privates Kraftfahrzeug besitzt. Die Klägerin konnte jederzeit Beförderungsdienste (einschließlich Taxis) für Fahrten zu Vorstellungsgesprächen bzw zum Arbeitsplatz und zurück zur Wohnung in Anspruch nehmen. Sie durfte, wie ihr in der Begründung der Bescheide erläutert, darauf vertrauen, dass die Beklagte gegen Vorlage von Quittungen bzw entsprechenden Nachweisen die notwendigen tatsächlich entstandenen Beförderungskosten umgehend in voller Höhe erstatten würde. Der der Klägerin entstehende Zeit- und Kostenaufwand, auch an einen von ihr nicht zu Fuß erreichbaren Ort zu gelangen, war damit vorhersehbar und zumutbar geworden.

37

d) Dem steht schließlich nicht entgegen, dass die Beklagte die Teilhabeleistungen im Rahmen ihres Ermessens auf jeweils ein Jahr befristet hat. Der Senat hält die Dauer dieses Bewilligungszeitraums für noch ausreichend, wenngleich eine Bewilligung bis zur Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit das Problem der "Nahtlosigkeit" der Teilhabebescheide vermieden hätte. Auch wenn der Teilhabebescheid vom 22.10.2009 die Leistungen erst rückwirkend (über den 31.8.2009 hinaus) bewilligt hat, kann die Klägerin aus der insoweit fehlenden "Nahtlosigkeit" zum vorangegangenen Teilhabebescheid, der den Zeitraum bis 31.8.2009 abgedeckt hat, keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung herleiten. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Klägerin erklärt, die Beförderungsdienste weder wahrgenommen zu haben noch diese in Anspruch nehmen zu wollen. Aus der verzögerten Bescheiderteilung ergibt sich daher kein Umstand, der die Wegefähigkeit der Klägerin ab 1.9.2009 hätte in Frage stellen können.

38

Auch wenn Teilhabeleistungen von Amts wegen nur mit Zustimmung des Versicherten erbracht werden können (§ 115 Abs 4 S 2 SGB VI, § 9 Abs 4 SGB IX), darf das unberechtigte Ablehnen von Teilhabeleistungen oder die verweigerte Zustimmung nicht dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zum Erfolg verhelfen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine plausiblen, nachvollziehbaren Gründe oder berechtigten Wünsche (§ 9 Abs 1 SGB IX) geltend gemacht, weshalb sie die tatsächliche Inanspruchnahme der bewilligten Teilhabeleistungen hätte ablehnen dürfen. Sie hat die Teilhabebescheide vielmehr in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen lassen.

39

Nach alledem war es ihr trotz beschränkter Wegefähigkeit möglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen; damit war bei vollem quantitativem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt nicht verschlossen.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gewähren muss.

2

Die 1954 geborene Klägerin hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Sie ist auch in ihrer türkischen Muttersprache (primäre) Analphabetin, weil sie keine Zahlen kennt, nur minimale Buchstabenkenntnisse besitzt und deshalb selbst mit fremder Hilfe weder lesen noch schreiben kann. In Deutschland arbeitete sie ab November 1987 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im September 2004 durchgehend als Reinigungskraft bei der Stadt B.

3

Sie leidet an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer depressiven Erkrankung. Trotz dieser Krankheiten kann sie noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Der Analphabetismus der Klägerin beruht nicht auf einer gesundheitlichen Störung.

4

Ihren Antrag vom 21.6.2005 auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte ab, weil sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 22.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 6.1.2006). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des SG Detmold vom 10.12.2007).

5

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 21.6.2005 eingetretenen Leistungsfall befristet bis zum 31.1.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom 21.2.2011): Die Klägerin habe die allgemeine Wartezeit zurückgelegt, erfülle die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und sei voll erwerbsgemindert. Denn ihr sei der Arbeitsmarkt unter dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen praktisch verschlossen. Zwar seien die qualitativen Leistungseinschränkungen nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließe, nicht ungewöhnlich und ließen für sich allein noch keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin in einem Betrieb einsetzbar sei. Gleichwohl seien keine beruflichen Tätigkeiten ersichtlich, die sie auf der Grundlage ihres Restleistungsvermögens und ihres muttersprachlichen Analphabetismus noch verrichten könne. Der Analphabetismus sei bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, zu berücksichtigen, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, die die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderten, aufgrund weiterer Leistungseinschränkungen und der Beschränkung des Restleistungsvermögens auf nur leichte Arbeiten nicht mehr zweifelsfrei offenstehe. Eine realistische Verwertung des Restleistungsvermögens im Erwerbsleben setze voraus, dass eine Verweisungstätigkeit den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entspreche, wodurch sichergestellt werde, dass keine vom tatsächlichen Leistungsvermögen losgelöste, also fiktive Verweisung erfolge. Eine konkrete Verweisungstätigkeit, die die Klägerin mit den verbliebenen Fähigkeiten noch verrichten könne, sei indes nicht ersichtlich. Die Tätigkeiten als Museumswärterin/Aufseherin, Küchenhilfe, Büglerin, Mitarbeiterin in einer Mangel, Warensortiererin in der Kunststoff- und Metallindustrie oder in der Papier- und Elektroindustrie, die die Beklagte benannt habe, könne die Klägerin teils aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, teils aufgrund des Analphabetismus nicht mehr ausüben.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung von § 43 SGB VI: Nach der Rechtsprechung des BSG sei in der Regel davon auszugehen, dass Versicherte, die noch körperlich leichte Tätigkeiten- wenngleich mit qualitativen Einschränkungen - täglich mindestens sechs Stunden verrichten könnten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen erwerbstätig sein könnten. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei in dieser Situation nur zu benennen, wenn ausnahmsweise eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Das LSG führe jedoch selbst nachvollziehbar aus, dass sämtliche Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ungewöhnlich seien und für sich allein keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen ließen, dass sie in einem Betrieb einsetzbar sei. Bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, müsse ihr Analphabetismus außer Acht bleiben. Denn er beruhe nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder auf intellektuellen Defiziten, sondern darauf, dass sie keine Schule besucht und deshalb weder Lesen noch Schreiben erlernt habe. Ein solcher Analphabetismus sei als Bildungsdefizit und nicht als Erwerbsminderung auslösende Krankheit oder Behinderung zu werten. Soweit sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht auf das Senatsurteil vom 10.12.2003 (B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1) stütze, stehe diese Entscheidung nicht mit dem Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 (GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) in Einklang. Danach sei es ausgeschlossen, "einen arbeitslosen Versicherten, der noch vollschichtig arbeiten" könne, "deshalb als erwerbsunfähig anzusehen, weil neben den gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und vorgerücktes Alter oder mangelhafte Ausbildung die Vermittlungschancen zusätzlich" erschwerten. Analphabetismus sei jedoch nichts anderes als "mangelnde Ausbildung". Für die Überwindung des Analphabetismus seien nicht die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern die Bundesagentur für Arbeit, die Grundsicherungsträger sowie die Kommunen und Länder zuständig; das daraus resultierende Arbeitsmarktrisiko dürfe nicht auf die Rentenversicherungsträger verlagert werden. Soweit die Rechtsprechung schließlich zwischen Analphabetismus und mangelnden Deutschkenntnissen unterscheide, sei diese Differenzierung inkonsequent. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - BSGE 68, 288 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 11) müssten unzureichende Deutschkenntnisse bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit außer Acht bleiben, weil dem Rentenversicherungsträger sonst ein von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfasstes Risiko aufgebürdet werde. Nichts anderes müsse für Analphabetismus gelten. Dass der Klägerin der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen ihres Analphabetismus erschwert sei, könne ebenso wenig wie der Umstand berücksichtigt werden, dass sie aufgrund mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse nicht ausreichend kommunizieren könne.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Dezember 2007 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor: Aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erfülle sie die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei ihr Analphabetismus zu berücksichtigen sei. Als primäre Analphabetin sei sie auf dem Arbeitsmarkt, unter Hinzutreten weiterer ungewöhnlicher Erschwernisse, schlichtweg nicht (mehr) vermittelbar und könne auch auf Alternativtätigkeiten nicht (mehr) verwiesen werden. Selbst wenn man den primären Analphabetismus außer Acht ließe, seien zumutbare Verweisungstätigkeiten weder ersichtlich noch von der Beklagten benannt worden. Vor dem Hintergrund bestehender Fürsorgepflicht hätte die Beklagte durch Rehabilitations- bzw Förderungsmaßnahmen dem Analphabetismus entgegenwirken und hierdurch eine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wiederherstellen müssen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht (§ 162 SGG). Der Klägerin steht kein Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung zu.

11

1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 43 Abs 2 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754) in Betracht (§ 300 Abs 1 SGB VI). Danach haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Abs 2 S 1 Nr 2 und 3) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Abs 2 S 1 Nr 1). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Abs 2 S 2). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs 3). Nach § 102 Abs 2 S 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu denen auch die Rente wegen voller Erwerbsminderung zählt(§ 33 Abs 3 Nr 2 SGB VI), auf Zeit geleistet. Die Befristung (§ 32 Abs 2 Nr 1 SGB X) erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs 2 S 2 iVm § 101 Abs 1 SGB VI) und kann wiederholt werden (§ 102 Abs 2 S 3 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

12

2. Nach den Feststellungen des LSG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angefochten und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), kann die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden (arbeits)täglich, dh an fünf Tagen in der Woche, verrichten. Dieses zeitliche (quantitative) Leistungsvermögen schließt die Annahme einer "vollen Erwerbsminderung" gemäß § 43 Abs 3 Halbs 1 SGB VI aber noch nicht aus. Vielmehr kommt es nach dieser Vorschrift iVm § 43 Abs 2 S 2 SGB VI entscheidend darauf an, ob die Klägerin "wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande" ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts … erwerbstätig zu sein". Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

13

Die Rentenversicherungsträger und im Streitfall die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 20 Abs 1 S 1 SGB X, § 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 21 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X, § 106 Abs 3 Nr 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen,

        

a)    

Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet,

        

b)    

Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den

        

c)    

Ursachenzusammenhang ("wegen") zwischen a) und b).

14

a) Das LSG hat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass die Klägerin "an einer Wirbelsäulenerkrankung ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und an einer depressiven Erkrankung leidet". Dabei handelt es sich - auch soweit psychische Leiden vorliegen (s dazu BSGE 21, 189 = SozR Nr 39 zu § 1246 RVO; SozR Nr 15 zu § 1254 aF RVO) - um Krankheiten iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI, dh um regelwidrige Körper- bzw Geisteszustände(BSGE 14, 207 = SozR Nr 5 zu § 45 RKG), die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit herabzusetzen (BSGE 13, 255 = SozR Nr 11 zu § 1246 RVO). Den Analphabetismus oder dessen Ursachen hat das Berufungsgericht dagegen nicht als Krankheit bezeichnet, sondern ausdrücklich ausgeführt, dass die komplette Lese- und Schreibinkompetenz "nicht auf einer gesundheitlichen Störung" beruht. Sie ist auch keine "Behinderung", weil dazu rentenversicherungsrechtlich nur (weiter die Begriffsbestimmung in § 2 Abs 1 SGB IX) krankheitsbedingte Störungen zählen (Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 98; Kunze, DRV 2001, 192), deren Entwicklung - anders als bei einer Krankheit (vgl dazu BSGE 28, 114 = SozR Nr 28 zu § 182 RVO) - irreversibel abgeschlossen ist. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" kann aber durch Erlernen der Schriftsprache überwunden werden.

15

b) Das LSG hat weiter bindend festgestellt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten sechs (und mehr) Stunden an fünf Tagen in der Woche regelmäßig verrichten kann. Auszuschließen sind Arbeiten mit Knien, Hocken, häufigem Bücken, über Kopf, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, unter Umwelteinflüssen (wie Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe, Staub, Gas, Dampf, Rauch, Lärm, Schmutzeinwirkung), in Wechsel- und Nachtschicht, unter zeitlichem Druck, wie bei Akkord- oder Fließbandarbeit, sowie mit häufigem Publikumsverkehr.

16

c) Zwischen diesen Leistungseinschränkungen (Erwerbsminderung) und den Krankheit(en) bzw Behinderung(en) muss ein Ursachenzusammenhang bestehen ("wegen"). Die Leistungsminderung muss wesentlich (Theorie der wesentlichen Bedingung, vgl BSGE 96, 291, 293 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 15)auf einer Krankheit oder Behinderung (den versicherten Risiken) beruhen und nicht auf sonstigen Umständen wie Lebensalter, fehlenden Sprachkenntnissen (Senatsurteil vom 15.5.1991 - 5 RJ 92/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 11 S 38 f; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 9 S 34 f; SozR 2200 § 1246 Nr 61) oder Arbeitsentwöhnung (BSGE 7, 66). Aus den Darlegungen des LSG zum Ursachenzusammenhang geht hinreichend deutlich hervor, dass die beschriebenen Leistungseinschränkungen und Minderbelastbarkeiten aus den zuvor festgestellten Gesundheitsstörungen "resultieren". Außerdem hält das Berufungsgericht ausdrücklich fest, dass der Analphabetismus der Klägerin "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruht", also gerade kein Ursachenzusammenhang zwischen ihm und einer der festgestellten Erkrankungen vorliegt.

17

3. Steht das krankheits- bzw behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein. Diese Frage ist hier zu verneinen. Die zitierte Formulierung verwendete der Gesetzgeber ursprünglich im Arbeitsförderungsrecht (§ 103 AFG, § 119 SGB III, seit dem 1.4.2012: § 138 Abs 5 SGB III) und übertrug sie später auf das Recht der Renten wegen Erwerbsminderung. Mit dieser Übernahme griff er gleichzeitig die Rechtsprechung des BSG auf, wonach dem Betroffenen der Zugang zum Arbeitsmarkt trotz vollschichtigem Leistungsvermögen praktisch verschlossen war, wenn er krankheitsbedingt keine "Erwerbstätigkeit unter den in Betrieben üblichen Bedingungen" mehr ausüben konnte (sog 1. Katalog- und Seltenheitsfall, vgl dazu nur Senatsurteil vom 27.5.1977 - 5 RJ 28/76 - SozR 2200 § 1246 Nr 19 und die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Die hierzu und zum Arbeitsförderungsrecht entwickelte Rechtsprechung ist auf die gesetzliche Neuformulierung übertragbar.

18

a) "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind (BSGE 11, 16, 20). Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen (BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 29, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 43 Nr 16 vorgesehen; zum Arbeitsförderungsrecht: BSGE 11, 16, 20; 44, 164, 172 = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 46, 257, 259 = SozR 4100 § 103 Nr 17; BSG SozR 4100 § 103 Nr 23 S 55; BSG Urteil vom 21.4.1993 - 11 RAr 79/92 - Die Beiträge 1994, 431). Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29; BSGE 46, 257, 262, 264 = SozR 4100 § 103 Nr 17 S 40, 42; SozR 2200 § 1247 Nr 43 S 86 f; BSG Urteil vom 21.4.1993, aaO, Die Beiträge 1994, 431). Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten (vgl BT-Drucks 14/4230, S 25), für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem SGB II und III Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO RdNr 27). Die Klägerin kann nach den Feststellungen des LSG an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihr Nacht- und Wechselschichten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt sie im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Sie hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Wer aber in einem Betrieb unter den dort üblicherweise herrschenden Bedingungen arbeiten kann, ist auch imstande, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein.

19

b) Soweit unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" gefasst werden (BSG Urteil vom 19.10.2011, aaO, RdNr 29), "wie zB die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz", handelt es sich ausschließlich um kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können. Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu. Wie der berufliche Werdegang der Klägerin exemplarisch und stellvertretend für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen zeigt, zählen Lese- und Schreibkompetenzen keinesfalls zu den üblichen Grundbedingungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Andernfalls könnten primäre Analphabeten nie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig werden, wären schon vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (voll) erwerbsgemindert und könnten Rente wegen voller Erwerbsminderung erst erhalten, nachdem sie die Wartezeit von 20 Jahren zurückgelegt haben (§ 43 Abs 6 iVm § 50 Abs 2 SGB VI).

20

4. Folglich kommt es entscheidend darauf an, ob die Klägerin trotz ihrer qualitativen Leistungseinschränkungen noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Diese Frage ist zu bejahen.

21

a) Um nachprüfbar zu machen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das BSG bereits zum Parallelproblem im Recht der Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (§§ 1246, 1247 RVO bzw §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Altfassung - aF) die Pflicht der Rentenversicherungsträger entwickelt, dem Versicherten zumindest eine zumutbare Tätigkeit (sog Verweisungstätigkeit) konkret zu benennen, die er mit seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch ausüben kann (sog Benennungsgebot), wenn eine Rente wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgelehnt werden sollte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229; SozR 2200 § 1246 Nr 72, 74, 98 und 104). Zu benennen war eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 72 S 229 und Nr 74 S 234; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 229). Die Angabe einzelner Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale genügte nicht (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 130 f mwN; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 13 R 63/06 R - Juris RdNr 30). Andererseits musste kein konkreter Arbeitsplatz bezeichnet werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324). Die zu benennende Tätigkeit musste auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich in ausreichendem Umfang vorkommen (BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28), dh es mussten grundsätzlich mehr als 300 Stellen (besetzt oder offen) vorhanden sein (BSGE 78, 207, 222 f = SozR 3-2600 § 43 Nr 13 S 34 f; BSG Urteile vom 29.7.2004 - B 4 RA 5/04 R - Juris RdNr 24, 33 und vom 26.4.2007 - B 4 R 5/06 R - Juris RdNr 18).

22

b) Abweichend von diesem Grundsatz war die Benennung einer Verweisungstätigkeit entbehrlich, sofern der Versicherte - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - noch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage war und auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durfte (BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 mwN). Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden durften bei der Prüfung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich alle Versicherten (BSGE 19, 147, 149 f = SozR Nr 6 zu § 1247 RVO; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 7 S 12 f; SozR 5850 § 2 Nr 12 S 25; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 18), bei der Prüfung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hingegen nur ungelernte Arbeiter bzw sog Angelernte im unteren Bereich (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 72 f mwN). In diesen Fällen war regelmäßig davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen dem Versicherten noch körperliche Verrichtungen erlaubte, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw). Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die nicht oder nur ganz wenig qualifizierten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ("Hilfsarbeiten") einerseits einer knappen Benennung, die aussagekräftig Art und Anforderungen der Tätigkeiten beschreiben würde, entzogen, das Arbeitsfeld andererseits aber so heterogen war, dass mit einem Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten jedenfalls noch von ausreichenden Erwerbsmöglichkeiten ausgegangen werden konnte (BSGE 80, 24, 31 ff = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24 ff).

23

c) Trotz der praktischen Schwierigkeiten war - im Sinne einer Rückausnahme - die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorlag: In diesen Fällen einer überdurchschnittlich starken Leistungsminderung bestanden - entgegen der oben skizzierten tatsächlichen Vermutung bzw Annahme - ernsthafte Zweifel, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die dem Versicherten an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen bereithielt oder dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar war (BSGE 80, 24, 34 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104 S 324 und Nr 136 S 434). Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts durch die sog Katalog- und Seltenheitsfälle ist in diesem Zusammenhang bedeutsam (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Maßstäbe haben auch für die seit dem 1.1.2001 geltende Rechtslage weiterhin Gültigkeit (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 5 RdNr 18 und BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 19).

24

5. Für den Regelfall darf damit auch für die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nF (iS einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung) davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der zumindest körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, noch in der Lage ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen(s auch § 43 Abs 3 SGB VI nF). Es ist mehrschrittig zu prüfen (vgl dazu BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 und Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - RdNr 35):

25

a) Im ersten Schritt ist festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie zB Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw ), die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. Es genügt die Benennung von "Arbeitsfeldern", von "Tätigkeiten der Art nach" oder von "geeigneten Tätigkeitsfeldern", die der Versicherte ausfüllen könnte (vgl BSGE 80, 24, 31 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 24; Senatsurteile vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 43; vom 11.5.1999 - SozR 3-2600 § 43 Nr 21 S 73 f; vom 10.12.2003 - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 23; BSG vom 19.8.1997 - 13 RJ 29/95 - SozSich 1998, 111 - Juris RdNr 30; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f; vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 R - Juris RdNr 24; vom 14.7.1999 - B 13 RJ 65/97 R - Juris RdNr 32; sog "kleines Benennungsgebot": vgl Köbl in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskommentar zum SGB VI, § 43 RdNr 168, Stand Oktober 2006; Gürtner in Kasseler Komm, § 43 SGB VI RdNr 47, Stand April 2010; Spiolek, SGb 1999, 509, 510; kritisch Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 43 RdNr 42, Stand März 2012; aA wohl Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108). Damit können "ernste Zweifel" an der beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

26

b) Lassen sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben und kommen deshalb "ernste Zweifel" an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen auf, stellt sich im zweiten Schritt die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl Senatsurteil vom 24.2.1999 - SozR 3-2600 § 44 Nr 12 S 44 sowie BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 62 f und Nr 21 S 73 f sowie Beschluss vom 9.9.1998 - B 13 RJ 35/97 - Juris RdNr 24). Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die schwierig zu konkretisieren (BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 sowie SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f) und vernünftig zu handhaben sind (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33 ). Da es für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, keinen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt, können auch für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemeingültigen Anforderungen aufgestellt werden (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23). Auch der jeweilige Begründungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 23; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Wie sich der Richter die jeweils erforderliche Tatsachenkenntnis verschafft, liegt in seinem Ermittlungsermessen (vgl § 103 SGG). Angesichts des unzulänglichen Gesamtüberblicks über typische Anforderungen ungelernter Verrichtungen ist ihm dabei ein weiter Freiraum für Einschätzungen zuzugestehen. Gleichwohl muss aber aus rechtsstaatlichen Gründen ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung gesichert bleiben (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 ff und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25).

27

c) Erst wenn nach diesen Maßstäben eine "schwere spezifische Leistungsbehinderung" oder "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen, um seinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (vgl BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33). Hierbei sind dann nicht nur das körperliche, geistige und kognitive Leistungsvermögen einerseits und das berufliche Anforderungsprofil andererseits miteinander zu vergleichen und in Deckung zu bringen, sondern es muss auch individuell geprüft werden, ob der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder zumindest innerhalb von drei Monaten erlernen kann. Außerdem ist dann zu beachten, dass auf Tätigkeiten nicht verwiesen werden darf, die auf dem Arbeitsmarkt nur in ganz geringer Zahl vorkommen (Katalogfall Nr 3), die an Berufsfremde nicht vergeben werden (Katalogfall Nr 4) oder für Betriebsfremde unzugänglich sind, weil es sich um reine Schonarbeitsplätze (Katalogfall Nr 5) oder Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr 6) handelt (vgl die Zusammenstellung der Katalog- und Seltenheitsfälle in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Kann der Versicherte die Verweisungstätigkeit krankheits- oder behinderungsbedingt nicht mehr ausüben, oder kann er sich die fehlenden fachlichen oder überfachlichen Kompetenzen nicht innerhalb von drei Monaten aneignen, so ist er auch dann (voll) erwerbsgemindert, wenn sein zeitliches (quantitatives) Leistungsvermögen uneingeschränkt erhalten ist.

28

6. Zu Recht hat das LSG eine schwere spezifische Leistungsbehinderung verneint. Sie liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60; Blaser, Der Begriff der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" im Sozialrecht, 2009, S 108; Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände (vgl BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 17 S 61 ; BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr 19 S 68 ; BSGE 81, 15, 19 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 S 69 ) - beispielsweise Einäugigkeit (Senatsurteile vom 12.5.1982 - 5b/5 RJ 170/80 - Juris RdNr 8 und vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30, 90), Einarmigkeit (Senatsurteil vom 14.9.1995 - 5 RJ 50/94 - SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 S 230; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30) und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8 S 19) sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104, 117; weitere Beispiele bei BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 26 und bei Spiolek, NZS 1997, 415, 416 f). Der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" gehört nicht dazu, weil er keine "Behinderung" ist (s Gliederungspunkt 2 a) und damit auch keine "Leistungsbehinderung" sein kann.

29

7. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch keine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" vor, die es ausnahmsweise notwendig machen könnte, den Ausschluss eines Rechts auf Rente nicht lediglich abstrakt mit der Einsetzbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu begründen, sondern hierfür die konkrete Benennung einer noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit zu fordern. Insofern kann vorliegend offen bleiben, ob es sich bei dem muttersprachlichen Analphabetismus der Klägerin für sich um eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung in diesem Sinne handelt (vgl dazu Senatsurteile vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr 1 RdNr 17 ff und vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 R - Juris RdNr 19 sowie BSG Urteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 13/98 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr 62 S 288). Nach der unverändert einschlägigen Verweisungsrechtsprechung des Großen Senats des BSG (BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8) begründet nämlich bei zeitlich uneingeschränkt leistungsfähigen Versicherten allein die "Summierung" - notwendig also eine Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen als tauglichen Summanden - die Benennungspflicht, nicht aber, wie das Berufungsgericht meint, bereits das Zusammentreffen einer - potenziell - ungewöhnlichen und einer oder mehrerer "gewöhnlicher" Leistungseinschränkungen. Durch die genannte Rechtsprechung des Großen Senats und den ausdrücklichen Ausschluss einer Berücksichtigung der "jeweiligen Arbeitsmarktlage" in § 43 Abs 3 Halbs 2 SGB VI ist auch bereits entschieden, dass weitere Fälle einer Benennungspflicht nicht in Betracht kommen. Im Hinblick auf die qualitativen Einschränkungen, die bei der Klägerin zu beachten sind, hat das LSG jedoch unangefochten festgestellt, dass diese sämtlich nicht ungewöhnlich sind. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die "vernünftige Handhabung" des unbestimmten Rechtsbegriffs der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen gewährleistet nach der Rechtsprechung des Großen und des erkennenden Senats, dass abweichend vom Regelfall der abstrakten Betrachtungsweise die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit als unselbstständiger Zwischenschritt, nur aber auch immer dann erfolgen muss, wenn ernsthafte Zweifel unter anderem an der betrieblichen Einsetzbarkeit bestehen. Ob und ggf in welcher Intensität Zweifel aufkommen und ob in der Gesamtschau eine "Summierung" ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu bejahen ist, lässt sich nur anhand des konkreten Einzelfalls entscheiden, weil die denkbaren Kombinationsmöglichkeiten der qualitativen Leistungseinschränkungen unüberschaubar sind und die Summanden je nach Schweregrad, Anzahl und Wechselwirkungen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Feste Grenzlinien lassen sich nicht festlegen, zumal auch der Begriff "leichte Arbeiten", auf den sich die genannten Merkmale als Ausnahmen beziehen, erhebliche Unschärfen enthält, die es erforderlich machen, die im Einzelfall vorliegenden Leistungseinschränkungen insgesamt in ihrer konkreten Bedeutung für die Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt zu bewerten (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Nur so erscheint eine "vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe" gewährleistet, wie sie der Große Senat des BSG (BSGE 80, 24, 39 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 33) vorausgesetzt hat. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten sind die bisherigen Entscheidungen des BSG zum Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung nur als Einzelfallentscheidungen zu werten, die den Besonderheiten der jeweiligen Sachlage Rechnung zu tragen suchen. Auch wenn die Leistungseinschränkungen dort gleich oder vergleichbar formuliert sind, handelt es sich keinesfalls um identische Sachverhalte. Vielmehr liefern die jeweiligen Beurteilungen allenfalls Anhaltspunkte für weitere Entscheidungen; ihnen lassen sich jedoch keine generellen Abgrenzungskriterien entnehmen (BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 61). Deshalb steht dem Tatrichter bei der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse ein weiter Freiraum für Einschätzungen zu (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-2600 § 43 Nr 17 S 60 f und BSG Urteil vom 19.8.1997 - 13 RJ 25/95 - SozSich 1998, 113 - Juris RdNr 25). Denn die Begriffe der "Ungewöhnlichkeit" von Leistungseinschränkungen und ihre "Summierung" lassen sich nicht mit einem abschließenden Katalog unabdingbarer Merkmale und Untermerkmale im Voraus definieren (Klassen- oder Allgemeinbegriff), sondern nur einzelfallbezogen durch eine größere und unbestimmte Zahl von (charakteristischen) Merkmalen umschreiben (offener Typus- oder Ordnungsbegriff), wobei das eine oder andere Merkmal gänzlich fehlen oder je nach Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein kann. Ob an der Einsetzbarkeit eines individuellen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Zweifel bestehen und sich ggf überwinden lassen, ob Leistungseinschränkungen "ungewöhnlich" sind und wie sie sich nach Art, Umfang und Ausprägung wechselseitig beeinflussen ("summieren"), beurteilt sich anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch einen wertenden Ähnlichkeitsvergleich. Eine solche Würdigung des Einzelfalls nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vollzieht sich auf tatsächlichem Gebiet und obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter; seine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Bei derartigen richterlichen Wertungsakten gibt es keine logisch ableitbare einzig richtige Entscheidung, sondern einen Bereich, der sich letztlich der logischen Nachprüfbarkeit entzieht. Rational argumentativ ist dieser (originäre) Wertungsakt nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf, ob er auf einer zutreffenden und rechtlich verwertbaren Tatsachengrundlage beruht, ob die richtigen Wertungsmaßstäbe erkannt und angewandt wurden und ob er sich innerhalb eines gewissen Spielraums der Angemessenheit bzw des Vertretbaren bewegt ("vernünftige Handhabung"). Bei derartigen genuinen Wertungsakten sind mehrere Entscheidungen gleichermaßen richtig, weil sich nach rein logischen Maßstäben nicht mehr entscheiden lässt, welche innerhalb eines Spielraums nach zutreffenden Maßstäben getroffene Entscheidung richtiger als die andere ist.

30

Das LSG hat vorliegend Inhalt und Grenzen des unbestimmten Rechtsbegriffs der ungewöhnlichen Leistungseinschränkung, wie sie sich hiernach ergeben, berücksichtigt und im Rahmen der ihm vorbehaltenen tatrichterlichen Bewertung die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen - mit Ausnahme des Analphabetismus der Klägerin - als "gewöhnlich", also keine Benennungspflicht auslösend, eingestuft. Dabei hat es sich im Wesentlichen an der vom Großen Senat rezipierten beispielhaften Auflistung derartiger Einschränkungen orientiert. Insofern bedarf es auf der Ebene der Feststellung tatsächlicher Umstände jeweils der Bewertung, ob mit einer festgestellten Leistungseinschränkung für sich und im Zusammenwirken mit gleichwertigen anderen gerade im konkreten Einzelfall die Gefahr verbunden ist, dass der Versicherte auf in Wahrheit nicht existierende Arbeitsmöglichkeiten verwiesen wird, deren Feststellung wiederum Aufgabe des Tatsachengerichts ist. Solange daher der Tatrichter - wie hier das LSG - von einem rechtlich zutreffenden Verständnis der Benennungspflicht und ihrer Voraussetzungen ausgeht, handelt es sich um die Feststellung von Individualtatsachen, an die das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG und in dessen Grenzen gebunden ist. Vorliegend ist daher rechtlich ohne konkreten Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil einer bestimmten Tätigkeit im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Restleistungsvermögen noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten kann, also noch imstande ist, "erwerbstätig zu sein", dh durch (irgend)eine (unbenannte) Tätigkeit Erwerb(seinkommen) zu erzielen. Damit scheidet auch ein Recht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs 1, § 240 Abs 1 SGB VI).

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung infolge eingeschränkter Wegefähigkeit im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 18.6.2010.

2

Die Klägerin führt den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I) ihres im Jahre 1956 geborenen und während des Revisionsverfahrens (am 18.6.2010) verstorbenen Ehegatten (im Folgenden: Versicherter) fort. Der Versicherte erlitt am 20.6.2005 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine beidseitige Fersenbeinfraktur zuzog.

3

Der im Februar 2006 bei der Beklagten gestellte Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung blieb erfolglos (Bescheid vom 11.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2007). Im Klageverfahren vor dem SG Darmstadt berief sich der Versicherte insbesondere auf die durch die Berufsgenossenschaft anerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 vH als Folge des erlittenen Arbeitsunfalls (Bewilligungsbescheid vom 4.5.2007) und auf den festgestellten Grad seiner Behinderung (GdB) von 70 sowie die Gewährung des Merkzeichens "G" durch das Versorgungsamt Darmstadt (Bewilligungsbescheid vom 22.5.2007). Seine eingeschränkte Wegefähigkeit erlaube es ihm nicht, einen Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand zu erreichen. Infolge von Medikamenteneinnahme könne er keinen Pkw führen. Nach Einholung medizinischer Gutachten (Dr. Hohneck vom 11.11.2007; Dr. Koch vom 2.5.2008) räumte die Beklagte ein, dass der Versicherte nicht mehr in der Lage sei, Fußwege von mindestens 500 m ohne Unterbrechung zurückzulegen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Verordnung für Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (vom 28.9.1987, BGBl I 2251 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003, BGBl I 2848) seien erfüllt. Hierzu erging der Bescheid vom 23.6.2008, in dem es im Übrigen wie folgt heißt:

"Wir bewilligen Ihnen deshalb Beförderungskosten im Rahmen der KfzHV. Diese werden übernommen, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Beförderungskosten werden auch gezahlt, wenn Sie Wege zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses (Vorstellungsgespräch) zurücklegen müssen. Hierunter sind die Übernahme des Fahrpreises eines Taxis oder die erstattungsfähigen Kosten nach dem Bundesreisekostengesetz für die Fahrt mit einem Pkw durch Dritte zu verstehen.

Darüber hinaus bewilligen wir Ihnen noch folgende Leistungen nach der KfzHV:

- Zuschüsse zur Beschaffung eines Kfz

- falls erforderlich, Zuschüsse zur Erlangung einer Fahrerlaubnis

- Übernahme der Kosten für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung

Die vorstehenden Leistungen werden an Stelle der Beförderungskosten dann gewährt, wenn ein Arbeitsverhältnis dauerhaft begründet wurde (z.B. Ablauf der Probezeit).

Sofern die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses ansteht, bitten wir Sie, sich umgehend mit uns wegen der Leistungsgewährung in Verbindung zu setzen."

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Darmstadt am 17.12.2008 gab die Terminsbevollmächtigte der Beklagten folgende Erklärung ab:

"Unser Bescheid vom 23.06.2008 ist dahingehend zu verstehen, dass wir in jedem Fall verbindlich auch die Kosten für Taxifahrten zum Arbeitsplatz und wieder zurück übernehmen, sofern es angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers keine billigere Möglichkeit im Hinblick auf die Beschaffung bzw. Ausrüstung eines Kfz gibt."

4

Daraufhin hat das SG Darmstadt die Klage mit Urteil vom 17.12.2008 abgewiesen: Der Versicherte sei nicht erwerbsgemindert; seine eingeschränkte Wegefähigkeit werde durch die zugesagten Leistungen zur Teilhabe ausreichend kompensiert.

5

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den Eintritt der vollen Erwerbsminderung ab 20.6.2005 (Tag des Arbeitsunfalls) bis zum 17.12.2008 (Tag der mündlichen Verhandlung vor dem SG) anerkannt und sich verpflichtet, dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI)vom 1.2.2006 bis zum 31.12.2008 zu gewähren (angenommenes Teilanerkenntnis vom 18.5.2009; Ausführungsbescheid vom 30.4.2010).

6

Die weitergehende Berufung, gerichtet auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1.1.2009, hat das LSG mit Urteil vom 19.3.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Versicherten - nach Erledigung des Rechtsstreits bis zum 31.12.2008 gemäß § 101 Abs 2 SGG - ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung über dieses Datum hinaus nicht zustehe. Er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Es liege weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine bedeutsame schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

7

Das Leistungsvermögen sei vor allen Dingen durch die Folgen der am 20.6.2005 erlittenen Sturzverletzung beeinträchtigt, was die fachärztlichen Gutachten im Wesentlichen übereinstimmend bestätigt hätten. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes sei aber nicht aufgrund eingeschränkter Wegefähigkeit des Versicherten anzunehmen (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr 13 und BSG vom 27.2.1980 - 1 RJ 32/79). Zwar stehe fest, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen keine Wegstrecken von 500 m Länge mehr in angemessener Zeit zurücklegen könne und dass auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar sei. Zudem sei er auch nicht mehr in der Lage, einen Pkw ohne behindertengerechte Zusatzausstattung zu führen und auf diese Weise den Weg von und zur Arbeitsstätte zurückzulegen, sodass er über kein geeignetes Fahrzeug verfüge. Gleichwohl habe die Beklagte mit Bescheid vom 23.6.2008 und klarstellender Erklärung vom 17.12.2008 ein konkretes Angebot zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe abgegeben, das die eingeschränkte Wegefähigkeit des Versicherten ausreichend kompensiert habe. Dies genüge der Rechtsprechung des BSG, um ausreichende Mobilität des Versicherten herzustellen (Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R).

8

Offengeblieben sei in der Rechtsprechung des BSG jedoch, wann im Einzelfall ein Mobilitätsdefizit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben sei. Bislang sei nur entschieden, wann dies nicht der Fall sei. Für die hier infrage kommenden Mobilitätshilfen reichten bloße Hinweise auf gesetzlich vorgesehene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie auch auf Förderungsmöglichkeiten nach der KfzHV nicht aus. Erforderlich sei, dass die Beklagte eine fallbezogene Konkretisierung der im Rehabilitationsrecht normierten Leistungen vorgenommen habe. Es sei eine Ermessensentscheidung über die nach der KfzHV möglichen Mobilitätshilfen durch den Rentenversicherungsträger erforderlich. Das im Vorfeld eines noch nicht bestehenden bzw noch nicht in Aussicht gestellten Arbeitsverhältnisses abgegebene Angebot könne allerdings nicht alle zur Konkretisierung erforderlichen Einzelheiten enthalten, sondern dürfe noch Vorbehalte, Bedingungen und weitere Punkte zur Konkretisierung des zukünftigen Sachverhalts aufweisen. Zu fordern sei jedoch, dass - im Sinne einer vorweggenommenen Ermessensausübung - eine über die allgemeine Bindung an Gesetz und Recht hinausreichende Selbstbindung des Rentenversicherungsträgers zu erkennen sei, aufgrund derer der Versicherte auf die bestimmte Handhabung des konkreten Sachverhalts vertrauen könne.

9

Unter Anlegung dieses Maßstabes sei das von der Beklagten abgegebene Leistungsangebot als noch ausreichend anzusehen. Sie habe das "Ob" der Gewährung von Mobilitätshilfen bedingungslos anerkannt. Hinsichtlich der Ausgestaltung ihres Ermessens (das "Wie") habe die Beklagte ebenfalls eine hinreichend konkrete Festlegung getroffen. Sie habe dem Versicherten gemäß § 9 KfzHV vorbehaltlos und in voller Höhe die Übernahme des Fahrpreises eines Taxis oder der erstattungsfähigen Kosten nach dem Bundesreisekostengesetz für die Fahrt mit einem Pkw durch Dritte in Aussicht gestellt für den Fall, dass wegen Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses oder für die Beförderung an den Arbeitsplatz ein entsprechender Beförderungsbedarf bestehe, weil der Versicherte noch nicht über ein eigenes Kfz verfüge oder angesichts des Gesundheitszustandes außer Stande sei, ein im Rahmen der KfzHV förderungsfähiges Kfz mit behindertengerechter Zusatzausstattung zu führen. Ob die Beklagte mit dieser verbindlichen Kostenzusage möglicherweise Leistungen versprochen habe, die mit dem Gesetzes- bzw Verordnungsrecht schlechthin nicht zu vereinbaren seien, könne dahingestellt bleiben, weil die Bescheide der Beklagten bindend geworden seien. Die eingeschränkte Wegefähigkeit des Versicherten stehe somit der Erzielung von Erwerbseinkünften auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr entgegen. Wenn der Versicherte gleichwohl keinen Arbeitsplatz finde, realisiere sich das Risiko der Arbeitslosigkeit, das die Arbeitslosenversicherung bzw der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu tragen habe.

10

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von § 43 Abs 2 SGB VI. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte dem Versicherten unbestimmte Kosten für Taxifahrten zu einem fiktiven Arbeitsplatz und zurück zugesichert habe, was nicht im Einklang mit dem Gesetzes- bzw Verordnungsrecht stehe. Dadurch werde deutlich, dass es der Beklagten nicht darum gehe, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, die dem besonderen Bedarf und den besonderen Umständen des Versicherten gerecht würden, sondern darum, die gebotene Einzelfallentscheidung über das beim Versicherten bestehende Mobilitätsdefizit durch geeignete Leistungen zur Teilhabe leerlaufen zu lassen. Entgegen der Entscheidung des BSG vom 21.3.2006 (SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 22)könne im Fall des arbeitslosen Versicherten eine Leistungsbewilligung zur Teilhabe die Wegeunfähigkeit des Versicherten nicht ausschließen. Sollte es - wie hier - keinen konkreten Arbeitsplatz geben, könnten einzelne Umstände, wie die Wirtschaftlichkeit (Taxikosten), die zeitliche und gesundheitliche Zumutbarkeit (im Hinblick auf die Entfernung des Arbeitsplatzes), die zumutbare Laufentfernung zwischen Wohnung und Einstieg ins Taxi oder die Entfernung am Arbeitsplatz zwischen Taxihalt und Arbeitsplatz nicht geprüft werden. Dem Leistungsangebot der Beklagten fehle mithin die konkrete Prüfung des Sachverhalts in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz. Dass diese Verfahrensweise lediglich dazu führe, einen bestehenden Rentenanspruch auszuhöhlen, folge aus der Entscheidung des SG Berlin vom 8.1.2008 (S 6 R 1224/06 - Juris RdNr 21). Der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2009 (L 10 R 270/08 - Juris RdNr 21) sei zu entnehmen, dass der Besitz und die Benutzung eines Kfz der Annahme einer die volle Erwerbsminderung begründenden Wegeunfähigkeit nicht entgegenstehe.

11

           

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Dezember 2008 und des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2007 zu verurteilen, für den Versicherten ab 1. Januar 2009 bis zum 18. Juni 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

12

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

15

Das Zulässigkeitserfordernis gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - erfüllt. Danach muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten und erkennen lassen, welche Norm des Bundesrechts der Revisionsführer als verletzt ansieht, wobei diese nicht ausdrücklich genannt werden muss (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 10). Diesen Anforderungen trägt die Revisionsbegründung ausreichend Rechnung. Sie enthält einen bestimmten Antrag und lässt die als verletzt gerügte Rechtsnorm erkennen, indem sie ausführt, das angefochtene Berufungsurteil habe den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 2 SGB VI zu Unrecht verneint.

16

Die Revision hat im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Es kann nicht entschieden werden, ob die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Januar 2009 hat (1.). Die Feststellungen des LSG zu den von der Beklagten zugesagten Teilhabeleistungen reichen hierfür nicht aus (2.).

17

Nicht mehr streitgegenständlich ist der Zeitraum vor Januar 2009, da die Beklagte den Rechtsanspruch der Klägerin anerkannt und der Rechtsstreit insofern seine Erledigung gefunden hat (§ 101 Abs 2 SGG).

18

1. Der Rentenanspruch richtet sich gemäß § 43 SGB VI(idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754).

19

Auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Versicherte voll erwerbsgemindert gewesen ist (§ 43 Abs 2 SGB VI).

20

a) Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen.

21

Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Großer Senat in BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28). Diese Kriterien hat das BSG zum Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit entwickelt, wie ihn § 1247 RVO und § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) umschrieben hatten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 mwN; SozR 3-2600 § 44 Nr 10). Auch der erkennende Senat hat das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des von §§ 43, 44 SGB VI aF versicherten Risikos erachtet(BSG vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 20 mwN). Diese Maßstäbe gelten für den Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI) unverändert fort (vgl BSG vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - Juris RdNr 12; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

22

Konkret gilt: Hat wie hier der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30; BSG SozR 2200 § 1247 Nr 53 S 106, Nr 56 S 111; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21). Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (zB Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 10 S 30 f). Dazu gehört zB auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kfz (vgl BSGE 24, 142, 145 = SozR Nr 56 zu § 1246 RVO Bl Aa 44 Rückseite; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 21).

23

b) Auf dieser Grundlage tragen die tatsächlichen Feststellungen des LSG seine Annahme, dass der Versicherte nicht mehr über die erforderliche Mobilität verfügt hat, um eine Arbeitsstelle des allgemeinen Arbeitsmarktes aus eigener Kraft aufzusuchen. Er konnte weder Wegstrecken von 500 m Länge in angemessener Zeit zurücklegen, noch war ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel mehr zumutbar. Er war auch nicht in der Lage, einen Pkw ohne behindertengerechte Zusatzausstattung zu führen.

24

Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Auch die Beklagte geht davon aus, dass dem Versicherten kein geeignetes Fahrzeug zur Bewältigung des Weges von und zur Arbeitsstätte zur Verfügung gestanden hat.

25

2. Es kann nicht entschieden werden, ob die rentenrechtliche Wegefähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG wiederhergestellt worden ist (a). Es fehlt an ausreichenden Feststellungen des LSG, ob das Mobilitätsdefizit durch die von der Beklagten im Bescheid vom 23.6.2008 und in ihrer Erklärung vom 17.12.2008 zugesagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt worden ist (b).

26

a) Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Beseitigung der rentenrechtlichen Wegeunfähigkeit möglich, wenn der Rentenversicherungsträger durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine ausreichende Mobilität des Versicherten wiederherstellt (vgl BSG SozR 3-2600 § 44 Nr 10 S 38; Senatsurteil vom 14.3.2002 - B 13 RJ 25/01 R - Juris RdNr 23).

27

Rehabilitationsleistungen des Rentenversicherungsträgers richten sich nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur möglichst dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erbracht werden können, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen(§§ 10, 11 SGB VI) erfüllt sind und kein gesetzlicher Leistungsausschluss (§ 12 SGB VI) vorliegt. Die Entscheidung der Frage, "ob" einem Versicherten Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind, ist anhand der og Vorschriften zu beurteilen. Erst die Entscheidung, "wie" die Rehabilitationsleistungen, etwa nach Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung (§ 13 S 1 SGB VI) zu erbringen sind, dh welche Leistungen in Betracht kommen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers (stRspr, vgl BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; Nr 3 S 15; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11). Der Rentenversicherungsträger erbringt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den bereichsübergreifenden Vorschriften der §§ 33 bis 38 SGB IX(§ 16 SGB VI). Die Leistungen nach § 33 Abs 3 Nr 1 und Nr 6 SGB IX (Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes; sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um eine angemessene Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten), umfassen ua die Kraftfahrzeughilfe nach der KfzHV (§ 33 Abs 8 S 1 Nr 1 SGB IX). Die KfzHV enthält eigene Leistungsvoraussetzungen (zu §§ 3, 4 KfzHV, vgl Senatsurteil vom 9.12.2010 - BSGE 107, 157 = SozR 4-5765 § 4 Nr 1, RdNr 16 ff)und besondere Ermessensregelungen (§ 9 KfzHV, vgl BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11 mwN).

28

Hierzu hat der 5. Senat des BSG klarstellend ausgeführt, dass nicht bereits das Angebot von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation genüge, um den Eintritt des Versicherungsfalls abzuwenden, sondern erst mit deren erfolgreicher Durchführung die den Versicherungsfall begründende fehlende Mobilität effektiv wiederhergestellt sei. Offengelassen hat der 5. Senat, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Fälle denkbar seien, in denen nicht erst die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern bereits eine geeignete Leistungsbewilligung die Wegeunfähigkeit eines arbeitslosen Versicherten beseitige. Eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung könne daher nur in Betracht kommen, wenn die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetze, die derjenigen eines Versicherten gleiche, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitze und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten sei, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen könne. Nur wenn der gehbehinderte Versicherte jederzeit ein Kfz tatsächlich nutzen könne, sei es ihm möglich, trotz der Beschränkung seiner Wegefähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, sodass bei vollschichtigem Leistungsvermögen der Arbeitsmarkt trotz Wegeunfähigkeit nicht als verschlossen angesehen werden könne (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22).

29

Diesen aufgezeigten Maßstäben schließt sich der erkennende Senat an.

30

b) Ob demnach hier die Ausnahme - von dem Grundsatz, dass die zum Rentenanspruch führende Wegeunfähigkeit erst durch die erfolgreiche Durchführung einer vom Leistungsträger bewilligten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben ist - vorliegt, dass die rentenrechtliche Wegefähigkeit bereits durch eine geeignete Bewilligung von Teilhabeleistungen wiederhergestellt ist, kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht entschieden werden.

31

Dem LSG kann insoweit noch gefolgt werden, als es dem Bescheid vom 23.6.2008 eine konkrete Bewilligung der Übernahme von Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) in voller Höhe zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses (Vorstellungsgespräche) entnimmt. Ob allerdings die Übernahme der Beförderungskosten (einschließlich Taxikosten) in voller Höhe auch für den Fall der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses im Bescheid vom 23.6.2008 geregelt worden ist, bleibt zweifelhaft.

32

Offensichtlich hat diese Unklarheit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zu dem Teilanerkenntnis und zu der Erklärung vom 17.12.2008 veranlasst, wonach "wir in jedem Fall verbindlich auch die Kosten für Taxifahrten zum Arbeitsplatz und wieder zurück übernehmen". Der dieser Erklärung unmittelbar angefügte Zusatz, "sofern es angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers keine billigere Möglichkeit im Hinblick auf die Beschaffung bzw. Ausrüstung eines KFZ gibt", zieht die vorangegangene, eindeutige Aussage des ersten Halbsatzes aber erneut in Zweifel. Denn die wortgetreue Auslegung ("sofern") deutet auf einen Vorbehalt hin, unter den die Beklagte die Kostenzusage für Fahrten zum Arbeitsplatz gestellt hat. Dann aber läge - unabhängig von der Frage der Rechtsnatur der Erklärung - eine Ungewissheit über die finanziellen Hilfen bzw den eigenen Kostenaufwand des Versicherten bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses vor, solange die Beklagte noch nicht über denkbare "billigere" Möglichkeiten entschieden hätte. Bereits diese Unsicherheit hätte den Versicherten daran gehindert, eine vergleichbare Lage mit der eines Versicherten einzunehmen, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitzt und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten ist, weil er mit einigermaßen einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen kann (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22). Soweit das LSG davon ausgegangen ist, dass die Beklagte dem Versicherten "vorbehaltlos" die Übernahme von Taxikosten in voller Höhe zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses und zum Arbeitsplatz zugesagt habe (S 19 Entscheidungsgründe LSG), ist der Senat hieran nicht gebunden. Denn hierin liegt keine tatsächliche Feststellung iS des § 163 SGG. Vielmehr hat das LSG als Tatsachengericht den von ihm (S 6 des Berufungsurteils) festgestellten Wortlaut der Erklärung vom 17.12.2008 ohne Sachverhaltsermittlungen und ohne weitere Begründung in einer mit ihrem Wortlaut in Widerspruch stehenden Weise ausgelegt. Dies ist keine Tatsachenfeststellung, sondern eine (fehlerhafte) Rechtsanwendung, weil das LSG die von ihm selbst festgestellten Umstände nicht vollständig verwertet hat (s hierzu BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47).

33

Andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Erklärung in der konkreten Situation der mündlichen Verhandlung vor dem SG - nach dem "wirklichen Willen" (§ 133 BGB) der Beklagten, soweit aus dem Empfängerhorizont erkennbar (vgl BSG vom 26.1.1983 - 1 RA 11/82 - Juris RdNr 15, insoweit nicht in SozR 1300 § 31 Nr 3 abgedruckt) - anders zu verstehen war, als es ihr Wortlaut nahelegt. Denn möglich ist auch, dass die Übernahme von Taxikosten ohne Eigenbeteiligung für den Hin- und Rückweg zum Arbeitsplatz so lange zugesichert werden sollte, bis die Beklagte nach Begründung einer dauerhaften Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der dann gegebenen individuellen, wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten über Leistungen nach der KfzHV (§ 2 Abs 1)unter Festlegung eines ggf zu tragenden Eigenanteils (vgl dazu BSG SozR 3-5765 § 9 Nr 2)oder über Zuschüsse zu den Beförderungskosten nach der Härtefallregelung (§ 9 KfzHV; vgl BSG SozR 4-5765 § 9 Nr 1; BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 10)endgültig entscheiden würde. Bescheide solchen Inhalts hätten im Übrigen der Arbeitsanweisung der Deutschen Rentenversicherung (R9.8 zu § 9 KfzHV, Stand Dezember 2011) entsprochen. Für den Versicherten hätte dann Gewissheit bestanden, welche konkreten Mobilitätshilfen ihm bis zur Begründung eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses (nach Ablauf der Probezeit) zur Verfügung gestanden hätten. Dann hätte nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 16, 22)hinreichende Verlässlichkeit bestanden, mit welchem Aufwand an Zeit und Kosten er zum Arbeitsplatz hätte gelangen können. Das LSG wird daher Feststellungen zu treffen haben, wie die Erklärung der Beklagten vom 17.12.2008 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zu verstehen war.

34

Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Mobilität des Versicherten wiederhergestellt hat (zu den Anforderungen vgl Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob ein Arbeitsverhältnis bereits besteht oder zumindest konkret in Aussicht gestellt ist (so aber Sächsisches LSG vom 21.1.2003 - L 5 RJ 190/01; dem folgend SG Berlin vom 8.1.2008 - S 6 R 1224/06, beide in Juris). Ein solches Erfordernis widerspräche bereits dem Wortlaut von § 33 Abs 3 Nr 1 SGB IX, wonach Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben ua als Hilfen zur "Erlangung eines Arbeitsplatzes" erfolgen können. Auch die Härtefallregelung von § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KfzHV sieht Hilfen zur "Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit" vor. Dem Rehabilitationsrecht lassen sich keine rechtlichen Anhaltspunkte für die Sichtweise entnehmen, mit der Prüfung von Teilhabeleistungen müsse so lange zugewartet werden, bis der Versicherte zumindest eine konkrete Aussicht auf eine Erwerbstätigkeit hat. Dem stünde im Übrigen der aus § 9 Abs 1 S 2 SGB VI abgeleitete Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" entgegen(vgl Senatsurteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - mwN).

35

Weiter kann dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 23.6.2008 mit Gesetzes- und Verordnungsrecht im Einklang steht. Denn der Versicherte hat diesen Bescheid nicht angefochten, er ist mithin bindend geworden (§ 77 SGG). Aus diesem Grund können auch die weiteren Einwände der Klägerin offenbleiben. Wenn sie der Meinung ist, die Teilhabeleistungen seien ungeeignet oder dem Versicherten aus gesundheitlichen oder zeitlichen Gründen nicht zuzumuten gewesen, um die ausreichende Mobilität von der Wohnung bis an den Arbeitsplatz zu gewährleisten, hätte sie den Teilhabebescheid anfechten müssen. Das ist jedoch nicht geschehen.

36

Sollte das LSG nach Durchführung der nachzuholenden Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte die rentenrechtliche Wegefähigkeit des Versicherten nicht wiederhergestellt hat, so wird es weiter zu prüfen haben, ob der Unfallversicherungsträger als zuständiger Träger für gleichartige Leistungen (vgl Hirsch in LPK-SGB VI, 2. Aufl 2010, § 12 RdNr 3)einen entsprechenden Bescheid entweder über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 Abs 1 SGB VII iVm § 33 Abs 3 Nr 1 und 6, Abs 8 Nr 1 SGB IX) oder über ergänzende Leistungen zur Teilhabe (§ 39 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 40 SGB VII) erteilt hat, mit dem das Mobilitätsdefizit des Versicherten ab 1.1.2009 wirksam beseitigt worden sein könnte. Da nach den bindenden Feststellungen des LSG die volle Erwerbsminderung ab dem Tag des Arbeitsunfalls (20.6.2005) aufgrund eingeschränkter Wegeunfähigkeit eingetreten ist, wäre die - an sich vorrangige - Leistungszuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für Teilhabeleistungen zu prüfen (§ 12 Abs 1 Nr 1 SGB VI).

37

Das LSG wird abschließend über die gesamten Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG zu befinden haben(BSG SozR 5870 § 2 Nr 62 S 201 f).

(1) Soweit Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch ein familienrechtliches Rechtsverhältnis voraussetzen, reicht ein Rechtsverhältnis, das gemäß Internationalem Privatrecht dem Recht eines anderen Staats unterliegt und nach diesem Recht besteht, nur aus, wenn es dem Rechtsverhältnis im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs entspricht.

(2) Ansprüche mehrerer Ehegatten auf Witwenrente oder Witwerrente werden anteilig und endgültig aufgeteilt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.