Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Juli 2015 - L 17 U 138/15

bei uns veröffentlicht am09.07.2015
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 13 U 133/14, 25.02.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.02.2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.

II. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Verletztenrente.

Am 15.09.2011 hatte der Kläger auf dem Arbeitsweg einen Verkehrsunfall, bei dem ein nachfolgender Pkw auf den Pkw des Klägers auffuhr. Die Beklagte erkannte diesen Unfall im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Würzburg - SG - (Az. S 5 U 337/12) als Arbeitsunfall an. Nach Durchführung von Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts insbesondere durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens des Dr. F. vom 11.11.2013, eines HNOärztlichen Gutachtens des Dr. B. vom 12.11.2013 und eines chirurgischen Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 13.11.2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.12.2013 (Widerspruchsbescheid vom 12.05.2014) die Gewährung einer Rente ab.

Die dagegen erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 25.02.2015 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12.05.2014 verwiesen.

Ergänzend hat es ausgeführt, es folge in seiner Entscheidungsfindung den überzeugenden und in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. F., Dr. B. sowie Dr. B.. Danach bestünden auf diesen Fachgebieten keine dauerhaften Unfallfolgen, die mit einer messbaren MdE bewertet werden könnten. Darüber hinaus stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auf augenärztlichem Fachgebiet ebenfalls keine Unfallfolgen bleibender Art beim Kläger vorliegen. Dies ergebe sich zum einen aus dem augenärztlichen Befundbericht des Dr. R. vom 12.01.2012, wonach sich die Schielsymptomatik beim Kläger durch den Unfall nur zeitweilig verschlechtert habe, sowie aus dem Befundbericht vom 10.11.2011, wonach beim Kläger objektiv kein neuer Befund gegeben sei. Darüber hinaus ergebe sich aus einem Vergleich der Messwerte aus den Befundberichten der Universitätsaugenklinik W-Stadt vom 19.04.2012 mit denen vom 19.11.2010, dass diesbezüglich keine Verschlechterung objektiver Art beim Kläger vorliege.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ausgeführt, durch den Unfall seien neue Gesundheitsbeeinträchtigungen hinzugekommen, bereits vorhandene hätten sich verschlechtert. Der Kläger hat insbesondere vorgetragen, er leide seit dem Unfall unter ständigem Rauschen, Knacken und Pfeifen in beiden Ohren und im Kopf. Der Unfall habe zu einer Hörminderung, einem Tinnitus aurium, einer Zunahme der Schielsymptomatik, Schwindelanfällen, Übelkeit, Unsicherheit und Kopfschmerzen, Beschwerden der Wirbelsäule, permanentem Vorhofflimmern, Angststörung, Unwohlgefühl, Druck und unregelmäßigem Herzschlag sowie Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit geführt. Zum Beweis hat der Kläger auf diverse Arztberichte und Bescheinigungen verwiesen und die Zeugeneinvernahme der behandelnden Ärzte sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht angeregt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.02.2015 und den Bescheid vom 17.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund des Unfalls vom 15.09.2011 eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hatte unter dem 09.07.2014 einen weiteren Bescheid erlassen, mit dem sie die Übernahme der Kosten für die Hörgeräteversorgung des Klägers abgelehnt hat; die Rechtsbehelfsbelehrung:enthält den Hinweis, dass dieser Bescheid Gegenstand des laufenden Klageverfahrens gemäß § 96 SGG geworden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Die Berufung ist im Sinne einer Aufhebung des angegriffenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das SG auch begründet.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide vom 17.12.2013 und vom 12.05.2014 (Widerspruchsbescheid), entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung:der Beklagten aber - worauf das SG zutreffend hinweist - nicht der Bescheid vom 09.07.2014. Die hier verfahrensgegenständlichen Bescheide, mit denen die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat, werden durch den Bescheid vom 09.07.2014, mit dem die Beklagte die Kostenübernahme der Hörgeräteversorgung des Klägers abgelehnt hat, offensichtlich nicht im Sinne des § 96 SGG abgeändert oder ersetzt.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verletztenrente, dessen Zuerkennung er auch im erstinstanzlichen Verfahren (nur) begehrt hat. Nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - entgegen den Ausführungen im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils - ein Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen. Einen solchen Anspruch macht der Kläger ausweislich des im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Klageantrags nicht geltend. Über einen solchen Anspruch hat die Beklagte in den verfahrensgegenständlichen Bescheiden auch nicht entschieden. Sie hat lediglich die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 15.09.2011 abgelehnt und zu den Folgen des Unfalls nur im Rahmen der Begründung dieser Entscheidung Ausführungen gemacht. Eine Entscheidung über das Vorliegen eines Anspruchs nach § 102 SGB VII auf Feststellung von Unfallfolgen (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R juris Rn. 15-17) hat die Beklagte nicht getroffen. Insofern fehlt es bereits an einer verbindlichen Regelung im Sinne des § 31 SGB X.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung, das Urteil des SG aufzuheben und zurückzuverweisen, ist § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Das Verfahren vor dem SG leidet an einem wesentlichen Mangel, denn das SG hat den gesetzlichen Untersuchungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet und dadurch gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 S. 1 SGG) verstoßen.

Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich vorgetragen, dass mit dem Unfall neue Beeinträchtigungen zu bereits vor dem Unfall bestehenden Beeinträchtigungen hinzugetreten seien, und dass sich vorhandene Beschwerden massiv verschlimmert hätten. Er hat hierzu insbesondere auf die aktuellen Berichte bzw. Befunde der Dres. T., R., K. und Z. verwiesen. Auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren ärztlichen Befunde weisen auf die Möglichkeit einer durch den Unfall eingetretenen Verschlechterung hin. Zudem hat das SG selbst Ermittlungen durch Einholung von Arztberichten veranlasst. Es hat sich vom Kläger einen Fragebogen über medizinische Behandlung und Leistungsbezug ab 2012 sowie eine Erklärung der Entbindung von der Schweigepflicht, eine Erklärung der Entbindung von der Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht und in der Folge eine Reihe von Arztberichten (vgl. dazu die richterliche Verfügung vom 22.07.2014) übersenden lassen.

Aufgrund des Vortrags des Klägers und seiner eigenen Ermittlungen hätte sich das SG veranlasst sehen müssen, den medizinischen Sachverhalt durch Einholung von Gutachten weiter aufzuklären, um insbesondere auch die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers rechtlich würdigen zu können. Dies hat es jedoch unterlassen. Das SG beschränkt sich darauf, den Inhalt der eingeholten Befundberichte in narrativer Weise wiederzugeben; soweit es, was das augenärztliche Fachgebiet betrifft, in eine rechtliche Würdigung eintritt, ist diese fehlerhaft.

Das SG gibt den Inhalt der eingeholten Befundberichte zunächst im Tatbestand des Urteils in narrativer Weise wieder. Es stellt dort dar, was der D-Arzt Dr. S. in seinem Bericht bzw. Zwischenbericht ausgeführt habe, was einem neurologischen Befundbericht vom 20.10.2011 zu entnehmen sei, was der Augenarzt Dr. R. in seinen Befundberichten vom 12.01.2012 und 10.11.2011 ausgeführt habe, und welchen Verdacht Dr. T. in einem HNO-Befundbericht vom 13.02.2012 geäußerte habe. Welchen Erkenntniswert diese Wiedergabe für die Entscheidung des SG haben soll, erschließt sich dem Senat nicht. Eine rechtliche Würdigung des Inhalts der eingeholten Befundberichte in den Entscheidungsgründen findet nur in Bezug auf das augenärztliche Fachgebiet statt. Diese rechtliche Würdigung ist fehlerhaft. Sie zeigt, dass das SG den gesetzlichen Untersuchungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet und dadurch gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen hat.

Soweit das SG betreffend das augenärztliche Fachgebiet in eine rechtliche Würdigung eintritt, ist diese fehlerhaft. Der Arbeitsunfall des Klägers datiert vom 15.09.2011. Das SG geht davon aus, dass auf augenärztlichem Fachgebiet keine Unfallfolgen bleibender Art beim Kläger vorlägen und dass sich dies unter anderem aus dem augenärztlichen Befundbericht von Dr. R. vom 12.01.2012 ergäbe, wonach sich die Schielsymptomatik beim Kläger durch den Unfall zeitweilig verschlechtert habe, sowie aus dem Befundbericht vom 10.11.2011, wonach beim Kläger objektiv kein neuer Befund gegeben sei. Unklar bleibt, was bei der Würdigung des Befundberichts des Dr. R. vom 10.11.2011 (Telefax vom 10.11.2011, Bl. 48 der SG-Akte), der fast zwei Monate nach dem Unfall verfasst worden ist, als Vergleichsmaßstab diente. Hinzu kommt, dass in diesem Bericht nach der Bemerkung, es finde sich vom ophtalmologischen Befund her kein wesentlich neuer Befund, ausgeführt wird, die subjektive Veränderung halte er, Dr. R., noch mit dem prolongierten Schädel-Hirn-Trauma in Zusammenhang stehend. Unklar bleibt auch, was unter der im Befundbericht vom 12.01.2012 genannten zeitweiligen Verschlechterung zu verstehen ist und auf welchen Zeitpunkt als Vergleichsmaßstab hier abgestellt worden ist. Ferner verschweigt das SG, dass Dr. R. seiner Beurteilung im Befundbericht vom 12.01.2012, die Schielsymptomatik beim Kläger durch den Unfall nur zeitweilig verschlechtert habe, hinzufügt, der Winkel sei deutlich größer geworden als zu den ihm vorliegenden Vorbefunden. Zu beachten ist ferner, dass in einem Augenarztbericht vom 14.09.2012 (Professor Dr. S.) in Punkt 5.1 unter der Rubrik „Unfallbedingte Defekte und Krankheitszeichen“ eine ganze Reihe von medizinischen Fachbegriffen aufgezählt wird. Mit der vorgenommenen Würdigung der augenärztlichen Berichte, insbesondere auch in Bezug auf die Messwerte aus den Befundberichten der Universitätsaugenklinik W-Stadt vom 19.04.2012 mit denen vom 19.11.2010 und der Schlussfolgerung, dass diesbezüglich keine Verschlechterung objektiver Art beim Kläger vorliege, maßt sich das SG medizinische Fachkunde an. Jedenfalls benennt das SG nicht, auf der Grundlage welcher eigenen medizinischen Fachkunde (vgl. dazu BSG Beschluss vom 31.07.2013, B 5 R 53/13 B juris Rn. 15) es hierzu in der Lage war.

Das SG hätte sich nach alledem gedrängt fühlen müssen, die (nicht unsubstantiierte) Behauptung des Klägers, insbesondere seine Funktionseinschränkungen auf augenärztlichem Gebiet hätten sich verschlechtert, durch weitere Ermittlungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. In der Gesamtschau setzt die Beurteilung der Gesundheitsstörungen des Klägers insbesondere auf augenärztlichem Gebiet eine weitere Aufklärung voraus.

Zudem findet im Urteil des SG eine rechtliche Würdigung in Bezug auf die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten nicht statt, obwohl das SG seine Entscheidung auf diese Gutachten gestützt hat. Es gibt lediglich im Tatbestand seines Urteils den Inhalt dieser Gutachten auszugsweise weiter. Zu seinen Entscheidungsgründen merkt das SG lediglich an, das Gericht folge in seiner Entscheidungsfindung den überzeugenden und in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. F., Dr. B. sowie Dr. B.. Es bestünden auf nervenärztlichem, HNOärztlichem sowie chirurgischem Fachgebiet keine dauerhaften Unfallfolgen, die mit einer messbaren MdE bewertet werden könnten. Eine Würdigung der Gutachten findet nicht statt.

Unklar bleibt insbesondere, warum die HNOärztlichen Angaben, die die Hörverschlechterung und den Tinnitus als mögliche Folgen des Unfalls vom 15.09.2011 benennen, für die Zuerkennung einer MdE keine Rolle spielen. Das SG erwähnt nicht, dass es laut Befundbericht des HNO Arztes Dr. T. vom 13.02.2012 nach einem Schleudertrauma, welches der Kläger erlitten habe, durchaus zu einer Höheverschlechterung mit Tinnitus aurium kommen könne, so dass die vom Kläger geäußerten Beschwerden durchaus glaubhaft seien. Das SG setzt sich auch nicht damit auseinander, dass die Kreisklinik Bad N. mit Schreiben vom 24.01.2012 von einem prolongierten postkommotionellen Syndrom berichtet, das hier eventuell in Betracht zu ziehen sei, und der Bericht vom 12.04.2012 eine deutliche schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit in der Halswirbelsäule in allen Ebenen benennt. Inwieweit das prolongierte Schädel-Hirn-Trauma für den Episodenkopfschmerz in Betracht zu ziehen sei, könne derzeit noch nicht beantwortet werden.

Die beschriebenen Verfahrensmängel sind auch wesentlich, weil das Urteil des SG auf ihm beruhen kann (siehe dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rn. 3a). Hätte das SG den medizinischen Sachverhalt sachgerecht aufgeklärt, hätte es entgegen seiner getroffenen Entscheidung zu dem Ergebnis kommen können, dass unfallbedingte Gesundheitseinschränkungen des Klägers die Gewährung einer Versichertenrente begründen könnten.

Es ist beim gegenwärtigen Sachstand davon auszugehen, dass der vorliegende Verfahrensmangel eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich macht. Denn die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Bewilligung einer Verletztenrente hat, kann nicht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen entschieden werden. Vielmehr ist der Sachverhalt zunächst umfassend medizinisch durch Einholung eines oder mehrerer von Gerichts wegen eingeholter Gutachten aufzuklären, um letztendlich feststellen zu können, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung der zahlreichen vom Gericht eingeholten Arztberichte in einem rentenberechtigenden Maße gemindert ist.

Bei seiner Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll zwar die Ausnahme sein (Keller a.a.O. Rn. 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung und dem Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Instanz andererseits hält es der Senat jedoch vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen.

Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Berufung des Klägers erst seit 01.04.2015 und somit erst seit kurzer Zeit in der Berufungsinstanz anhängig ist und dem Kläger somit durch die Zurückverweisung kein wesentlicher zeitlicher Nachteil entsteht. Auch ist der Rechtsstreit aus den genannten Gründen nicht entscheidungsreif. Vielmehr ist zunächst der medizinische Sachverhalt von Amts wegen umfassend aufzuklären, um abschließend prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente beim Kläger (nunmehr) vorliegen. Im Übrigen haben die hierzu angehörten Beteiligten gegen eine Zurückverweisung keine Einwendungen erhoben.

Nach alledem fällt für den Senat der Umstand, dass dem Kläger durch eine Zurückverweisung an das SG eine Instanz zurückgegeben wird, wesentlich stärker ins Gewicht als die durch die Zurückverweisung eintretende kurze zeitliche Verzögerung im gerichtlichen Verfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Juli 2015 - L 17 U 138/15 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 159


(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,2. das Verfahren an einem wesent

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 102 Schriftform


In den Fällen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Vierten Buches wird die Entscheidung über einen Anspruch auf eine Leistung schriftlich erlassen.

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Bundessozialgericht Beschluss, 31. Juli 2013 - B 5 R 53/13 B

bei uns veröffentlicht am 31.07.2013

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juni 2012 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 05. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R

bei uns veröffentlicht am 05.07.2011

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt.

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(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

In den Fällen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Vierten Buches wird die Entscheidung über einen Anspruch auf eine Leistung schriftlich erlassen.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt.

Im Übrigen wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (nur noch) darüber, ob weitere Gesundheitsstörungen - ein Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, sowie ein Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung dieser Vene und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts - als Unfallfolgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 festzustellen sind.

2

Der Kläger leitete am 10.9.2003 eine Tauchgruppe auf der Insel G. Er betrat mit voller Tauchausrüstung nebst Kamera mit einem Gesamtgewicht von ca 40 bis 60 kg das Wasser. Als dieses mehr als knie-, aber noch nicht hüfttief war, trat er auf einen Stein und knickte um. Eine Rotations-Streckbewegung des rechten Knies erfolgte dabei nicht.

3

Der Durchgangsarzt Dr. K. führte am 13.9.2003 eine durchgangsärztliche Untersuchung durch und diagnostizierte eine Distorsion des rechten Knies (Durchgangsarztbericht vom 16.9.2003). Nach einer weiteren Untersuchung vom 23.9.2003 äußerte Dr. K. den Verdacht auf Innenmeniskusläsion. Es bestehe die Indikation zur Arthroskopie; Aufnahme und Operation wurden für den folgenden Tag vereinbart. Am 24.9.2003 wurde die Arthroskopie durchgeführt, "unter" der Diagnose einer degenerativen Innenmeniskusläsion. Intraoperativ hatte sich keine frische Läsion gefunden. Es lag ein isolierter Lappenriss des Innenmeniskus vor, also ohne Verletzungen der Kniebänder. Es wurde eine Innenmeniskushinterhornresektion durchgeführt. Im Operationsbericht vom 24.9.2003 heißt es, das Hinterhorn selbst habe aufgefaserte Strukturen gezeigt, sodass die klinische Diagnose bestätigt sei.

4

In der Folgezeit trat beim Kläger im rechten Bein eine Teilthrombosierung der Vena saphena parva bei Stammvarikosis mit Insuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans auf. Am 15.10.2003 erfolgte deshalb eine Operation. Hierbei wurden gleichzeitig radikuläre Varizen am linken Unterschenkel operativ entfernt. Am 10.11.2003 wurde der Kläger wegen akuter linksthorakaler Schmerzen und Dyspnoe stationär behandelt, dabei wurde ua eine Lungenembolie bei Oberschenkelthrombose links diagnostiziert.

5

Die Beklagte stellte im Bescheid vom 1.12.2004 als Folgen des Versicherungsfalls des Klägers vom 10.9.2003 eine "folgenlos ausgeheilte Kniedistorsion rechts mit Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für den Zeitraum 13. bis 27.9.2003" fest. Einen Anspruch auf Rente lehnte sie mangels einer MdE von mindestens 20 vH ebenso ab wie die Anerkennung weiterer Unfallfolgen. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10.3.2005 zurück, in dem sie den Gesundheitserstschaden als banale Distorsion des rechten Knies bezeichnete.

6

Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 6.10.2006 abgewiesen, weil keinerlei Unfallfolgen mehr festzustellen seien. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 15.6.2010 zurückgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Hinsichtlich des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion fehle es bereits an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis. Das Unfallereignis ohne entsprechende Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus sei nicht geeignet gewesen, einen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus zu verursachen. Dieses Ereignis habe nur zu einer folgenlos ausheilenden Distorsion des Kniegelenks führen können. Auch der Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforansvenenklappeninsuffizienz sei keine (mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003. Dabei hat das LSG offen gelassen, ob diese Gesundheitsstörungen Folgen der arthroskopischen Operation des rechten Kniegelenks sind. Es handele sich nicht um "mittelbare Unfallfolgen" iS von § 8 SGB VII bzw § 11 SGB VII, denn sie seien nicht bei Erkennung oder Behandlung von Folgen des Versicherungsfalls eingetreten. Auf die subjektive Sicht des Klägers, die Arthroskopie am rechten Kniegelenk sei wegen dort bestehender Unfallfolgen erforderlich gewesen, komme es entgegen dem BSG-Urteil vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) nicht an. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe mangels einer unfallbedingten MdE von mindestens 20 vH nicht.

7

Der Kläger rügt - nach Beschränkung seines Antrags - mit seiner Revision nur noch, dass das LSG von dem Urteil des BSG vom 24.6.1981 (2 RU 87/80, aaO) abgewichen sei und deshalb das Vorliegen von Unfallfolgen zu Unrecht verneint habe. Bereits die irrtümliche Annahme, die Arthroskopie sei wegen der Unfallfolgen durchgeführt worden, sei dafür ausreichend, eine mittelbare Unfallfolge zu bejahen.

8

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen LSG vom 15. Juni 2010 und das Urteil des SG Gießen vom 6. Oktober 2006 und die Ablehnung von Unfallfolgen im Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm einen Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts, einen Zustand nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 festzustellen.

9

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er ein Recht auf Verletztenrente nicht mehr verfolgt hat, ist unbegründet, soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge begehrt. Dieser Zustand ist keine Unfallfolge (im engeren oder im weiteren Sinn) des anerkannten Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 (hierzu unter 2.). Soweit er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit operativer Entfernung der Vena saphena parva rechts und eine Venenklappeninsuffizienz der mittleren Cockett'schen Vena perforans rechts als Folgen des Arbeitsunfalls vom 10.9.2003 begehrt, ist seine Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar sind diese Gesundheitsbeeinträchtigungen keine (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, da sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es dem Senat jedoch nicht möglich, abschließend darüber zu befinden, ob sie aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn festzustellen sind (im Einzelnen unter 3.).

11

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG war zulässig, ebenso die von ihm erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen.

12

Diese sind gemäß § 54 Abs 1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG geltend machen. Er kann wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 29/07 R - Juris RdNr 14; aA BSG vom 15.2.2005 - B 2 U 1/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 12 - Juris RdNr 13 zur Auslegung eines Antrags auf Verurteilung zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Feststellungsklage; vgl zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage für die Feststellung von Unfallfolgen Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15c, 51. Lfg, V/2011; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 20b).

13

Die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klagearten liegen vor. Insbesondere ist der Kläger auch klagebefugt (formell beschwert) iS des § 54 Abs 2 Satz 1 SGG, weil er möglicherweise in seinem Anspruch auf Erlass von Verwaltungsakten, die Unfallfolgen feststellen sollen, verletzt ist.

14

Die Rechtsordnung sieht die vom Kläger als verletzt geltend gemachten Rechte vor, nämlich Rechtsansprüche gegen den Unfallversicherungsträger auf Feststellungen von Unfallfolgen eines Arbeitsunfalls (und ggf einer Berufskrankheit; vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 15b, 51. Lfg, V/2011). Grundsätzlich kann ein Versicherter vom Träger den Erlass feststellender Verwaltungsakte über das Vorliegen eines Versicherungsfalls und ggf der diesem zuzurechnenden Unfallfolgen beanspruchen. Hierzu ist der Unfallversicherungsträger auch iS von § 31 SGB I hinreichend ermächtigt. Feststellbare Unfallfolgen sind solche Gesundheitsschäden, deren wesentliche (Teil-) Ursache der Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls war oder die einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind (dazu im Folgenden).

15

Anspruchsgrundlage für einen solchen Feststellungsanspruch eines Versicherten und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 SGB VII. Nach dieser Vorschrift wird in den Fällen des § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV "die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistung" schriftlich erlassen. Sie stellt nicht nur das Schriftformerfordernis für die in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV genannten Arten von Entscheidungen auf. Sie enthält zudem ausdrücklich die Erklärung, dass der Unfallversicherungsträger über einen Anspruch auf Leistung selbst "entscheiden" darf. Die Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers über das Bestehen/Nichtbestehen oder über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs aus dem SGB VII ist aber stets eine hoheitliche (= öffentlich-rechtliche) Maßnahme zur Regelung (dh gemäß § 31 SGB I: auch zur Feststellung eines Rechts) eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (hier: Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung) mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (hier: gegenüber einem Versicherten).

16

Diese Ermächtigungsnorm ist zugleich Anspruchsgrundlage für den Versicherten. Zwar ist § 38 SGB I nicht anwendbar, der speziell materiell-rechtliche Ansprüche auf Sozialleistungen, nicht Ansprüche auf den Erlass von Verwaltungsakten betrifft. § 102 SGB VII begründet aber einen solchen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil er nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen soll, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater; diesen Begünstigten verleiht er zudem die Rechtsmacht, vom Hoheitsträger die Befolgung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht rechtlich verlangen zu können (zu diesen Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechts BVerfGE 27, 297, 307 unter Bezugnahme auf Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, 42 ff, 224; BSGE 97, 63, 70 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1; BVerwGE 107, 215, 220 mwN). § 102 SGB VII soll als den Verwaltungsträger verpflichtende Befugnis auch den Interessen der durch einen Unfall gesundheitsbeschädigten Versicherten an einer raschen und rechtsverbindlichen Klärung dienen. Der Versicherte kann auch Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist (Aufgabenkreis des Trägers) und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind.

17

Ermächtigung und Anspruchsgrundlage erfassen aber nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelner Anspruchselemente. Nach der Systematik des SGB VII sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln, nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Unfallfolgen (§§ 7 bis 13 iVm §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind.

18

Hierzu gehört zuerst der Versicherungsfall. Durch ihn wird ein Gesundheitserstschaden (eine Gesundheitsbeeinträchtigung) einer bestimmten versicherten Tätigkeit und dadurch zum einen dem Versicherten zugerechnet, der (nur) unfallversichert ist, wenn und solange er eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Zum anderen wird der Gesundheitserstschaden einem bestimmten Unfallversicherungsträger zugerechnet, dessen Verbandszuständigkeit für diesen Versicherungsfall und alle gegenwärtig und zukünftig aus ihm entstehenden Rechte dadurch begründet wird. Es entsteht also mit der Erfüllung des Tatbestandes eines Versicherungsfalls ein als Rechtsverhältnis feststellbares Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Träger als Inbegriff aller aus dem Versicherungsfall entstandenen und möglicherweise noch entstehenden Ansprüche (vgl hierzu auch Spellbrink in Schulin , Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 24, S 441 ff).

19

Zweitens gehören zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen die (sog unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Drittens zählen hierzu auch die (sog mittelbaren) Unfallfolgen im weiteren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die nicht wesentlich durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden, aber diesem oder einem (behaupteten) Unfallereignis aufgrund einer besonderen gesetzlichen Zurechnungsnorm zuzurechnen sind.

20

Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall(iS der §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung.

21

Zugleich werden ggf die Grundlagen und Grenzen eines Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff SGB VII festgelegt. Ist der Unfallverletzte (wie im Regelfall) in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, bedarf es auch deshalb einer raschen verbindlichen Klärung des Vorliegens eines Versicherungsfalls und seiner Folgen, weil nach § 11 Abs 5 SGB V ein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen ausgeschlossen ist, wenn der Leistungsbedarf im Wesentlichen durch eine Unfallfolge (oder eine Berufskrankheitsfolge) verursacht wird.

22

Zudem eröffnet § 55 Abs 1 Nr 3 SGG eine Feststellungsklage, wenn die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist. Zwar kann von der prozessrechtlichen Möglichkeit einer solchen Klage auf gerichtliche Feststellung einer Unfallfolge nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass im materiellen Recht eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Versicherten gegen seinen Unfallversicherungsträger auf behördliche Feststellung einer Unfallfolge existiert. Diese besondere Rechtsschutzform weist aber (wie § 55 Abs 1 Nr 1 SGG für die Feststellung eines Versicherungsfalls) darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber ein schutzwürdiges Interesse der Versicherten an einer solchen Feststellung anerkennt.

23

Der Tatbestand der Ermächtigungs- und Anspruchsgrundlage des § 102 SGB VII, auf die der Kläger sich somit grundsätzlich berufen kann, setzt voraus, dass der Versicherte einen Versicherungsfall und, soweit die Feststellung von Unfallfolgen begehrt wird, weitere Gesundheitsschäden erlitten hat, die im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem (uU nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen sind.

24

In einem solchen in der Rechtsordnung vorgesehenen und ihm möglicherweise zustehenden Recht ist der Kläger durch die seine Feststellungsansprüche ablehnenden Entscheidungen der Beklagten möglicherweise verletzt, weil es nach seinem Vorbringen nicht ohne Sachprüfung ausgeschlossen ist, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsschäden Unfallfolgen sind.

25

Das Revisionsgericht hat somit, wie schon die Vorinstanzen, die Befugnis, über die mit der Revision weiter verfolgten Feststellungsansprüche gegen die Beklagte in der Sache zu entscheiden.

26

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion als Unfallfolge. Denn dieser Zustand ist weder eine (sog unmittelbare) Unfallfolge im engeren Sinne (sogleich unter a), noch eine (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinne, hier aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII (hierzu unter b).

27

a) Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls iS des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des (hier anerkannten) Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls (der Berufskrankheit) ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden. Die Beklagte hat den Erstschaden hier jedenfalls im Widerspruchsbescheid noch hinreichend als banale Distorsion des rechten Kniegelenks bestimmt.

28

Ob ein Gesundheitsschaden (hier: der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts) dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls (hier: der Kniegelenksdistorsion rechts) als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sog haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - Juris RdNr 12; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten.

29

Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.

30

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des Senats gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 15 ff mwN). Darauf ist hier nicht weiter einzugehen, da die Kniegelenksdistorsion rechts schon keine notwendige Bedingung des Zustandes nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts war.

31

Es fehlt bereits an einem Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen dem bindend anerkannten Erstschaden des Klägers, der Distorsion des Kniegelenks rechts, und dem Innenmeniskusschaden. Der Innenmeniskusschaden selbst war nicht als Gesundheitserstschaden oder als Unfallfolge im engeren Sinne anerkannt worden. Das Unfallereignis vom 10.9.2003, ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus, war keine Ursache für den Meniskusschaden im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war das Unfallereignis vom 10.9.2003 keine notwendige Bedingung für den Lappenriss des Innenmeniskushinterhorns des Klägers. Dem zu Grunde lag der vom LSG hinreichend klar festgestellte medizinische Erfahrungssatz, dass ein Umknicken ohne Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus bei einem intakten Meniskus keinen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus verursachen kann. Da nicht gerügt und nicht ersichtlich ist, dass das LSG diesen medizinischen Erfahrungssatz nach Verfahren und Inhalt falsch festgestellt hat, besteht kein Rechtsgrund für das Revisionsgericht, das Bestehen und den Inhalt dieses Erfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrensrüge selbst von Amts wegen zu prüfen (vgl hierzu auch BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - Juris RdNr 14 f).

32

b) Der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion ist auch nicht aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 als (sog mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinn zuzurechnen.

33

Nach § 11 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch solche Gesundheitsschäden (oder der Tod) eines Versicherten, die ua durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Durch diese Vorschrift werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall "auch" dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden (vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 1, 46. Lfg, III/10; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 3, 33. Lfg, April 2007). Anders als § 555 Abs 1 RVO setzt § 11 Abs 1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme etc ein "Unfall" vorliegt, sodass auch Gesundheitsstörungen ohne neues Unfallereignis erfasst werden(vgl nur Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII-Kommentar, § 11 RdNr 9; Stand August 2001). § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden. Aber auch diese gesetzliche Zurechnung, die an die Stelle einer fehlenden Zurechnung kraft Wesentlichkeit tritt, setzt voraus, dass die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes des § 11 SGB VII durch das (behauptete oder anerkannte) Unfallereignis notwendig bedingt war.

34

Diese Voraussetzungen sind beim Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion nicht erfüllt. Denn er war - wie ausgeführt - nicht notwendig bedingt durch den Gesundheitserstschaden, der durch das Unfallereignis verursacht worden war. Er ist zudem nicht durch eine Heilbehandlung iS von § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII und nicht durch eine zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII verursacht worden. Denn dieser Zustand ergab sich nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG aus der Operation eines nicht unfallbedingten, sondern degenerativen Gesundheitsschadens, der schon vor der Operation bestand.

35

3. Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des Zustands nach Thrombose der Vena saphena parva rechts mit deren operativer Entfernung und die Perforansvenenklappeninsuffizienz rechts als Unfallfolgen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

36

a) Zwar sind die vom Kläger geltend gemachten weiteren Erkrankungen keine Unfallfolgen im engeren Sinne, da sie nicht durch den Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls, die Kniegelenksdistorsion rechts, verursacht wurden. Denn diese war nach den Feststellungen des LSG schon keine notwendige Bedingung der degenerativen Innenmeniskushinterhornschädigung, durch deren Behandlung sie denkbarerweise vielleicht verursacht wurden. Unfallfolge im engeren Sinne kann aber nur ein Gesundheitsschaden sein, für den der Gesundheitserstschaden notwendige (und auf der zweiten Stufe dann auch wesentliche) Bedingung war.

37

Der Senat kann aber mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob diese Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII als (sog mittelbare) Unfallfolgen im weiteren Sinn dem anerkannten Arbeitsunfall vom 10.9.2003 zuzurechnen und festzustellen sind. Wären diese Gesundheitsschäden wesentlich durch die Erfüllung eines der Tatbestände des § 11 SGB VII verursacht und wären diese ihrerseits (nur) notwendig durch das Unfallereignis, das Umknicken am 10.9.2003, bedingt, so würden sie kraft Gesetzes dem anerkannten Versicherungsfall zugerechnet.

38

Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kommen nur die Zurechnungstatbestände (aa) der Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (§ 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII) oder (bb) die Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII) in Betracht. Bei beiden Zurechnungstatbeständen kommt es nicht zwingend darauf an, ob ein Versicherungsfall "objektiv" vorlag oder ein Heilbehandlungsanspruch "wirklich" nach materiellem Recht bestand (hierzu unter cc).

39

aa) Die Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII umfasst sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen im engeren Sinn. Dieser Zurechnungstatbestand setzt ausdrücklich nicht voraus, dass überhaupt ein Versicherungsfall objektiv vorliegt. Die Zurechnung erfolgt allein aufgrund der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Träger zur Sachverhaltsaufklärung angeordneten (nicht notwendig ärztlichen) Untersuchung. Die durch die Teilnahme wesentlich verursachten Gesundheitsschäden werden letztlich dem Versicherungsträger zugerechnet, der für die Aufklärung des behaupteten Unfallhergangs und zur Entscheidung über das Vorliegen/Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls und von Unfallfolgen verbandszuständig ist (vgl hierzu noch im Einzelnen unter 3. b, bb). Es kommt also grundsätzlich nur darauf an, ob eine solche Untersuchung gegenüber dem Versicherten angeordnet wurde und er an ihr teilgenommen sowie wesentlich dadurch Gesundheitsschäden erlitten hat.

40

bb) Die Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII liegt vor, wenn der Träger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme nach den §§ 26 ff SGB VII (nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform) bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur Teilnahme an einer solchen (diagnostischen oder therapeutischen) Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme des Trägers gemäß den Anordnungen der Ärzte und ihres Hilfspersonals teilnimmt. Auch hier beruht die gesetzliche Zurechnung auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger (oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Insbesondere kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Bewilligung oder Ansetzung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf (ermessensfehlerfreie Entscheidung <§ 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII> über die Bewilligung eines Anspruchs auf diese) Heilbehandlung bestand.

41

Auch insoweit dient die Vorschrift gerade dazu, im Ergebnis die Gleichbehandlung zwischen den Kranken- und Rentenversicherten, die durch ihre Teilnahme an Behandlungen und medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen nach § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 15a SGB VII sogar eine unfallversicherte Tätigkeit verrichten, und den Unfallversicherten herzustellen, die auf Veranlassung des Unfallversicherungsträgers an unfallversicherungsrechtlichen Sachverhaltsaufklärungs- oder Heilbehandlungsmaßnahmen teilnehmen. Allerdings bestimmt die Zurechnungsvorschrift nicht, dass die Teilnahme an solchen und anderen in § 11 SGB VII genannten Maßnahmen gleichfalls eine versicherte Tätigkeit ist oder ihr gleichsteht. Schon deshalb handelt es sich bei den Fällen des § 11 SGB VII nicht um sog kleine Versicherungsfälle, obwohl die Struktur dieser Zurechnung ihnen ähnlich ist, da sie nicht notwendig einen "ersten" Versicherungsfall voraussetzt.

42

cc) Bei den besonderen Zurechnungstatbeständen kommt es also, entgegen dem LSG, nicht notwendig darauf an, dass objektiv, dh aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne wirklich vorlagen. Erforderlich ist nur, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. In diesem Sinne muss nur das angenommene, behauptete oder gegebene Unfallereignis (bei einer Berufskrankheit: die Einwirkung) notwendige Bedingung der Durchführung der Untersuchungs- oder der Heilbehandlungsmaßnahme gewesen sein.

43

Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Zwar reicht die bloß irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer solchen Maßnahme teil, nicht aus, einen Zurechnungstatbestand zu erfüllen. Das hat im Übrigen der Senat in seiner vom LSG genannten und von der Revision im Wesentlichen angeführten Entscheidung vom 24.6.1981 (2 RU 87/80 - BSGE 52, 57, 60 = SozR 2200 § 555 Nr 5) auch nicht gesagt. Dort ging es ausdrücklich um eine vom Unfallversicherungsträger angeordnete Heilmaßnahme. Anders liegt es jedoch, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer für den Versicherten den Anschein (beim Erlass von Verwaltungsakten oder bei der Abgabe von Willenserklärungen auch den Rechtsschein) gesetzt haben, es solle eine solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden. Das ist der Fall, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte. Es kommt also nicht nur auf die "Innenseite" des Trägers und seiner Hilfskräfte an, sondern maßgeblich auch darauf, was wie gegenüber dem Versicherten verlautbart wurde. Denn dieser ist kein bloßes Objekt hoheitlicher Maßnahmen des Trägers; vielmehr setzt jede "Durchführung" einer Untersuchungs- oder Heilmaßnahme seine mitwirkende Teilnahme voraus.

44

b) Das LSG wird folglich zu ermitteln haben, ob die von Dr. K. am 23.9.2003 veranlasste und am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie und/oder die anschließende Resektion des Innenmeniskushinterhorns rechts Maßnahmen iS des § 11 Abs 1 Nr 1 oder Nr 3 SGB VII waren. Dabei hat es zwischen der Arthroskopie (aa) und der anschließenden Resektion (bb) zu unterscheiden. Lag objektiv bei beiden ärztlichen Maßnahmen keine Durchführung einer Heilbehandlung und keine Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts (oder des Vorliegens einer Unfallfolge) angeordneten Untersuchung vor, so ist zu prüfen, ob der Kläger - nach den soeben unter 3. a) cc) aufgezeigten Kriterien - aufgrund des Verhaltens des Durchgangsarztes nach Treu und Glauben berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die Behandlung/Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Durchführung einer Heilbehandlung iS des § 11 SGB VII durchgeführt wurde und er zur Mitwirkung daran aufgefordert war (hierzu unter c). Läge einer dieser Zurechnungstatbestände vor, so wäre schließlich ggf noch zu entscheiden, ob die Arthroskopie oder die Resektion die weiteren geltend gemachten Gesundheitsschäden (rechtsseitige Thrombosen etc) rechtlich wesentlich (mit-)verursacht haben (unter d).

45

aa) Die Tatsachenfeststellungen des LSG reichen nicht aus, abschließend zu entscheiden, ob die am 24.9.2003 durchgeführte Arthroskopie (zur Resektion sogleich unter bb) eine zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnete Untersuchung iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII war. Sie sind insoweit nicht eindeutig und in sich widersprüchlich. Zudem unterscheidet das LSG nicht zwischen der Arthroskopie und der anschließend durchgeführten Resektion.

46

Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils des LSG hatte Dr. K. wegen Verdachts auf Innenmeniskusläsion die Indikation zur Arthroskopie gestellt und Aufnahme und "Operation" des Klägers für den folgenden Tag vereinbart. Mit der diagnostischen Arthroskopie könnte der Durchgangsarzt gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII (der sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen umfasst) eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet haben. Denn Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls sind nicht nur, aber insbesondere ärztliche Untersuchungen darüber, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Versicherungsfalls vorliegen oder welche gesundheitlichen Folgen dieser hat (vgl BSGE 52, 16, 17), also insbesondere Untersuchungen zur Feststellung, ob ein Gesundheitserstschaden bzw welche Unfallfolgen vorliegen.

47

Die Anordnung muss nicht durch den Unfallversicherungsträger selbst, sondern kann auch durch einen Durchgangsarzt erfolgen (offengelassen in BSGE 52, 16, 17; so Keller in Hauck/ Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr 15, 46. Lfg, III/10; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2011, § 11 Anm 10 iVm 12.1; Rapp in LPK-SGB VII, 3. Aufl 2011, § 11 RdNr 9; Wagner in JurisPK-SGB VII, Stand 01/2009, § 11 RdNr 28).

48

Nach § 27 Abs 1 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(Vertrag gemäß § 34 Abs 3 SGB VII zwischen dem Hauptverband der gewerblichen BGen, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen BGen, dem Bundesverband der Unfallkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen in der ab 1.5.2001 geltenden Fassung, HVBG-Info 2001, 755) beurteilt und entscheidet der Durchgangsarzt, ob eine allgemeine Heilbehandlung nach § 10 dieses Vertrags oder eine besondere Heilbehandlung nach § 11 SGB VII erforderlich ist. Er erstattet dem Unfallversicherungsträger unverzüglich den Durchgangsarztbericht gemäß § 27 Abs 2 des Vertrags.

49

Soweit ein Durchgangsarzt in dieser Funktion zur Feststellung von Art und Ausmaß der Gesundheitsstörungen eines Unfallereignisses eine weitere Untersuchung anordnet, ist dies jedenfalls eine Anordnung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls iS des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII. Soweit er selbst zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt mit dem Unfallversicherungsträger tätig wird, kann es sich um die Durchführung einer Heilbehandlung handeln (dazu unten).

50

Insofern kann der Senat jedenfalls zum Zwecke der Prüfung der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII auch offenlassen, wie die Rechtsbeziehung zwischen dem Durchgangsarzt und dem Unfallversicherungsträger im Einzelnen öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist(vgl nur Pross, Zum Rechtsverhältnis zwischen Durchgangsarzt und Berufsgenossenschaft, 1972; hierzu hat insbesondere die zivilrechtliche Rechtsprechung zum Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 GG geklärt, wann der Durchgangsarzt in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt; vgl BGH, Urteil vom 28.6.1994, VI ZR 153/93 = VersR 1994, 1195; Urteil vom 9.12.2008, VI ZR 277/07 - BGHZ 179, 115 = VersR 2009, 401; BGH, Urteil vom 9.3.2010, VI ZR 131/09 = VersR 2010, 768). Denn das Handeln des Durchgangsarztes im Rahmen der Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 SGB VII muss sich der Unfallversicherungsträger grundsätzlich zurechnen lassen.

51

Die hierzu fehlenden Feststellungen sind nicht deshalb unerheblich, weil das LSG in seinem Urteil auch ausgeführt hat, dass die Arthroskopie "unter der Diagnose" einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion durchgeführt worden sei. Weiterhin ging das LSG davon aus, dass die operativen Eingriffe ausschließlich der operativen Heilbehandlung der degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion nach bereits vorbestehender klinischer Diagnostik gedient hätten. Offen blieb hierbei aber, wer zu welchem Zeitpunkt die Diagnose einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion gestellt hat. Unklar bleibt nach den Feststellungen des LSG auch, ob diese Diagnose bereits vor Beginn der Arthroskopie oder der Resektion erfolgt ist.

52

Ferner ist nicht festgestellt oder ersichtlich, dass eine ggf erfolgte Anordnung einer diagnostischen Arthroskopie dem Kläger gegenüber widerrufen worden wäre. Das LSG wird deshalb Dr. K. zu den Umständen und seinen Anordnungen im Rahmen der am 23.9.2003 erfolgten Untersuchung des Klägers zu befragen haben. Maßgebend für das Vorliegen des besonderen Zurechnungstatbestands des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII sind dabei die Anordnungen und sonstigen dem Versicherten gegenüber vorgenommenen Verhaltensweisen des konkret die Operation ankündigenden und durchführenden Dr. K., der durch sein dem Unfallversicherungsträger zurechenbares Handeln den Tatbestand des § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII eröffnen kann. Entscheidend ist insoweit die dem Versicherten verdeutlichte ärztliche Handlungstendenz des Durchgangsarztes vor Durchführung der Maßnahme. Die Handlungstendenz muss darauf gerichtet gewesen sein, Unfallfolgen zu erkennen bzw zu behandeln (vgl Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr 12, 33. Lfg, April 2007). Die "objektive", nachträgliche Einschätzung eines diagnostischen und therapeutischen Zusammenhangs der Operation mit einem bereits bestehenden degenerativen Schaden durch einen unbeteiligten Arzt (wie sie das LSG durch Dr. A. eingeholt hat), ist in diesem rechtlichen Zusammenhang unbeachtlich.

53

Maßgeblich ist mithin auch, ob und ggf welche Erklärungen Dr. K. über seine Handlungstendenz gegenüber dem Kläger abgegeben hat. Dies wird das LSG noch im Einzelnen durch Befragung des Dr. K. und des Klägers zu ermitteln haben. Hierbei wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG erklärt hat, dass die Arthroskopie vom Durchgangsarzt als BG-Heilbehandlung angeordnet worden ist.

54

bb) Der Senat kann ebenso nicht abschließend darüber entscheiden, ob es sich bei der im Zusammenhang mit der Arthroskopie durchgeführten Hinterhornresektion um eine Heilbehandlung iS des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII gehandelt hat. Auch hierzu wird das LSG Dr. K. zu befragen haben. Als Durchgangsarzt könnte Dr. K. als Leistungserbringer für den Unfallversicherungsträger gemäß § 26 Abs 5 Satz 1 SGB VII im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung bestimmt und mit der Festlegung der Behandlung den Naturalleistungsanspruch des Klägers konkretisiert haben.

55

Der Durchgangsarzt ist nach § 27 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger(aaO) ermächtigt, mit Wirkung für den Unfallversicherungsträger über die erforderliche Behandlungsmaßnahme zu entscheiden (vgl Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 34 RdNr 7; vgl Benz in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 26 RdNr 50; vgl auch Stähler in JurisPK-SGB VII, § 28 RdNr 14 ff). Dies gilt insbesondere auch für die Einleitung eines sog besonderen Heilverfahrens gemäß §§ 34 Abs 1 Satz 3, 28 Abs 4 SGB VII für Versicherungsfälle, für die wegen ihrer Art oder Schwere besondere unfallmedizinische Behandlung angezeigt ist. Insofern ist hier auch aufzuklären, ob Dr. K. die Resektion dem Kläger (und ggf auch der Beklagten) gegenüber als von der Arthroskopie im Wesentlichen untrennbare Maßnahme der (allgemeinen oder besonderen) berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung dargestellt bzw "bewilligt" hat, ohne den Kläger insofern auf die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei ist auch zu prüfen, ob Dr. K. gegenüber dem Kläger bereits vor der Operation klargestellt hat, dass diese ausschließlich nicht unfallbedingt durchgeführt werde, da die Diagnose eines unfallunabhängigen degenerativen Meniskusschadens gestellt worden sei.

56

Denkbar ist nach den Mitteilungen des LSG schließlich auch, dass Dr. K. dem Kläger gegenüber (vor oder während der Operation) eine unfallbedingte Arthroskopie klar von der anschließenden nicht unfallbedingten Resektion getrennt hat. Eine derartige Trennung könnte ggf die diagnostische Heilbehandlung auf die Arthroskopie beschränkt haben, sodass die Resektion keine Heilmaßnahme gewesen wäre und ggf ausschließlich aus der Resektion folgende Gesundheitsschäden (zu der ggf notwendigen Differenzierung der durch die Arthroskopie und die Resektion wesentlich verursachten Gesundheitsschäden siehe unter d) nicht zugerechnet würden. Wird vom Durchgangsarzt für den Versicherten klar und eindeutig abgrenzbar ein zusätzlicher Eingriff zur Behebung eines - von vornherein als solches bezeichneten - unfallunabhängigen Leidens vorgenommen, so können die aus diesem Eingriff resultierenden Folgen nicht mehr dem ersten Unfallereignis zugeordnet werden (vgl BSG vom 30.10.1991 - 2 RU 41/90 und BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 34/92).

57

c) Das LSG wird auch deshalb eine genaue Ermittlung der Umstände und Anordnungen anlässlich der Untersuchung des Klägers am 23.9.2003 vorzunehmen haben, weil der Kläger - wie bereits ausgeführt - seine Revision im Wesentlichen unter (unzutreffender) Berufung auf ein Urteil des Senats zu § 555 RVO(BSGE 52, 57 = SozR 2200 § 555 Nr 5) darauf stützt, er sei jedenfalls subjektiv der Überzeugung gewesen, die Operation finde im Rahmen einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung statt.

58

§ 11 SGB VII setzt zwar - wie aufgezeigt - nicht notwendig voraus, dass ein Versicherungsfall oder auch nur ein Unfallereignis oder ein unfallbedingter Gesundheitsschaden objektiv vorliegen. Andererseits kann aber die bloß subjektive, irrige Vorstellung, eine Untersuchung oder Behandlung werde im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung angeordnet oder durchgeführt, den spezifischen Zurechnungszusammenhang der Tatbestände des § 11 SGB VII nicht auslösen.

59

Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII kann aber auch dann erfüllt sein, wenn der Leistungsträger oder der insofern ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt (hierzu bereits soeben unter 3. b) bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder auch den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde. Das ist stets der Fall, wenn ein vernünftiger, "billig und gerecht" denkender Versicherter aufgrund des Verhaltens des Unfallversicherungsträgers (bzw seiner Organe) und der Durchgangsärzte davon ausgehen durfte, er sei aufgefordert oder ihn treffe die Obliegenheit gemäß §§ 62, 63 SGB I, an der Maßnahme mitzuwirken (zum Prüfmaßstab bereits oben 3. a, cc).

60

d) Die Voraussetzungen der Zurechnungstatbestände des § 11 Abs 1 Nr 1 und/oder Nr 3 SGB VII können also gegeben sein, wenn das LSG zu der Feststellung gelangt, dass die Arthroskopie als Untersuchungsmaßnahme gemäß § 11 Abs 1 Nr 3 SGB VII bzw die Resektion als Heilbehandlung gemäß § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VII vom Durchgangsarzt der Beklagten zurechenbar angeordnet worden ist. Schließlich können diese Zurechnungstatbestände auch dann vorliegen, wenn die Beklagte (oder der für sie handelnde Durchgangsarzt) dem Kläger als rechtstreuen Versicherten gegenüber den objektivierbaren Anschein oder Rechtsschein gesetzt hat, dass die Untersuchung bzw Operation im Rahmen der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit durchgeführt werde.

61

Gelangt das LSG in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren zu der Überzeugung, dass einer dieser Tatbestände des § 11 SGB VII vorliegt, so wird es abschließend festzustellen haben, ob die Durchführung der Heilmaßnahme/Untersuchung die wesentliche Ursache der als Unfallfolgen im weiteren Sinne geltend gemachten Gesundheitsschäden ist. Bislang hat es das LSG - von seiner Rechtsansicht her folgerichtig - unterlassen, festzustellen, ob die geltend gemachten Gesundheitsschäden rechtlich wesentlich (überhaupt und ggf auf welche dieser beiden Maßnahmen) auf die Arthroskopie oder die Resektion zurückzuführen sind. Dabei wird zum einen - je nachdem, welcher Zurechnungstatbestand ggf vorliegt - zu ermitteln sein, ob die Gesundheitsschäden, insbesondere die Thrombose der Vena saphena parva rechts, durch die Arthroskopie oder die Innenmeniskushinterhornresektion (oder durch beide) notwendig verursacht wurden. In diesem Zusammenhang sind ggf auch (im Blick zB auf die Stammvarikosis etc) Feststellungen erforderlich, ob und welche weiteren Gesundheitsstörungen beim Kläger vorliegen, die uU ebenfalls notwendige Ursachen waren. Ggf ist die rechtliche Wesentlichkeit der notwendigen Ursachen zu beurteilen (siehe oben).

62

Das LSG wird in der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

2

Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren waren erfolglos (Bescheid vom 28.3.2006; Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006; Urteil des SG Berlin vom 12.1.2009). Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger mehrfach auf die bei ihm bestehenden, sich verschlimmernden psychischen Störungen - zB Angstneurose, massive Schlafstörungen, Depressionen - hingewiesen und die Einholung eines neuro-psychiatrischen Gutachtens gefordert (ua Schreiben vom 23.6.2011, 14.9.2011, 21.9.2011, "31".9.2011 und 17.2.2012). Mit Schreiben vom 5.10.2011 hat der Kläger die im Verfahren S 40 SB 741/10 (SG Berlin) von dem dortigen Beklagten überreichte psychiatrische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie B. vom 14.9.2011 - Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin - vorgelegt. Dieser ist unter Auseinandersetzung mit dem Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. vom 9.8.2011 und der Beurteilung der psychologischen Psychotherapeutin Ba. sowie der Diplom-Psychologin Z. vom 23.8.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass aus den vorliegenden Befunden keine wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hervorgingen, dies aber nach Aktenlage auch nicht auszuschließen sei und sich bei einer Begutachtung herausstellen könnte.

3

In der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2012 hat der Kläger ausgeführt, er frage sich nach wie vor, warum kein neuro-psychiatrisches Gutachten eingeholt worden sei.

4

Mit Urteil vom 15.6.2012 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Für die Einholung eines Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehe kein Anlass. Die psychischen Leiden des Klägers seien vielmehr aufgrund des Sachverständigengutachtens Dr. Wo. vom 19.9.2006 und des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters N. vom 14.9.2004 geklärt. Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung des psychischen Leidens des Klägers lägen nicht vor. Der Kläger habe erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens eine neuro-psychiatrische Begutachtung verlangt, ohne vorzutragen, worin genau sein psychisches Leiden bestehen bzw inwieweit sich ein solches verschlimmert haben könnte. Auch ließen die von den Sachverständigen Dr. S. sowie Prof. Dr. Sp. Ärzte für Orthopädie und Rheumatologie - erhobenen Anamnesen anlässlich der am 2.10.2007 bzw 16.5.2011 durchgeführten ambulanten Untersuchungen keine Rückschlüsse auf psychisch-neurologisch bedingte Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund sozialer Zurückgezogenheit und Kontaktarmut zu. Ebenso wenig ergäben sich aus den im Schwerbehindertenverfahren S 40 SB 741/10 eingeholten Befundberichten Anhaltspunkte für eine rentenberechtigende Verschlimmerung des psychischen Leidens.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf eine Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG und einen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG.

6

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

7

Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG hat § 103 SGG verletzt, weil es einem Beweisantrag des Klägers ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

8

Der Kläger hat einen ordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten.

9

War der Beschwerdeführer in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen (BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733). Ein unvertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag nur sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11).

10

Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt.

11

Er hat mehrfach schriftlich darauf hingewiesen, dass er unter psychischen Störungen - zB Angstneurose, Schlafstörungen, Depressionen - leide und die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gefordert (vgl ua Schreiben vom 23.6.2011, 14.9.2011, 21.9.2011, "31".9.2011 und 17.2.2012). Mit seiner in der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2012 abgegebenen Erklärung "Ich frage mich nach wie vor, warum kein neuro-psychiatrisches Gutachten eingeholt worden ist." hat der Kläger der Tatsacheninstanz auch unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen geführt, dass er die Sachaufklärungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Unter Berücksichtigung seiner schriftlich dargelegten Gesundheitsstörungen auf psychischem Fachgebiet hat der nicht rechtskundig vertretene Kläger zudem hinreichend deutlich gemacht, welche konkreten Tatsachen aufzuklären sind.

12

Das LSG ist diesem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt.

13

Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Berufungsgericht objektiv im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu weiterer Sachaufklärung gehalten war, wenn es sich also von seinem Rechtsstandpunkt aus zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (zB BSG Beschlüsse vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 5 und vom 7.4.2011 - B 9 VG 16/10 B - Juris RdNr 14, jeweils mwN).

14

Dies ist zu bejahen.

15

Für das LSG war das Ausmaß der Gesundheitsstörungen des Klägers und die hierdurch bedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit entscheidungserheblich. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt durfte es das psychische Leiden des Klägers nicht aufgrund von neurologisch-psychiatrischen Gutachten aus den Jahren 2006 (Dr. Wo.) und 2004 (N.) als geklärt ansehen, nach denen der Kläger damals unter einer Anpassungsstörung bei sozialer Belastungssituation, Mischkopfschmerz bei Migräne und Spannungskopfschmerz, einem Wurzelreizsyndrom S1 rechts, einer Persönlichkeitsakzentuierung und allenfalls einer leichten Herzphobie (Dr. Wo.) bzw lediglich Durchschlafstörungen und Kopfschmerzen (N.) litt. Demgegenüber beschreibt die Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. in dem im Schwerbehindertenverfahren S 40 SB 741/10 (SG Berlin) eingeholten Befundbericht vom 9.8.2011 eine rezidivierende Depression des Klägers, die sie in der Ausprägung als somatoforme Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einschätzt. Zwar vermag nach Auffassung des LSG ua der Befundbericht der Ärztin Dr. W. die abweichenden Diagnosen des Sachverständigen Dr. Wo. nicht zu entkräften, weil er keine konkret erhobenen Befunde angebe, die den Schluss auf ein bestimmtes Leiden rechtfertigten, und sich dem Bericht zudem Äußerungen zu rentenrechtlich bedeutsamen Funktionsbeeinträchtigungen nicht entnehmen ließen. Dass der Befundbericht vom 9.8.2011 keine konkret erhobenen Befunde und keine Funktionsbeeinträchtigungen beschreibt, bedeutet indes nicht, dass solche nicht vorhanden sind. Schon deshalb vermag die Schlussfolgerung des LSG, es bestünde kein Anlass zu weiteren Ermittlungen, nicht zu überzeugen. Dies gilt umso mehr, als der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie B. in seiner Stellungnahme vom 14.9.2011 unter Auswertung der Befundberichte Dr. W. sowie der psychologischen Psychotherapeutin Ba. und der Diplom-Psychologin Z. ausgeführt hat, nach Aktenlage seien wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht auszuschließen und könnten sich bei Begutachtung herausstellen. Angesichts dieser fachkundigen Einschätzung lassen auch die Anamneseerhebungen der Orthopäden und Rheumatologen Dr. S. und Dr. Sp., die nach Auffassung des LSG keine Anhaltspunkte für psychiatrisch-neurologische Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers enthalten, die Klärungsbedürftigkeit seines psychischen Leidens nicht entfallen, zumal das LSG nicht darstellt, woraus es seine Fachkunde bezieht.

16

Die angefochtene Entscheidung kann auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Begutachtung des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ergibt, dass dieser an einem psychischen Leiden erkrankt ist, das seine Erwerbsfähigkeit in einem rentenberechtigenden Ausmaß einschränkt.

17

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das LSG auch den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.

18

Zur Vermeidung einer zeitlichen Verzögerung hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (§ 160a Abs 5 SGG).

19

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn

1.
dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden,
2.
das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

(2) Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, seiner Entscheidung zugrunde zu legen.