vorgehend
Sozialgericht München, S 48 SF 439/17 E, 02.11.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.11.2017, Az.: S 48 SF 439/17 E wird aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 08.08.2015, L 7 AS 551/14 B ER, entschied der Senat über die Beschwerde der damaligen Antragsteller bzw. Beschwerdeführer und jetzigen Erinnerungsführer (künftig: E) über den Beschluss des Sozialgerichts München vom 07.07.2014, S 48 AS 1555/14 ER in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mit dem die E höhere Leistungen nach dem SGB II begehrten. In Ziffer III. des Beschlusses vom 08.08.2015, L 7 AS 551/14 B ER, bewilligte der Senat den E Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung für das Beschwerdeverfahren.

Mit Beschluss vom 08.08.2017, L 7 AS 551/14 B ER (S 48 AS 1555/14 ER), hob die Kostenbeamtin am Sozialgericht München die unter Ziffer III. des Beschlusses des Bayer. Landessozialgerichts vom 08.08.2014, L 7 AS 551/14 B ER, erfolgte Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf. Die E hätten eine wesentliche Änderung der persönlichen Verhältnisse nicht mitgeteilt, nämlich die Heirat der E zu 1).

Nachdem die E entsprechend der Rechtsmittelbelehrunggegen den Beschluss der Kostenbeamtin am Sozialgericht München vom 08.08.2017, L 7 AS 551/14 B ER (S 48 AS 1555/14 ER) Erinnerung zum Sozialgericht München eingelegt hatten, hörte der zuständige Richter am Sozialgericht München die Beteiligten zu einer Verweisung an das Bayer. Landessozialgericht gemäß § 98 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wegen funktioneller Unzuständigkeit an. Das Sozialgericht München sei nicht befugt, über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der durch das Bayer. Landessozialgerichts mit Beschluss vom 08.08.2015 bewilligten PKH zu entscheiden. Vielmehr sei in einem solchen Fall als „das Gericht“ im Sinne von § 73a Abs. 8 SGG das Gericht anzusehen, das ursprünglich PKH gewährt habe, hier also das Bayer. Landessozialgericht.

Nach erfolgter Anhörung verwies der zuständige Richter am Sozialgericht München mit Beschluss vom 02.11.2017 „das Erinnerungsverfahren“ an das Bayer. Landessozialgericht gemäß § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Das Sozialgericht sei funktional unzuständig.

II.

Der Verweisungsbeschluss wird aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.

Instanziell zuständig für die Entscheidung über die Erinnerung gegen die Entscheidung der Kostenbeamtin am Sozialgericht München ist die dafür zuständige Kammer am Sozialgericht München. Denn mit der Erinnerung gemäß § 73a Abs. 8 SGG wenden sich die E gegen eine Entscheidung einer Kostenbeamtin am Sozialgericht München. Zuständig für die Überprüfung der Entscheidung der Kostenbeamtin am Sozialgericht München ist gemäß § 73a Abs. 8 SGG „das Gericht“, also das Gericht, dem die Kostenbeamtin angehört, und damit das Sozialgericht München.

Das Landessozialgericht ist auch nicht durch den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts zuständig geworden. Eine Bindungswirkung gemäß § 98 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG ist wegen Willkür der Verweisung nicht eingetreten (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 05.01.2012, B 12 SF 4/11 S Rz. 26).

Grundsätzlich ist ein Verweisungsbeschluss zwar gemäß § 98 SGG iVm 17a Abs. 2 GVG bindend, unabhängig davon, ob der Verweisungsbeschluss rechtswidrig ist und prozessuale oder materielle Vorschriften verletzt wurden (BSG, Beschluss vom 18.07.2012, B 12 SF 5/12 S Rz 5). Ausnahmsweise kommt jedoch einem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht (BSG aaO Rz 6). Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BSG aaO Rz 6).

So liegt der Fall hier.

Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und damit willkürlich ist die Begründung des Verweisungsbeschlusses mit der Unzuständigkeit der Kostenbeamtin.

Derr Richter hat hier verwiesen, ohne seine eigene Zuständigkeit als Gericht überhaupt zu prüfen.

Vielmehr hat er die Verweisung damit begründet, dass die Kostenbeamtin, deren Entscheidung er hätte überprüfen müssen, für ihre Entscheidung nicht zuständig gewesen sei. Dies ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar.

Ein Erinnerungsverfahren dient im Übrigen stets dazu, ein in einer Instanz einmal begonnenes Verfahren gerade auch innerhalb dieser Instanz zu halten. Erinnerungsverfahren und Verweisungen wegen instanzieller Unzuständigkeit an ein höheres Gericht schließen sich daher schon wegen der Struktur eines Erinnerungsverfahrens aus.

Im Ergebnis ist der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts München aufzuheben und die Sache an das instanziell zuständige Sozialgericht München zurückzuverweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Zivilprozessordnung - ZPO | § 124 Aufhebung der Bewilligung


(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn 1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;2. die Partei ab

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 98


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

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Bundessozialgericht Beschluss, 18. Juli 2012 - B 12 SF 5/12 S

bei uns veröffentlicht am 18.07.2012

Tenor Das Sozialgericht Berlin wird zum zuständigen Gericht bestimmt. Gründe 1 I.

Bundessozialgericht Beschluss, 05. Jan. 2012 - B 12 SF 4/11 S

bei uns veröffentlicht am 05.01.2012

Tenor Das Sozialgericht Berlin wird zum zuständigen Gericht bestimmt. Gründe 1 I.

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(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn

1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat;
3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.

(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Tenor

Das Sozialgericht Berlin wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein selbstständiger Apotheker, von der beklagten Krankenkasse die Rückzahlung von auf verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel entrichteten Abschlägen in Höhe von 50 610 Euro verlangen kann. Diese Fertigarzneimittel hatte er im Jahr 2009 an Versicherte der Beklagten und der IKK Niedersachsen, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, abgegeben. Das angerufene SG Hildesheim hat sich nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 28.2.2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen: Streitgegenstand sei die Vergütung für Arzneimittel auf der Basis eines auf Bundesebene gemäß § 129 SGB V abgeschlossenen Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung. Nach § 57a Abs 4 SGG in der ab 1.4.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) sei auch für das vorliegende Verfahren das SG Berlin örtlich zuständig als das SG, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz habe. An dieser Zuständigkeit ändere nichts, dass nach dem Inhalt der Klageschrift nicht unmittelbar Regelungen des nach § 129 SGB V abgeschlossenen Rahmenvertrags streitig seien, sondern die Reduzierung eines Vergütungsanspruchs nach § 130 SGB V. § 57a Abs 4 SGG nF erfasse nämlich alle Streitigkeiten, die aus rechtlichen Beziehungen hervorgingen, welche durch solche Verträge auf Bundesebene begründet würden.

2

Mit Beschluss vom 20.5.2011 hat sich das SG Berlin ebenfalls nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt, weil die Verweisung des SG Hildesheim willkürlich sei bzw auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe und deshalb nicht binde.

3

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Es ist als gemeinsam nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Hildesheim und dem SG Berlin berufen, nachdem das SG Hildesheim seine örtliche Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen hat, dieses Gericht sich jedoch ebenfalls nicht für örtlich zuständig hält, sondern weiterhin das SG Hildesheim mangels Bindungswirkung als zuständig ansieht. Das SG Berlin konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 8).

4

Zum zuständigen Gericht ist das SG Berlin zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Hildesheim vom 28.2.2011 gebunden ist.

5

Gemäß § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist (gerade) nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG.

6

Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss nur dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (stRspr; vgl BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, sowie BVerfG Kammerbeschluss vom 19.12.2001 1 BvR 814/01, NVwZ-RR 2002, 389; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009, B 12 SF 7/09 S, vom 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S und vom 3.12.2010, B 12 SF 7/10 S). Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung in dem aufgezeigten Zusammenhang erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art 3 Abs 1 GG verletzt (vgl BVerfG, aaO). Für eine abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts in Anwendung dieser strengen Maßstäbe, die das BSG in seiner Rechtsprechung ausgeformt hat, ist vorliegend kein Raum.

7

Das SG Hildesheim ist aufgrund seiner Auslegung des § 57a Abs 4 SGG nF zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Verfahren diese Vorschrift die örtliche Zuständigkeit regelt und danach das SG am Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das SG Berlin, zuständig sei. Bei seiner Entscheidung für die Anwendung des § 57a Abs 4 SGG hat es die dem Entwurf der Neufassung des § 57a SGG von der Bundesregierung beigegebene Begründung herangezogen(BR-Drucks 820/07 S 20) und sich außerdem auf einen Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 7.1.2009 (L 4 B 75/08 KR) zu § 57a Abs 3 SGG nF(betreffend einen Landesvertrag) gestützt. Das SG Hildesheim hat darüber hinaus auch die gegenteilige Auffassung in den Blick genommen und im Hinblick auf deren Auswirkungen in der Gerichtspraxis den Schluss gezogen, dass ein "differenzierendes Verständnis von § 57a SGG" seiner Meinung nach dem gesetzgeberischen Willen einer klaren Zuständigkeitsregelung widersprechen würde. Auch hinsichtlich der Auswahl des örtlich zuständigen Gerichts - in Anwendung des § 57a Abs 4 SGG nF - hat sich das SG Hildesheim eine Überzeugung gebildet und die von ihm angenommene umfassende Zuständigkeit des SG am Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für alle Rechtsstreitigkeiten, die auf Verträgen auf Bundesebene beruhen, mit dem Willen des Gesetzgebers begründet und hierzu - ebenfalls - auf den oben genannten Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen verwiesen.

8

Das vom SG Hildesheim zugrunde gelegte Normverständnis und seine darauf gegründete Entscheidung können nach dem einschlägigen Prüfungsmaßstab - entgegen der vom SG Berlin vertretenen Auffassung - methodisch nicht von vornherein als mit dem Gesetz "eindeutig" unvereinbar angesehen werden. Sein Verweisungsbeschluss ist damit nicht willkürlich und missachtet auch nicht erkennbar elementare Verfahrensgrundsätze. Auch ist weder der Begründung des Verweisungsbeschlusses noch den sonstigen Umständen zu entnehmen, dass die Verweisung auf einem unsachlichen Verhalten beruht haben könnte. Allein eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung des § 57a Abs 4 SGG nF durch das SG Hildesheim wäre nicht geeignet, die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses zu beseitigen.

9

Allerdings weist der Senat für die Auslegung des § 57a Abs 4 SGG zur Vermeidung künftig zu erwartender wechselseitiger Verweisungen an das SG Berlin (und durch das SG Berlin an andere SG) in Fällen der vorliegenden Art auf folgende Gesichtspunkte hin:

10

Soweit § 57a Abs 4 SGG für die örtliche Zuständigkeit Angelegenheiten voraussetzt, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene "betreffen", dürfte für dessen Auslegung zunächst - in systematischer Hinsicht - zu berücksichtigen sein, dass § 57a SGG (allgemein) im Verhältnis zu § 57 SGG (örtliche Zuständigkeit grundsätzlich personenbezogen) eine Sonderregelung bzw Spezialzuweisung darstellt, und sodann - im Hinblick auf den Gesetzeszweck - von Bedeutung sein, dass den in § 57a Abs 4 SGG genannten SG als örtlich zuständigen SG nicht sämtliche Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der GKV (vertragsärztliche und nicht-vertragsärztliche Streitigkeiten) zugewiesen werden sollten. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, die den der Bestimmung des § 57a Abs 4 SGG vom Gesetzgeber beigelegten Zweck verdeutlicht, ergibt sich insoweit, dass die dort genannten SG - aus Gründen der Konzentration des juristischen Sachverstands, der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und derKostenersparnis (vgl Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung <11. Ausschuss> vom 24.11.1988, BT-Drucks 11/3480 S 77 f) - jedenfalls örtlich zuständig sein sollen in Streitigkeiten "aufgrund" von Entscheidungen oder Verträgen auf Bundesebene. Diese sind in den Gesetzesmaterialien beispielhaft aufgezählt (vgl BT-Drucks 11/3480 S 78). Im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang, in den die Norm gestellt ist, und auf teleologische Erwägungen dürfte nach alledem eher eine Auslegung des § 57a Abs 4 SGG geboten sein, die nicht mit derjenigen des SG Hildesheim konform geht. Danach spricht mehr dafür, dass die örtliche Zuständigkeit der dort genannten SG nur für solche Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der GKV angeordnet wird, die sich ausschließlich auf die Ebene der Entscheidung oder des Vertrags auf Bundesebene beziehen, also Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene insoweit "betreffen", als diese selbst und unmittelbar in Streit stehen, während Streitigkeiten der vorliegenden Art von der Spezialzuweisung des § 57a Abs 4 SGG nicht erfasst werden.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

Tenor

Das Sozialgericht Berlin wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit darüber, ob der Kläger, ein Verein mit Sitz im Zuständigkeitsbereich des SG Osnabrück, als Träger eines in Berlin ansässigen Krankenhauses einen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse auf Auszahlung von 9660,45 Euro hat, die die Beklagte von den vom Krankenhaus abgerechneten Krankenhausleistungen in den Jahren 2006 bis 2008 einbehalten hat. Der Kläger macht mit der beim SG Osnabrück eingereichten Klage geltend, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Beträge auf der Grundlage des § 140d Abs 1 S 1 SGB V zur Förderung der integrierten Versorgung von der an den Kläger gemäß § 85 Abs 1 SGB V zu entrichtenden Gesamtvergütung einzubehalten, weil diese Mittel ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs 1 S 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden dürften, die Beklagte jedoch nicht gemäß § 140d Abs 1 S 4 SGB V nachgewiesen habe, dass die einbehaltenen Beträge gesetzeskonform verwendet worden seien. Die Beklagte macht geltend, als Nachweis genügten die sog Konformitätserklärungen für die Jahre 2006, 2007 und 2008 über die über den 31.12.2008 hinauslaufenden IV-Verträge "Verbundversorgung Berlin-Brandenburg" und "H.-Kliniken". Auf Anfrage des SG Osnabrück hat die Beklagte mitgeteilt, dass Verträge zur integrierten Versorgung ausschließlich in den Bundesländern und nicht auf Bundesebene bestünden und den Kläger betreffende Verträge für Berlin-Brandenburg vorlägen, es allerdings nicht nachvollziehbar sei, dass die Regelung des § 57a SGG einschlägig sein solle. Nach Anhörung der Beteiligten hat sich das SG Osnabrück mit Beschluss vom 29.11.2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Hinweis auf § 57a Abs 3 SGG an das SG Berlin verwiesen.

2

Mit Beschluss vom 16.4.2012 hat sich das SG Berlin ebenfalls nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache dem BSG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt, weil die Verweisung des SG Osnabrück willkürlich sei bzw auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe und deshalb nicht binde. Die Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 57a Abs 3 SGG, da Verträge auf Landesebene nicht betroffen seien.

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II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Es ist als gemeinsam nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Osnabrück und dem SG Berlin berufen, nachdem das SG Osnabrück seine örtliche Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen hat, dieses Gericht sich jedoch ebenfalls nicht für örtlich zuständig hält, sondern weiterhin das SG Osnabrück mangels Bindungswirkung als zuständig ansieht. Das SG Berlin konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 8).

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Zum zuständigen Gericht ist das SG Berlin zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Osnabrück vom 29.11.2011 gebunden ist.

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Gemäß § 98 Abs 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsamen übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG.

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Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht (stRspr, vgl BSG SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15 und SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, sowie BVerfG Kammerbeschluss vom 19.12.2001 - 1 BvR 814/01 - NVwZ-RR 2002, 389; zuletzt Beschlüsse des Senats vom 4.1.2012 - B 12 SF 2/11 S - SGb 2012, 369 f, und vom 5.1.2012 - B 12 SF 4/11 S). Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung in dem aufgezeigten Zusammenhang dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art 3 Abs 1 GG verletzt (vgl BVerfG, aaO). Für eine abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts in Anwendung dieser strengen Maßstäbe, die das BSG in seiner Rechtsprechung ausgeformt hat, ist vorliegend noch kein Raum.

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Zwar verletzt das SG Osnabrück zwingendes Recht, weil der Verweisungsbeschluss entgegen § 17a Abs 4 S 2 GVG mit keiner Begründung versehen ist. Insoweit genügt nicht die Angabe der angewandten Rechtsnorm im Beschlusstenor. Vielmehr hat die Begründung mindestens auch die für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und die dafür ausschlaggebenden tatsächlichen und rechtlichen Gründe zu bezeichnen (zu den Mindestanforderungen an eine Begründung vgl BSG SozR 1500 § 136 Nr 10; BSG Urteil vom 8.2.2007 - B 9b SO 5/05 R; Beschluss vom 6.2.2003 - B 7 AL 32/02 B). Diese Missachtung nicht zur Disposition des einzelnen Richters stehenden Verfahrensrechts allein führt jedoch nicht dazu, dass der Beschluss grob verfahrensfehlerhaft bzw willkürlich wäre (vgl BSG Beschluss vom 25.10.2004 - B 7 SF 20/04 S). Vielmehr ist dem Akteninhalt noch mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, dass die Verweisung des SG Osnabrück zwar auf wohl unzutreffenden, aber nicht auf sachfremden Erwägungen beruht hat, was auch für die Beteiligten erkennbar war.

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Den Verweisungsbeschluss hat das SG Osnabrück lediglich mit dem Hinweis auf § 57a Abs 3 SGG versehen. Jedoch kann im Hinblick auf seine vorhergehende, unter Verweis auf § 57a Abs 3 und 4 SGG an die Beklagte gerichtete Anfrage, "ob Integrationsverträge ausschließlich mit einzelnen Bundesländern oder auf Bundesebene" bestünden, und die diesbezügliche Antwort geschlossen werden, dass das SG Osnabrück von Verträgen zur integrierten Versorgung "in Bundesländern" ausging. Aufgrund seiner Auslegung des § 57a Abs 3 SGG ist es danach zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall diese Vorschrift die örtliche Zuständigkeit regele und danach das SG Berlin zuständig sei. Die mögliche fehlerhafte Anwendung des § 57a Abs 3 SGG durch das SG ist als solche nicht geeignet, die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses zu beseitigen. Das SG konnte sich nämlich für seine Rechtsauffassung immerhin auf Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen stützen (vgl zB Beschlüsse vom 11.12.2008 - L 4 B 79/08 KR - NdsRpfl 2009, 261, und vom 5.1.2009 - L 1 B 73/08 KR). Den Inhalt der in der Tendenz gegenteiligen Beschlüsse des erkennenden Senats vom 4.1.2012 (B 12 SF 2/11 S - SGb 2012, 369 f, und vom 5.1.2012 - B 12 SF 4/11 S) sowie der dazu verfassten Anmerkung von Bockholdt (SGb 2012, 317) konnte es dagegen noch nicht berücksichtigen. Ob § 57a Abs 3 SGG auch in dem Fall anwendbar ist, dass sich Entscheidungen oder Verträge auf mehrere Länder (hier: Berlin und Brandenburg?) beziehen, oder ob es bei der Zuständigkeitsregelung des § 57 Abs 1 SGG verbleibt(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 57a RdNr 6), kann hier offenbleiben, weil eine ggf insoweit fehlerhafte Rechtsanwendung durch das SG Osnabrück mangels Anhaltspunkt für besondere, auf ein willkürliches Verhalten hindeutende Umstände ebenfalls die Bindung der Verweisung nicht beseitigen könnte.

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Allerdings weist der Senat für die Auslegung des § 57a Abs 3 SGG zur Vermeidung wechselseitiger Verweisungen in Fällen der vorliegenden Art darauf hin, dass ebenso wie in Bezug auf § 57a Abs 4 SGG(BSG Beschlüsse vom 4.1.2012 - B 12 SF 2/11 S - SGb 2012, 369 f, und vom 5.1.2012 - B 12 SF 4/11 S) auch für die Sonderregelung bzw Spezialzuweisung des § 57a Abs 3 SGG gelten dürfte, dass die letztgenannte Vorschrift für die örtliche Zuständigkeit Angelegenheiten voraussetzt, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene "betreffen", und nicht sämtliche Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch diese Vorschrift zugewiesen werden sollten. Aus ähnlichen Gründen wie bei § 57a Abs 4 SGG(vgl Beschlüsse des Senats vom 4.1.2012 und 5.1.2012, aaO) spricht mehr dafür, dass die örtliche Zuständigkeit der dort genannten SGe nur für solche Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der GKV angeordnet wird, die sich ausschließlich auf die Ebene der Entscheidung oder des Vertrages auf Landesebene beziehen, also Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene insoweit "betreffen", als diese selbst und unmittelbar im Streit stehen (vgl Bockholdt, aaO, speziell zu Vergütungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen S 322 f).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.