Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 12. März 2018 - L 17 U 309/17 B

bei uns veröffentlicht am12.03.2018

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 31. August 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren ging es um die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des 2010 verstorbenen Versicherten H. R. (R) als Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 1302; BK 1317) sowie um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen. Vorliegend geht es um die Übernahme von Kosten für ein im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren eingeholtes Gutachten auf die Staatskasse.

Die Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und 2010 verstorbenen Versicherten R. R war vom 03.09.1962 bis 31.08.1994 als Arbeiter und sodann als Montierer von Wälzlagern bei der Firma F. tätig. Hierbei hatte er unter anderem Einzelteile zu entfetten und zu waschen. Dabei bestand eine Exposition gegenüber verschiedenen Schadstoffen.

Mit Schreiben vom 04.08.2009 hatte R bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als BK 1302 gestellt. Die Beklagte führte Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts durch, insbesondere durch Einholung eines Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme des Internisten, Nephrologen und Umweltmediziners Prof. Dr. H. (H), der zu dem Ergebnis kam, dass beim Kläger eine toxische Encephalopathie II B gegeben sei und eine BK 1302, 1317 vorliege. Die Berufskrankheitsfolgen seien nicht Ursache des Todes.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 22.05.2012) lehnte die Beklagte nach Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des R als BK 1302 und 1317 sowie die Gewährung von Leistungen und von Hinterbliebenenleistungen ab. Die Annahme der beruflichen Verursachung beruhe allein auf der bei der Begutachtung erstellten Anamnese, die durch Befunde nicht belegt sei. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe nicht, da zum einen keine Berufskrankheit vorliege und zum anderen auch nach den Ergebnissen der Obduktion und den Ausführungen des Gutachters dazu als Ursache mögliche Folgen einer Erkrankung im Sinne der Berufskrankheiten nicht in Betracht kämen. Beschwerden bei R seien erst ca. 15 Jahre nach Expositionsende aufgetreten. Zudem bestünden als konkurrierende Ursachen eine Chemotherapie, eine starke Schmerzmittemedikation sowie ein Alkohol- und Nikotinabusus.

Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Das SG führte Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts durch, insbesondere durch Einholung eines Gutachtens vom 29.12.2015 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.09.2016, jeweils nach Aktenlage, des Facharztes für Arbeitsmedizin, Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. N. (N), Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der L.-Universität M-Stadt. N kam zu dem Ergebnis, dass eine BK 1302 und/oder 1317 bei R nicht vorgelegen habe. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein Gutachten nach Aktenlage des ehemaligen Leiters des Institutes präventive Sozialforschung der Universität B-Stadt, Abteilung Epidemiologie der Umwelt und des Arbeitslebens, Prof. Dr. F. (F) vom 13.12.2016 ein. F kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit beim Versicherten vorlägen.

Mit Urteil vom 26.06.2017, S 5 U 209/15, wies das SG die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung verwarf der Senat mit Beschluss vom 03.01.2018, L 17 U 298/17, als unzulässig.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2017 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt, die Kosten des Gutachtens des F auf die Staatskasse zu übernehmen.

Mit Beschluss vom 31.08.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt und ausgeführt, das Gutachten des F habe die Aufklärung des Sachverhalts nicht wesentlich gefördert und für die gerichtliche Entscheidung keine Bedeutung gewonnen.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt, die Polyneuropathie sei nachhaltigst dokumentiert. Das Gutachten des N stamme nicht von diesem. Es sei unklar, ob dieses verwendet werden könne, es sei mit großer Wahrscheinlichkeit als nicht existent zu behandeln.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Kosten des Gutachtens des F nicht auf die Staatskasse zu übernehmen sind.

Nach § 109 Abs. 1 SGG hat ein Kläger, auf dessen Antrag im sozialgerichtlichen Verfahren ein von ihm benannter Arzt als Gutachter seines Vertrauens gehört wird, auf Verlangen des Gerichts die Kosten vorzuschießen und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig zu tragen. Über die endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (allg. Auffassung, vgl. u.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rn. 16; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2006, L 27 B 64/05 R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2006, L 6 B 24/06 SB). Die Entscheidung des Gerichts ist im Beschwerdeverfahren voll und nicht nur auf Ermessensfehler überprüfbar (vgl. Keller a.a.O. Rn. 22 m.w.N.; Roller in Lüdtke, SGG, Handkommentar, 4. Aufl. 2012, § 109 Rn. 34). Im Rahmen der Entscheidung über die endgültige Kostentragungspflicht ist insbesondere und vor allem zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat (Keller, a.a.O., Rn. 16 a; Roller, a.a.O. Rn. 29). Es ist zu prüfen, ob das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben, und zwar orientiert am Prozessziel des Klägers (siehe dazu Keller a.a.O. Rn. 16a).

Das Gutachten des F hat die Sachaufklärung nicht im dargelegten Sinne wesentlich gefördert. Das Gutachten erbringt gegenüber dem - nach Auffassung des Senats verwertbaren - Vorgutachten des N keine neuen wesentlichen Erkenntnisse. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und des erstinstanzlichen Urteils vom 26.06.2017 wird Bezug genommen.

Ergänzend ist auf das Folgende hinzuweisen.

Was die BK 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) betrifft, ergibt sich aus den Gutachten des H und des N in überzeugender Weise, dass eine Verursachung des beim Versicherten festgestellten Lungenkarzinoms durch die berufliche Lösemittelexposition nicht wahrscheinlich ist. Das Gutachten des F trägt in Bezug auf den hier zu beurteilenden Fall nichts Neues und damit auch nichts Wesentliches bei.

Was die BK 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) betrifft, ist die bei R diagnostizierte Polyneuropathie nicht wesentlich beruflich verursacht, wie sich ebenfalls bereits aus der schlüssigen Begründung im Gutachten des N ergibt. Insofern sind hier insbesondere nochmals der fehlende zeitliche Zusammenhang der Polyneuropathie mit dem Expositionsbeginn, aber auch die erhebliche zeitliche Latenz zum Expositionsende und die konkurrierende Ursache des seit 1973 bestehenden chronischen Alkoholabusus hervorzuheben. Was die Anerkennung einer Enzephalopathie als BK 1317 betrifft, fehlt es - wie N in seinem Gutachten in überzeugender Weise ausführt - bereits an einem entsprechenden Krankheitsbild im insofern zu fordernden Vollbeweis. Die Gründe, die F für die wesentliche berufliche Verursachung der Polyneuropathie und das angebliche Vorliegen einer toxischen Encephalopathie nennt, sind nicht nachvollziehbar; sie beruhen insbesondere nicht auf objektiven Befunden oder lassen den Bezug zum konkreten Fall vermissen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Gutachten des F zu keiner der entscheidungserheblichen Fragen neue wesentliche Erkenntnisse beiträgt. Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei, § 183 SGG. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind in analoger Anwendung von § 67 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 66 Abs. 8 S. 2 Gerichtskostengesetz nicht zu erstatten (Senatsbeschluss vom 20.10.2017, L 18 SB 141/17 B; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.2008, L 11 R 3757/08 KO-B, juris Rn. 4; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.2009, L 10 U 1056/09 KO-B, juris Rn. 5 ff.; Hessisches LSG, Beschluss vom 26.11.2013, L 3 U 134/13 B, juris Rn. 14 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.07.2012, L 16 SB 2/12 B, juris Rn. 11 f.).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

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Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.2017 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des 2010 verstorbenen Versicherten A. als Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.

Die Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und 2010 verstorbenen Versicherten H. A. (R). Mit Schreiben vom 04.08.2009 stellte R bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 22.05.2012) lehnte die Beklagte nach Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des R als Berufskrankheit nach Nrn. 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie die Gewährung von Leistungen und von Hinterbliebenenleistungen ab. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe nicht. Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Mit Urteil vom 26.06.2017, S 5 U 209/15, wies das SG die Klage ab. Das Urteil vom 26.06.2017 ist dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des aktenkundigen Empfangsbekenntnisses am 17.07.2017 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 19.09.2017, eingegangen beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am selben Tag, hat der Klägerbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er trägt vor, er habe unter dem 11.08.2017 Berufung eingelegt. Er bezieht sich dabei auf ein Schreiben vom 11.08.2017, das dem Wiedereinsetzungsantrag beilag. Die Berufung habe über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt werden sollen. Ein Anruf beim LSG München um nachzufragen, ob für das Berufungsverfahren schon ein Aktenzeichen vergeben worden sei, habe ergeben, dass eine Berufung dort nicht eingegangen sei. Interne Prüfungen in der Kanzlei hätten dann ergeben, dass ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Wie es zu diesem Sachverhalt habe kommen können, sei nach Überprüfung in der Kanzlei nicht erklärlich. Die Klägerin habe auch eine Abschrift der Berufung übersandt bekommen. Es sei ein festgefahrener Ablauf bei beA-Ausgängen gegeben. Die genauen Abläufe ergäben sich aus beiliegender Erklärung. Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut: „Ablauf der Versendung mit BeA: -fertige Schriftsätze werden ausgedruckt und in eine separate Unterschriftenmappe gelegt (eine pro Rechtsanwalt); -Unterschriftenmappe wird dem jeweiligen Rechtsanwalt vorgelegt; -dieser prüft die Schreiben und unterschreibt sie, wenn diese auslaufen können; ein Mitarbeiter wandelt zuerst alle Schriftsätze nacheinander in PDF-Dateien um und verschiebt diese in Ordner (pro Akte ein Ordner); -anschließend werden alle Schriftsätze nacheinander mit BeA versendet“. Weiter trägt der Klägerbevollmächtigte vor, ein Verschulden für die Versäumung der Frist sei nicht ersichtlich. Die Kompatibilität zwischen beA und dem von den Sozialgerichten genutzten elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) scheine nicht hundertprozentig zu klappen. Mit Schreiben vom 17.11.2017 hat der Klägerbevollmächtigte auf Nachfrage des Senats nochmals Stellung genommen und unter anderem an Eides statt Folgendes versichert: Der Text selbst sei rechtzeitig erstellt und vom Klägerbevollmächtigten unterzeichnet worden. Ein Teil des Auslaufvorgangs, nämlich die Durchschrift an die Mandantin, sei ausgelaufen. Dann aber fehle es aus irgendeinem Grund an der Urkunde über den beA-Auslauf. Die entsprechende Post sei unterzeichnet in der Akte. Die Post sei rechtzeitig ausgelaufen. Bei beA handle es sich um eine völlig neue Materie. In der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten seien Zustellungen nach diesem System der Kommunikation erst kurze Zeit vor dem fraglichen Vorgang begonnen worden. Es werde gebeten, möglichst bald hinsichtlich der Wiedereinsetzung schlüssig zu werden, da der Prozessbevollmächtigte dann sofort begründen werde.

Die Berufung ist wegen Versäumung der gesetzlichen Frist (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) bereits unzulässig; auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) war nicht zu gewähren. Der Senat konnte daher nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss entscheiden und die Berufung gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig verwerfen.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Für die Übermittlung elektronische Dokumente an das Gericht gilt vorliegend § 65 a Abs. 1 Sätze 1-3 SGG in der Fassung des Gesetzes vom 18.07.2017, BGBl. I, S. 2745, mit Wirkung vom 29.07.2017. Für den Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Landessozialgerichts ist durch die hier anwendbare Rechtsverordnung die Übermittlung elektronischer Dokumente nach der Bayerischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit vom 28.02.2014, gültig ab 01.06.2014 bis 31.12.2017 (E-Rechtsverkehrsverordnung Sozialgerichte - ERVV SG) grundsätzlich zugelassen. Zu diesem Zweck ist beim LSG ein EGVP eingerichtet.

Zur entsprechenden Übermittlung elektronischer Dokumente trifft § 65 a SGG für den sozialgerichtlichen Bereich u.a. folgende, hier relevante Regelungen: Die Beteiligten können dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist (§ 65 a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind (§ 65 a Abs. 1 S. 2 SGG). Ein elektronisches Dokument ist dem Gericht zugegangen, wenn es in der nach Absatz 1 Satz 1 bestimmten Art und Weise übermittelt worden ist und wenn die für den Empfang bestimmte Einrichtung es aufgezeichnet hat (§ 65 a Abs. 2 S. 1 SGG). Die ERVV SG trifft folgende, hier relevante Regelungen: Beim Landessozialgericht und den Sozialgerichten können ab dem 1. Januar 2016 in allen Verfahrensarten elektronische Dokumente eingereicht werden (§ 1 ERVV SG). Die Bayerische Sozialgerichtsbarkeit gibt auf der Internetseite www...de die Einzelheiten des Verfahrens bekannt, das bei einer vorherigen Anmeldung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr sowie für die Authentifizierung bei der jeweiligen Nutzung der elektronischen Poststelle einzuhalten ist, einschließlich der für die datenschutzgerechte Administration elektronischer Postfächer zu speichernden personenbezogenen Daten (§ 3 Nr. 1 ERVV SG) und die zusätzlichen Angaben, die bei der Übermittlung oder bei der Bezeichnung des einzureichenden elektronischen Dokuments gemacht werden sollen, um die Zuordnung innerhalb des adressierten Gerichts und die Weiterverarbeitung durch dieses zu gewährleisten (§ 3 Nr. 4 ERVV SG). Nach Auskunft der beim LSG zuständigen Abteilung übermittelt das LSG bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments (vgl. dazu auch § 130 a Abs. 5 S. 2 ZPO in der ab 01.10.2018 geltenden Fassung, Art. 1 Nr. 2 G v. 10.10.2013, BGBl. I, S. 3786); ferner besteht bei Nutzung des beA für den Absender die Möglichkeit, im EGVP zu prüfen, wann die Nachricht auf dem EGVP-Server eingegangen ist und ob die Nachricht vom Empfänger vom Server geholt wurde. Dies entspricht dem allgemein üblichen Vorgehen bei der Nutzung eines EGVP bzw. des beA (vgl. hierzu z.B. Bacher, Der elektronische Rechtsverkehr im Zivilprozess, NJW 2015, 2753, 2756: „Sobald eine versendete Nachricht auf dem im Auftrag des Gerichts geführten Server eingegangen ist, schickt dieser dem Absender automatisch eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Daran wird sich mit Einführung des beA nichts ändern. Die Eingangsbestätigung wird dann vom EGVP an das beA gesendet werden. Mit dem Eingang auf dem Server, der mit der übersandten Bestätigung dokumentiert wird, ist die Nachricht bei Gericht eingegangen … Sobald der Anwalt die Eingangsbestätigung erhalten hat, kann er also sicher sein, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie aus, besteht Anlass zur Überprüfung und im Zweifel zur erneuten Übersendung“).

Die Klägerin hat die Frist des § 151 Abs. 1 SGG nicht gewahrt. Das Urteil vom 26.06.2017 ist ihrem Bevollmächtigten ausweislich des aktenkundigen Empfangsbekenntnisses am 17.07.2017 zugestellt worden. Damit endete die einmonatige Berufungsfrist nach § 64 Abs. 2 und 3 SGG am Donnerstag, dem 17.08.2017, 24 Uhr. Unter Zugrundelegung der oben genannten Maßgaben zur Übermittlung elektronischer Dokumente ist innerhalb dieser Frist zur vollen Überzeugung des Senats im oben genannten Verfahren kein Berufungsschriftsatz beim LSG eingegangen, insbesondere nicht über das EGVP. Dies ergibt sich aus den gerichtsinternen Ermittlungen des Senats und auch aus den Erklärungen des Klägerbevollmächtigten selbst. Die beim LSG zuständige Mitarbeiterin hat dem Senat den verwaltungstechnischen Ablauf bei Einlegung einer Berufung über das EGVP bzw. das beA erläutert. Der Eingang eines Berufungsschriftsatzes, insbesondere eines Schreibens vom 11.08.2017, lässt sich weder im EGVP noch sonst feststellen. Der Klägerbevollmächtigte spricht insofern zwar von einer Berufung vom 11.08.2017, trägt aber dann selbst vor, dass (bei ihm) ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Auch der Antrag des Klägerbevollmächtigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zeigt, dass dieser selbst davon ausgeht, dass eine fristgerechte Berufungseinlegung nicht erfolgt ist.

Der Klägerin ist hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Frist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, § 67 Abs. 2 S. 3 SGG.

Zweifel bestehen bereits hinsichtlich der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags. Denn der Klägerbevollmächtigte hat die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 S. 3 SGG nicht zweifelsfrei nachgeholt. Er benennt in seinen Schriftsätzen auch kein genaues Datum, an dem in seiner Kanzlei bemerkt wurde, dass beim LSG keine Berufung eingegangen ist. Der Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass dies am 19.09.2017 erfolgt ist und dass der Klägerbevollmächtigte dann unverzüglich tätig geworden ist, indem er noch am selben Tag sein Schreiben mit dem Wiedereinsetzungsantrag verfasst hat. Die Frist des § 67 Abs. 2 S. 3, S. 1 SGG endete damit am Donnerstag, dem 19.10.2017, 24.00 Uhr. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat innerhalb dieser Frist aber nur einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Die versäumte Verfahrenshandlung, also die Einlegung der Berufung, wurde nicht ausdrücklich nachgeholt. Dem Schreiben vom 19.09.2017 wurde lediglich ein Schreiben vom 11.08.2017 beigelegt, in dem die Einlegung einer Berufung gegen das Urteil vom 26.06.2017 enthalten ist. Dieses Schreiben ist aber - auch nach den Angaben des Klägerbevollmächtigten selbst - nicht beim LSG eingegangen. Das Schreiben vom 19.09.2017 enthält lediglich den Passus „… habe ich beiliegende Berufung unter dem 11.08.2017 eingelegt“, der im Widerspruch zu der Angabe des Klägerbevollmächtigten steht, dass eine Berufung nicht beim LSG eingegangen sei und ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Von einem rechtskundigen Klägerbevollmächtigten wäre zu erwarten, dass er die Vorschrift des § 67 Abs. 2 SGG kennt und die gesetzlich geforderte Prozesshandlung, hier also die nachzuholende Berufungseinlegung, zweifelsfrei vornimmt.

Zugunsten der Klägerin legt der Senat aber die Erklärungen des Klägerbevollmächtigten so aus, dass er die Berufungseinlegung in seinem Schreiben vom 19.09.2017 nachholen wollte, so dass von der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags auszugehen ist. Auch dann ergibt sich jedoch kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Denn der Wiedereinsetzungsantrag ist jedenfalls unbegründet, weil ein unverschuldetes Hindernis im Sinne des § 67 Abs. 1 SGG nicht vorliegt. Vielmehr trifft den Klägerbevollmächtigten ein Organisationsverschulden, das sich die Klägerin zurechnen lassen muss.

Da die Klägerin selbst offensichtlich kein Verschulden trifft, kommt es auf die Zurechnung des Verschuldens ihres Bevollmächtigten an. Insofern gelten folgende Grundsätze: Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich, § 73 Abs. 6 S. 6 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO (vgl. Keller in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 67 Rn 3 e, § 73 Rn 73a). Das Verschulden einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson, derer sich der Prozessbevollmächtigte bei untergeordneten Hilfstätigkeiten bedient, etwa bei der Absendung der Klage, ist dem Säumigen nicht zuzurechnen, weil hier § 85 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar ist und es eine § 278 BGB entsprechende Vorschrift im SGG nicht gibt (vgl. dazu Keller, a.a.O. § 67 Rn 3f). Dem Prozessbevollmächtigten kann aber ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden zur Last fallen. Er muss die Hilfsperson sorgfältig auswählen und ausreichend informieren und überwachen. Unverzichtbar sind insofern eindeutige Anweisungen an das Büropersonal und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (Keller, a.a.O., Rn 8 c, 8 d m.w.N.). Bei Vorliegen besonderer Umstände trifft den Prozessbevollmächtigten eine erhöhte Sorgfaltspflicht (BSG, Urteil vom 03.08.2016, B 6 KA 5/16 B juris Rn 14 ff.). Bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (wie auch bei Übersendungen per Telefax) werden die an den Beteiligten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht gewahrt, wenn dieser nicht für eine wirksame Ausgangskontrolle des auf diesem Übertragungs Weg versandten Schriftsatzes sorgt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.08.2007, 2 A 10492/07 juris Rn 22). Für den erfolgreichen Abschluss des auf elektronischem Wege erfolgenden Schriftverkehrs sind dementsprechend Erhalt und ordnungsgemäße Kontrolle der Eingangsbestätigung unabdingbar. Eine Fristversäumnis ist insbesondere dann nicht unverschuldet, wenn der Absender wissen musste, dass das Gericht bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments übermittelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, aaO, Rn 24; Keller, a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerbevollmächtigte seine Hilfsperson nicht sorgfältig ausgewählt hat, liegen nicht vor. Jedoch trifft den Prozessbevollmächtigten ein Organisationsbzw. Überwachungsverschulden.

Es ist schon nicht ersichtlich und wird auch vom Klägerbevollmächtigten selbst nicht vorgetragen, dass Anweisungen an das Büropersonal hinsichtlich der Ausgangsbzw. Zugangskontrolle von Schreiben bei der Nutzung des beA gegeben worden sind und ob diesbezüglich stichprobenartige Kontrollen des Personals stattgefunden haben. Der Klägerbevollmächtigte schildert lediglich ganz allgemein, wie die Einlegung von Rechtsbehelfen in seiner Kanzlei organisiert ist. Zum „Ablauf der Versendung mit BeA“ trägt er vor: „fertige Schriftsätze werden ausgedruckt und in eine separate Unterschriftenmappe gelegt; Unterschriftenmappe wird dem jeweiligen Rechtsanwalt vorgelegt; dieser prüft die Schreiben und unterschreibt sie, wenn diese auslaufen können; ein Mitarbeiter wandelt zuerst alle Schriftsätze nacheinander in PDF-Dateien um und verschiebt diese in Ordner (pro Akte ein Ordner); anschließend werden alle Schriftsätze nacheinander mit BeA versendet“. Aus dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten selbst ergibt sich, dass die Organisation bezüglich der Ausgangsbzw. Zugangskontrolle von Schreiben bei der Nutzung des beA in der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten mangelhaft war. Denn der Büroablauf in einer Rechtsanwaltskanzlei muss so organisiert sein, dass jedenfalls für fristwahrende Schriftsätze, etwa durch Führung eines Postausgangsbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender, eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt werden kann (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003, 1 B 126/03 juris Orientierungssatz und Rn 3 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 251). Der Abgang fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass er zweifelsfrei nachweisbar ist; die Unterzeichnung eines Schreibens durch den Rechtsanwalt und der Vermerk der Erledigung in dem von ihm persönlich geführten Terminkalender über diese Erledigung reicht für den Nachweis des Abgangs des Schreibens nicht aus, weil es danach bis zur Postaufgabe verschiedene Möglichkeiten einer Fehlleitung oder eines Verlustes gibt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1988, 2 C 6/88 juris = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 156). Hier war nach den Schilderungen des Klägerbevollmächtigten ausweislich seiner Erklärung zum „Ablauf der Versendung mit BeA“ offensichtlich eine besondere Ausgangskontrolle nicht vorgesehen. Insbesondere wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass bei Versendung mit beA ein Fristenkalender geführt wird, in den nach Abgang eines fristwahrenden Schriftsatzes regelmäßig ein Kontrollvermerk insbesondere hinsichtlich der Eingangsbestätigung des Gerichts erfolgt, und dass das Fehlen des Kontrollvermerks vor Ablauf der Frist zu weiteren Nachforschungen führt. Hätte es eine solche Kontrolle gegeben, hätte dies im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entdeckung der Nichtabsendung des Schriftsatzes geführt. Der Prozessbevollmächtigte nutzt - wie dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist - den elektronischen Rechtsverkehr in erheblichem Umfang. Er hätte deshalb wissen müssen, dass das LSG bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments übermittelt. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte daher das für die Berufungseinlegung per beA bei ihm zuständige Personal zumindest dahingehend belehren müssen, dass bei Übermittlung von Daten per beA stets der Erhalt der Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist, und diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchführen müssen. Dass dies erfolgt ist, wurde, wie ausgeführt, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten sichergestellt gewesen, dass das Fehlen einer Eingangsbestätigung des LSG bemerkt worden wäre, so dass ohne weiteres hätte festgestellt werden können, dass ein Berufungsschriftsatz noch gar nicht ausgelaufen ist.

Damit ist die besondere Sorgfalt, die ein Prozessbevollmächtigter bei der Wahrung prozessualer Fristen zu beachten hat, nicht beachtet. Dies muss die Klägerin sich zurechnen lassen (BVerwG, Urteil vom 06.12.2000, 2 B 57/00 juris Rn 7).

Auch aus dem Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte Probleme bei der Nutzung des EGVP bzw. des beA gegenüber dem LSG beschreibt und „Anfangsschwierigkeiten mit beA“ angibt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Bei einer Übermittlung von Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs gelten die gleichen Anforderungen wie bei der Übersendung per Telefax; die Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen per beA bzw. EGVP entsprechen also denen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (OVG Rheinland-Pfalz, aaO, Rn 24). Insofern ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass die nachfolgende Kontrolle des ordnungsgemäß erfolgten Ausgangs anhand des nach der Übermittlung vom Fax-Gerät automatisch ausgedruckten Sendeberichts zu erfolgen hat (BVerwG, Urteil vom 25.06.2004, 1 B 282/03, 1 B 282/03 (1 PKH 86/03) juris Rn 6; BGH, Beschluss vom 24.10.2013, V ZB 154/12; zur Sicherstellung der Kenntnisnahme empfangener Nachrichten bei der Nutzung von E-Mail-Korrespondenz im Kanzleibetrieb durch Anforderung einer Lesebestätigung BGH, Beschluss vom 17.07.2013, I ZR 64/13 juris Rn 11; Keller, a.a.O. Rn 8 f; zur Vergleichbarkeit von Fax-Sendeprotokoll und automatischer Eingangsbestätigung beim EGVP/beA Bacher, NJW 2015, 2753, 2756). Dem entspricht bei Nutzung des beA/EGVP ganz offensichtlich die Kontrolle des Zugangs durch Prüfung des Erhalts der Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments. Vor diesem Hintergrund ist es schon nicht nachvollziehbar, inwiefern einer Ausgangskontrolle Anfangsschwierigkeiten entgegenstehen sollten. Selbst wenn man aber Probleme bei der Nutzung des EGVP bzw. des beA gegenüber dem LSG bzw. „Anfangsschwierigkeiten mit beA“ unterstellt, ergibt sich nichts anderes. Denn gerade wenn der Klägerbevollmächtigte von solchen besonderen Problemen ausgeht bzw. ausgegangen ist, hätte er eine erhöhte Sorgfalt an den Tag legen müssen, etwa durch besondere Hinweise an seine Beschäftigten auf gewissenhafte Kontrolle des Zugangs von Eingangsbestätigungen bei der Nutzung des beA, um trotzdem fristgerechte Berufungseinlegungen zu gewährleisten. Eine solche Kontrolle des Zugangs von Eingangsbestätigungen ist wie mehrfach ausgeführt offensichtlich nicht durchgeführt worden. Wäre sie erfolgt, hätte die Berufung, deren Einlegung nach dem (sinngemäßen) Vortrag des Klägerbevollmächtigten per Schriftsatz vom 11.08.2017 vorbereitet war, mit Blick auf die erst am 17.08.2017 abgelaufene Frist ohne weiteres noch fristgemäß eingelegt werden können.

Nach alledem war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.06.2017 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des 2010 verstorbenen Versicherten A. als Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.

Die Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und 2010 verstorbenen Versicherten H. A. (R). Mit Schreiben vom 04.08.2009 stellte R bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKV.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 22.05.2012) lehnte die Beklagte nach Aufklärung des medizinischen Sachverhalts die Anerkennung von Gesundheitsstörungen des R als Berufskrankheit nach Nrn. 1302 und 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie die Gewährung von Leistungen und von Hinterbliebenenleistungen ab. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe nicht. Dagegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Mit Urteil vom 26.06.2017, S 5 U 209/15, wies das SG die Klage ab. Das Urteil vom 26.06.2017 ist dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des aktenkundigen Empfangsbekenntnisses am 17.07.2017 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 19.09.2017, eingegangen beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am selben Tag, hat der Klägerbevollmächtigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er trägt vor, er habe unter dem 11.08.2017 Berufung eingelegt. Er bezieht sich dabei auf ein Schreiben vom 11.08.2017, das dem Wiedereinsetzungsantrag beilag. Die Berufung habe über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt werden sollen. Ein Anruf beim LSG München um nachzufragen, ob für das Berufungsverfahren schon ein Aktenzeichen vergeben worden sei, habe ergeben, dass eine Berufung dort nicht eingegangen sei. Interne Prüfungen in der Kanzlei hätten dann ergeben, dass ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Wie es zu diesem Sachverhalt habe kommen können, sei nach Überprüfung in der Kanzlei nicht erklärlich. Die Klägerin habe auch eine Abschrift der Berufung übersandt bekommen. Es sei ein festgefahrener Ablauf bei beA-Ausgängen gegeben. Die genauen Abläufe ergäben sich aus beiliegender Erklärung. Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut: „Ablauf der Versendung mit BeA: -fertige Schriftsätze werden ausgedruckt und in eine separate Unterschriftenmappe gelegt (eine pro Rechtsanwalt); -Unterschriftenmappe wird dem jeweiligen Rechtsanwalt vorgelegt; -dieser prüft die Schreiben und unterschreibt sie, wenn diese auslaufen können; ein Mitarbeiter wandelt zuerst alle Schriftsätze nacheinander in PDF-Dateien um und verschiebt diese in Ordner (pro Akte ein Ordner); -anschließend werden alle Schriftsätze nacheinander mit BeA versendet“. Weiter trägt der Klägerbevollmächtigte vor, ein Verschulden für die Versäumung der Frist sei nicht ersichtlich. Die Kompatibilität zwischen beA und dem von den Sozialgerichten genutzten elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) scheine nicht hundertprozentig zu klappen. Mit Schreiben vom 17.11.2017 hat der Klägerbevollmächtigte auf Nachfrage des Senats nochmals Stellung genommen und unter anderem an Eides statt Folgendes versichert: Der Text selbst sei rechtzeitig erstellt und vom Klägerbevollmächtigten unterzeichnet worden. Ein Teil des Auslaufvorgangs, nämlich die Durchschrift an die Mandantin, sei ausgelaufen. Dann aber fehle es aus irgendeinem Grund an der Urkunde über den beA-Auslauf. Die entsprechende Post sei unterzeichnet in der Akte. Die Post sei rechtzeitig ausgelaufen. Bei beA handle es sich um eine völlig neue Materie. In der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten seien Zustellungen nach diesem System der Kommunikation erst kurze Zeit vor dem fraglichen Vorgang begonnen worden. Es werde gebeten, möglichst bald hinsichtlich der Wiedereinsetzung schlüssig zu werden, da der Prozessbevollmächtigte dann sofort begründen werde.

Gründe

Die Berufung ist wegen Versäumung der gesetzlichen Frist (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) bereits unzulässig; auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) war nicht zu gewähren. Der Senat konnte daher nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss entscheiden und die Berufung gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig verwerfen.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Für die Übermittlung elektronische Dokumente an das Gericht gilt vorliegend § 65 a Abs. 1 Sätze 1-3 SGG in der Fassung des Gesetzes vom 18.07.2017, BGBl. I, S. 2745, mit Wirkung vom 29.07.2017. Für den Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Landessozialgerichts ist durch die hier anwendbare Rechtsverordnung die Übermittlung elektronischer Dokumente nach der Bayerischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit vom 28.02.2014, gültig ab 01.06.2014 bis 31.12.2017 (E-Rechtsverkehrsverordnung Sozialgerichte - ERVV SG) grundsätzlich zugelassen. Zu diesem Zweck ist beim LSG ein EGVP eingerichtet.

Zur entsprechenden Übermittlung elektronischer Dokumente trifft § 65 a SGG für den sozialgerichtlichen Bereich u.a. folgende, hier relevante Regelungen: Die Beteiligten können dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen zugelassen worden ist (§ 65 a Abs. 1 S. 1 SGG). Die Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind (§ 65 a Abs. 1 S. 2 SGG). Ein elektronisches Dokument ist dem Gericht zugegangen, wenn es in der nach Absatz 1 Satz 1 bestimmten Art und Weise übermittelt worden ist und wenn die für den Empfang bestimmte Einrichtung es aufgezeichnet hat (§ 65 a Abs. 2 S. 1 SGG). Die ERVV SG trifft folgende, hier relevante Regelungen: Beim Landessozialgericht und den Sozialgerichten können ab dem 1. Januar 2016 in allen Verfahrensarten elektronische Dokumente eingereicht werden (§ 1 ERVV SG). Die Bayerische Sozialgerichtsbarkeit gibt auf der Internetseite www...bayern.de die Einzelheiten des Verfahrens bekannt, das bei einer vorherigen Anmeldung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr sowie für die Authentifizierung bei der jeweiligen Nutzung der elektronischen Poststelle einzuhalten ist, einschließlich der für die datenschutzgerechte Administration elektronischer Postfächer zu speichernden personenbezogenen Daten (§ 3 Nr. 1 ERVV SG) und die zusätzlichen Angaben, die bei der Übermittlung oder bei der Bezeichnung des einzureichenden elektronischen Dokuments gemacht werden sollen, um die Zuordnung innerhalb des adressierten Gerichts und die Weiterverarbeitung durch dieses zu gewährleisten (§ 3 Nr. 4 ERVV SG). Nach Auskunft der beim LSG zuständigen Abteilung übermittelt das LSG bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments (vgl. dazu auch § 130 a Abs. 5 S. 2 ZPO in der ab 01.10.2018 geltenden Fassung, Art. 1 Nr. 2 G v. 10.10.2013, BGBl. I, S. 3786); ferner besteht bei Nutzung des beA für den Absender die Möglichkeit, im EGVP zu prüfen, wann die Nachricht auf dem EGVP-Server eingegangen ist und ob die Nachricht vom Empfänger vom Server geholt wurde. Dies entspricht dem allgemein üblichen Vorgehen bei der Nutzung eines EGVP bzw. des beA (vgl. hierzu z.B. Bacher, Der elektronische Rechtsverkehr im Zivilprozess, NJW 2015, 2753, 2756: „Sobald eine versendete Nachricht auf dem im Auftrag des Gerichts geführten Server eingegangen ist, schickt dieser dem Absender automatisch eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Daran wird sich mit Einführung des beA nichts ändern. Die Eingangsbestätigung wird dann vom EGVP an das beA gesendet werden. Mit dem Eingang auf dem Server, der mit der übersandten Bestätigung dokumentiert wird, ist die Nachricht bei Gericht eingegangen. … Sobald der Anwalt die Eingangsbestätigung erhalten hat, kann er also sicher sein, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie aus, besteht Anlass zur Überprüfung und im Zweifel zur erneuten Übersendung“).

Die Klägerin hat die Frist des § 151 Abs. 1 SGG nicht gewahrt. Das Urteil vom 26.06.2017 ist ihrem Bevollmächtigten ausweislich des aktenkundigen Empfangsbekenntnisses am 17.07.2017 zugestellt worden. Damit endete die einmonatige Berufungsfrist nach § 64 Abs. 2 und 3 SGG am Donnerstag, dem 17.08.2017, 24 Uhr. Unter Zugrundelegung der oben genannten Maßgaben zur Übermittlung elektronischer Dokumente ist innerhalb dieser Frist zur vollen Überzeugung des Senats im oben genannten Verfahren kein Berufungsschriftsatz beim LSG eingegangen, insbesondere nicht über das EGVP. Dies ergibt sich aus den gerichtsinternen Ermittlungen des Senats und auch aus den Erklärungen des Klägerbevollmächtigten selbst. Die beim LSG zuständige Mitarbeiterin hat dem Senat den verwaltungstechnischen Ablauf bei Einlegung einer Berufung über das EGVP bzw. das beA erläutert. Der Eingang eines Berufungsschriftsatzes, insbesondere eines Schreibens vom 11.08.2017, lässt sich weder im EGVP noch sonst feststellen. Der Klägerbevollmächtigte spricht insofern zwar von einer Berufung vom 11.08.2017, trägt aber dann selbst vor, dass (bei ihm) ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Auch der Antrag des Klägerbevollmächtigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zeigt, dass dieser selbst davon ausgeht, dass eine fristgerechte Berufungseinlegung nicht erfolgt ist.

Der Klägerin ist hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Frist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen, § 67 Abs. 2 S. 3 SGG.

Zweifel bestehen bereits hinsichtlich der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags. Denn der Klägerbevollmächtigte hat die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 67 Abs. 2 S. 3 SGG nicht zweifelsfrei nachgeholt. Er benennt in seinen Schriftsätzen auch kein genaues Datum, an dem in seiner Kanzlei bemerkt wurde, dass beim LSG keine Berufung eingegangen ist. Der Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass dies am 19.09.2017 erfolgt ist und dass der Klägerbevollmächtigte dann unverzüglich tätig geworden ist, indem er noch am selben Tag sein Schreiben mit dem Wiedereinsetzungsantrag verfasst hat. Die Frist des § 67 Abs. 2 S. 3, S. 1 SGG endete damit am Donnerstag, dem 19.10.2017, 24.00 Uhr. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat innerhalb dieser Frist aber nur einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Die versäumte Verfahrenshandlung, also die Einlegung der Berufung, wurde nicht ausdrücklich nachgeholt. Dem Schreiben vom 19.09.2017 wurde lediglich ein Schreiben vom 11.08.2017 beigelegt, in dem die Einlegung einer Berufung gegen das Urteil vom 26.06.2017 enthalten ist. Dieses Schreiben ist aber - auch nach den Angaben des Klägerbevollmächtigten selbst - nicht beim LSG eingegangen. Das Schreiben vom 19.09.2017 enthält lediglich den Passus „… habe ich beiliegende Berufung unter dem 11.08.2017 eingelegt“, der im Widerspruch zu der Angabe des Klägerbevollmächtigten steht, dass eine Berufung nicht beim LSG eingegangen sei und ein Ausgangsdokument für die Berufung nicht festgestellt werden könne. Von einem rechtskundigen Klägerbevollmächtigten wäre zu erwarten, dass er die Vorschrift des § 67 Abs. 2 SGG kennt und die gesetzlich geforderte Prozesshandlung, hier also die nachzuholende Berufungseinlegung, zweifelsfrei vornimmt.

Zugunsten der Klägerin legt der Senat aber die Erklärungen des Klägerbevollmächtigten so aus, dass er die Berufungseinlegung in seinem Schreiben vom 19.09.2017 nachholen wollte, so dass von der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags auszugehen ist. Auch dann ergibt sich jedoch kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Denn der Wiedereinsetzungsantrag ist jedenfalls unbegründet, weil ein unverschuldetes Hindernis im Sinne des § 67 Abs. 1 SGG nicht vorliegt. Vielmehr trifft den Klägerbevollmächtigten ein Organisationsverschulden, das sich die Klägerin zurechnen lassen muss.

Da die Klägerin selbst offensichtlich kein Verschulden trifft, kommt es auf die Zurechnung des Verschuldens ihres Bevollmächtigten an. Insofern gelten folgende Grundsätze: Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich, § 73 Abs. 6 S. 6 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO (vgl. Keller in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 67 Rn 3 e, § 73 Rn 73a). Das Verschulden einer nicht vertretungsberechtigten Hilfsperson, derer sich der Prozessbevollmächtigte bei untergeordneten Hilfstätigkeiten bedient, etwa bei der Absendung der Klage, ist dem Säumigen nicht zuzurechnen, weil hier § 85 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar ist und es eine § 278 BGB entsprechende Vorschrift im SGG nicht gibt (vgl. dazu Keller, a.a.O. § 67 Rn 3f). Dem Prozessbevollmächtigten kann aber ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden zur Last fallen. Er muss die Hilfsperson sorgfältig auswählen und ausreichend informieren und überwachen. Unverzichtbar sind insofern eindeutige Anweisungen an das Büropersonal und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals (Keller, a.a.O., Rn 8 c, 8 d m.w.N.). Bei Vorliegen besonderer Umstände trifft den Prozessbevollmächtigten eine erhöhte Sorgfaltspflicht (BSG, Urteil vom 03.08.2016, B 6 KA 5/16 B juris Rn 14 ff.). Bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (wie auch bei Übersendungen per Telefax) werden die an den Beteiligten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht gewahrt, wenn dieser nicht für eine wirksame Ausgangskontrolle des auf diesem Übertragungs Weg versandten Schriftsatzes sorgt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.08.2007, 2 A 10492/07 juris Rn 22). Für den erfolgreichen Abschluss des auf elektronischem Wege erfolgenden Schriftverkehrs sind dementsprechend Erhalt und ordnungsgemäße Kontrolle der Eingangsbestätigung unabdingbar. Eine Fristversäumnis ist insbesondere dann nicht unverschuldet, wenn der Absender wissen musste, dass das Gericht bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments übermittelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, aaO, Rn 24; Keller, a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerbevollmächtigte seine Hilfsperson nicht sorgfältig ausgewählt hat, liegen nicht vor. Jedoch trifft den Prozessbevollmächtigten ein Organisationsbzw. Überwachungsverschulden.

Es ist schon nicht ersichtlich und wird auch vom Klägerbevollmächtigten selbst nicht vorgetragen, dass Anweisungen an das Büropersonal hinsichtlich der Ausgangsbzw. Zugangskontrolle von Schreiben bei der Nutzung des beA gegeben worden sind und ob diesbezüglich stichprobenartige Kontrollen des Personals stattgefunden haben. Der Klägerbevollmächtigte schildert lediglich ganz allgemein, wie die Einlegung von Rechtsbehelfen in seiner Kanzlei organisiert ist. Zum „Ablauf der Versendung mit BeA“ trägt er vor: „fertige Schriftsätze werden ausgedruckt und in eine separate Unterschriftenmappe gelegt; Unterschriftenmappe wird dem jeweiligen Rechtsanwalt vorgelegt; dieser prüft die Schreiben und unterschreibt sie, wenn diese auslaufen können; ein Mitarbeiter wandelt zuerst alle Schriftsätze nacheinander in PDF-Dateien um und verschiebt diese in Ordner (pro Akte ein Ordner); anschließend werden alle Schriftsätze nacheinander mit BeA versendet“. Aus dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten selbst ergibt sich, dass die Organisation bezüglich der Ausgangsbzw. Zugangskontrolle von Schreiben bei der Nutzung des beA in der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten mangelhaft war. Denn der Büroablauf in einer Rechtsanwaltskanzlei muss so organisiert sein, dass jedenfalls für fristwahrende Schriftsätze, etwa durch Führung eines Postausgangsbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender, eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt werden kann (BVerwG, Urteil vom 28.05.2003, 1 B 126/03 juris Orientierungssatz und Rn 3 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 251). Der Abgang fristwahrender Schriftsätze muss so kontrolliert und vermerkt werden, dass er zweifelsfrei nachweisbar ist; die Unterzeichnung eines Schreibens durch den Rechtsanwalt und der Vermerk der Erledigung in dem von ihm persönlich geführten Terminkalender über diese Erledigung reicht für den Nachweis des Abgangs des Schreibens nicht aus, weil es danach bis zur Postaufgabe verschiedene Möglichkeiten einer Fehlleitung oder eines Verlustes gibt (BVerwG, Urteil vom 14.07.1988, 2 C 6/88 juris = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 156). Hier war nach den Schilderungen des Klägerbevollmächtigten ausweislich seiner Erklärung zum „Ablauf der Versendung mit BeA“ offensichtlich eine besondere Ausgangskontrolle nicht vorgesehen. Insbesondere wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass bei Versendung mit beA ein Fristenkalender geführt wird, in den nach Abgang eines fristwahrenden Schriftsatzes regelmäßig ein Kontrollvermerk insbesondere hinsichtlich der Eingangsbestätigung des Gerichts erfolgt, und dass das Fehlen des Kontrollvermerks vor Ablauf der Frist zu weiteren Nachforschungen führt. Hätte es eine solche Kontrolle gegeben, hätte dies im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Entdeckung der Nichtabsendung des Schriftsatzes geführt. Der Prozessbevollmächtigte nutzt - wie dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist - den elektronischen Rechtsverkehr in erheblichem Umfang. Er hätte deshalb wissen müssen, dass das LSG bei erfolgtem Eingang immer eine Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments übermittelt. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte daher das für die Berufungseinlegung per beA bei ihm zuständige Personal zumindest dahingehend belehren müssen, dass bei Übermittlung von Daten per beA stets der Erhalt der Eingangsbestätigung zu kontrollieren ist, und diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchführen müssen. Dass dies erfolgt ist, wurde, wie ausgeführt, weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten sichergestellt gewesen, dass das Fehlen einer Eingangsbestätigung des LSG bemerkt worden wäre, so dass ohne weiteres hätte festgestellt werden können, dass ein Berufungsschriftsatz noch gar nicht ausgelaufen ist.

Damit ist die besondere Sorgfalt, die ein Prozessbevollmächtigter bei der Wahrung prozessualer Fristen zu beachten hat, nicht beachtet. Dies muss die Klägerin sich zurechnen lassen (BVerwG, Urteil vom 06.12.2000, 2 B 57/00 juris Rn 7).

Auch aus dem Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte Probleme bei der Nutzung des EGVP bzw. des beA gegenüber dem LSG beschreibt und „Anfangsschwierigkeiten mit beA“ angibt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Bei einer Übermittlung von Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs gelten die gleichen Anforderungen wie bei der Übersendung per Telefax; die Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von Schriftsätzen per beA bzw. EGVP entsprechen also denen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (OVG Rheinland-Pfalz, aaO, Rn 24). Insofern ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass die nachfolgende Kontrolle des ordnungsgemäß erfolgten Ausgangs anhand des nach der Übermittlung vom Fax-Gerät automatisch ausgedruckten Sendeberichts zu erfolgen hat (BVerwG, Urteil vom 25.06.2004, 1 B 282/03, 1 B 282/03 (1 PKH 86/03) juris Rn 6; BGH, Beschluss vom 24.10.2013, V ZB 154/12; zur Sicherstellung der Kenntnisnahme empfangener Nachrichten bei der Nutzung von E-Mail-Korrespondenz im Kanzleibetrieb durch Anforderung einer Lesebestätigung BGH, Beschluss vom 17.07.2013, I ZR 64/13 juris Rn 11; Keller, a.a.O. Rn 8 f; zur Vergleichbarkeit von Fax-Sendeprotokoll und automatischer Eingangsbestätigung beim EGVP/beA Bacher, NJW 2015, 2753, 2756). Dem entspricht bei Nutzung des beA/EGVP ganz offensichtlich die Kontrolle des Zugangs durch Prüfung des Erhalts der Eingangsbestätigung des ordnungsgemäß zugeleiteten Dokuments. Vor diesem Hintergrund ist es schon nicht nachvollziehbar, inwiefern einer Ausgangskontrolle Anfangsschwierigkeiten entgegenstehen sollten. Selbst wenn man aber Probleme bei der Nutzung des EGVP bzw. des beA gegenüber dem LSG bzw. „Anfangsschwierigkeiten mit beA“ unterstellt, ergibt sich nichts anderes. Denn gerade wenn der Klägerbevollmächtigte von solchen besonderen Problemen ausgeht bzw. ausgegangen ist, hätte er eine erhöhte Sorgfalt an den Tag legen müssen, etwa durch besondere Hinweise an seine Beschäftigten auf gewissenhafte Kontrolle des Zugangs von Eingangsbestätigungen bei der Nutzung des beA, um trotzdem fristgerechte Berufungseinlegungen zu gewährleisten. Eine solche Kontrolle des Zugangs von Eingangsbestätigungen ist wie mehrfach ausgeführt offensichtlich nicht durchgeführt worden. Wäre sie erfolgt, hätte die Berufung, deren Einlegung nach dem (sinngemäßen) Vortrag des Klägerbevollmächtigten per Schriftsatz vom 11.08.2017 vorbereitet war, mit Blick auf die erst am 17.08.2017 abgelaufene Frist ohne weiteres noch fristgemäß eingelegt werden können.

Nach alledem war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Juni 2008 aufgehoben.

Die Kosten des gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. M. vom 15. Oktober 2004 und die anlässlich dieser Begutachtung entstandenen notwendigen Auslagen der Klägerin werden nachträglich auf die Staatskasse übernommen.

Gründe

 
Nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht werden kann, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Über diese endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geht die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.
Bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt der Senat, ob das Gutachten für die Verfahrensbeendigung wesentliche Bedeutung gewann. Dies bejaht der Senat insbesondere dann, wenn das Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv gefördert hat.
So ist es hier, denn die inhaltlichen Aussagen des Gutachtens waren - neben den Ergebnissen der nachfolgenden gutachtlichen Ermittlungen - ein Grund für die Abgabe des verfahrensbeendenden Anerkenntnisses der Beklagten (vgl. die Wiedergabe der Stellungnahme des beratenden Abteilungsarztes der Beklagten im Schreiben der Beklagten vom 3. September 2008). Im Schreiben vom 2. März 2006, mit dem die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hat, ist ausdrücklich ausgeführt worden, dass für die Bestimmung des Leistungsfalls (15. Oktober 2004) der Zeitpunkt der Begutachtung (durch Dr. M.) maßgebend sei.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Dies folgt aus § 67 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 66 Abs. 8 Gerichtskostengesetz (GKG). Diese Vorschriften sind auf die vorliegende Fallkonstellation entsprechend anwendbar. Nach § 10 GKG darf die Tätigkeit der Gerichte in weiterem Umfang als es die Prozessordnungen oder das GKG gestatten nicht von der Zahlung der Kosten abhängig gemacht werden. Für diejenigen sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das GKG Anwendung findet, regelt § 17 GKG eine Vorschusspflicht für Auslagen. Die Regelung in § 109 SGG gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls das Recht, die Einholung des nach dieser Vorschrift beantragten Sachverständigengutachtens von der Zahlung eines Auslagenvorschusses abhängig zu machen. Beide Vorschriften - § 17 GKG für Verfahren nach § 197a SGG und § 109 SGG für Verfahren nach § 183 SGG - regeln demnach vergleichbare Sachverhalte. Während das Verfahren der Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung in den vom GKG erfassten Verfahren in § 67 SGG geregelt ist, gelten für Beschwerden gegen Entscheidungen auf der Grundlage des § 109 SGG die Vorschriften in §§ 172 ff SGG. Im SGG ist jedoch keine Bestimmung enthalten, die die Kostentragung im Fall einer erfolgreichen Beschwerde bei der Entscheidung über die Anordnung des Kostenvorschusses oder die Übernahme der Kosten auf die Staatskasse regelt. Die Bestimmung des § 193 SGG ist nicht anwendbar, da das Verfahren, in dem zu entscheiden ist, ob die Kosten der Begutachtung auf die Staatskasse übernommen werden, kein Prozessverfahren, sondern ein parteieinseitiges Verfahren des Kostenrechts ist, in dem sich - wie bei der Prozesskostenhilfe (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. November 1983, NJW 1984, 740) - als Beteiligter nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen. Daher ist es geboten, die Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung von § 67 Abs. 1 S. i. V. m. § 66 Abs. 8 GKG zu schließen. Diese Vorschriften sind sachnäher als § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung, bei deren analoger Heranziehung man zu einer Erstattungspflicht der Staatskasse käme (so aber LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2008, L 10 U 3522/08 KO-B).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.11.2005 aufgehoben.

Die Kosten des vom Sozialgericht gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens nebst ergänzender Stellungnahme von Dr. Sch., Kornwestheim, werden auf die Staatskasse übernommen.

Die Staatskasse hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

 
Die nach §§ 172, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach § 109 SGG muss auf Antrag des Versicherten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden, wobei die Anhörung davon abhängig gemacht werden kann, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Über diese endgültige Kostentragungspflicht entscheidet das Gericht nach Ermessen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geht die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.
Bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt der Senat, ob das Gutachten für die verfahrensbeendende gerichtliche Entscheidung wesentliche Bedeutung gewann. Dies bejaht der Senat insbesondere dann, wenn das Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv förderte. Es muss sich, gemessen am Prozessziel und angesichts des Verfahrensausgangs, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben.
Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten des vom Sozialgericht nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. Sch. einschließlich der erstinstanzlich eingeholten ergänzenden Stellungnahme des genannten Sachverständigen auf die Staatskasse zu übernehmen. Wie sich aus dem Urteil des Senats vom 19.02.2009 im Hauptsacheverfahren L 10 U 4834/05 ergibt, haben nämlich das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme die Aufklärung insbesondere zur Frage der Gangstörung des Klägers objektiv gefördert.
Die Kostenentscheidung beruht - hinsichtlich der Frage, ob eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt - auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und - hinsichtlich der Frage, wer zu erstatten hat - auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 467 der Strafprozessordnung (StPO).
An dieser bereits in seinem Beschluss vom 30.07.2008 (L 10 U 3522/08 KO-B m.w.N.) vertretenen Rechtsauffassung hält der Senat nach nochmaliger Prüfung fest. Der Gegenauffassung des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 30.10.2008, L 11 R 3757/08 KO-B, wonach eine Kostenerstattung analog § 67 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 66 Abs. 8 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ausgeschlossen sei, folgt er nicht. Der 11. Senat meint, § 17 GKG enthalte mit seiner Regelung über die Vorschusspflicht für Auslagen in Verfahren nach § 197a SGG eine dem § 109 SGG für Verfahren nach § 183 SGG vergleichbare Regelung (Auslagenvorschuss) und weist darauf hin, dass das jeweilige Verfahren der Beschwerde für Fälle des § 197a SGG in § 67 GKG, für Fälle des § 109 SGG dagegen in den §§ 172 ff SGG geregelt ist. Die Folgerung des 11. Senats, § 193 SGG sei in den Fällen des § 183 SGG nicht anwendbar, trifft jedoch nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall: Eben weil die Beschwerde in den Fällen des § 183 SGG nach den Regeln des SGG durchgeführt wird, gilt (anders als bei § 197a SGG mit seiner Verweisung auf die Kostenregelungen der Verwaltungsgerichtsordnung) § 193 SGG als für das sozialgerichtliche Verfahren maßgebende Regelung über die Kostenerstattung.
Die vom 11. Senat angestellte Überlegung, das SGG enthalte keine Vorschrift über die Kostentragungspflicht der Staatskasse und es handele sich bei der Kostenbeschwerde nach § 109 SGG um ein „parteieinseitiges“ Verfahren, ist zwar richtig, der hieraus gezogene Schluss, die Regelungen des GKG (einschließlich des Ausschlusses einer Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren) seien sachnäher als jene des OWiG und der StPO, jedoch nicht. Denn die beschriebene Überlegung betrifft nicht die zuerst zu entscheidende Frage, ob eine Kostenerstattung stattfindet, sondern die erst im Anschluss daran zu beantwortende Frage nach dem Schuldner dieser Erstattungspflicht:
Gerade weil es sich um ein „parteieinseitiges“ Verfahren handelt, kommt nicht der Klagegegner als Schuldner in Betracht, was - ähnlich den Fällen der Ordnungsgeldbeschwerde (vgl. BFH, Beschluss vom 10.01.1986, VIIII B 5/85 in BFHE 145, 314) - zur entsprechenden Anwendung des § 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO und damit dazu führt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - im Falle einer Erstattung - von der Staatskasse zu tragen sind.
Die Frage dagegen, ob eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt, hat damit nichts zu tun. Ihre Beantwortung richtet sich nach den Regeln des sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahrens und dort eben nach § 193 SGG, der im Beschwerdeverfahren analog anzuwenden ist und somit auch für Kostenbeschwerden nach § 193 SGG gilt (so im Übrigen auch andere Senate des LSG Baden-Württemberg, s. u.a. Beschluss vom 16.08.2006, L 1 U 3854/06 KO-B, Beschluss vom 24.10.2008, L 6 SB 4170/08 KO-B, Beschluss vom 13.11.2007, L 9 U 2223/07 AK-A; ebenso Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.09.2005, L 2 B 40/04; Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 30.11.2006, L 6 B 221/06 SB; Beschluss des Bayerischen LSG vom 09.02.2009, L 15 SB 12/09 B und Beschluss vom 15.12.2008, L 1 B 961/08 R). Für eine analoge Anwendung des § 46 OWiG i.V.m. § 467 StPO besteht daher insoweit, was die Frage betrifft, ob eine Erstattung erfolgt, kein Anlass. Damit ist auch kein Raum für die Überlegung des 11. Senats, das GKG sei insoweit sachnäher als OWiG und StPO.
10 
Im Übrigen wäre angesichts dessen, dass der Gesetzgeber in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG die Anwendung des GKG ausdrücklich angeordnet, für den Personenkreis des § 183 SGG dagegen mit der Kostenfreiheit nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGG ausdrücklich ausgeschlossen hat, die (entsprechende) Anwendung des GKG auf Fälle des § 183 SGG mit Wortlaut, Systematik von § 197a SGG und § 183 SGG sowie der mit § 183 SGG bezweckten Privilegierung des erfassten Personenkreises schwerlich zu vereinbaren.
11 
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.