Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Apr. 2017 - L 10 AL 54/17 NZB

06.04.2017
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 17 AL 417/15, 14.02.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. Februar 2017 - S 17 AL 417/15 - wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 558,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Erstattung der von der nachrangig verpflichteten Klägerin an die Leistungsempfängerin (B.) erbrachten Leistungen durch die Beklagte.

Die Klägerin gewährte B. Jugendhilfe gemäß dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 18.08.2011 bis 10.02.2015. Ab 01.09.2014 absolvierte B. eine Berufsausbildung. Am 25.11.2014 beantragte die Klägerin für B. Berufsausbildungsbeihilfe bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 23.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2015 bewilligte die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe ab 01.11.2014 (für November 2014 in Höhe von 279,00 EUR). Für September und Oktober sei keine Berufsausbildungsbeihilfe mangels rechtzeitiger Antragstellung zu bewilligen. Der nach § 324 Abs. 2 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erforderliche Antrag sei erst im November eingegangen.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen allgemeinen Leistungsklage hat die Klägerin die Erstattung erbrachter Leistungen für September und Oktober 2014 begehrt. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2017 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die an B. gewährten Leistungen für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.10.2014 in Höhe von 558,00 zu erstatten. Der Erstattungsanspruch bestehe gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Beklagte. Er scheitere auch nicht an der mangelnden Antragstellung für diese Monate. Insofern werde Bezug u. a. auf einen Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 04.04.2016 - L 10 AL 47/16 NZB - veröffentlicht in juris, genommen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Die vorliegende Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nach dem Stand der Rechtsprechung bereits geklärt (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 04.04.2016 - L 10 AL 47/16 NZB -). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG Urteil vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - veröffentlicht in juris) hängt das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nicht davon ab, dass der Leistungsempfänger rechtzeitig einen Antrag an die Erstattungsverpflichteten gestellt hat, zumindest wenn - wie vorliegend - die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsempfängers nicht durch das Antragserfordernis geschützt werden soll (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.04.1998 - B 9 VG 6/96 R - und diese Rechtsprechung weiterentwickelnd im Urteil vom 28.04.1999 - B 9 V 8/98 R - beide veröffentlicht in juris). Ein Klärungsbedarf besteht daher im streitgegenständlichen Verfahren nicht, denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - „auch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts kann Klärungsbedarf ausschließen“ (vgl. Leitherer a. a. O. § 160 Rdnr. 8) - und des BSG stimmen insoweit überein.

Die Ausführungen des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2015 - L 4 P 1171/15 - veröffentlicht in juris) machen hingegen diese Rechtslage nicht erneut klärungsbedürftig (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rdnr. 8b), denn diese Entscheidung stützt sich zum einen auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 03.09.2012 - 12 A 1082/12 - veröffentlicht in juris), die aber durch das BVerwG mit der Entscheidung vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - gerade aufgehoben worden ist. Zudem ist die Rechtsfrage zumindest durch das Urteil des BSG vom 28.04.1999 (a. a. O.) geklärt, denn auch wenn dieses Urteil nicht zu § 104 SGB X ergangen ist (so LSG Baden-Württemberg a. a. O.), so ist es zur Auslegung vergleichbarer Regelungen heranzuziehen und gibt ausreichend Anhaltspunkte dafür, wie die konkret aufgeworfenen Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rdnr. 8). In der Literatur selbst wird die Auffassung des LSG Baden-Württemberg nur vereinzelt (Kater in Kasseler Kommentar, SGB X, § 104 Rdnr. 9b Stand 12/2105) gestützt.

Nachdem das SG auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht und Verfahrensfehler weder erkennbar noch geltend gemacht worden sind, war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Halbsatz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 104 Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers


(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte

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(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 324 Antrag vor Leistung


(1) Leistungen der Arbeitsförderung werden nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Agentur für Arbeit eine verspätete Antragstellung zulassen. (2)

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 04. Apr. 2016 - L 10 AL 47/16 NZB

bei uns veröffentlicht am 04.04.2016

Tenor I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.01.2016 - S 1 AL 412/15 - wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 23. Jan. 2014 - 5 C 8/13

bei uns veröffentlicht am 23.01.2014

Tatbestand 1 Die Parteien streiten um das Bestehen eines sozialrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs. 2

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(1) Leistungen der Arbeitsförderung werden nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Agentur für Arbeit eine verspätete Antragstellung zulassen.

(2) Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld und Arbeitslosengeld können auch nachträglich beantragt werden. Kurzarbeitergeld, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge und Lehrgangskosten für die Bezieherinnen und Bezieher von Kurzarbeitergeld und ergänzende Leistungen nach § 102 sind nachträglich zu beantragen.

(3) Insolvenzgeld ist abweichend von Absatz 1 Satz 1 innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Wurde die Frist aus nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt, wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden ist. Ein selbst zu vertretender Grund liegt vor, wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht haben.

(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.01.2016 - S 1 AL 412/15 - wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 8.233,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Erstattung der von nachrangig verpflichteten Klägerin an die Leistungsempfängerin (A.) erbrachten Leistungen durch die Beklagte.

Die Klägerin hat an A. Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung (u. a. Unterkunft und Betreuung) gemäß §§ 27, 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) für die Zeit ab27.10.2011 erbracht. Für die am 08.12.2014 beginnende Maßnahme „BvB Pro“ bewilligte die Beklagte an A. aufgrund eines rechtzeitigen Antrages der A. Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von zunächst 879,00 € monatlich.

Am 04.02.2015 beantragte die Klägerin die Erstattung der während der Ausbildung der A. zur Fachlageristin Kfz-Teile-Großhandel (Ausbildungsdauer: 01.09.2013 bis zum Abbruch am 07.12.2014) von ihr an die A. erbrachten Leistungen bei der Beklagten. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 mit, dass eine Förderung für die Zeit bis 07.12.2014 mangels rechtzeitigen Antrages nicht möglich sei.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen allgemeinen Leistungsklage hat die Klägerin die Erstattung erbrachter Leistungen für die Zeit vom 04.02.2014 bis 07.12.2014 in Höhe von 8233,30 € begehrt. Unter Beachtung der Ausschlussfrist des § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - hänge der Erstattungsanspruch nicht von einer - rechtzeitigen - Antragstellung der A. gegenüber der Beklagten ab. Das SG hat mit Urteil vom 14.01.2016 die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin an A. geleistete Berufsausbildungsbeihilfe in der gesetzlichen Höhe unter Beachtung der Jahresfrist des § 111 SGB X für die Zeit vom 04.02.2014 bis 07.12.2014 zu erstatten. Darauf, ob A. einen Antrag an die Beklagte auf diese Leistungen - rechtzeitig - gestellt habe, komme es nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht an. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Beklagte zunächst Berufung und nach Hinweis des Senats Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Berufung hat die Beklagte zurückgenommen. Die Berufung sei jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auch ein rechtzeitig gestellter Leistungsantrag erforderlich sei, sei zwar vom BVerwG entschieden worden. Diese Entscheidung werde aber vom LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2015 - L 4 P 1171/15 - und von Kater (Kasseler Kommentar, SGB X, § 104 Stand 12/2015 Rn. 9 b) für nicht überzeugend gehalten. Die Rechtsfrage sei daher wegen ihrer Breitenwirkung klärungsbedürftig und auch klärungsfähig.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bei der vorliegenden Erstattungsstreitigkeit übersteigt nicht 10.000,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Die vorliegend von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nach dem Stand der Rechtsprechung geklärt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - veröffentlicht in Juris) hängt das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nicht davon ab, dass der Leistungsempfänger rechtzeitig einen Antrag an den Erstattungsverpflichteten gestellt hat, zumindest wenn - wie vorliegend (vgl. §§ 95, 97 SGB VIII) - die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsempfängers nicht durch das Antragserfordernis geschützt werden soll (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.04.1998 - B 9 VG 6/96 R - und diese Rechtsprechung weiterentwickelnd im Urteil vom 28.04.1999 - B 9 V 8/98 R - beide veröffentlicht in Juris). Ein Klärungsbedarf besteht daher im streitgegenständlichen Verfahren nicht, denn die Rechtsprechung des BVerwG - „auch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts kann Klärungsbedarf ausschließen“ (vgl. Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8) - und des BSG stimmen insoweit überein.

Die Ausführungen des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2015 - L 4 P 1171/15 - veröffentlicht in Juris) macht hingegen diese Rechtslage nicht erneut klärungsbedürftig (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8 b), denn diese Entscheidung stützt sich zum einen auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 03.09.2012 - 12 A 1082/12 - veröffentlicht in Juris), die aber durch BVerwG mit der Entscheidung vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - gerade aufgehoben worden ist. Zudem ist die Rechtsfrage zumindest durch das Urteil des BSG vom 28.04.1999 (a. a. O.). geklärt, denn auch wenn dieses Urteil nicht zu § 104 SGB X ergangen ist (so LSG Baden-Württemberg a. a. O.), so ist es zur Auslegung vergleichbarer Regelungen heranzuziehen und gibt ausreichend Anhaltspunkte dafür, wie die konkret aufgeworfene Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8). In der Literatur selbst wird die Auffassung des LSG Baden-Württemberg nur vereinzelt (Kater a. a. O.) gestützt.

Nachdem das SG auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht und Verfahrensfehler weder erkennbar noch geltend gemacht worden sind, war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, das das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenentscheidung des SG (gestützt auf § 193 SGG) kann nach Zurückweisung der Beschwerde vom Senat nicht geändert werden (vgl. Leitherer a. a. O. § 193 Rn. 2a).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Halbs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.01.2016 - S 1 AL 412/15 - wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 8.233,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Erstattung der von nachrangig verpflichteten Klägerin an die Leistungsempfängerin (A.) erbrachten Leistungen durch die Beklagte.

Die Klägerin hat an A. Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung (u. a. Unterkunft und Betreuung) gemäß §§ 27, 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) für die Zeit ab27.10.2011 erbracht. Für die am 08.12.2014 beginnende Maßnahme „BvB Pro“ bewilligte die Beklagte an A. aufgrund eines rechtzeitigen Antrages der A. Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von zunächst 879,00 € monatlich.

Am 04.02.2015 beantragte die Klägerin die Erstattung der während der Ausbildung der A. zur Fachlageristin Kfz-Teile-Großhandel (Ausbildungsdauer: 01.09.2013 bis zum Abbruch am 07.12.2014) von ihr an die A. erbrachten Leistungen bei der Beklagten. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 mit, dass eine Förderung für die Zeit bis 07.12.2014 mangels rechtzeitigen Antrages nicht möglich sei.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen allgemeinen Leistungsklage hat die Klägerin die Erstattung erbrachter Leistungen für die Zeit vom 04.02.2014 bis 07.12.2014 in Höhe von 8233,30 € begehrt. Unter Beachtung der Ausschlussfrist des § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - hänge der Erstattungsanspruch nicht von einer - rechtzeitigen - Antragstellung der A. gegenüber der Beklagten ab. Das SG hat mit Urteil vom 14.01.2016 die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin an A. geleistete Berufsausbildungsbeihilfe in der gesetzlichen Höhe unter Beachtung der Jahresfrist des § 111 SGB X für die Zeit vom 04.02.2014 bis 07.12.2014 zu erstatten. Darauf, ob A. einen Antrag an die Beklagte auf diese Leistungen - rechtzeitig - gestellt habe, komme es nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht an. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Beklagte zunächst Berufung und nach Hinweis des Senats Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Berufung hat die Beklagte zurückgenommen. Die Berufung sei jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X auch ein rechtzeitig gestellter Leistungsantrag erforderlich sei, sei zwar vom BVerwG entschieden worden. Diese Entscheidung werde aber vom LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2015 - L 4 P 1171/15 - und von Kater (Kasseler Kommentar, SGB X, § 104 Stand 12/2015 Rn. 9 b) für nicht überzeugend gehalten. Die Rechtsfrage sei daher wegen ihrer Breitenwirkung klärungsbedürftig und auch klärungsfähig.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bei der vorliegenden Erstattungsstreitigkeit übersteigt nicht 10.000,00 € (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Die vorliegend von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nach dem Stand der Rechtsprechung geklärt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - veröffentlicht in Juris) hängt das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nicht davon ab, dass der Leistungsempfänger rechtzeitig einen Antrag an den Erstattungsverpflichteten gestellt hat, zumindest wenn - wie vorliegend (vgl. §§ 95, 97 SGB VIII) - die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsempfängers nicht durch das Antragserfordernis geschützt werden soll (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.04.1998 - B 9 VG 6/96 R - und diese Rechtsprechung weiterentwickelnd im Urteil vom 28.04.1999 - B 9 V 8/98 R - beide veröffentlicht in Juris). Ein Klärungsbedarf besteht daher im streitgegenständlichen Verfahren nicht, denn die Rechtsprechung des BVerwG - „auch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts kann Klärungsbedarf ausschließen“ (vgl. Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8) - und des BSG stimmen insoweit überein.

Die Ausführungen des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.12.2015 - L 4 P 1171/15 - veröffentlicht in Juris) macht hingegen diese Rechtslage nicht erneut klärungsbedürftig (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8 b), denn diese Entscheidung stützt sich zum einen auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 03.09.2012 - 12 A 1082/12 - veröffentlicht in Juris), die aber durch BVerwG mit der Entscheidung vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - gerade aufgehoben worden ist. Zudem ist die Rechtsfrage zumindest durch das Urteil des BSG vom 28.04.1999 (a. a. O.). geklärt, denn auch wenn dieses Urteil nicht zu § 104 SGB X ergangen ist (so LSG Baden-Württemberg a. a. O.), so ist es zur Auslegung vergleichbarer Regelungen heranzuziehen und gibt ausreichend Anhaltspunkte dafür, wie die konkret aufgeworfene Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. dazu Leitherer a. a. O. § 160 Rn. 8). In der Literatur selbst wird die Auffassung des LSG Baden-Württemberg nur vereinzelt (Kater a. a. O.) gestützt.

Nachdem das SG auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht und Verfahrensfehler weder erkennbar noch geltend gemacht worden sind, war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, das das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenentscheidung des SG (gestützt auf § 193 SGG) kann nach Zurückweisung der Beschwerde vom Senat nicht geändert werden (vgl. Leitherer a. a. O. § 193 Rn. 2a).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Halbs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um das Bestehen eines sozialrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs.

2

Der klagende Sozialhilfeträger begehrt von dem beklagten Landkreis Erstattung der im Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 2006 angefallenen Internatskosten für eine hörgeschädigte Schülerin. Der Kläger vertritt die Ansicht, das Amt für Ausbildungsförderung des Beklagten sei vorrangig zur Übernahme der Internatskosten in Höhe von 7 695,31 € verpflichtet. Demgegenüber geht der Beklagte davon aus, nicht erstattungspflichtig zu sein, weil bei ihm für den vorgenannten Zeitraum ein Leistungsantrag nicht gestellt worden sei.

3

Antrag, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar scheitere ein Anspruch des Klägers aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht daran, dass keine gleichartigen Leistungsansprüche vorlägen. Auch sei der Kläger als Sozialhilfeträger grundsätzlich nur nachrangig verpflichtet. Es bestehe jedoch kein (vorrangiger) Anspruch auf Ausbildungsförderung, weil für den streitgegenständlichen Zeitraum entsprechende Leistungen nicht nach § 46 BAföG beantragt worden seien. Damit fehle eine sachlich-rechtliche und insoweit unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährung von Ausbildungsförderung. § 46 BAföG schütze nicht nur die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten. Der Antrag sei über § 15 Abs. 1 BAföG, wonach frühestens vom Beginn des Antragsmonats an geleistet werde, auch untrennbar mit dem Beginn der Förderung verknüpft. Zudem binde § 28 Abs. 2 BAföG die Vermögensanrechnung an den Zeitpunkt der Antragstellung. Da der erstattungspflichtige Träger dem Erstattungsberechtigten nur das zu erstatten habe, was er auch gegenüber dem Berechtigten zu leisten habe, bestehe mangels Antrags keine Erstattungspflicht. Aus der durch § 95 SGB XII eröffneten Möglichkeit des Sozialhilfeträgers, einen Antrag auf Ausbildungsförderung für die Berechtigte zu stellen, folge nichts anderes. Der Sozialhilfeträger könne eine Vereitelung der gesetzlich vorgesehenen Verteilung der Kostenlast durch einen eigenen Antrag verhindern, so dass für einen Verzicht auf das Antragserfordernis im Erstattungsstreit kein Grund bestehe.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil verletze durch eine unzutreffende Auslegung und Anwendung des § 104 SGB X i.V.m. § 95 SGB XII Bundesrecht. Als Träger der Sozialhilfe sei er nur nachrangig für die Hilfeleistung verantwortlich gewesen. Vorrangig habe die Übernahme der Internatskosten dem Amt für Ausbildungsförderung des Beklagten oblegen. Einem Kostenerstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers stehe nicht entgegen, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum bei dem vorrangig verpflichteten Träger kein Antrag gestellt worden sei. Das Fehlen eines Leistungsantrags sei für den Erstattungsanspruch nur dann beachtlich, wenn der Zweck des Antragserfordernisses darin bestehe, (auch) die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungserfordernis des Leistungsberechtigten zu schützen. Daran fehle es, wenn der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger - wie hier - anstelle des Leistungsberechtigten die Sozialleistungen beantragen könne. Diese für das Versorgungsrecht entwickelten Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall zu übertragen, weil § 95 SGB XII ebenso wie § 27i BVG eine Antragstellung durch den erstattungsberechtigten Sozialleistungsträger ermögliche. Das von dem Oberverwaltungsgericht begründete Antragserfordernis bedeute für die Praxis eine unnötige Formalie. Sinn und Zweck der §§ 102 ff. SGB geböten es, die Finanzierungslast dem im vielfältig gegliederten Sozialleistungssystem vorrangig verpflichteten Leistungsträger zu überantworten. Es stehe nicht im Belieben des Leistungsberechtigten, die gesetzlich vorgegebene Lastenverteilung zwischen den Sozialleistungsträgern durch Stellung oder Nichtstellung von Anträgen zu korrigieren.

5

Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erstattungsklage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 7 695,31 € aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch i.d.F. der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130), zuletzt geändert am 25. Juli 2013 (BGBl I S. 2749), - SGB X - zu.

7

Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, grundsätzlich der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein entsprechender Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen setzt damit voraus, dass Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und miteinander konkurrieren, wobei die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen nachgehen muss (stRspr, vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 jeweils Rn. 26 m.w.N.).

8

1. Hier konkurrierten Leistungspflichten zweier unterschiedlicher Sozialleistungsträger im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X miteinander.

9

a) Der Kläger hatte bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 2006 Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, hier in Gestalt der Kosten der Unterbringung der Hilfeempfängerin in dem an der nordrhein-westfälischen Schule für Blinde angeschlossenen Internat, erbracht. Die Leistungsgewährung stand im Einklang mit § 53 i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.d.F. des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 12 Nr. 3 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ebenfalls i.d.F. des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3022). Der Kläger leistete die Eingliederungshilfe in seiner Eigenschaft als gemäß § 97 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) der Ausführungsverordnung zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2004 (GV NRW S. 816) sachlich und überörtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe und erfüllte damit eine eigene Verbindlichkeit. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Einvernehmen herrscht auch darüber, dass die Leistungspflicht des Klägers nach § 2 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich nachrangig ist.

10

b) Für den streitigen Zeitraum bestand auch eine vorrangige Leistungspflicht des Beklagten im erstattungsrechtlichen Sinn.

11

aa) Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährung von Ausbildungsförderung waren - abgesehen von dem materiellrechtlichen Erfordernis des Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung (vgl. Urteil vom 20. Februar 1992 - BVerwG 5 C 74.88 - BVerwGE 90, 37 <40> = Buchholz 435.11 § 45 SGB I Nr. 2 S. 3) - erfüllt. Auch insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen.

12

Die Anspruchserfordernisse nach § 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesgesetzes über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (BGBl I S. 645, 1680), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. September 2005 (BGBl I S. 2809), lagen vor. Gemäß § 14a Satz 1 Nr. 1 BAföG i.V.m. § 6 Abs. 1 der Verordnung vom 15. Juli 1974 über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BGBl I S. 1449), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2001 (BGBl I S. 390), wird Ausbildungsförderung unter anderem einem Auszubildenden, dessen Bedarf sich nach § 12 Abs. 2 BAföG bemisst, zur Deckung der Kosten der Unterbringung in einem Internat oder einer gleichartigen Einrichtung geleistet, soweit sie den nach diesen Bestimmungen des Gesetzes maßgeblichen Bedarfssatz übersteigen. Internat im Sinne des § 6 Abs. 1 HärteV ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 HärteV ein der besuchten Ausbildungsstätte angegliedertes Wohnheim, in dem der Auszubildende außerhalb der Unterrichtszeit pädagogisch betreut wird und in Gemeinschaft mit anderen Auszubildenden Verpflegung und Unterkunft erhält (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 33.08 - BVerwGE 135, 310 = Buchholz 436.36 § 14a BAföG Nr. 4). Auch diese Voraussetzungen waren unstreitig erfüllt.

13

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, der Erstattungsanspruch des Klägers nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheitere an dem Fehlen eines auf die Bewilligung von Leistungen der Ausbildungsförderung gerichteten Antrags nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BAföG. Das Bestehen des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X hängt jedoch nicht davon ab, dass Ausbildungsförderung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BAföG beantragt worden ist. Dies folgt aus der Auslegung des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

14

Der Wortlaut der Bestimmung lässt es zu, eine Leistungspflicht im erstattungsrechtlichen Sinn auch dann anzunehmen, wenn ein Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht gestellt wurde. Der Wendung "gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte" ist nicht zwingend zu entnehmen, dass eine Leistungspflicht im erstattungsrechtlichen Sinn nur dann gegeben ist, wenn ein Anspruch im Wege eines Antrags geltend gemacht und so zum Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens gemacht wird. Dies gilt auch für die Fälle, in denen - wie hier - der Antrag materiellrechtliche Voraussetzung des Leistungsanspruchs ist.

15

Auch die Gesetzessystematik zwingt nicht zu der Annahme, die Antragstellung sei Voraussetzung einer Leistungspflicht im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Leistungsanspruch des Berechtigten und der Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind jeweils rechtlich selbständige Ansprüche (BSG, Urteile vom 1. Dezember 1983 - 4 RJ 91/82 - BSGE 56, 69 <71 f.>, vom 22. Juli 1987 - RA 63/85 - SozR 1300 § 105 SGB 10 Nr. 5 S. 12 und vom 28. April 1999 - B 9 V 8/98 - BSGE 84, 61 <63 f.>). Die Entstehung des Erstattungsanspruchs gründet nicht auf einem Übergang des Leistungsanspruchs auf den erstattungsberechtigten Träger, sondern allein auf der Erfüllung der Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit der Erstattungsanspruch inhaltlich abhängig von und untrennbar verbunden mit dem Anspruch des Leistungsberechtigten ist, genügt es, dass in der Person des Berechtigten die wesentlichen und unverzichtbaren Grundvoraussetzungen des Anspruchs auf eine Leistung gegen den auf Erstattung in Anspruch genommenen Träger vorliegen. Dazu zählt ein Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1999 a.a.O.).

16

Während sich die Entstehungsgeschichte des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X als unergiebig darstellt, sprechen Sinn und Zweck der §§ 102 ff. SGB X entscheidend dafür, das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegen den Träger der Ausbildungsförderung nicht davon abhängig zu machen, dass ein Antrag im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 BAföG gestellt worden ist. Die §§ 102 ff. SGB X dienen der Sicherstellung des Nachrangs einer bereits erbrachten Sozialleistung und der Finanzierungsverantwortung des vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers im Erstattungsrechtsverhältnis. Die Realisierung dieser gesetzlich vorgegebenen Lastenverteilung sollte erkennbar nicht von der Antragstellung im Leistungsverhältnis abhängig sein und in das Belieben des Leistungsberechtigten gestellt werden. Anderenfalls hätte es dieser in der Hand, die gesetzlich vorgesehene Finanzierungsverantwortung dadurch zu korrigieren, dass er es unterlässt, einen Leistungsantrag zu stellen (BSG, Urteil vom 28. April 1999 a.a.O. S. 64 f.). Dem steht nicht entgegen, dass § 95 Satz 1 SGB XII den erstattungsberechtigten Träger der Sozialhilfe ermächtigt, die Feststellung einer Sozialleistung zu betreiben sowie Rechtsmittel einzulegen und damit den an sich dem Leistungsberechtigten zustehenden Anspruch auf Bewilligung der Sozialleistung im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft behördlich und gerichtlich geltend zu machen, ohne dass es dessen Mitwirkung bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1998 - B 9 VG 6/96 R - BSGE 82, 112 <114 und 116 f.>). Genauso wie der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verfolgt das Feststellungsverfahren im Sinne des § 95 Satz 1 SGB XII den Zweck, der gesetzlich vorgesehenen Finanzierungslast im vielfältig gegliederten Sozialleistungssystem Geltung zu verschaffen. Diese Gemeinsamkeit rechtfertigt es hingegen nicht, unter Hinweis auf die Möglichkeit der Durchführung des Feststellungsverfahrens den Erstattungsanspruch von einem Antrag des Leistungsberechtigten abhängig zu machen. Denn der Zweck des Erstattungsanspruchs besteht - wie aufgezeigt - darin, dass der Verteilung der Finanzierungsverantwortung gerade durch ein vom Willen des Leistungsberechtigten unabhängiges Erstattungsverfahren Rechnung getragen wird.

17

Auch Schutzrichtung und Wirkung des § 95 SGB XII widerstreiten der Annahme, das Antragserfordernis sei deshalb unbedenklich, weil der nachrangig verpflichtete Leistungsträger im Falle des Unterlassens eines Antrags des Leistungsberechtigten das Feststellungsverfahren betreiben und auf diesem Weg einen Leistungsantrag stellen könne. § 95 SGB XII ist eine Schutzvorschrift zugunsten des subsidiär verpflichteten Trägers. Diesem wird insbesondere das Recht verliehen, sich von nachrangig zu erbringenden Leistungen gegenüber dem Hilfeempfänger zu befreien. Zwar dient der Erstattungsanspruch ebenfalls dem Schutz der Interessen des nachrangig zuständigen Trägers. Das Recht aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist hingegen auf die Erstattung tatsächlich bereits erbrachter Leistungen und damit auf die Vergangenheit bezogen, während das Recht aus § 95 SGB XII auf die Feststellung des Anspruchs gerichtet ist und auch in die Zukunft reicht. Bereits dieser strukturelle Unterschied spricht dagegen, das hier in Rede stehende Antragserfordernis wegen der Möglichkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens als unbedenklich zu erachten. Hinzu kommt, dass der Anspruch auf Erstattung und derjenige auf Feststellung nebeneinander bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1998 a.a.O. S. 116). Auch dies streitet dagegen, das Erfordernis eines Leistungsantrags für den Erstattungsanspruch (auch) mit der Möglichkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens bei Fehlen eines solchen Antrags zu begründen und auf diese Weise beide Verfahren miteinander zu verknüpfen. Dem Feststellungsverfahren würde dadurch eine Bedeutung beigemessen, die ihm nicht zukommt. Schließlich liefe es dem Charakter des § 95 SGB XII als Schutzvorschrift zuwider, im Fall eines vom Leistungsberechtigten nicht gestellten Antrags die Erstattung von Leistungen davon abhängig zu machen, dass der nachrangig verpflichtete Träger den Leistungsantrag im Rahmen des Feststellungsverfahrens stellt. Dies gilt umso mehr, als es der nachrangig verpflichtete Leistungsträger regelmäßig nicht in der Hand hat, rechtzeitig entweder den Leistungsberechtigten zur Stellung eines weiteren Antrags bei einem anderen Träger zu bewegen oder anderenfalls das Feststellungsverfahren zu betreiben. Faktisch führte die Annahme einer Beachtlichkeit des Antragserfordernisses des § 46 Abs. 1 Satz 1 BAföG zu der ungewollten Konsequenz, dass der nachrangig verpflichtete Träger zur Sicherstellung einer umfassenden Erstattungsleistung gehalten wäre, zeitgleich mit der Beantragung der nachrangigen Sozialleistung durch den Berechtigten - im Sozialhilferecht auf Grund des Kenntnisgrundsatzes des § 18 SGB XII bereits mit Bekanntwerden des Hilfebedarfs - die Feststellung der vorrangigen Sozialleistung zu betreiben.

18

Der Senat lässt dahingestellt, ob für den Erstattungsanspruch dann ein Antrag des Berechtigten auf Erbringung der Sozialleistung erforderlich ist, wenn ein Antragserfordernis (auch) die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten schützt (so BSG, Urteil vom 28. April 1999 a.a.O. S. 64 f.). Darauf kommt es hier nicht an, weil das bei dem Antrag nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BAföG nicht der Fall ist. Dies ergibt sich daraus, dass bei Fehlen eines solchen Antrags dieser vom nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträger im Rahmen des Verfahrens nach § 95 SGB XII gestellt werden kann.

19

2. Das Berufungsurteil beruht auf dem fehlerhaften Verständnis des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hätte das Oberverwaltungsgericht die Vorschrift im vorstehenden Sinne verstanden, so hätte es entschieden, dass das Unterbleiben der Antragstellung durch die Leistungsberechtigte der Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht entgegenstand. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

20

3. Da zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht, dass der Beklagte seinerseits Leistungen der Ausbildungsförderung in der mit der Erstattungsklage geltend gemachten Höhe hätte erbringen müssen, ist dem Bundesverwaltungsgericht eine Sachentscheidung möglich (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

21

Hiernach ist der Beklagte aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, an den Kläger 7 695,31 € zu zahlen. Dieser Anspruch ist in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

22

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen in sinngemäßer Anwendung des § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Prozesszinsen zu entrichten, wenn das einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (Urteil vom 22. Februar 2001 - BVerwG 5 C 34.00 - BVerwGE 114, 61 <62> = Buchholz 435.12 § 108 SGB X Nr. 1 S. 2 m.w.N.). Dies gilt auch für verwaltungsgerichtliche Erstattungsklagen, die auf den §§ 102 ff. SGB X gründen. Dabei knüpft das Gericht an Rechtsüberzeugungen an, die in Deutschland schon vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fast allgemein zur Anerkennung gelangt und im Verkehrsleben herrschend waren. Sie halten den Schuldner, auch wenn er sich in redlichem Glauben, zur Zahlung nicht verpflichtet zu sein, auf einen Prozess einlässt, nach dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben für verpflichtet, dem Gläubiger für die Nutzungen Ersatz zu leisten, die er diesem während der Dauer des Prozesses vorenthalten hat (Urteil vom 7. Juni 1958 - BVerwG 5 C 272.57 - BVerwGE 7, 95 <97> = Buchholz 409.2 § 45 AbgeltG Nr. 1 S. 4). Aus § 108 SGB X folgt nichts Gegenteiliges (Urteil vom 22. Februar 2001 a.a.O. S. 65 f. bzw. S. 5).

23

Daran hält der Senat fest, auch wenn das Bundessozialgericht für den Bereich des sozialgerichtlichen Verfahrens die Gewährung von Prozesszinsen bei Erstattungsansprüchen zwischen Sozialversicherungs- und Sozialleistungsträgern ablehnt (BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 22/08 - juris Rn. 8 m.w.N.; ferner BSG, Urteil vom 16. Dezember 1964 - 12 RJ 526/64 - BSGE 22, 150 <154 f.>). Denn im Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Zuerkennung von Prozesszinsen die nach Treu und Glauben gebotene Regel und keine an die engen Voraussetzungen der Analogie gebundene Ausnahme. Auch gebietet es das zu Grunde liegende materielle Recht - wie ausgeführt - nicht, von dieser Regel abzuweichen. Ebenso wenig liefe die Zuerkennung eines Anspruchs des nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträgers gegen den vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträger auf Gewährung von Prozesszinsen der Billigkeit und den Grundsätzen von Treu und Glauben zuwider. Es ist nicht zu erkennen, warum der vorrangig verpflichtete Sozialleistungsträger nicht gehalten sein soll, dem in einem Gleichordnungsverhältnis zu ihm stehenden, jedoch nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträger nicht auch für die Nutzungen Ersatz zu leisten, die er diesem während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Erstattungsrechtsstreits vorenthalten hat.

(1) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn von den Trägern der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann; Satz 3 gilt in diesen Fällen nicht.

(2) Absatz 1 gilt auch dann, wenn von einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht worden sind und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen einen Anspruch auf Sozialleistungen, auch auf besonders bezeichnete Leistungsteile, gegenüber einem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat oder hatte.

(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(4) Sind mehrere Leistungsträger vorrangig verpflichtet, kann der Leistungsträger, der die Sozialleistung erbracht hat, Erstattung nur von dem Leistungsträger verlangen, für den er nach § 107 Abs. 2 mit befreiender Wirkung geleistet hat.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.