Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Okt. 2015 - 9 AZR 655/14
Gericht
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 26. August 2014 - 2 Sa 70/13 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf einen monatlichen Fahrgeldzuschuss iHv. 92,03 Euro netto für Fahrten zu seiner Arbeitsstätte hat.
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Der Kläger wohnt in U. Er ist seit Juni 2006 als Monteur bei der Beklagten beschäftigt und wird ca. 600 km vom Sitz der Beklagten entfernt auf dem Gelände der Fa. A in H eingesetzt. Bis einschließlich Dezember 2012 erhielt er monatlich einen Fahrgeldzuschuss iHv. zuletzt 92,03 Euro netto. Die Beklagte sowie deren Rechtsvorgängerin berechneten die Höhe des Zuschusses unter Zugrundelegung von 0,08 Euro je Entfernungskilometer für eine Hin- und Rückfahrt zwischen dem Sitz der Beklagten in S und dem Arbeitsort H (einfache Fahrtstrecke).
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In einer auf zwei Jahre befristeten Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand „Lohnsteuerliche Behandlung der Erstattung von Mehraufwendungen bei der vorübergehenden auswärtigen Tätigkeit von Arbeitnehmern“ vom 22. Februar 1999 heißt es ua.:
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„Inhalt:
1.
Unterkunft; Bei Vorhandensein eines eigenen Hausstandes am Heimatort werden die Mehraufwendungen für die Zweitwohnung am Arbeitsort lohnsteuerfrei ersetzt.
2.
Heimfahrten; Für eine Hin- und Rückfahrt im Monat zwischen Arbeits- und Heimatort wird der firmeneigene Kleinbus bereitgestellt.
Bei Nichtgestellung des Kleinbusses in Monatsfrist wird eine lohnsteuerfreie Aufwandserstattung von 0,15 DM je Entfernungskilometer gewährt.
3.
Weitere Aufwendungen werden nicht erstattet.“
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In einer Betriebsvereinbarung vom 3. Juni 2004 wurde bestimmt, dass der Fahrgeldzuschuss, „der … für die Arbeitnehmer im Bereich Montage H gezahlt wird“, für diejenigen Arbeitnehmer wegfalle, die ihren Hauptwohnsitz nach H und Umgebung verlegt haben.
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§ 4 Abs. 1 Nr. 1 des Firmentarifvertrags vom 9. März 2012 bestimmt die Anerkennung des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) in der jeweils geltenden Fassung, „wenn und soweit die jeweilige Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) das Unternehmen erfasst“. Unter § 7 des Firmentarifvertrags verpflichteten sich die Tarifvertragsparteien, im Jahr 2013 Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, die volle Angleichung dieses Tarifvertrags an die Tarifverträge des Baugewerbes zu vereinbaren. Mit Einführung des Firmentarifvertrags ab dem 1. April 2012 erhöhte sich das monatliche Bruttoentgelt des Klägers unter Berücksichtigung des monatlichen Fahrgeldzuschusses um ca. 8,8 Prozent.
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Mit Schreiben vom 27. April 2012 kündigte die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat am Standort H sämtliche Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit nicht tariflichen Lohnleistungen.
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Seit Januar 2013 zahlte die Beklagte den Fahrgeldzuschuss nicht mehr.
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Mit seiner am 5. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 31. Mai 2013 hat der Kläger Fahrgeldzuschüsse iHv. insgesamt 368,12 Euro netto für die Monate Januar bis April 2013 geltend gemacht. Er hat gemeint, ihm stehe aus betrieblicher Übung weiterhin der monatliche Fahrgeldzuschuss iHv. 92,03 Euro netto zu.
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Er hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 368,12 Euro netto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen 16. Kalendertag des Monats beginnend mit dem Februar 2013 auf je 92,03 Euro netto zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Grundlage der Zahlung des Fahrgeldzuschusses an den Kläger sei die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1999 gewesen, die keine Nachwirkung entfaltet habe. Mit Einführung des Firmentarifvertrags seien die gesamten Arbeits- und Lebensbedingungen erstmals umfassend durch Tarifvertrag - unter Bezugnahme auf den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe und andere Tarifverträge der Bauwirtschaft - geregelt worden. In den Tarifverhandlungen habe die Beklagte mitgeteilt, dass bei Einführung des Lohngefüges des BRTV sämtliche bislang neben dem Stundenlohn gewährten Entgeltbestandteile nicht weiter gewährt werden könnten. Die Zahlung des Fahrgeldzuschusses sei deshalb erst mit dem Monat Januar 2013 eingestellt worden, weil die Umstellungen auf die tariflichen Regelungen im Abrechnungsprogramm erst im November 2012 überwiegend erledigt gewesen seien. Von einer Rückforderung überzahlter Beträge habe sie abgesehen. Zudem sei die Tariflohnsteigerung auf die Zahlung der Fahrgeldzuschüsse anzurechnen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend darüber befunden werden, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger den Fahrgeldzuschuss zu zahlen.
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I. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass zugunsten des Klägers ein Anspruch auf Zahlung eines monatlichen Fahrgeldzuschusses aus einer betrieblichen Übung entstanden ist.
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1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 806/13 - Rn. 26; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).
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Ob das Zustandekommen einer betrieblichen Übung der vollen oder nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, kann dahinstehen, da die Würdigung des Berufungsgerichts selbst bei uneingeschränkter Überprüfung nicht zu beanstanden ist (für eine uneingeschränkte Überprüfung zB: BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 806/13 - Rn. 26; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 58; offengelassen von BAG 15. Dezember 2009 - 9 AZR 887/08 - Rn. 42).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist durch die monatliche Zahlung des Fahrgeldzuschusses über einen mehrjährigen Zeitraum an den Kläger wie auch an andere Mitarbeiter ein Anspruch aus betrieblicher Übung entstanden. Die begünstigten Mitarbeiter konnten das Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin nur so verstehen, dass sie sich verpflichten wollten, den Fahrgeldzuschuss auf Dauer zu gewähren.
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3. Dem steht auch nicht die auf zwei Jahre befristete Betriebsvereinbarung vom 22. Februar 1999 entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob diese Betriebsvereinbarung nach Ablauf der zwei Jahre nachwirkt. Die Zahlung des hier streitgegenständlichen Fahrgeldzuschusses erfolgte erkennbar nicht lediglich in (vermeintlicher) Erfüllung dieser Betriebsvereinbarung, was dem Entstehen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung entgegenstände (vgl. BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 21, BAGE 133, 337). Denn die Beklagte zahlte den Fahrgeldzuschuss nicht, wie in Nr. 2 der Betriebsvereinbarung bestimmt, für Fahrten zwischen Arbeits- und Wohnort, sondern für Fahrten zwischen dem Sitz der Beklagten in S und dem Arbeitsort H. Der Kläger wohnt in U und damit 366 km (laut Google Maps) vom Arbeitsort entfernt. Die Beklagte hat der Berechnung des Fahrgeldzuschusses nach eigenen Angaben aber die Entfernung zwischen ihrem Sitz und dem Arbeitsort zugrunde gelegt (600 km).
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4. Auch die Betriebsvereinbarung vom 3. Juni 2004 steht einem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen, da diese Betriebsvereinbarung den Anspruch auf Fahrgeldzuschuss nicht positiv regelt, sondern lediglich einen bestehenden Anspruch („Fahrgeldzuschuss, der … gezahlt wird“) hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten einschränkt.
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II. Ob der aus betrieblicher Übung erwachsene Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Fahrgeldzuschusses durch die Regelungen im Firmentarifvertrag vom 9. März 2012 abgelöst worden ist, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entschieden werden.
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1. Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den arbeitsvertraglichen Vorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG)zu lösen (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 27 mwN). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Das gilt ebenso für durch betriebliche Übung entstandene Ansprüche, da sie nach der vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Vertragstheorie Bestandteil des Individualarbeitsvertrags sind (vgl. BAG 5. August 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 11; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 524; Thüsing/Braun/Forst Tarifrecht Kap. 7 Rn. 36; Däubler/Deinert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 608 f.; Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 4 TVG Rn. 420, 425).
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2. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung zu ermitteln. Unerheblich ist dabei, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 29 mwN). Zu vergleichen sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich, BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 28 mwN).
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3. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Firmentarifvertrag enthalte keine Regelungen hinsichtlich der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Es hat deshalb insoweit keinen Sachgruppenvergleich vorgenommen. Einen sachlichen Zusammenhang zwischen Entgelt und Fahrgeldzuschuss hat es verneint.
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a) Dabei hat es verkannt, dass der möglicherweise anzuwendende § 7 BRTV ua. Regelungen zur „Fahrtkostenabgeltung“ enthält, auch hinsichtlich der „Wochenendheimfahrten“. Die Prüfung, ob insoweit eine Sachgruppe zu bilden und ein Günstigkeitsvergleich anzustellen ist, wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben. Ein thematischer Berührungspunkt und sachlicher Zusammenhang könnte unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes von Aufwendungen gegeben sein.
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b) Um einen solchen Sachgruppenvergleich vornehmen zu dürfen, müsste der BRTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden sein. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls noch Feststellungen zu treffen.
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aa) Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Firmentarifvertrags soll der BRTV nur anwendbar sein, „wenn und soweit“ dessen Allgemeinverbindlicherklärung das Unternehmen erfasst. Die dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Soweit der Kläger bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Firmentarifvertrags tarifgebunden war, was das Landesarbeitsgericht nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - festgestellt hat, ist abzustellen auf die Allgemeinverbindlicherklärung in der Fassung vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a vom 15. Juli 2008), andernfalls auf eine neuere Fassung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Durchführung des Günstigkeitsvergleichs ist derjenige, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 31 mwN).
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bb) Weiterhin wird das Landesarbeitsgericht - ebenfalls nach ggf. ergänzendem Sachvortrag der Parteien - weitere Feststellungen zum Inhalt der betrieblichen Übung zu treffen haben. Das Landesarbeitsgericht wird dabei unter Berücksichtigung des sich aus den Anspruchsvoraussetzungen ergebenden Leistungszwecks zu würdigen haben, ob es sich bei dem Fahrgeldzuschuss um einen - wenn auch pauschalierten - Aufwendungsersatz für (tatsächlich) entstandene Fahrtkosten handelt und damit ggf. ein Sachgruppenvergleich mit den oder einzelnen der in § 7 BRTV geregelten Leistungen vorzunehmen ist oder ob es sich um „verschleiertes“ Arbeitsentgelt handelt, was einen Sachgruppenvergleich mit den Entgeltregelungen nahelegt.
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Je weiter sich eine Leistung nach ihren Voraussetzungen und ihrer Höhe von tatsächlich entstandenen Aufwendungen entfernt, desto mehr spricht für den Entgeltcharakter dieser Leistung. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2013 vorgetragen, dass für die Berechnung des Fahrgeldzuschusses 600 km als einfache Wegstrecke angesetzt wurden, und zwar als Entfernung zwischen H und S, dem Sitz der Beklagten. Die Entfernung vom Wohnort des Klägers U und dem Arbeitsort H beträgt laut Google Maps lediglich 366 km. Die Berechnung des Zuschusses hatte - jedenfalls in Bezug auf den Kläger - keinen unmittelbaren Bezug zu dessen Wohnort und damit zu den tatsächlich entstandenen Aufwendungen, was das Landesarbeitsgericht in seine Prüfung, ob es sich um einen pauschalierten Aufwendungsersatz oder um „verschleiertes“ Arbeitsentgelt handelt, wird einbeziehen müssen. Ebenso wenig ist festgestellt, ob der Fahrgeldzuschuss auch für Urlaubszeiten oder bei Arbeitsunfähigkeit gezahlt wurde oder dieser abhängig von tatsächlichen „Heimfahrten“ war. Dies ist nicht nur relevant für die Zuordnung des Fahrgeldzuschusses zu einer bestimmten Sachgruppe, sondern auch, falls ein Sachgruppenvergleich zwischen dem Fahrgeldzuschuss und den Ansprüchen aus § 7 BRTV vorzunehmen sein sollte, für den Günstigkeitsvergleich selbst.
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4. Soweit das Landesarbeitsgericht nach Vornahme eines Sachgruppenvergleichs die arbeitsvertragliche Regelung für günstiger erachten und überdies zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass der BRTV hier Anwendung findet, ist die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen zu prüfen.
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III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Insbesondere kommt - selbst wenn der Fahrgeldzuschuss der Sachgruppe Entgelt zuzurechnen wäre - keine Anrechnung in Betracht. Ein Anrechnungsvorbehalt ist nicht im Tarifvertrag geregelt. Auch für einen konkludenten Anrechnungsvorbehalt der Beklagten ist nichts ersichtlich (vgl. dazu BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 18, BAGE 127, 319). Vielmehr spricht der Umstand, dass dieser Zuschuss unstreitig in den Abrechnungen neben der Vergütung gesondert als „Fahrgeldzuschuss“ und damit als zweckgebundene Zusatzleistung ausgewiesen wurde, gegen einen konkludenten Anrechnungsvorbehalt. Schließlich hat auch die Beklagte - unabhängig vom Zeitpunkt der lohnbuchhalterischen Umstellung auf das neue Tarifentgelt - zunächst keine (ggf. rückwirkende) Anrechnung vorgenommen.
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Brühler
Suckow
Krasshöfer
Wullhorst
Neumann-Redlin
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Annotations
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.