Arbeitsgericht Paderborn Urteil, 31. Okt. 2018 - 4 Ca 858/18
Tenor
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.150,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.10.2017, aus 1.575,00 € brutto und aus weiteren 1.575,00 € brutto seit dem 01.01.2018 zu zahlen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- 3.
Der Streitwert beträgt 3.150,00 €.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über einen variablen Vergütungsbestandteil des Klägers.
3Der 1963 geborene Kläger ist seit dem 01.10.2005 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt.
4Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen sind, was zuletzt zwischen den Parteien unstreitig gestellt worden ist, die auf Geschäftspapier der Beklagten abgedruckten und von ihr vorformulierten „Allgemeinen Vertragsbestandteile für Angestellte“ vom 01.01.2005 (Bl. 57 - 60 d.A.). Diese enthalten unter Ziff. 18 folgende Ausschlussfristen:
5„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von 2 Monaten (bei Ausscheiden ein Monat) nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Wird der Anspruch daraufhin schriftlich abgelehnt, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.“
6Neben einer monatlichen Festvergütung ist zwischen den Parteien ein erfolgsabhängiger Vergütungsbestandteil, die sog. Beteiligung am Geschäftserfolg (BaG) vereinbart. Bei einer Zielerreichung von 100 % steht dem Kläger insoweit ein jährlicher Betrag i.H.v. 6.300,00 € brutto zu. Geregelt ist die BaG in der „Betriebsvereinbarung über das variable erfolgsabhängige Einkommen (BaG)“ (Bl. 10 - 20 d.A.) vom 04.03.2016. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
7„4. Festlegung von Zielvorgaben
84.1 Zielvorgaben
9Der BaG-Grundbetrag ist bei mehreren – nicht mehr als sechs – Zielvorgaben auf diese Zielvorgaben aufzuteilen. Für die BaG sollen grundsätzlich Ziele der X, des H, der C Services und des Konzerns herangezogen werden, wobei mindestens 50% der Ziele Ziele der C Services bzw. ihrer Untereinheiten sein müssen. Diese Ziele gelten als Ziele der eigenen Organisationseinheit und sollen einen Anteil von jeweils 10 Prozent bis 25 Prozent aufweisen. Sofern Konzernziele vergeben werden, müssen diese mindestens aus 2 Teilzielen bestehen.
10Die Ziele sind den Mitarbeitern zu erläutern, wobei bei Zielvorgaben für Geschäfts-Kennzahlen eine allgemein zugängliche Information ausreicht. Ziele der eigenen Organisationseinheit werden von der X-Geschäftsführung oder den zuständigen Vorgesetzten in geeigneter Weise, z.B. in Mitarbeiter- oder Betriebsversammlungen erläutert. (…)
11Die Zielvorgaben sind spätestens bis zum Ende des ersten Quartals des jeweiligen Geschäftsjahres den Mitarbeitern schriftlich oder über eine entsprechende elektronische Plattform mitzuteilen.
12Informationen über Art und Zusammensetzung der für das folgende Geschäftsjahr geplanten Zielvorgaben werden dem Betriebsrat rechtzeitig zugeleitet, damit Anregungen aus dem Betriebsrat in den Planungsprozess der Zielvorgaben eingebracht werden können.
134.2 Arten von Zielvorgaben
14(…)
154.3 Änderungen der Zielvorgaben
16Bei Änderungen der Buchungsvorschriften/Berichterstattung während des Geschäftsjahres erfolgt eine entsprechende Korrektur der ursprünglichen Zielvorgaben. Hierdurch ist die Vergleichbarkeit der erzielten Ist-Werte mit den Plan-Werten der korrigierten Zielvorgaben gewährleistet. Bei organisatorischen Änderungen während des Geschäftsjahres bleibt eine entsprechende Korrektur der Zielvorgaben vorbehalten.
17Änderungen in diesem Sinne sind mit dem Betriebsrat zu beraten und den betroffenen Mitarbeitern mitzuteilen.
185. BaG-Berechnung
19(…)
206. BaG-Abschlagszahlung
21(…)
227. BaG-Auszahlung
23Die Endabrechnung erfolgt nach Geschäftsjahresende. Die Auszahlung erfolgt jeweils unter Berücksichtigung der BaG-Abschlagszahlung mit den Dezemberbezügen. Ggf. überzahlte Beträge werden nicht zurückgefordert, sondern mit dem nächsten BaG-Abschlag bzw. der nächsten Endabrechnung verrechnet.
24(…)
259. Beanstandungsverfahren
26Einwände gegen die mitgeteilten Zielvorgaben oder die mitgeteilte Zielerfüllung sind vom Mitarbeiter unverzüglich zu erheben und gegenüber der X schriftlich zu begründen.
27(…)“
28Unter dem 20.03.2017 unterzeichneten die Betriebsparteien vor dem Hintergrund der Änderung des Geschäftsjahreszyklus auf das Kalenderjahr eine „Protokollnotiz Nr. 3 der Betriebsvereinbarung über das variable erfolgsabhängige Einkommen (BaG) vom 04.03.2016“ (Bl. 20 d.A.). Diese lautet im Wesentlichen wie folgt:
291. Für die Mitarbeiter im Geltungsbereich dieser BV wird für den Zeitraum 01.01. - 31.3.2017 eine Zielerreichung der BaG-Ziele von 100 % festgelegt. Die Auszahlung (ggf. zeitanteilig gerechnet) für diesen Zeitraum erfolgt mit der Endabrechnung im März 2017.
302. Sofern die Zielvorgaben für das Jahr 2017 nicht bis jeweils Mitte des bzw. der Folgequartale vergeben worden sind, wird für die jeweilige Organisationseinheit jeweils ebenfalls eine Zielerreichung der BaG-Ziele von 100 % festgelegt. Die jeweilige Auszahlung (ggf. zeitanteilig gerechnet) für diesen jeweiligen Zeitraum erfolgt mit der Entgeltabrechnung im letzten Monat des jeweiligen Quartals.
313. Zielvorgaben gelten für das Kalenderjahr 2017.
324. Mit der Entgeltabrechnung im November 2017 erfolgt eine (ggf. zeitanteilig gerechnete) Abschlagszahlung i.H.v. 30 % des individuellen BaG-Grundbetrages. Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung gilt durch diese Gesamtregelung als erfüllt. Diese Abschlagszahlung reduziert sich auf 25 %, wenn in den ersten drei Quartalen eine Auszahlung auf Grundlage einer 100 %-Zielerreichung erfolgt ist.
335. Die Endabrechnung der BaG für das Kalenderjahr 2017 erfolgt auf Grundlage der Zielerreichung mit der Entgeltabrechnung im März 2018.
346. Im Übrigen gelten die Regelungen der Betriebsvereinbarung.
35Diese Protokollnotiz gilt bis zum 31.12 2017 (einschließlich eines etwaigen Nachlaufs in der administrativen Abwicklung) und entfaltet nach Ablauf keine Nachwirkung."
36Mit E-Mailschreiben vom 15.05.2017 um 15:53 Uhr (Bl.21 f. d.A.) teilte die Beklagte den anspruchsberechtigten Mitarbeiter, hierunter auch dem Kläger, Zielvorgaben mit. Diese waren zuvor weder dem Betriebsrat zugeleitet noch den Mitarbeitern nicht erläutert worden. Mit E-Mail vom 24.05.2018 (Bl. 23 f. d.A.) rügte der Betriebsrat u.a. den Zeitpunkt sowie den Adressatenkreis der vorgenannten E-Mail einschließlich der Inhalte der Zielvorgaben. Er erbat insoweit von der Beklagten eine schriftliche Stellungnahme.
37Nach weiterer Korrespondenz der Betriebsparteien legte die Beklagte für das zweite Quartal 2017 einen Zielerreichungsgrad von 100 % fest und teilte dies den anspruchsberechtigten Mitarbeitern, mithin auch dem Kläger mit.
38Für das erste und zweite Quartal 2017 erhielt der Kläger einen anteiligen BaG-Betrag von insgesamt 3.150,- €.
39Mit E-Mail vom 11.08.2017 um 11:40 Uhr teilte die Beklagte den Beschäftigten, so auch dem Kläger, Modifikationen der Zielvorgaben vom 15.05.2017 für das dritte Quartal 2017 mit. Diese waren dem Betriebsrat am 10.08.2017 um 13:30 Uhr per E-Mail mitgeteilt worden (Bl. 24 f. d.A.). Eine Beratung mit dem Betriebsrat fand nicht statt.
40Der Kläger erhob gegenüber der Beklagten Einwände gegen die Zielvorgaben. Mit Schreiben vom 28.11.2017 (Bl. 26 d.A.) verwarf die Beklagte die Einwände des Klägers. Ein Verhandeln hinsichtlich der Einwände fand nicht statt.
41Für das vierte Quartal 2017 erfolgten keine weiteren Zielvorgaben seitens der Beklagten und auch keine Beratungen mit dem Betriebsrat.
42Weitere BaG-Teilzahlungen für das dritte und vierte Quartal 2017 erhielt der Kläger nicht.
43Mit seiner bei dem Arbeitsgericht Paderborn am 16.07.2018 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung des jeweiligen BaG-Teilbetrages bei einer Zielerreichung von 100 % für das dritte und vierte Quartal 2017 nebst jeweils einer entsprechenden Verzugskostenpauschale. Den Antrag auf Zahlung einer Verzugskostenpauschale hat der Kläger im Kammertermin am 31.10.2018 zurückgenommen.
44Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung weiterer BaG-Teilbeträge für das dritte und vierte Quartal 2017 auf Grundlage einer angenommenen Zielerreichung von 100 % in Höhe von jeweils 1.575,00 € brutto aus Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 i.V.m. der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 i.V.m. der individuellen Zusage der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Gewährung eines variablen erfolgsabhängigen Einkommens mit einem BaG-Grundbetrag i.H.v. 6.300,00 € brutto jährlich zu.
45Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sei bei der quartalsweisen Zielvorgabe auch beachtlich, dass das insoweit in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Procedere insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung des Betriebsrats einzuhalten sei. Andernfalls würde den Anforderungen der Protokollnotiz jede beliebige einseitige Zielvorgabe seitens der Beklagten, was jedoch von den Betriebsparteien nicht gewollt gewesen sei. Vielmehr müsse auch die quartalsweise Zielvorgabe ordnungsgemäß im Sinne der Vorschriften der Betriebsvereinbarung stattfinden.
46Die Beklagte habe insbesondere das in Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 geregelte Procedere nicht eingehalten. So sei die Beklagte zunächst nicht ihrer Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung gegenüber dem Betriebsrat nachgekommen, da die E-Mail vom 10.08.2017, mithin weniger als einem Tag vor Veröffentlichung der Ziele gegenüber den Mitarbeitern, verspätet gewesen sei, da der Betriebsrat keinerlei Reaktionsmöglichkeiten mehr gehabt habe und die Ziele insbesondere nicht mehr mit der Beklagten habe beraten können.
47Ferner sei keine Erläuterung der Ziele gegenüber den Mitarbeitern erfolgt. Insbesondere die nunmehr mit E-Mail vom 11.08.2017 bekannt gegebenen Ziele, hinsichtlich deren Erfüllung eine unmittelbare Einflussmöglichkeit der jeweiligen Arbeitnehmer bestehe, hätten dem Kläger erläutert werden müssen.
48Des Weiteren habe die Beklagte gegen Ziff. 9 der Betriebsvereinbarung verstoßen, indem sie die Einwände des Klägers nicht unter Hinzuziehung eines Mitgliedes des örtlichen Betriebsrats binnen vier Wochen verhandelt habe.
49Darüber hinaus genügten die Zielvorgaben inhaltlich nicht den Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016, da die Beklagte im Rahmen der Zielvorgaben allein auf globale Ziele des Mutterkonzerns abgestellt habe. Diese seien durch die Arbeitsleistung des Klägers aber nicht beeinflussbar.
50Schließlich sei auch ein Festhalten an globalen konzernbezogenen Zielvorgaben aus Mai 2017 auch noch im August 2017 vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erfolgten Gewinnwarnung unbillig, da vor deren Hintergrund die Ziele im August 2017 gar nicht mehr zu erreichen gewesen seien. Eine solche Zielvorgabe entspreche nicht billigem Ermessen.
51Der Kläger beantragt zuletzt,
52die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.150,00 € brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.10.2017 aus 1.575,00 € brutto und aus weiteren 1.575,00 € brutto seit dem 01.01.2018 zu zahlen,
53Die Beklagte beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da insbesondere die Zielvorgaben ordnungsgemäß entsprechend der Vorschriften der Protokollnotiz erfolgt seien.
56Insoweit sei die in der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 geregelte Endabrechnung am Geschäftsjahresende von dem eigenständigen Anspruch Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 zu trennen. Ein Anspruch nach Ziff. 2 der Protokollnotiz bestehe nur dann, wenn gar keine Zielvorgaben für das jeweilige Quartal vergeben worden seien. Dies sei aber mit E-Mail vom 11.08.2017 und somit vor dem 15.08.2017 geschehen, indem hier die Zielvorgaben aus Mai 2017 modifiziert worden seien.
57Das Procedere in Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung 04.03.2016 habe insoweit nicht eingehalten werden müssen, da die Protokollnotiz die Einhaltung dieser Voraussetzungen gerade nicht vorsehe, sondern der Kläger diese einfach in die Protokollnotiz hineinlese.
58Weder aus dem Wortlaut, noch aus der Systematik, noch aus Sinn und Zweck der Protokollnotiz vom 20.03.2017 ergebe sich ein entsprechender Anspruch des Klägers, wonach das Eingreifen der Sanktionswirkung der Ziff. 2 der Protokollnotiz davon abhänge, dass das nach der Betriebsvereinbarung vorgesehene Verfahren zur Vergabe der Ziele nicht eingehalten wurde, hierbei insbesondere die Beteiligung des Betriebsrats, die Erläuterung der Ziele gegenüber den Mitarbeiter oder die Vergabe der Ziele nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB. Dies seien Fragen, die erst im Rahmen der Endabrechnung des BaG rechtserheblich würden. Einzig die rechtzeitige Zielvergabe sei insoweit maßgebend. So spreche der Wortlaut von Ziff. 2 der Protokollnotiz ausdrücklich von „vergeben“.
59Sinn und Zweck der Protokollnotiz sei es gewesen, die Zielvergabe der BaG-Ziele aufgrund der Tatsache neu zu regeln, dass sich das Geschäftsjahr der Beklagten vom 01.10. bis 30.09. des Folgejahres auf den Zeitraum des Kalenderjahres verändert habe und aufgrund der damit einhergehenden Anpassungsschwierigkeiten bei der Vergabe der BaG-Ziele eine Systematik habe geschaffen werden sollen, um für die Mitarbeiter einen gerechten Ausgleich zu schaffen, wenn die Beklagte nicht in der Lage sei, bis zur Mitte des jeweiligen Quartals die BaG-Ziele zu vergeben. Für diesen Sinn und Zweck sei es nicht erforderlich, dass sämtliche Regelungen der Betriebsvereinbarung für die Festlegung der BaG-Ziele eingehalten würden. Auch sei unstreitig zwischen den Parteien, dass es insoweit in Ziff. 2 der Protokollnotiz um die Vergabe der BaG-Ziele und nicht anderer Ziele an die BaG-berechtigten Mitarbeiter gehe. Eine anderweitige Auslegung sei zudem auch unrealistisch hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzung.
60Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
61E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
62I.
63Die zulässige Klage ist begründet.
641.
65Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.575,- € brutto für das dritte Quartal 2017 aus Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 i.V.m. der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 in Verbindung mit der individuellen Zusage der Beklagten bezüglich der Gewährung einer BaG.
66a)
67Der Anspruch ist auch entstanden. Insbesondere stellt Ziff. 2 der Protokollnotiz eine im Verhältnis zu etwaigen anderweitigen Ansprüchen aus der Betriebsvereinbarung eigenständige Anspruchsgrundlage dar.
68aa)
69Protokollnotizen zu einer Betriebsvereinbarung können unterschiedliche Bedeutung haben. Sie können eine eigenständige normative Ergänzung oder gar Änderung der Betriebsvereinbarung sein, aber auch lediglich die Bedeutung einer authentischen Interpretation der Betriebsvereinbarung haben oder gar nur einen Hinweis auf die Motive der Betriebsparteien darstellen. Wie es sich im Einzelfall verhält, ist erforderlichenfalls durch Auslegung der Protokollnotiz festzustellen (BAG, Urt. v. 09.12.1997 – 1 AZR 330/97, juris; Fitting, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 77 Rn. 15).
70bb)
71Nach den vorgenannten Grundsätzen hat die Protokollnotiz vom 20.03.2017 den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung. Denn sie soll ausschließlich für das Jahr 2017 aufgrund des Wechsels des Geschäftsjahresrhythmus die Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 im Hinblick auf die Zielvorgaben zum BaG modifizieren, um während der Übergangszeit eine sowohl den Interessen der Arbeitnehmer als auch den Interessen der Arbeitgeberin gerecht werdende Handhabung der Institution des BaG zu ermöglichen.
72Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 stellt dabei grds. eine eigene eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die neben den Zahlungsanspruch im Rahmen der Gesamtabrechnung am Ende des Kalenderjahres in Ziff. 7 der Betriebsvereinbarung i.V.m. Ziff. 5 der Protokollnotiz tritt.
73Dies geht auch mittelbar aus Ziff. 5 der Protokollnotiz hervor, was schon daran deutlich wird, dass Ziff. 4 der Protokollnotiz ebenfalls eine Abschlagszahlung vorsieht, die für 2017 diejenige aus Ziff. 6 der Betriebsvereinbarung ersetzen soll.
74Zudem wird in Ziff. 6 der Protokollnotiz im Übrigen auf die Regelungen der Betriebsvereinbarung verwiesen. Das bedeutet, dass für das Jahr 2017 grundsätzlich die Betriebsvereinbarung, aber mit den Besonderheiten der Protokollnotiz gelten soll.
75cc)
76Die Auslegung der Protokollnotiz, für die als Betriebsvereinbarung grundsätzlich die für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungskriterien und damit die Auslegungskriterien von Gesetzen gelten, unterliegt als Rechtsfrage der Beurteilung durch das Gericht.
77Es kommt auf den objektiven Erklärungswert der Norm an, der nach dem Wortlaut sowie der Systematik und dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Bestimmungen zu ermitteln ist. Der wirkliche Wille der Betriebspartner und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung ist aber insoweit beachtlich, als er in der Betriebsvereinbarung als Ausdruck der Betriebsautonomie seinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat. Gleichfalls können aus der Vollzugspraxis des Arbeitgebers Rückschlüsse auf den Regelungsinhalt der Betriebsvereinbarung gezogen werden. Die Auslegung hat in Einklang mit höherrangigem Recht und gemeinschaftskonform zu erfolgen (zum Ganzen: ErfK/Kania, 18. Aufl. 2018, § 77 BetrVG Rn. 30 f. m.w.N.).
78b)
79Auch die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Für das dritte Quartal hat keine Vergabe bzw. eine nicht ordnungsgemäße Vergabe der Zielvorgaben bis Mitte des dritten Quartals stattgefunden.
80Denn die Auslegung von Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 ergibt, dass auch im Rahmen der dort geregelten quartalsweisen Zielvorgaben das Procedere der Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 einzuhalten ist (dazu unter aa). Dieses wiederum wurde für das dritte Quartal nicht eingehalten (dazu unter bb).
81aa)
82Unter der Vergabe von Zielvorgaben im Sinne von Ziff. 2 der Protokollnotiz ist dabei nicht eine bloße Zielvorgabe an sich, sondern eine im Sinne der Regelungen der Betriebsvereinbarung ordnungsgemäße, insbesondere den dortigen Verfahrensregelungen entsprechende Vergabe von Zielvorgaben zu verstehen.
83Der Wortlaut von Ziff. 2 der Protokollnotiz fordert dies zwar nicht ausdrücklich, aber nach Ziff. 6 der Protokollnotiz gelten im Übrigen die Regelungen der Betriebsvereinbarung; die Protokollnotiz selbst enthält keine Regelung zum Procedere der Zielvorgaben. Dementsprechend liegt es nahe, dass hierfür Ziff. 5 der Betriebsvereinbarung heranzuziehen ist, zumal dieser in Abs. 1 ebenfalls von den „Zielvorgaben“ spricht.
84Wie bereits dargelegt, wird aus der Gesamtsystematik deutlich, dass für das Jahr 2017 die Betriebsvereinbarung mit den Modifikationen der Protokollnotiz gelten soll. Insofern entspricht es auch der systematischen Auslegung der Protokollnotiz, über deren Ziff. 6 das Procedere der Ziff. 5 der Betriebsvereinbarung auf das quartalsweise Vorgehen nach Ziff. 2 der Protokollnotiz anzuwenden.
85Die von der Beklagten vertretene Auslegung widerspricht zudem auch der Systematik bezüglich Ziff. 6 der Protokollnotiz. Denn gerade wenn keine Regelungen in dieser enthalten sind, soll die Betriebsvereinbarung greifen; daher greift diese auch vorliegend. Eine von der Betriebsvereinbarung abweichende Spezialregelung findet sich beispielsweise, wie bereits erörtert, für die Abschlagszahlungen Ziff. 4 der Protokollnotiz.
86Hierfür sprechen auch Sinn und Zweck der Protokollnotiz. Denn andernfalls hätte die Beklagte es einseitig in der Hand, sanktionslos irgendwelche beliebigen Zielvorgaben zum BaG zu machen (bzw. solche, die sich an Ziff. 4.2 der Betriebsvereinbarung orientieren), ohne dass dies sanktioniert würde. Dies kann von den Betriebsparteien aber nicht gewollt gewesen sein, da ansonsten die Beklagte das Eingreifen der Sanktionierung aus Ziff. 2 der Protokollnotiz stets ohne Weiteres verhindern könnte, etwa durch die Vergabe inhaltlich offensichtlich unzureichender Ziele.
87Diese Auslegung steht auch im Einklang mit höherrangigem Recht.
88Sowohl die Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 als auch die Protokollnotiz vom 20.03.2017 betreffen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Zum Lohn i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gehören auch Entgeltzahlungen aufgrund von Zielvereinbarungen. Der Mitbestimmung unterliegt der gesamte Zielvereinbarungsprozess. Unter den Mitbestimmungstatbestand fallen deshalb Regelungen über Zielinhalte, deren Gewichtung, Bemessung und Bewertung, Regelungen zur Bestimmung der variablen Entgeltbestandteile und auch das Verfahren über das Zustandekommen einer Zielvereinbarung (vgl. Fitting, a.a.O., § 87, Rn. 434; LAG Saarland vom 18.01.2017 – 1 TaBV 1/16 – juris). Mitbestimmung i.S.v. § 87 BetrVG bedeutet, dass der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrats handeln und entscheiden kann. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (vgl. Fitting, a.a.O., § 87, Rn. 578). Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Unwirksamkeit von Maßnahmen, die den Arbeitnehmer belasten (vgl. BAG vom 22.10.2014 – 5 AZR 731/12 – NZA 2015, 501).
89Regelungen zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats finden sich in Ziff. 4.1 vorletzter Absatz der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016. Hiernach sind dem Betriebsrat Informationen über geplante Zielvorgaben so rechtzeitig zuzuleiten, dass Anregungen aus dem Betriebsrat in den Planungsprozess eingebracht werden können. Legte man die Protokollnotiz mit der Beklagten so aus, dass es dieses Procederes bei der quartalsweisen Zielvergabe im Jahr 2017 nicht bedurfte, so hätten keinerlei Mitwirkungsrechte des Betriebsrats mehr bei der Zielvergabe im Jahr 2017 bestanden. Dafür, dass sich der Betriebsrat seiner Mitbestimmungsrechte für das Jahr 2017 vollständig begeben wollte, bietet die Protokollnotiz keine Anhaltspunkte. Hiergegen spricht schon Ziff. 6 der Protokollnotiz. Im Übrigen konnte der Betriebsrat dem Arbeitgeber auch nicht zulässigerweise das alleinige Gestaltungsrecht über die Zielvorgaben im Jahr 2017 überlassen.
90An dem Vorgenannten ändert sich auch nicht dadurch etwas, dass Ziff. 3 der Protokollnotiz bestimmt, dass Zielvorgaben für das Kalenderjahr 2017 gelten. Denn – im Gegensatz zur reinen Betriebsvereinbarung – enthält die Protokollnotiz in Ziff. 2 gerade die Möglichkeit einer quartalsweisen Vorgehensweise hinsichtlich der Vergabe von Zielvorgaben.
91bb)
92Die Beklagte hat hinsichtlich der Zielvorgabe für das dritte Quartal 2017 gegen Ziff. 6 der Protokollnotiz i.V.m. Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung verstoßen.
93Die sich vor dem Hintergrund, dass bereits im Mai 2017 für das zweite Quartal Zielvorgaben gemacht wurden, und diese Mitte August 2017 lediglich modifiziert werden sollten, stellende Frage, ob diese Modifizierungen an Ziff. 4.1 oder Ziff. 4.3 der Betriebsvereinbarung zu messen ist, kann im Ergebnis dahinstehen, da sich bei Anwendung beider Ziffern jeweils Verstöße gegen diese ergeben.
94(1)
95Die Beklagte hat jedenfalls gegen Ziff. 4.1 Abs. 4 der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016 verstoßen.
96Danach sind Informationen über Art und Zusammensetzung der geplanten Zielvorgaben dem Betriebsrat rechtzeitig zuzuleiten, damit Anregungen aus dem Betriebsrat in den Planungsprozess der Zielvorgaben eingebracht werden können.
97Der Betriebsrat erhielt erst am 10.08.2017 – mithin einen Tag vor Veröffentlichung der Zielvorgaben gegenüber den Mitarbeitern – von der Beklagten die geplanten Zielvorgaben bzw. die entsprechenden Modifikationen für das dritte Quartal. Unabhängig von der Frage, wann der Betriebsrat regelmäßig tagt, reicht ein Zeitraum von einem Tag nicht aus, um die rechtzeitige Informationsverpflichtung im Sinne der Betriebsvereinbarung zu erfüllen. Jedenfalls bei einem Zeitraum der Informationsbekanntgabe von weniger als einer Woche vor Bekanntgabe der Zielvorgaben gegenüber den Mitarbeitern, kann die Beklagte nicht mehr davon ausgehen, dass der Betriebsrat noch hinreichende Gelegenheit hat, hierüber zu beraten, und Anregungen in den Planungsprozess einzubringen, die dann wiederum noch bei der Beklagten selbst besprochen werden müssten. Vor dem Hintergrund wurde der Sinn und Zweck von Ziff. 4.1 Abs. 4 der Betriebsvereinbarung durch eine bloß eintägige Bekanntgabefrist vereitelt und diese Verfahrensvorschrift damit im Ergebnis nicht eingehalten.
98Ob noch weitere Verstöße gegen Ziff. 4.1 der Betriebsvereinbarung – wie es der Kläger vertritt – vorliegen, kann vor dem Hintergrund des Vorgenannten dahinstehen.
99(2)
100Es läge ebenfalls ein Verstoß gegen die Vorschriften in Ziff. 4.3 der Betriebsvereinbarung zur Änderung der Zielvorgaben vor. Denn in Ziff. 4.3 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung ist festgelegt, dass Änderungen in diesem Sinne mit dem Betriebsrat zu beraten und den betroffenen Mitarbeitern schriftlich mitzuteilen sind.
101Denn jedenfalls eine Beratung mit dem Betriebsrat hat im Vorfeld unstreitig nicht stattgefunden.
102c)
103Der Anspruch ist auch nicht nach Ziff. 18 der Allgemeinen Vertragsbestandteile verfallen, da diese gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist, weil in der Dauer der Ausschlussfristen auf beiden Stufen eine unangemessene Benachteiligung liegt.
104Ziff. 18 der Allgemeinen Arbeitsbedingungen stellt eine AGB im Sinne des § 305 BGB dar. Es besteht zwischen den Parteien insbesondere kein Streit darüber, dass der Beklagte die Allgemeinen Arbeitsbedingungen vorformuliert hat.
105Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine Frist für die erstmalige Geltendmachung von weniger als drei Monaten unangemessen kurz (bsph. BAG, Urt. v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149).
106Die streitgegenständliche zweistufige Ausschlussfrist sieht auf beiden Stufen eine zweimonatige Geltendmachungs- bzw. Klagefrist vor.
1072.
108Nach den vorgenannten Grundsätzen hat der Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.575,00 € brutto für das vierte Quartal 2017.
109Denn für das vierte Quartal wurden unstreitig keinerlei Zielvorgaben seitens der Beklagten gemacht.
110Die Fehlerhaftigkeit der Vergabe der Zielvorgaben aus dem zweiten und dritten Quartal wirkt sich entsprechend Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 auch auf das vierte Quartal aus, da auch für dieses keine ordnungsgemäßen Zielvorgaben für den Kläger vergeben wurden.
1113.
112Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung entsprechender Verzugszinsen aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Denn die Beklagte befand sich mit den BaG-Teilzahlungen für das dritte und vierte Quartal im Verzug, da die BaG-Teilbeträge nach Ziff. 2 der Protokollnotiz vom 16.03.2017 jeweils zum Ende des letzten Quartalsmonats, sprich Ende September bzw. Ende Dezember 2017 an den Kläger auszuzahlen gewesen wären.
113II.
114Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten des Verfahrens der Beklagten als unterliegender Partei aufzuerlegen waren.
115III.
116Das Gericht hat den Streitwert im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzt. Er entspricht dem geltend gemachten Klagebetrag hinsichtlich der Hauptforderung.
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(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
- 1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb; - 2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; - 3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit; - 4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte; - 5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird; - 6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen; - 7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften; - 8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist; - 9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen; - 10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung; - 11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren; - 12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen; - 13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt; - 14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. Juni 2012 - 2 Sa 675/11 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf ERA-Besitzstandszulagen.
- 2
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Die Klägerin ist bei der Beklagten am Standort E beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. und der Industriegewerkschaft Metall geschlossenen Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Anwendung, insbesondere der Entgeltrahmentarifvertrag vom 1. November 2005 (im Folgenden ERA-TV), der ERA-Einführungstarifvertrag vom 1. November 2005 (im Folgenden ERA-ETV), der Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds vom 19. Dezember 2003 (im Folgenden TV-ERA-Anpassungsfonds) sowie der Manteltarifvertrag vom 23. Juni 2008 (im Folgenden MTV).
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Im ERA-ETV ist ua. geregelt:
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„§ 5 Besitzstandsregelung
1.
Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen.
2.
Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV das neue tarifliche ERA-Entgelt überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.
…
3.
Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. 2 in Höhe von bis zu 10% des bisherigen tariflichen Entgelts wird als Ausgleichszulage, eine darüber hinausgehende Differenz als Überschreiterzulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.
Die Überschreiterzulage nimmt an Tariferhöhungen teil. Die Ausgleichszulage vermindert sich entsprechend.
Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. 10 erfolgen. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1%-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet.
4.
Auf die Ausgleichszulage und die Überschreiterzulage werden in voller Höhe angerechnet:
-
individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruches zzgl. daraus resultierender Erhöhungen des leistungsabhängigen Entgelts;
-
Erhöhungen der Erschwerniszulagen.
…“
- 4
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Im TV-ERA-Anpassungsfonds heißt es ua.:
-
„§ 2 Präambel
Der ERA-Anpassungsfonds dient der Sicherstellung eines gleitenden Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem für alle Beteiligten. …
…“
- 5
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Die Beklagte führte ERA zum 1. April 2007 ein. Die Klägerin wurde neu eingruppiert. Ihr Monatsentgelt setzte sich zunächst ua. aus dem Grundentgelt nach Entgeltgruppe 02/B0 sowie einer Ausgleichszulage und einer Überschreiterzulage nach § 5.3 ERA-ETV zusammen.
- 6
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Seit Mai 2009 übt die Klägerin eine andere Tätigkeit aus. Sie ist seither in die Vergütungsgruppe 03/B0 eingruppiert. Die Beklagte rechnete die aus der Höhergruppierung resultierende individuelle Entgelterhöhung zunächst auf die Überschreiterzulage an. Diese entfiel damit insgesamt. Einen Teil des Restbetrags rechnete sie auf die Ausgleichszulage an und zahlte diese ab Mai 2009 nur noch in reduzierter Höhe aus.
- 7
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Die Beklagte zog die Erhöhung der tariflichen Entgelte um 2,7 % zum 1. April 2011 auf den 1. Februar 2011 vor. 1,7 % hiervon rechnete sie auf die verbliebene Ausgleichszulage an. Ab 1. Februar 2011 zahlte sie der Klägerin ein Monatsentgelt, das sich ua. aus dem Grundentgelt nach Vergütungsgruppe 03/B0 und der - nochmals - reduzierten Ausgleichszulage zusammensetzte.
- 8
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Mit ihrer am 18. April 2011 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage begehrt die Klägerin ab Februar 2011 die Zahlung von monatlich weiteren 41,60 Euro brutto. Sie ist der Ansicht, die durch die Höhergruppierung bewirkte individuelle Erhöhung ihres Entgelts sei zunächst auf die Ausgleichszulage anzurechnen gewesen. Der Tarifvertrag sehe keine lediglich temporäre Sicherung des Besitzstands vor. Die Reihenfolge „Ausgleichszulage vor Überschreiterzulage“ sei in § 5.4 ERA-ETV mit Bedacht gewählt worden, um die Rangfolge der Anrechnung vorzugeben. Die unterschiedliche Wertigkeit der Zulagen - in Gestalt einer flüchtigen Ausgleichszulage und einer perspektivisch angelegten Überschreiterzulage - sei auch bei der Anrechnung individueller Entgelterhöhungen zu berücksichtigen. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung könne zudem wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrats nicht aufrechterhalten bleiben.
- 9
-
Die Klägerin hat in den Vorinstanzen sinngemäß beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 416,00 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,
2.
die Beklagte zu verurteilen, beginnend ab 1. Dezember 2011 an sie für jeden Monat bis spätestens zum jeweiligen Monatsende 41,60 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ersten Tag des jeweiligen Folgemonats zu zahlen, unter der Bedingung, dass der Bestand und der Inhalt des Arbeitsverhältnisses unverändert bleiben, die in diesem Rahmen erbrachten Arbeitsleistungen vertragsgemäß sind bzw. die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände, wie Annahmeverzug, nicht durch die Klägerin zu vertretende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung, Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder an Feiertagen, Erholungsurlaub oder Betriebsrisiko, die trotz Nichtarbeit die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes in bisheriger Höhe anordnen, erfüllt sind und der Anspruch nicht durch die gesetzlich vorgesehenen Fälle von Mutterschutz und Elternzeit sowie Pflegezeit entfällt.
- 10
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Einführung von ERA sei mit dem Ziel erfolgt, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten beim Entgelt, also die Existenz zweier verschiedener Entgeltlinien aufzuheben. Individuelle Entgelterhöhungen seien deshalb vorrangig auf die tarifdynamische Überschreiterzulage anzurechnen. Andernfalls würden zunächst in eine niedrigere Entgeltgruppe eingruppierte Arbeitnehmer, die wegen der im Vergleich zu vorher höheren Vergütung eine Überschreiterzulage erhalten hätten, gegenüber den Arbeitnehmern bevorzugt, die bereits aufgrund der Ersteingruppierung nach ERA oder bei Einstellung in die höhere Vergütungsgruppe eingruppiert worden seien. Grundgedanke der ERA-Einführung sei es jedoch gewesen, die Eingruppierung und somit die Entgeltzahlung primär an der übertragenen Aufgabe auszurichten.
- 11
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Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der Maßgabe, der auf künftige Leistung gerichtete Klageantrag sei unzulässig und die Klage im Übrigen unbegründet, zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihr Klagebegehren weiter. Sie beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Februar 2011 bis September 2012 monatlich 41,60 Euro brutto sowie künftig - unter den im Berufungsverfahren genannten Bedingungen, hilfsweise ergänzt um den Ausnahmetatbestand Arbeitskampfrisiko - beginnend ab 1. Oktober 2012 monatlich 41,60 Euro brutto jeweils nebst Zinsen zu zahlen.
Entscheidungsgründe
- 12
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
- 13
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I. Die auf sofortige Leistung für die Monate Februar 2011 bis Mai 2012 gerichteten Zahlungsanträge sind unbegründet.
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1. Die Anträge sind zulässig. Hinsichtlich der Monate Dezember 2011 bis Mai 2012 ist die Umstellung des Antrags in der Revision zulässig, weil die Klage insoweit schon in der Berufungsinstanz, was das Landesarbeitsgericht - im Übrigen zu Recht von einer unzulässigen Klage auf künftige Leistung ausgehend - übersehen hat, nicht auf künftige Leistung gerichtet war. Auf die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 259 ZPO kommt es - bezogen auf diese Monate - nicht an.
- 15
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a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage durch das Berufungsgericht ist der der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (BGH 4. Mai 2005 - VIII ZR 5/04 - zu II 1 der Gründe mwN). Am 13. Juni 2012, dem Termin der Berufungsverhandlung, war die Klage für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 nicht mehr auf eine zukünftige Leistung gerichtet. Die Vergütungsansprüche der Klägerin, deren Zahlung nach § 16.1 (II) MTV am Schluss des Kalendermonats für den laufenden Monat erfolgt, waren bereits fällig. Das Berufungsgericht hätte über diese bereits fälligen Ansprüche entscheiden können, ohne dass es einer Änderung des Antrags bedurfte (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 904/07 - Rn. 40; BGH 4. Mai 2005 - VIII ZR 5/04 - aaO; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 259 Rn. 4, § 257 Rn. 7).
- 16
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b) § 559 Abs. 1 ZPO steht der Umstellung der Anträge in der Revision nicht entgegen. Die Klägerin trägt damit lediglich der vor Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht eingetretenen Fälligkeit der Vergütungsansprüche für die Monate Dezember 2011 bis Mai 2012 Rechnung. Dem Senat ist auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen eine Sachentscheidung möglich.
- 17
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2. Ein Anspruch der Klägerin nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV auf weitere Zahlungen iHv. monatlich 41,60 Euro brutto für die Monate Februar 2011 bis Mai 2012 besteht nicht. Die Beklagte hat die individuelle Entgelterhöhung nach § 5.4 ERA-ETV zu Recht vorrangig auf die Überschreiterzulage angerechnet. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags. Die Erfüllung der sich unter Zugrundelegung dieser Anrechnungsweise ergebenden Vergütungsansprüche der Klägerin durch die Beklagte steht außer Streit.
- 18
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a) Wie zu verfahren ist, wenn die individuelle Entgelterhöhung niedriger ist, als die Summe von Ausgleichs- und Überschreiterzulage, gibt der Wortlaut von § 5.4 ERA-ETV nicht vor. Die Reihenfolge in der die Zulagen genannt sind, beinhaltet keine Festlegung, wie die Anrechnung vorzunehmen ist. § 5.4 ERA-ETV ist - für sich betrachtet - lediglich zu entnehmen, dass individuelle Entgelterhöhungen - im Gegensatz zu tariflichen - nicht nur auf die Ausgleichszulage, sondern in voller Höhe auf beide Zulagen anzurechnen sind.
- 19
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b) Die vorrangige Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die Überschreiterzulage folgt jedoch aus Sinn und Zweck der tariflichen Besitzstandsregelung und der Systematik des Tarifvertrags.
- 20
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aa) Mit der Einführung von ERA sollte, wie sich ua. aus § 2 TV-ERA-Anpassungsfonds ergibt, ein einheitliches betriebliches Entgeltniveau erreicht werden. Die Absicht der Tarifvertragsparteien, dieses Ziel zeitnah umzusetzen, ist einer Vielzahl von Bestimmungen des ERA-ETV zu entnehmen, die auf einen Anpassungszeitraum von maximal fünf Jahren abstellen (vgl. zB § 6.5 ERA-ETV und § 6.6 ERA-ETV zur Entgeltanpassung bei Arbeitnehmern, deren bisheriges tarifliches Entgelt das neue tarifliche ERA-Entgelt unterschreitet; § 4.2 (V) Unterabs. 3 Satz 2 ERA-ETV zum Korrekturzeitraum im Zusammenhang mit der Umrechnung von Leistungszulage, Prämie und Akkord aus Anlass der ERA-Einführung; § 7.6 ERA-ETV zur Kompensation betrieblicher Mehrkosten und § 7.7 ERA-ETV zur Weitergabe von betrieblichen Kosteneinsparungen an die Arbeitnehmer).
- 21
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bb) Auch in den differenzierten - im Fall individueller Entgelterhöhungen die Besitzstandsregelung einschränkenden - Anrechnungsregelungen in § 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV und § 5.4 ERA-ETV kommt zum Ausdruck, dass die Vergütung aller Arbeitnehmer auf ERA-Niveau angeglichen werden soll. Dieser Zielsetzung eines möglichst zeitnahen Übergangs auf das ERA-Entgeltsystem wird allein mit einer vorrangigen Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die Überschreiterzulage entsprochen. Anhaltspunkte für eine Anrechnung gleichrangig auf beide Zulagen oder im Verhältnis ihres Anteils am Gesamtvolumen der Besitzstandszulagen, sind demgegenüber dem Tarifvertrag nicht zu entnehmen.
- 22
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(1) Die Besitzstandsregelung in § 5 ERA-ETV sichert das zum Zeitpunkt der Einführung von ERA erzielte Entgelt. Dies ist der Formulierung in § 5.1 ERA-ETV „aus Anlass der erstmaligen Anwendung des ERA-TV darf … für den einzelnen Arbeitnehmer keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts … erfolgen“ zu entnehmen. § 5.2 ERA-ETV stellt ebenfalls ausdrücklich auf das bisherige tarifliche Entgelt zum „Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV“ ab. Der Tarifvertrag schreibt damit eine Untergrenze fest. Überschreitet das bisherige tarifliche Entgelt das neue tarifliche ERA-Entgelt, sichert der Tarifvertrag das bisherige Entgeltniveau, indem die nach § 5.2 ERA-ETV zu ermittelnde Entgeltdifferenz durch Zahlung der nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV zu gewährenden Ausgleichs- und Überschreiterzulage auszugleichen ist.
- 23
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(2) Spätere Erhöhungen des ERA-Entgelts sind nach den Bestimmungen des Tarifvertrags anzurechnen. Dabei differenziert der Tarifvertrag durch gesonderte, voneinander unabhängige Anrechnungsbestimmungen zwischen Tariferhöhungen (§ 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV) und individuellen Entgelterhöhungen (§ 5.4 ERA-ETV).
- 24
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(a) Die Ausgleichszulage, die iHv. bis zu 10 % des bisherigen Tarifentgelts zu zahlen ist (§ 5.3 Unterabs. 1 Halbs. 1 ERA-ETV), wird bei Tariferhöhungen, ohne an ihnen selbst teilzunehmen (§ 5.3 Unterabs. 3 Satz 1 ERA-ETV), durch zeitlich und anteilsmäßig gestaffelte Anrechnung reduziert (§ 5.3 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 Satz 2 bis 4 ERA-ETV). Die Überschreiterzulage, die nur Arbeitnehmern gewährt wird, deren bisheriges Entgelt um mehr als 10 % höher war als das neue tarifliche ERA-Entgelt (§ 5.3 Unterabs. 1 Halbs. 2 ERA-ETV), ist demgegenüber anrechnungsfest und nimmt an Tariferhöhungen teil (§ 5.3 Unterabs. 2 Satz 1 ERA-ETV).
- 25
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(b) Mit § 5.4 ERA-ETV hebt der Tarifvertrag bei individuellen Entgelterhöhungen - begrenzt auf deren Volumen - für beide Zulagen den Bestandsschutz auf. Wächst der Arbeitnehmer aus der für seine Vergütung zum Stichtag der Ersteinführung des ERA-TV bestimmenden tariflichen Entgeltsituation durch spätere individuelle Entgelterhöhungen heraus, sind letztere nach § 5.4 ERA-ETV auf die Ausgleichs- und Überschreiterzulage in voller Höhe anzurechnen. Der Tarifvertrag sichert weiterhin das aus der Eingruppierung vor der ERA-Einführung resultierende Entgeltniveau. Er schreibt jedoch, indem er bei Höhergruppierungen eine Anrechnung ohne zeitliche und anteilsmäßige Staffelung in voller Höhe und auch auf die Überschreiterzulage zulässt, den Abstand zum ERA-Entgeltniveau nicht auf Basis späterer ERA-Höhergruppierungen fort. Dies führt zur Angleichung des Entgelts an die nach ERA zu gewährende Vergütung.
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(c) Gegen eine vorrangige Aufzehrung der Ausgleichszulage durch Anrechnung individueller Entgelterhöhungen spricht die Systematik der Besitzstandsregelung. Nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV ist eine Überschreiterzulage nur dann zu zahlen, wenn die Differenz zwischen bisherigem tariflichen Entgelt und neuem tariflichen ERA-Entgelt nicht durch die zu zahlende Ausgleichszulage abgedeckt ist. Die Überschreiterzulage wird nur nachrangig gewährt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz haben die Tarifvertragsparteien in § 5.3 Unterabs. 2 Satz 2 ERA-ETV geregelt, indem Tariferhöhungen ausschließlich auf die Ausgleichszulage anzurechnen sind, nicht aber in § 5.4 ERA-ETV. Bei individuellen Entgelterhöhungen wird die Überschreiterzulage weiterhin nachrangig gewährt. Dem entsprechend ist sie, bei der nach § 5.4 ERA-ETV vorzunehmenden Anrechnung, zunächst abzuschmelzen.
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(d) Eine vorrangige Anrechnung auf die Ausgleichszulage stünde zudem in Widerspruch zu der von den Tarifvertragsparteien in § 5.4 ERA-ETV mit den Worten „in voller Höhe“ zum Ausdruck gebrachten Intension einer wirkungsvollen Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf beide Zulagen: Wenn die individuelle Entgelterhöhung niedriger ist als die Summe von Ausgleichs- und Überschreiterzulage, würde als Ergebnis der Anrechnung zunächst das Zulagenvolumen insgesamt entsprechend dem Volumen der individuellen Entgelterhöhung reduziert. Die beabsichtigte Anrechnung „in voller Höhe“ würde jedoch bei nachfolgenden Tariferhöhungen teilweise wieder aufgehoben, weil die zunächst nach § 5.4 ERA-ETV verminderte Überschreiterzulage bei Tariferhöhungen wieder erhöht würde (§ 5.3 Unterabs. 2 ERA-ETV).
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cc) Eine Anrechnung zunächst auf die Ausgleichszulage führte darüber hinaus zu einer Besserstellung der höhergruppierten Arbeitnehmer. Ihnen würde aufgrund der tarifdynamischen Ausgestaltung der Überschreiterzulage für einen längeren Zeitraum als bei umgekehrter Anrechnungsreihenfolge eine (höhere) Überschreiterzulage gewährt. Demgegenüber erhielten Arbeitnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben und deshalb unmittelbar bei Einstellung - nach ERA-Einführung - oder bei ERA-Einführung, ausgehend vom gleichen bisherigen tariflichen Entgelt, in die höhere ERA-Entgeltgruppe einzugruppieren sind bzw. waren keine oder eine geringere Überschreiterzulage. Auch dies widerspräche der Zielsetzung des Tarifvertrags, zeitnah ein einheitliches betriebliches Entgeltniveau zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung der neuen Entgeltstruktur und der Überleitung in den ERA-ETV eine solche Besserstellung von Beschäftigten aufgrund ihrer Befugnis, insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen zu generalisieren, pauschalieren und typisieren (vgl. zur Überleitung vom BAT in den TVöD BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 32 mwN, BAGE 140, 83), durch abweichende Anrechnungsregelungen hätten vornehmen können.
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dd) Letztlich spricht für eine vorrangige Anrechnung auf die Überschreiterzulage auch der allgemeine Rechtsgedanke, der in § 366 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommt. Danach ist unter den weiteren in § 366 Abs. 2 BGB genannten Voraussetzungen eine Leistung zunächst auf die für den Schuldner lästigere Schuld anzurechnen. Das ist vorliegend die außerhalb des Anwendungsbereichs von § 5.4 ERA-ETV anrechnungsfeste und zudem an Tariferhöhungen teilnehmende Überschreiterzulage.
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3. Die Beklagte ist nicht wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu den von der Klägerin begehrten Zahlungen verpflichtet.
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a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führt allerdings nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 42, BAGE 135, 13).
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b) Die Beklagte hat durch die vorrangige Anrechnung der individuellen Entgelterhöhung auf die Überschreiterzulage Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG war aufgrund des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.
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aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht ist im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen, wenn die Tarifvertragsparteien die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit zwingend und abschließend inhaltlich geregelt haben (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 18, BAGE 139, 332).
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bb) Die Tarifvertragsparteien haben mit § 5.4 ERA-ETV eine abschließende Regelung über die Reihenfolge der Anrechnung individueller Entgelterhöhungen auf die nach § 5.3 Unterabs. 1 ERA-ETV zu gewährenden Besitzstandszulagen getroffen. Danach ist, wie bereits ausgeführt, zunächst eine Anrechnung auf die Überschreiterzulage vorzunehmen. Ein Wahlrecht des Arbeitgebers sieht der Tarifvertrag nicht vor. Auch enthält § 5.4 ERA-ETV im Gegensatz zu anderen Bestimmungen des Tarifvertrags keine Öffnungsklausel, die eine abweichende betriebliche Regelung zuließe. Die Beklagte hat mit der Anrechnung lediglich die Bestimmungen des Tarifvertrags vollzogen.
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II. Die erstmals in der Revision für die Monate Juni bis September 2012 gestellten Zahlungsanträge sind unzulässig. Insoweit liegt eine unzulässige Klageänderung vor.
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1. Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(vgl. BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - Rn. 18).
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2. Im Streitfall ist eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht geboten.
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Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin hat, indem sie bezogen auf diese Monate erstmals in der Revision sofortige statt künftige Leistung beantragt, nicht lediglich bei gleichbleibendem Klagegrund eine qualitative Änderung des Klageantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO vorgenommen(vgl. Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 264 Rn. 3b mwN für den Fall der Umstellung von sofortiger auf künftige Leistung bei gleichbleibendem Klagegrund). Der Klagegrund und die Höhe eines möglicherweise bestehenden Anspruchs wären vielmehr erstmals festzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat für den Zeitraum Juni bis September 2012 - die Klage auf künftige Leistung zu Recht als unzulässig durch Prozessurteil abweisend - keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Die geänderten Zahlungsanträge können auch nicht auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen der Parteien gestützt werden. Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vortrag der Parteien ist zu entnehmen, ob die Klägerin in den genannten Monaten (durchgehend) gearbeitet hat oder ob sonstige Tatsachen vorliegen, aus denen sich ein Entgeltanspruch der Klägerin ohne Arbeitsleistung ergeben könnte. Der bisherige Antrag auf künftige Leistung und die in der Revision gestellten Anträge auf sofortige Leistung unterliegen damit unterschiedlichen Prüfprogrammen (zur Zulässigkeit der Antragsänderung auf sofortige Leistung bei Abweisung des Antrags auf künftige Leistung in den Vorinstanzen als unbegründet und unstreitigem Sachverhalt vgl. BAG 12. Juni 2002 - 10 AZR 503/01 - zu II 2 der Gründe). Der Beklagten würde zudem die Möglichkeit entzogen, etwaige Einwendungen und Einreden gegen den Entgeltanspruch vorzubringen (vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 16, BAGE 140, 291; 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 63, BAGE 144, 85).
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III. Der auf künftige Leistung gerichtete Klageantrag ist unzulässig. Soweit sich der Antrag in den Vorinstanzen auf die Monate Juni bis September 2012 richtete, ist er nicht wirksam zurückgenommen (§ 269 Abs. 1 ZPO).
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1. Ein auf die Vornahme einer künftigen Handlung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 106, 111). Die Besorgnis der Leistungsverweigerung kann sich auf einen bedingten Anspruch beziehen, sofern abgesehen vom Eintritt der Bedingung die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der künftigen Leistung in ihrem Bestand gewiss ist. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Er setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (BAG 27. Oktober 2010 - 7 ABR 36/09 - Rn. 13; BGH 12. Juli 2006 - VIII ZR 235/04 - Rn. 11; zukünftige Vergütungsansprüche als künftige Leistungen iSv. § 259 ZPO ansehend, ohne tragend auf die Frage der Anspruchsentstehung abzustellen BAG 20. August 2002 - 9 AZR 710/00 - zu A I der Gründe, BAGE 102, 225; 6. Mai 2009 - 10 AZR 390/08 - Rn. 15; die Zulässigkeit des Antrags bereits wegen der fehlenden Aufnahme der für den Vergütungsanspruch maßgeblichen Bedingungen in den Antrag verneinend BAG 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - zu I 1 und 2 der Gründe; 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - Rn. 28; 28. Januar 2009 - 4 AZR 904/07 - Rn. 42).
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2. Diese Vorrausetzungen sind nicht erfüllt.
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a) Die von der Klägerin geltend gemachten künftigen Ansprüche waren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz noch nicht entstanden. Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entstehen erst mit Erbringung der Arbeitsleistung, weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann oder der Arbeitnehmer die ihm obliegende Leistung, ohne Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung gegeben wäre, verweigern kann (vgl. BGH 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - Rn. 13; 14. Januar 2010 - IX ZR 78/09 - Rn. 21; 20. September 2012 - IX ZR 208/11 - Rn. 14; 18. April 2013 - IX ZR 165/12 - Rn. 19). Der Abschluss des Arbeitsvertrags reicht für die Entstehung des Anspruchs nicht aus (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, BAGE 141, 144; 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 18, BAGE 124, 150; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1; BGH 26. Juni 2008 - IX ZR 87/07 - aaO). Dies gilt unabhängig davon, ob als Voraussetzung für den künftigen Anspruch auf Arbeitsentgelt die Arbeitsleistung zu erbringen wäre oder ob künftig aus sonstigem Rechtsgrund Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung beansprucht werden könnte (BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - aaO). Auch im letztgenannten Fall entsteht der Anspruch erst, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
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b) Es ist überdies zu berücksichtigen, dass § 259 ZPO die Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin voraussetzt. Auch hieran fehlt es vorliegend. Denn allein das Bestreiten der vom Arbeitnehmer beanspruchten Forderungen durch den Arbeitgeber reicht hierfür nicht aus (vgl. BAG 9. April 2008 - 4 AZR 104/07 - Rn. 29 mwN). Nur weil der Arbeitgeber - wie hier - aufgrund (vertretbarer) Auslegung des Tarifvertrags bisher Zahlungen ablehnte, kann nicht davon ausgegangen werden, er werde sich, trotz einer Verurteilung zur Zahlung bereits fälliger Forderungen, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen. Weitere Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin begründen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt.
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3. Einer Vorlage an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 ArbGG bedarf es nicht.
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a) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will. Eine Vorlagepflicht nach § 45 ArbGG besteht nur, wenn eine entscheidungserhebliche Abweichung zu der identischen Rechtsfrage vorliegt. Diese Voraussetzung betrifft die zu treffende Entscheidung wie die vorhergehende Entscheidung, von der abgewichen werden soll (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 37 ff., BAGE 135, 163; 20. April 2011 - 5 AZR 191/10 - Rn. 15 ff. mwN, BAGE 137, 383).
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b) Der Neunte und Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts haben in ihren Entscheidungen vom 20. August 2002 (- 9 AZR 710/00 - BAGE 102, 225) und vom 6. Mai 2009 (- 10 AZR 390/08 -) zukünftige Vergütungsansprüche als künftige Leistungen iSv. § 259 ZPO angesehen, ohne tragend auf die Frage der Anspruchsentstehung abzustellen. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Entscheidungen vom 9. April 2008 (- 4 AZR 104/07 -) und vom 28. Januar 2009 (- 4 AZR 904/07 -) die Zulässigkeit der Klage auf künftige Leistung bereits wegen fehlender Aufnahme der für den Vergütungsanspruch maßgeblichen Bedingungen in den Antrag verneint, ohne einen Rechtssatz zur Frage der Anspruchsentstehung als Zulässigkeitsvoraussetzung aufzustellen.
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IV. Der auf künftige Leistung gerichtete Hilfsantrag ist aus den unter III. genannten Gründen ebenfalls unzulässig.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Müller-Glöge
Biebl
Weber
Jungbluth
Mattausch
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
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mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
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die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und - 2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
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für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.