Tenor
1) Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 24.10.2016 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.4.2017 aufgelöst hat.
2) Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 28.3.2017 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst hat.
3) Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 29.03.2017 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.9.2017 aufgelöst hat.
4) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Vertragsbedingungen als „Leiter Client Procurement Global Operations und taktisches Sourcing Region Europe" weiter zu beschäftigen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 55.440,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.6.2017 zu bezahlen.
6) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 13.860 brutto nebst Zinsen Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.6.2017 zu bezahlen.
7) Die Beklagte trägt von den Kosten des Rechtsstreits 13/17, der Kläger 4/17.
8) Der Streitwert für das Verfahren wird festgesetzt auf € 174.210,-.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie ausstehende Bonuszahlungen aus den Jahren 2016 und 2017.
Der 1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 17.485,00 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Prozessparteien besteht seit dem 01.04.2013, als es im Wege eines Betriebsüberganges von der XY GmbH auf die Beklagte überging.
Die Beklagte ist eines der größten europäischen Telekommunikationsunternehmen. Der Kläger ist im Betrieb der Beklagten in der I.Straße, B-Stadt, beschäftigt. In diesem Betrieb ist ein Betriebsrat errichtet.
Bei der Beklagten gilt seit dem 01.01.2017 unter anderem die nationale Konzern-Reiserichtlinie (KRR). Hinsichtlich der Details wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 21.07.2017 samt Anlagen (Blatt 383 ff. der Akte). Zeitlich vorgelagert galt bei der Beklagten ab dem 01.01.2011 die sogenannte Konzern-Reiserichtlinie (auf Anlage K29, Bl. 576 ff. d.A. wird Bezug genommen).
Mit seiner Klage sowie den Klageerweiterungen, wendet sich der Kläger gegen mehrere Kündigungen (Kündigung vom 24.10.2016, vom 28.03.2017, vom 29.03.2017). Er macht geltend, die Kündigungen seien unwirksam, da weder ein wichtiger Grund, noch betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe vorlägen.
Des Weiteren trägt der Kläger vor, er habe Anspruch auf die von ihm geltend gemachten Bonuszahlungen. Zunächst sei die Beklagte hinsichtlich der Verhandlungen über die Zielvereinbarungen und die damit im Zusammenhang stehenden Zahlungsverpflichtungen verhandlungsbereit gewesen. Nach Ausspruch der Kündigungen vom 28.03.2017 sowie 29.03.2017 habe die Beklagte jedoch plötzlich bekanntgegeben, diesbezüglich nicht weiter verhandlungsbereit zu sein. Daraufhin habe der Kläger die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer Zielvereinbarung nach dem „Lead to Win“ Zielprozess für das Jahr 2016 angemahnt. Gleichwohl habe der Arbeitgeber auch für das Jahr 2016 vertragswidrig keine Zielvereinbarung mit dem Kläger getroffen. Auch für das Jahr 2017 habe die Beklagte vertragswidrig keine Zielvereinbarung mit dem Kläger getroffen. Der Managementbonus für das Jahr 2016 sei im Monat Mai 2017 fällig gewesen. Eine Abrechnung und Auszahlung dieses Bonus für das Jahr 2016 sei jedoch nicht erfolgt. Auch für das Jahr 2017 sei für den Zeitraum bis zum Zugang der außerordentlichen Kündigung am 31.03.2017 keine anteilige Abrechnung und Auszahlung des Managementbonus erfolgt. Hinsichtlich der vertraglichen Grundlagen und des Vortrages hierzu wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 31.05.2017 (Bl. 327 ff. d.A.). Insbesondere seien dem Kläger keine gesonderten Regelungen über die Zahlung eines erfolgsabhängigen variablen Gehaltsbestandteils nach § 10 Ziffer 1 b für den Fall der Krankheit bekanntgegeben worden. Die Beklagte habe es verabsäumt, entsprechend dem sogenannten „Lead to Win“ Zielprozess eine Zielvereinbarung mit dem Kläger abzuschließen. Bezüglich der Inhalte des „Lead to Win“ Prozesses sowie deren Übersetzung wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 31.05.2017 (Bl. 328 ff. d.A.). Der Prozess der Zielvereinbarung beruhe auf einem fortdauernden Dialog zwischen dem direkten Vorgesetzten und dem direkten Untergebenen. Die Zielvereinbarung erfolge bis spätestens März eines Jahres, in einem ersten „Checkin“ Gespräch. Weder für das Jahr 2015 noch für die vorliegend streitgegenständlichen Jahre 2016 und 2017 habe die Beklagte mit dem Kläger eine Zielvereinbarung nach diesem Zielprozess gesucht. Dies insbesondere auch nicht nach den erfolgten Aufforderungen des Klägers im Jahr 2016.
Dem Kläger stehe daher gegen die Beklagte eine Zahlung auf variable Vergütung in Höhe von € 55.440,00 brutto für das Jahr 2016 und in Höhe von € 13.860,00 brutto anteilig für das Jahr 2017 zu. Halte es der Arbeitgeber trotz einer dahingehenden Verpflichtung, aus ihm zu vertretenden Gründen nicht für erforderlich, eine Zielvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu suchen, schulde der Arbeitgeber Schadensersatz wegen entgangener Bonuszahlungen. Der Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem Zielprozess der Beklagten sehe eine derartige Verpflichtung der Beklagten zu einer Zielvereinbarung vor. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang insbesondere die im Jahr 2016 teilweise bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Denn für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe, könne dies die variable Vergütung nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers beeinflussen. Eine Kürzungsvereinbarung müsste sich ohnehin in den Grenzen des § 4 a EFZG halten.
Mit Schriftsatz vom 31.05.2017 hat der Kläger die von ihm noch gestellten Anträge zusammengefasst und beantragt zuletzt wie folgt:
„I. Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 24.10.2016 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.04.2017 auflöst.“
II. Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 28.03.2017 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst hat.
III. Es wird festgestellt, dass die mit Kündigungsschreiben vom 29.03.2017 erklärte Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.09.2017 auflöst.
IV. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
V.
Für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu Ziff. I. - zu Ziff. III. wird hilfsweise beantragt,
Die wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Vertragsbedingungen als „Leiter Client Procurement Global Operations und taktisches Sourcing Region Europe“ weiter zu beschäftigen.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 55.440,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 13.860,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
VIII.
Für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziff. I. wird beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 32.647,38 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
IX.
Für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziff. II. wird beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 30.606,92 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
X.
Für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziff. III. wird beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 45.910,38 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Sie trägt vor, dass es zutreffe, dass die Beklagte in zeitlicher Hinsicht die Vorgaben des Zielprozesses nicht eingehalten habe. Im Übrigen sei der Kläger vom 19.01.2016 bis zum 22.01.2016 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Ebenso in dem Zeitraum vom 27.01.2016 bis zum 16.10.2016 sei der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Erst am 17.10.2016 - offenbar nachdem der Kläger durch die angehörten Arbeitgebergremien bzw. Betriebsrat von der geplanten Kündigung erfahren habe - sei er wieder im Büro erschienen. Der D. seien in den genannten Zeiträumen erhebliche Entgeltfortzahlungskosten entstanden. Für das Jahr 2015 € 33.306,00 und für das Jahr 2016 € 140,869,00 (auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 27.01.2017, Bl. 234 ff. d.A. wird Bezug genommen). Bereits am 14.12.2015 habe die Beklagte dem Kläger einen konkreten Termin für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten. Diesbezüglich habe der Kläger angegeben, dass er kein entsprechendes Schreiben erhalten habe. Daraufhin habe die Beklagte dem Kläger dieses Schreiben erneut zur Verfügung gestellt. Des Weiteren habe sich der Kläger zur Durchführung einer Wiedereingliederung zwar grundsätzlich bereit erklärt, er sei aber zu dem vorgeschlagenen Termin am 22.12.2015 nicht erschienen. Zu einer Vereinbarung eines weiteren Gesprächstermins sei es zunächst wegen der fortgesetzten Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht gekommen. In der Folge habe die Beklagte zwar gemeinsam mit dem vom Kläger als Vertrauensperson angegebenen Betriebsratsmitglieds zwei Besprechungstermine geplant und die Einladung auch an den Kläger versandt, allerdings sei diese Terminseinladung, ohne jede Rückmeldung des Klägers, verstrichen. Erst mit den als Anlage K11 und K14 vorgelegten Schreiben vom 17. u. 24.10.2016 habe der Kläger auf die Einladungsschreiben zum betrieblichen Eingliederungsmanagement reagiert. Interessanterweise sei dies just an dem Tag geschehen, an dem der Arbeitgeber die Betriebsratsanhörung per Mail an den Betriebsrat gesandt habe. Am 14.10. habe die Beklagte den Sprecherausschuss zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers angehört. Über die Krankheitsursachen beim Kläger sei der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nichts bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 26.10.2016 habe die Beklagte nicht damit rechnen können, dass der Kläger, in den auf den Ausspruch der Kündigung folgenden 24 Monaten, wieder arbeitsfähig werden würde. Dass der Kläger sich unter dem Eindruck der nahenden Kündigung arbeitsfähig gemeldet habe, sei insoweit nicht relevant. Es werde in diesem Zusammenhang erneut ausdrücklich bestritten, dass der Kläger ab dem 17.10.2016 wieder arbeitsfähig gewesen sei. Der Kläger beschränke sich vorliegend darauf zu behaupten, die Erkrankung des Klägers sei auch auf Erlebnisse im Arbeitsverhältnis zurückzuführen. Unter Zugrundelegung der von der Beklagten vorgetragenen und unbestrittenen Krankheitszeiten des Klägers sei daher von einer negativen Prognose auszugehen. Auch lägen erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen der Beklagten vor. Zudem spreche eine Interessensabwägung im vorliegenden Fall gegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Für den Kläger sprechen zwar die ihn treffende Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau und seine Betriebszugehörigkeit von über acht Jahren. Diese Aspekte reichten aber nicht an die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen seitens der Beklagten heran. Auch habe die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung mehrfach versucht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Kläger durchzuführen. Erst nachdem der Kläger von der Vorbereitung der Kündigung erfahren hätte, habe er sich in seiner Haltung gegenüber den Eingliederungsversuchen geändert. Das Verhalten des Klägers sei insofern äußerst widersprüchlich, so dass ihm die Berufung auf ein angeblich nicht durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement verwehrt sei.
Mittels eines anonymen Hinweises über das im Konzern der Beklagten eingerichtete Compliance-Eingangstor „Teil Me“ sei der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden, dass der Kläger im Zeitraum von 2011 bis 2015 seiner Verantwortung als Kostenstellenverantwortlicher nicht pflichtgemäß nachgekommen sei. Er habe die Vorgaben eines wirtschaftlichen Kostenmanagements durch die Genehmigung von Dienstreisen mit unwirtschaftlichen Reisemitteln in erheblichem Umfang massiv verletzt und dadurch dem Unternehmen dauerhaft wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Der anonyme Hinweis habe eine sehr konkrete Angabe zu einer Vielzahl von Reisedaten und Zielen zweier Mitarbeiter aus der damals durch den Kläger geführten Organisationseinheit aus dem Zeitraum von 2011 bis 2015 enthalten. Die Vorgaben über die Durchführung und Genehmigung von Dienstreisen ergäben sich nicht allein aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot als Konsequenz der arbeitsvertraglichen Treuepflicht, sondern seien unter anderem konkretisiert in der nationalen Konzern-Reiserichtlinie (KRR). Aus diesen Regelungen ergebe sich, dass der Kostenverantwortliche sowie der Reisende vor jeder Reise zu prüfen hätten, welches Reisemittel das wirtschaftlichste für diese Reise sei. Die generelle Nutzung von Privatkraftfahrzeugen oder Gehaltsumwandlungsfahrzeugen für Dienstreisen sei ausgeschlossen. Bei der Untersuchung sei festgestellt worden, dass den beiden im Compliance-Hinweis namentlich benannten Mitarbeitern im Verantwortungsbereich des Klägers im angegebenen Zeitraum tatsächlich und in erheblichem Umfang Geschäftsreisen mit privaten Kraftfahrzeugen genehmigt worden seien. Da dem Kläger im Zeitraum vom 2011 bis 2015 ein Geschäftsfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte, wäre dieses für Reisen, an denen er selbst teilgenommen habe und die nicht mit dem Flugzeug wirtschaftlicher hätten absolviert werden können, zu nutzen gewesen (auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 21.07.2017, Bl. 383 ff. d.A. wird Bezug genommen). Sodann habe der Compliance-Bereich der Beklagten von den Vorwürfen berichtet. In der Folge habe sich die Beklagte entschieden, den Kläger zu diesen Angelegenheiten anzuhören. Der Kläger sei dementsprechend am 02.03.2017 mit den Feststellungen konfrontiert worden. Der Kläger habe jedoch im Rahmen der persönlichen Anhörung zu den Dienstreisen und den Reisezielen im Einzelnen nichts sagen können. Er habe ausgeführt, er müsse dies zunächst prüfen. In seiner Stellungnahme habe sich der Kläger darauf berufen, sein damaliger Vorgesetzter, Herr S., habe die Kostenstelle für ihn eingerichtet, das Budget eingestellt und die Kostenstelle kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger angegeben, mit dem Vorgesetzten, Herrn S., die Dienstreisen regelmäßig durchgesprochen zu haben. Daraufhin seien, so die Angaben des Klägers, die Dienstreisen von Herrn S. genehmigt worden. Sodann sei Herr S. zu diesen Angaben befragt worden. Herr S. habe angegeben, dass zwar - zumindest phasenweise - internationale Reise für Mitarbeiter mit ihm hätten abgestimmt werden müssen, für nationale Reisen hätte der Kläger jedoch vollständig die Verantwortung getragen. Zudem sei es Herrn S. nicht erinnerlich, dass ihm jemals eine innerdeutsche Standardreise zur Genehmigung vorgelegt worden sei. Insgesamt sei regelmäßig im Führungskreis die Planung des gesamten Abteilungsbudgets und dessen Verteilung auf die verschiedenen Abteilungen im Bereich besprochen und lediglich daraufhin betrachtet worden, ob etwas aus dem Ruder laufe. Daher halte die Beklagte die Einlassung des Klägers, sein Vorgesetzter S. habe die Verantwortung für die Wahl der Reisemittel im Einzelnen übernommen oder Genehmigungen dahingehend erteilt, in großem Stil private Kraftfahrzeuge für Dienstriesen zu nutzen, für eine reine Schutzbehauptung, die im Übrigen auch nicht geeignet wäre, den Kläger als Führungskraft und Kostenstellenverantwortlichen von seiner eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Regelungen der Beklagten zu entbinden.
Die am 28.03.2017 ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung sei daher wirksam. Hilfsweise sei die ordentliche Tat- und Verdachtskündigung ausgesprochen worden. Diesbezüglich werde vollumfänglich zu dem zur außerordentlichen Kündigung vorgelegten Vortrag Bezug genommen.
Auch könne es dem Kläger nicht gelingen, seine Verantwortung bei der Prüfung der Reisekostenabrechnungen der ihm unterstellten Mitarbeiter auf andere Personen abzuwälzen. Tatsächlich hätte der Kläger die Einzelkontrolle gerade nicht vollständig delegieren, sondern sich für jeden Einzelfall die vorherige Genehmigung vorbehalten müssen. Zudem werde bestritten, dass es eine Geschäftsfahrzeug-Sonderlösung für Vielfahrer gegeben habe. Auch werde bestritten, dass eine solche Regelung von Herrn S. verhandelt oder sogar angewiesen worden sei (auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 18.10.2017, Bl. 588 ff. d.A. wird Bezug genommen).
Der Kläger hält dem entgegen, dass die Beklagte die Voraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung nicht darzustellen vermöge. Hinsichtlich einer etwaigen krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit trage die Beklagte selbst nichts vor. Vorliegend sei der Kläger bereits vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung wieder arbeitsfähig gewesen. Ob der Kläger hätte auf einem anderweitigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können, habe die Beklagte trotz ausdrücklichen Wunsches des Klägers nicht eruiert. Erst innerhalb des betrieblichen Eingliederungsmanagements am 12.12.2016 sei festgehalten worden, dass bisher keine arbeitgeberseitigen Maßnahmen hinsichtlich des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfolgt seien. Die Beklagte stütze sich vorliegend offenbar allein auf den Tatbestand einer angeblich lang andauernden Erkrankung. Hierbei verkenne die Beklagte jedoch bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesarbeitsgericht diesbezüglich aufgestellt habe. Denn die Fallgruppe der langandauernden Erkrankung erfordere jedenfalls, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Arbeitsunfähigkeit noch andauere und der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit objektiv nicht absehbar sei. Sei der Arbeitnehmer jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - wie vorliegend - arbeitsfähig, könne keine negative Gesundheitsprognose erstellt werden. Hinsichtlich einer negativen Gesundheitsprognose trage die Beklagte auch nichts weiter vor. Vielmehr gestehe die Beklagte zu, dass der Kläger vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung wieder arbeitsfähig gewesen sei und seine Arbeitsleistung erbracht habe. Zudem gestehe die Beklagte zu, dass der Kläger bereits mit Schreiben vom 17.10.2016 einem betrieblichen Eingliederungsmanagement ausdrücklich zugestimmt habe und hierbei seine Kontaktdaten zur Vereinbarung eines diesbezüglichen Termins angegeben habe (auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 17.03.2017, Bl. 276 ff. d.A. wird Bezug genommen). Zudem habe der Kläger an unterschiedlichsten Erkrankungen gelitten. Diesbezüglich sei der behandelnde Arzt auch von seiner Schweigepflicht entbunden worden. Insbesondere habe der Kläger für den Zeitraum vom 27.01.2016 bis zum 16.10.2016 an einer psychischen Belastungsstörung, ausgelöst durch die Erlebnisse im Arbeitsverhältnis, gelitten. Diese Krankheit sei aber ausgeheilt. Vor diesem Hintergrund sei die krankheitsbedingte Kündigung vom 24.10.2016 rechtsunwirksam.
Auch die in der Folge ausgesprochenen Kündigungen aufgrund der vorgeworfenen Pflichtverstöße seien rechtsunwirksam. Die Darlegung einer „Minderleistung“, mithin eines Verstoßes gegen den subjektiven Leistungsbegriff, versuche die Beklagte nicht einmal. Vielmehr meine die Beklagte aufgrund eines angeblich anonymen Hinweises, dass der Kläger seine Aufgabe als Kostenstellenverantwortlicher nicht pflichtgemäß nachgekommen sei. Dies sei in mehrfacher Hinsicht offensichtlich unzutreffend. So behaupte die Beklagte vorliegend Verstöße zweier benannter Mitarbeiter gegen eine interne Konzern-Reiserichtlinie, die nachweislich erst am 01.01.2017 in Kraft getreten sei. Die sei, bezogen auf die streitgegenständlichen Umstände aus den Jahren 2011 bis 2015, denknotwendig rechtlich unmöglich. Auch hätten die streitgegenständlichen Mitarbeiter im genannten Zeitraum einer Geschäftsfahrzeug-Sonderlösung für Vielfahrer unterlegen. Diese sei mit dem vormaligen Vorgesetzten des Klägers, Herrn S., vereinbart worden (auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 18.09.2017, Bl. 544 ff. d.A. wird Bezug genommen). Entscheidend sei darüber hinaus, dass der Kläger, selbst bei einem unterstellten Fehlverhalten der genannten Mitarbeiter, für diese rechtlich nicht einzutreten hätte. Denn die entsprechende Regelung beinhalte keine entsprechende Prüfungspflicht des Klägers. Die Beklagte habe die Aufgabe eines Kostenstellenverantwortlichen nicht einmal für den Kläger erkennbar definiert. Vielmehr habe die Beklagte diesen Bereich für den Kläger ungeregelt gelassen, um dem Kläger nunmehr ein etwaiges Fehlverhalten vorzuwerfen. Sofern die Beklagte jedoch einen Bereich ungeregelt belässt, habe diese dem Kläger jedenfalls vor Ausspruch einer Kündigung, dessen angeblich gewollte Pflichtverletzung zumindest im Ansatz darzulegen bzw. zuvor eine Abmahnung zu diesem Zwecke auszusprechen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO.
Gründe
Die zulässige Klage war begründet.
I.
Die Klage war zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 b ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichtes folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO.
II.
1. Der vom Kläger für das Jahr 2016 geltend gemachte Bonusanspruch war inhaltlich begründet und daher zuzusprechen.
Ein Bonus wird - wie hier - vielfach in einer Zielvereinbarung festgelegt. Wegen des Motivationsgedankens ist Kernpunkt der Führung durch Zielvereinbarung, dass sich Leitungspersonen und Arbeitnehmer über die vorzugebenden Ziele einigen. Hat ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil gemäß einer Zielvereinbarung, verpflichtet dies den Arbeitgeber, mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und ihm realistische Ziele für die jeweilige Zielperiode anzubieten. Soll eine Zielvereinbarung bis zum Abschluss einer Folgevereinbarung fortgelten, bleibt die Verpflichtung des Arbeitgebers, für das Folgejahr dem Arbeitnehmer ein neues Angebot zu unterbreiten und über eine neue Zielvereinbarung zu verhandeln, regelmäßig bestehen. Aus der vereinbarten Nachwirkung folgt zwar die vorübergehende Weitergeltung der abgelaufenen Zielvereinbarung. Die Verhandlungspflichten in Bezug auf eine sich anschließende Zielvereinbarung sind dadurch aber nicht erledigt. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebotes bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Als Schadensersatz kann die vertraglich geregelte Vergütung ganz oder anteilig zu leisten sein, wobei dem Richter nach § 287 ZPO die Möglichkeit eröffnet ist, den entgangenen Gewinn des Arbeitnehmers im Sinne von § 252 BGB zu schätzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes findet diese schadensrechtliche Lösung auch dann Anwendung, wenn die nach der Rahmenvereinbarung notwendige Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wird. Die Festlegung von Zielen wird jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode im Sinne von § 275 BGB unmöglich, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 i.V.m. Abs. 3 i.V.m. § 283 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen kann (siehe hierzu Müller-Glöge in: Münchner Kommentar zum BGB, § 611, Rn 758 ff. m.w.N.).
a. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch in Form eines Schadensersatzanspruches. Maßgeblich für die abzuschließende Zielvereinbarung ist bei der Beklagten der sogenannte „Lead to Win“ Zielprozess. Für das Jahr 2016 wurde seitens des Arbeitgebers aber keine Zielvereinbarung mit dem Kläger getroffen. Auf Nachfrage räumte der Beklagtenvertreter ausdrücklich ein, dass die zeitlichen Vorgaben dieses Prozesses nicht eingehalten wurden. Darüber hinaus wurde tatsächlich auch keine Verhandlung über die Ziele vorgenommen. Es kann letztlich daher dahinstehen, ob die Beklagte dem Kläger einseitig Ziele vorgegeben hat, da in der vertraglichen Konkretisierung des Zielvereinbarungsprozesses, der bei der Beklagten gilt, eine entsprechende Verhandlungspflicht konstituiert ist. Diese Verhandlungspflicht korrespondiert mit der von der Rechtsprechung vorgegebenen Verhandlungspflicht, wie oben nachgewiesen wurde. Jedenfalls dieser Verhandlungspflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen.
b. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang die im Jahr 2016 teilweise bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Denn für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat, kann dies die variable Vergütung grundsätzlich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers beeinflussen. Eine entsprechende Kürzungsvereinbarung müsste sich in den Grenzen des § 4 a EFZG halten. Eine solche Kürzungsvereinbarung ist vorliegend nicht ersichtlich.
2. Vorstehendes gilt auch für den anteiligen Bonus für das Jahr 2017. Der Kläger hat für das Jahr 2017 entsprechend seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 BGB sowie den Regelungen zum vorgenannten „Lead to Win“ Zielprozess einen entsprechenden Anspruch aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 Satz 1, § 252 BGB. Mit Ausspruch der arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung wurde dieser Anspruch auch für das Jahr 2017 anteilig zur Zahlung fällig.
III.
Die mit Kündigungsschreiben vom 24.10.2016 arbeitgeberseitig erklärte krankheitsbedingte Kündigung war unwirksam und hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
1. Ist der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig krank und ist im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für die nächsten 24 Monate völlig ungewiss, steht diese Ungewissheit der dauernden Arbeitsunfähigkeit gleich und führt deshalb zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anzufordern. Allerdings kann es in diesem Fall für den Arbeitgeber sinnvoll sein, sich mit einer vorübergehenden Vertretung zu behelfen. Die 24-Monatsfrist entnahm das BAG für § 1 Abs. 1 BeschFG und entnimmt sie nun § 14 Abs. 2 TzBfG. Denn ein solcher Zeitraum kann durch Einstellung einer Ersatzkraft risikolos, d.h. ohne Sachgrund und damit ohne Prüfung überbrückt werden (Vossen in: Kündigungsschutzrecht, 5. Auflage 2017, § 1 KSchG, Rn 193 ff. m.w.N.).
2. Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen. Der Arbeitgeber muss klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und mit welchen Vorkehrungen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Beteiligten sollen feststellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den Ausfallzeiten gekommen ist und welche Möglichkeiten bestehen, sie künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden. Das betriebliche Eingliederungsmanagement konkretisiert den aus dem Kündigungsrecht bekannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zu den Vorkehrungen gehören daher alle Maßnahmen, zu denen der Arbeitgeber zum Vermeiden von Kündigungen verpflichtet ist, wie unter anderem die Veränderung der Arbeitsaufgabe oder der Arbeitsbedingungen (siehe hierzu Eisenmann in: Küttner, Personalbuch, 24. Auflage 2017, betriebliches Eingliederungsmanagement, Rn 1 m.w.N.).
3. Gemessen an diesen Maßstäben ist die arbeitgeberseitig ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam. Dies zum einen schon deshalb, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Ausspruches der arbeitgeberseitigen Kündigung arbeitsfähig gemeldet hat. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, dass bestritten werde, dass der Kläger arbeitsfähig gewesen sei, ist insoweit unsubstantiiert und nicht ausreichend. Der Kläger hat eine entsprechende Anzeige gemacht, seinen Arzt von der Schweigepflicht entbunden und die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Zudem wurde in diesem Zusammenhang nicht weiter erörtert, auf welchen etwaigen anderen Arbeitsplatz der Kläger eingesetzt werden könnte. Der Vortrag der Beklagten, der Kläger sei insgesamt daher nicht arbeitsfähig gewesen, entbehrt der weiteren Differenzierung, die aus diesem Grund bereits notwendig gewesen wäre. Für eine Kündigung nach den oben genannten Voraussetzungen ist es bei einer langandauernden Erkrankung jedenfalls aber erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung die Arbeitsunfähigkeit noch andauert und der Zeitpunkt der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit objektiv nicht absehbar ist. Dies ist vorliegend gerade nicht gegeben. Ist der Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung - wie hier - arbeitsfähig, kann keine negative Gesundheitsprognose seitens des Arbeitgebers gestellt werden.
Zum anderem hat der Arbeitgeber gegen den im Kündigungsrecht verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Letztlich kann hier dahinstehen, dass der Kläger arbeitgeberseitig vorgeschlagene Termine zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verstreichen hat lassen. Denn spätestens zum Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrates hat der Kläger eine Bereitschaft zur Mitwirkung an einem betrieblichen Eingliederungsmanagements ausdrücklich bestätigt. Vor dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre es in diesem Zusammenhang daher geboten gewesen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement nochmals zu versuchen, bevor die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen wurde.
IV.
Auch die mit Kündigungsschreiben vom 28.03.2017 erklärte außerordentliche Kündigung, hilfsweise außerordentliche Verdachtskündigung, hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist der wichtige Grund in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu prüfen. Bei der Prüfung, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, muss demnach zunächst in der ersten Stufe geprüft werden, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne besondere Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann sind in der zweiten Stufe die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die gegenseitigen Interessen abzuwägen und alle vernünftigen in Betracht kommenden Umstände vollständig und widerspruchsfrei zu berücksichtigen. Die außerordentliche Kündigung ist also nur zulässig, wenn sie die ausweislich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten ist. Bei der Interessensabwägung ist Maßstab, ob unter Berücksichtigung der im konkreten Fall schutzwürdigen personenbezogene Interessen des Gekündigten eine so starke Beeinträchtigung betrieblicher oder vertraglicher Interessen des Kündigenden vorliegen, dass das Kündigungsinteresse gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Gekündigten überwiegt.
Bei verhaltensbedingten Gründen kommt es wesentlich auf den Grad des Verschuldens an (BAG, EzA, § 626 BGB, neue Fassung Nr. 40, m.w.N.).
2. In Abgrenzung zur Tatkündigung ist es bei der Verdachtskündigung alleine der Verdacht, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung führt. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers eine beispielsweise strafbare Handlung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Verdacht eines (nicht erwiesenen) vertragswidrigen Verhaltens ist ein eigenständiger Kündigungsgrund und nicht denknotwendig mit dem Vorwurf einer (als sicher hingestellten) Vertragsverletzung selbst enthalten. Für die Frage, ob eine Verdachtskündigung vorliegt, kommt es deshalb allein darauf an, worauf der Arbeitgeber die Kündigung stützt. Die Verdachtskündigung ist nur unter sehr eingeschränkten und strengen Voraussetzungen möglich. Der Verdacht muss sich aus objektiven, konkreten, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Tatsachen ergeben, die geeignet sind, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Entscheidend ist, ob sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen können. Wie der kündigende Arbeitgeber die vorliegenden Indizien subjektiv wertet, ist unerheblich. Aufgrund der objektiven Tatsachen muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit begangen hat. Die Umstände, die den Verdacht begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen des Arbeitgebers, reichen nicht. Zudem muss die Vertragsverletzung, derer der Arbeitnehmer verdächtigt wird, schwerwiegend sein. Für die arbeitsrechtliche Beurteilung ist es nicht entscheidend, ob das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtigt wird, Straftatbestände erfüllt. Entscheidend sind der Verstoß gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss - anders als bei der Tatkündigung - alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes getan haben (siehe hierzu Schmidt in: Küttner, Personalbuch, 24. Auflage 2017, Verdachtskündigung, Rn 5 ff., m.w.N.).
3. Gemessen an diesen Maßstäben ist die ausgesprochene außerordentliche Kündigung weder als Tat- noch als Verdachtskündigung wirksam.
a. Selbst wenn die beklagtenseits vorgetragenen Vorwürfe als wahr unterstellt werden, rechtfertigt dies für sich genommen noch keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Maßgeblich für eine Tatkündigung ist der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers. Vorliegend trägt der Kläger substantiiert und in sich schlüssig vor, dass er die Handhabung der Reisekostenabrechnung mit seinem Vorgesetzten abgesprochen habe. Dieser Vortrag rechtfertigt ein entsprechendes Vorgehen jedenfalls dahingehend, dass es aus Sicht des Klägers in Absprache mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten erfolgte. Ist dies aber der Fall, rechtfertigt ein solches Verhalten keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Dies insbesondere deshalb, weil hier keinerlei eindeutige und klare Regelungen bezüglich der Handhabung der Reisekosten bestanden. Die Beklagte räumt auf Nachfrage selbst ein, dass die von ihr zitierten Regelungen, betreffend die Reisekosten, erst zum 01.01.2017 in Kraft traten, also zeitlich nach den dem Kläger vorgeworfenen Zeiträumen. Zudem ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst, dass der ehemalige Dienstvorgesetzte des Klägers, Herr S., durchaus in die Abstimmungsprozesse, betreffend die Reisekostenabrechnung, einbezogen war. So trägt die Beklagte selbst vor (auf Bl. 393 d.A. wird Bezug genommen), dass Herr S. einräume, dass zumindest phasenweise internationale Reisen von Mitarbeitern aus dem Bereich des Klägers mit ihm direkt hätten abgestimmt werden müssen. Lediglich für nationale Reisen sei ihm nicht erinnerlich, dass ihm jemals eine innerdeutsche Standortreise zur Genehmigung vorgelegt worden sei. Aus dem Vortrag ergibt sich also selbst, dass entsprechende Rücksprachen mit dem Vorgesetzten getätigt wurden. Hinsichtlich der innerdeutschen Reisen bezieht sich der Vortrag der Beklagten lediglich darauf, dass eine entsprechende Absprache dem Herrn S. nicht mehr erinnerlich sei. Dementsprechend bestreitet die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.10.2017 auch entsprechenden Sonderlösungen. In einer solchen Konstellation, indem es um den Grad des Verschuldens bzw. überhaupt das Vorliegen eines Verschuldens, betreffend eine bestimmte Vorgehensweise geht, genügt dieser Vortrag jedoch nicht, um hinsichtlich einer Tatkündigung einen entsprechenden substantiierten Vortrag annehmen zu können. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses auch bezüglich fehlender Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe jedenfalls in der sekundären Darlegungs- und Beweislast vortragsbelastet. Vor diesem Hintergrund genügt das bloße Bestreiten der Beklagten nicht. Vielmehr kann bereits aus dem Vortrag der Beklagten selbst nicht mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass es sich bei dem Vorgehen tatsächlich um ein vertragswidriges und schuldhaftes Vorgehen des Klägers handelte.
b. Auch der Verdacht als solcher begründet keinen eigenständigen Kündigungsgrund im vorliegenden Fall. Die objektiven Indizien, die vorliegen müssen, um einen entsprechenden Verdacht (siehe oben) hinreichend zu begründen, müssen im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches vorliegen. Vorliegend räumt die Beklagte selbst ein, dass die von ihr in Bezug genommene Richtlinie zeitlich erst nachgelagert zu den dem Kläger vorgeworfenen Sachverhalten in Kraft trat. Dieses Indiz kann also nicht zur Begründung eines Verdachtes herangezogen werden. Auch liegen, selbst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlungen, nicht hinreichend erhärtete Verdachtsmomente vor, die eine mögliche Absprache mit dem Vorgesetzten des Klägers, Herrn S., ausräumen. Gemessen an den oben aufgezeigten Maßstäben, die an einer außerordentliche Verdachtskündigung seitens der Rechtsprechung gestellt werden, erfüllt der Vortrag der Beklagten diese nicht. Jedenfalls hat die Beklagte für eine Verdachtskündigung nicht alle notwendigen aufklärenden Maßnahmen unternommen um vortragen zu können, dass die Umstände, die den Verdacht begründen, nicht auch ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein könnten, dass eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte.
V.
Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung, hilfsweise vorsorgliche ordentliche Verdachtskündigung vom 29.03.2017 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst. Diesbezüglich kann auf das soeben zur außerordentlichen Kündigung, betreffend die Tat- und Verdachtskündigung, Bezug genommen werden. Seitens der Beklagten sind keine Umstände vorgetragen, die zwar eine außerordentliche nicht zuließen, aber eine ordentliche Kündigung rechtfertigten. Insoweit kann vollumfänglich auf das eben Gesagte Bezug genommen werden.
VI.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigungen hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Das erkennende Gericht folgt insoweit den Grundsätzen, wie sie der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 27.02.1985 - GS 1/84 aufgestellt hat. Danach besteht aufgrund des Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der Art. 1 u. 2 GG im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich ein Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Im Fall einer Kündigung überwiegt jedoch nach Ablauf der Kündigungsfrist das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung, soweit offen ist, ob das Arbeitsverhältnis überhaupt noch besteht oder nicht. Ergeht im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein die Instanz abschließendes Urteil, durch welches die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird, überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung, die Interessen des Arbeitgebers, soweit dieser nicht besondere Gründe geltend macht, die über den noch offenen Streit über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses hinausgehen. Solche Gründe hat die Beklagte vorliegend nicht genannt. Vielmehr geht sie in ihrem Schriftsatz vom 21.07.2017 selbst davon aus, dass sie eine Position des Leiter Client Procurement Global Operations und taktisches Sourcing Region Europe geschaffen habe und diese dem Kläger übertragen habe. Der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers bezieht sich ausdrücklich auf diese Stelle, so dass inhaltlich hier keine Differenz besteht. Das Gericht geht, wie dargelegt, von der Unwirksamkeit der Kündigungen und dem derzeitigen Bestand des Arbeitsverhältnisses aus. Damit überwiegen die Interessen des Klägers an der Beschäftigung. Aus diesem Grund ist der Klage auch in diesem Punkt stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 246 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO,§ 269 ZPO.
VIII.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO.