Arbeitsgericht Bonn Urteil, 11. Nov. 2015 - 4 Ca 1615/15
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T 8, Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrags der Deutschen Telekom AG als T. zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.620,13 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2015 zu zahlen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
5. Streitwert: 33.420,13 Euro (Gebührenstreitwert: 42.259,72 Euro)
1
Tatbestand
2Der am 01.07.1966 geborene Kläger war seit 1983 bei der E. bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag vom 01.07.1993 wird auf die Tarifverträge für die Angestellten der E. (TVAng-O) und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der E. im Beitrittsgebiet in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart verweisen (Bl. 18 d.A.). Am 01.09.2007 ging der Betrieb L., in dem der Kläger beschäftigt war, auf die W. (W.) über. Hierüber wurde der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2007 unterrichtet (Bl. 20 ff. d.A.). Am 03.06.2015 widersprach der Kläger dem Betriebsübergang von der Beklagten zur W. (Bl. 30 d.A.).
3Bei der Beklagten war der Kläger zuletzt in die Entgeltgruppe T 8 Gruppenstufe 4 des Entgelttarifvertrags der Beklagten eingruppiert und als T. beschäftigt mit 34 Stunden pro Woche. Bis einschließlich Januar 2015 betrug das Jahreszielentgelt für diese Entgeltgruppe 62.681,00 € brutto und ab Februar 2015 63.998,00 € brutto. Die Jahreszielentgelte bestehen zu 95 % aus einem fixen sowie zu 5 % aus einem variablen Anteil. Der variable Anteil wird zur Hälfte als monatliche Sicherung gezwölftelt ausgezahlt. Die andere Hälfte des variablen Anteils kommt unter Berücksichtigung der tatsächlichen Zielerreichung des Unternehmens im Monat Mai des Folgejahres zur Auszahlung. Bei der Beklagten ist das Gehalt jeweils zum 15. des laufenden Monats fällig.
4Bei der W. verdiente der Kläger von Januar bis Oktober 2015 41.271,26 € brutto (Bl. 183 d.A.).
5Mit Schreiben vom 18.06.2015 machte der Kläger Annahmeverzugslohn für die Monate Dezember 2014 bis Juni 2015 geltend (Bl. 32 d.A.).
6Der Kläger ist der Auffassung, dass er am 03.06.2015 wirksam dem Betriebsübergang von der Beklagten auf die W. am 01.09.2007 widersprechen konnte. Denn das Unterrichtungsschreiben vom 26.07.2007 sei insbesondere hinsichtlich der Information zum Haftungssystem von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber fehlerhaft gewesen und habe daher die Frist zur Ausübung des Widerspruchs nicht in Gang gesetzt. Sein Recht zum Widerspruch sei auch nicht verwirkt, da jedenfalls ein Umstandsmoment durch ihn nicht verwirklicht worden sei. Allein die bloße Weiterarbeit bei der W. GmbH und die Hinnahme von Versetzungen reichten hierfür nicht aus.
7Der Kläger ist der Auffassung, im Rahmen der manteltarifvertraglichen Verfallfrist einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Monate Januar bis Oktober 2015 gegenüber der Beklagten zu haben in Höhe der Differenz zwischen tatsächlich erzieltem Gehalt bei der W. und dem ihm bei der Beklagten zustehenden Gehalt. Hierfür legt er das Jahreszielentgelt bei der Beklagten abzüglich des hälftigen variablen Anteils für Januar bis Oktober 2015 zu Grunde.
8Der Kläger beantragt,
91. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht;
102. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.620,13 € brutto für den Zeitraum Januar 2015 bis Oktober 2015 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.07.2015 zu zahlen;
113. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T8, Gruppenstufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages der E. (ERTV) als T. zu beschäftigen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Auffassung, der Kläger habe sein Widerspruchsrecht verwirkt. Das Zeitmoment sei mit knapp acht Jahren auf jeden Fall erfüllt. Der Kläger habe größere Veränderungen in seinen arbeitsvertraglichen Bedingungen von der Änderung der Wochenarbeitszeit bis hin zu Änderungen in der Vergütung hingenommen, ohne zu widersprechen. Seit 2007 habe er mehrere örtliche Versetzungen als auch Tätigkeitswechsel bei der Beklagten mitgemacht, ohne auch nur ein einziges Mal die W. als Arbeitgeberin in Frage zu stellen. Er habe damit deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die W. als neuen Arbeitgeber und damit auch den Betriebsübergang akzeptiere. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger Annahmeverzugslohn erst ab Klageerhebung von ihr verlangen könne.
15Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17A. Die Klage ist zulässig und mit den im Kammertermin vom 11.11.2015 noch gestellten Anträgen begründet.
18I. 1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass zwischen den Parteien über den 01.09.2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Denn er hat durch seinen wirksamen Widerspruch vom 03.06.2015 gegen den Betriebsübergang von der Beklagten zur W. am 01.09.2007 den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die W. verhindert mit der Folge, dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten unverändert fortbesteht.
192. Der Widerspruch scheitert nicht an der Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB. Denn der Kläger wurde mit dem Schreiben vom 26.07.2007 nur fehlerhaft unterrichtet, so dass die Frist des § 613 a Abs. 6 BGB nicht zu laufen begonnen hat.
20Die Unterrichtung in dem Schreiben vom 26.07.2007 über den Betriebsübergang von der L. von der beklagten auf die W. GmbH war fehlerhaft, da sie das Haftungssystem des § 613 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB nicht zutreffend wiedergegeben hat. Denn in Ziffer II.9 des Schreibens heißt es:
21"Die W. haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die Deutsche Telekom AG zustanden." (Bl. 24 d.A.)
22Allerdings bringt das Schreiben nicht zum Ausdruck, ob für solche Ansprüche neben der W. auch die Beklagte haftet. Diese Frage wird weder durch die Mitteilung in Ziffer II.1 des Schreibens, wonach der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die W. als neuer Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit allen Rechten und Pflichten aufgezeigt wird, noch durch die Ziffer II.9 des Unterrichtungsschreibens ausdrücklich beantwortet. Allein wegen dieser unklaren und missverständlichen Formulierung ist die Unterrichtung nicht vollständig (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.2011,
23- 8 AZR 18/10 -, Rdn 23 ff., juris).
243. Der Kläger hat im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs am 03.06.2015 sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt.
25a) Nach der Rechtsprechung des BAG kann das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gemäß § 613 a Abs. 6 BGB verwirken(vgl. BAG, Urteil vom 12.11.2009 - 8 AZR 751/07 -, juris). Voraussetzung der Verwirkung ist, dass der Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment).
26b) Der Beklagten ist zuzugeben, dass vorliegend nach Ablauf von knapp acht Jahren nach dem Betriebsübergang das Zeitmoment bei der Klärung des Widerspruchs am 03.06.2015 erfüllt war.
27c) Jedoch liegt das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht vor.
28Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber auf Grund eines Verhaltens des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gegeben hat, er habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Regelmäßig ist dies anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.2011 - 8 AZR 18/10 -, Rdn 31, juris). Eine solche Disposition über sein Arbeitsverhältnis hat der Kläger nicht getroffen.
29Weder die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebsübernehmer (vgl. BAG, Urteil vom 02.04.2009 - 8 AZR 318/07 -, juris) noch etwaige Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch die einzelne Arbeitsbedingungen, etwa die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden, stellen Sachverhalte dar, durch die das Umstandsmoment der Verwirkung ausgelöst ist. Im Gegensatz hierzu begründen Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses an sich das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.2011 - 8 AZR 18/10 -, Rdn 32, juris).
30Indem der Kläger diverse örtliche Versetzungen von Schwerin nach Rostock und wieder zurück nach Schwerin hingenommen hat, hat er nicht über sein Arbeitsverhältnis disponiert. Gleiches gilt für die von der Beklagten angeführten inhaltlichen Veränderungen der Tätigkeit als auch die Vorgesetztenwechsel. Ebenfalls wird durch die Teilnahme an Schulungen nicht über den Bestand des Arbeitsverhältnis disponiert oder zum Ausdruck gebracht, man wolle den Betriebsübernehmer als Arbeitgeber anerkennen und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf ihn akzeptieren.
31II. Auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Beschäftigungsanspruch mit Tätigkeiten als T. der Entgeltgruppe T 8 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages der Deutschen Telekom AG gemäß § 611 BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag zu.
32III. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung für die Monate Januar bis Oktober 2015 in der ausgeurteilten Höhe gem. §§ 615, 296 BGB.
331. Denn die Beklagte befand sich schon im Januar 2015, also bereits vor Zugang des Widerspruchs des Klägers am 03.06.2015, in Annahmeverzug.
34a) Das Bundesarbeitsgericht hat für das Arbeitsverhältnis ausgesprochen, dass der Arbeitgeber sowohl bei einer ordentlichen als auch bei einer außerordentlichen Kündigung mit Beginn des Tages in Annahmeverzug gerät, an dem das Arbeitsverhältnis nach dem Inhalt der Kündigung enden soll, soweit der Arbeitnehmer leistungsfähig und leistungsbereit sei. Der Arbeitgeber komme bei einer Verweigerung der Weiterbeschäftigung seiner Pflicht zur Zuweisung der Arbeit und zur Bereithaltung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes nicht nach. Dies sei aber eine gemäß § 296 BGB nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung, da der Zeitpunkt durch den Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Zugang der Kündigung aus wichtigem Grund festgelegt seien (vgl. BAG, Urteil vom 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 -, juris). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Erklärt der Arbeitgeber vor dem Betriebsübergang - beispielsweise in dem Unterrichtungsschreiben -, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich, da sein Arbeitsplatz weggefallen sei und auch ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe, so macht er damit deutlich, der ihm obliegenden Mitwirkungshandlung nicht nachkommen zu wollen. Er gerät damit in Annahmeverzug, ohne dass es noch eines Angebots der Arbeitsleistung von Seiten des Arbeitnehmers bedurfte (vgl. BAG, Urteil vom 24.07.2008,
35- 8 AZR 1020/06 -, Rdn 49, juris).
36b) Vorliegend hat die Beklagte in ihrem Unterrichtungsschreiben vom 26.07.2007 unter Ziffer III den Kläger darauf hingewiesen, dass die Arbeitsplätze an seinem Standort unabhängig von dem Widerspruch von der Deutschen Telekom AG auf die CS übergingen und demnach die entsprechenden Arbeitsplätze bei der E. nicht mehr vorhanden seien. Im Falle des Widerspruches könne er daher bei der Deutschen Telekom AG nicht mehr beschäftigt werden. Sollte er dem Übergang widersprechen, komme daher eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht, deren Voraussetzungen die Beklagte individuell prüfen werde (Bl. 24 d.A.). Damit hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie mit dem Betriebsübergang am 01.09.2007 ihrer Pflicht zur Zuweisung der Arbeit und zur Bereithaltung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes nicht mehr nachkommen werde, so dass der Kläger gemäß § 296 BGB seine Arbeitsleistung nicht mehr anbieten musste, um die Beklagte in Annahmeverzug zu setzen.
372. Auf Grund der schriftlichen Geltendmachung der bezifferten Differenzlohnansprüche vom 18.06.2015 hat der Kläger die manteltarifvertragliche Ausschlussfrist für den Monat Januar 2015 (Fälligkeit 15.01.2015, Ablauf der Verfallfrist 15.07.2015) und alle übrigen Monate eingehalten. Er hat seine Klage auf das Fixgehalt in Höhe von 95 % des Jahreszielentgeltes zuzüglich des hälftigen, von der Beklagten monatlich ausgezahlten variablen Anteils des Jahreszielentgeltes beschränkt und sich den aus der Oktober-Lohnabrechnung 2015 der W. ergebenden aufgelaufenen Jahresbruttolohn in Höhe von 41.271,26 € (Bl. 183 d.A.) anrechnen lassen.
383. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
39B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO,
40§ 269 Abs. 3 ZPO. Dem Kläger waren wegen der teilweisen Rücknahme seiner Zahlungsklage die anteiligen Kosten aufzuerlegen.
41C. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO festgesetzt.
42RECHTSMITTELBELEHRUNG
43Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.
44Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
45Landesarbeitsgericht Köln
46Blumenthalstraße 33
4750670 Köln
48Fax: 0221-7740 356
49eingegangen sein.
50Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elek-tronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
51Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
52Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
53- 54
1. Rechtsanwälte,
- 55
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 56
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
58* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 - 6 Sa 765/08 - wird zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.
- 2
-
Die Klägerin war seit dem 1. November 1992 bei der Deutschen Bundespost, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt.
- 3
-
Zuletzt war die Klägerin für die Beklagte in der K (K) am Standort C tätig.
-
Mit Schreiben vom 26. Juli 2007 informierte die V GmbH (im Folgenden: V) die Klägerin über die beabsichtigte Veräußerung der K an die V zum 1. September 2007 und den hierdurch ausgelösten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Auszugsweise lautet das Unterrichtungsschreiben:
-
„- II - Unterrichtung über die Betriebsübergangsfolgen
Durch den Verkauf kommt es zu einem so genannten Betriebsübergang. Ihr Arbeitsverhältnis geht auf die V über, d.h. die V wird kraft Gesetz Ihr neuer Arbeitgeber. Die für Sie und Ihr Arbeitsverhältnis entscheidende Vorschrift in diesem Zusammenhang ist § 613a BGB, der als Anhang im Wortlaut abgedruckt ist.
Vereinfacht ausgedrückt lässt sich festhalten, dass der größte Teil der für Sie bis zum 29.02.04 (Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Wochenarbeitszeitverkürzung in der D AG) in der D AG gültigen Arbeitsbedingungen bei dem Wechsel in die V unverändert bestehen bleibt.
Ihre Arbeitsbedingungen nach dem Wechsel richten sich nach den Regelungen des mit ver.di vereinbarten Umsetzungstarifvertrags der V. Danach gilt für Vollzeitbeschäftigte in der V eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden. Ihr Gehalt, das Sie am Tag vor der Überleitung zur V bei der DAG haben, wird entsprechend der Systematik der Tarifverträge NBBS mit Stand vom 29.02.2004 umgerechnet, d.h., Sie erhalten bei der V wieder Urlaubsgeld und Sonderzuwendung. Gleichzeitig wird Ihr Gehalt bei einer 38-Stunden-Woche auf 91,25 % abgesenkt.
Das Gleiche gilt natürlich für Sie entsprechend, wenn Sie derzeit teilzeitbeschäftigt sind.
Im Einzelnen gelten folgende Grundsätze:
1.
Durch den Betriebsübergang tritt für Sie ein Arbeitgeberwechsel von der D AG zur V ein. Ihr Arbeitsverhältnis geht mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die V über, deren Arbeitnehmer Sie werden. Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zur D AG erlischt.
2.
Die V hat sich mit der Gewerkschaft ver.di über einen Tarifvertrag zur Überleitung von bestimmten Rechten auf das Arbeitsverhältnis bei der V geeinigt, dem so genannten UTV (Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses). Das bedeutet für Sie, dass ein Großteil der tariflichen Regelungen bei der D AG auch bei der V weiter gelten.
…
8.
Die Dauer Ihrer Betriebszugehörigkeit bei der D AG bleibt Ihnen auch bei der V erhalten.
9.
Die V haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die D AG zustanden.“
- 5
-
Mit Wirkung vom 1. September 2007 wurde der Betrieb der K auf die V übertragen. Die Klägerin arbeitete dort zunächst widerspruchslos weiter.
- 6
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Zum 1. März 2008 fand ein weiterer Betriebsübergang der K statt. Es erfolgte eine Übertragung von der V auf die A GmbH (im Folgenden: A). Diesem Betriebsübergang hatte die Klägerin gegenüber der V mit Schreiben vom 13. Februar 2008 widersprochen.
- 7
-
Mit Anwaltsschreiben vom 28. April 2008 widersprach die Klägerin dann gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von dieser auf die V zum 1. September 2007.
- 8
-
Die Klägerin meint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht von der Beklagten auf die V übergegangen, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen habe. Im Zeitpunkt des Widerspruchs sei die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen gewesen, da das Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007, welches den Betriebsübergang von der Beklagten auf die V zum 1. September 2007 betraf, nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe und inhaltlich unzureichend gewesen sei. Die Arbeitnehmer seien nicht vollständig über die Folgen des Betriebsübergangs, insbesondere nicht zutreffend über die geltenden Tarifverträge, Arbeitsbedingungen und die Haftungsverteilung informiert worden. Auch habe sie ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt, da sie keine Umstände gesetzt habe, die das Vertrauen der Beklagten hätten begründen können, das Widerspruchsrecht werde nicht mehr ausgeübt.
-
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
-
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 1. September 2007 hinaus fortbesteht.
- 10
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
- 11
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Sie vertritt die Ansicht, der Widerspruch der Klägerin sei verspätet. Die Unterrichtung über den Betriebsübergang auf die V sei durch ihr Schreiben vom 26. Juli 2007 ordnungsgemäß erfolgt und habe die einmonatige Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt. Jedenfalls habe die Klägerin ihr Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Das Zeitmoment der Verwirkung sei erfüllt, da die Klägerin ihre Tätigkeit nach der Unterrichtung widerspruchslos über neun Monate für die V fortgesetzt habe. Auch das Umstandsmoment sei gegeben, da die Klägerin mit Schreiben vom 13. Februar 2008 zunächst dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang von der V auf die A widersprochen habe und erst zweieinhalb Monate später dem zeitlich vorgelagerten ersten Betriebsübergang von der Beklagten auf die V. Wegen des zeitlich vorausgehenden Widerspruchs gegen den zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang sei bei der Beklagten ein Vertrauen darauf begründet worden, dass die Klägerin dem ersten Betriebsübergang nicht mehr widersprechen werde.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht über den 1. September 2007 hinaus fort. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen.
- 14
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Unterrichtungsschreiben der V vom 26. Juli 2007 habe nicht den Anforderungen des § 613a BGB entsprochen und mithin die Widerspruchsfrist für die Klägerin nicht in Lauf gesetzt. Daher sei der Widerspruch vom 28. April 2008 nicht verspätet und ihr Arbeitsverhältnis nicht auf die V übergegangen.
- 15
-
Es könne dahinstehen, ob die Informationen in dem Unterrichtungsschreiben hinsichtlich der anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen genügend seien. Jedenfalls sei die Klägerin nicht hinreichend über das Haftungssystem des § 613a Abs. 2 BGB unterrichtet worden. Durch die Formulierungen in Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens werde der Eindruck erweckt, es bestehe fortan eine alleinige Haftung der Übernehmerin.
- 16
-
Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sei nicht gegeben. Ob das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt sei, könne dahinstehen, da es am Umstandsmoment fehle. Die Klägerin habe keine Umstände gesetzt, die das Vertrauen der Beklagten in die Nichtausübung ihres Widerspruchsrechts hätten rechtfertigen können. Insbesondere habe die Klägerin nicht in einer bei der Beklagten im Hinblick auf den Betriebsübergang vom 1. September 2007 vertrauensbegründenden Form über ihr Arbeitsverhältnis disponiert. Zwar habe die Klägerin dem zeitlich nachfolgenden zweiten Betriebsübergang widersprochen und hierdurch einen erneuten Arbeitgeberwechsel verhindert. Hieraus habe aber die Beklagte nicht den Schluss ziehen dürfen, die Klägerin bestätige den Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Auch die widerspruchslose Weiterarbeit der Klägerin ab dem 1. September 2008 (richtig wohl: 1. September 2007) bei der V begründe keine Verwirkung des Widerspruchsrechts.
- 17
-
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
- 18
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1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Unterrichtung der Klägerin durch das Schreiben der V vom 26. Juli 2007 über den am 1. September 2007 erfolgenden Betriebsübergang von der Beklagten auf die V nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entspricht, so dass der Widerspruch der Klägerin vom 28. April 2008 nicht verspätet war.
- 19
-
Hierbei durfte das Landesarbeitsgericht offenlassen, ob die Unterrichtung über die weitere Anwendbarkeit bestimmter kollektivrechtlicher Regelungen beim Betriebserwerber zutreffend ist. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zu Recht festgestellt, dass die Unterrichtung zumindest hinsichtlich des Haftungssystems des § 613a Abs. 2 BGB, insbesondere der gesamtschuldnerischen Nachhaftung rechtsfehlerhaft ist.
- 20
-
a) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Die Unterrichtung muss präzise sein und darf keine juristischen Fehler enthalten (BAG 20. März 2008 - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).
- 21
-
Zu der erforderlichen Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für den Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehört ua. der Hinweis auf das Haftungssystem, welches sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB ergibt. Die gebotene Information beinhaltet auch die Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Hiernach haftet der bisherige Arbeitgeber gesamtschuldnerisch mit dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach dem Übergang fällig werden. Werden solche entstandenen Verpflichtungen erst nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie nur zeitanteilig.
- 22
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Nur die vollständige Darstellung des Haftungssystems versetzt die Arbeitnehmer in die Lage, gegebenenfalls näheren Rechtsrat einzuholen, wer in welchem Umfang für welche Ansprüche haftet (BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 538/08 - BAGE 131, 258 = AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114).
- 23
-
b) Dieses Haftungssystem wird im Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 nicht zutreffend wiedergegeben. Während in Ziffer II.1. des Schreibens der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die V als neue Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs mit allen Rechten und Pflichten aufgezeigt wird, heißt es in Ziffer II.9.: „Die V haftet auch für Ansprüche aus Ihrem Arbeitsverhältnis, die Ihnen vor dem Betriebsübergang gegen die D AG zustanden“. Ziffer II.1. des Unterrichtungsschreibens bringt zum Ausdruck, dass Ansprüche der übergehenden Arbeitnehmer, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs entstanden sind, ab diesem Zeitpunkt gegenüber der V bestehen. Ob für solche Ansprüche neben der V auch die Beklagte haftet, ergibt sich aus Ziffer II.1. nicht. Diese Frage wird auch durch Ziffer II.9. des Unterrichtungsschreibens nicht ausdrücklich beantwortet. Aus der Formulierung wird nicht klar, ob die Beklagte aus der Haftung ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ausscheidet, da die V „auch“ für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis haftet, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind. Entscheidende Bedeutung in der gewählten Formulierung besitzt das Wort „auch“. „Auch“ kann einerseits eine Haftung neben der Beklagten ausdrücken (nicht nur die Beklagte haftet, sondern auch die V). Andererseits kann „auch“ stattdessen zum Ausdruck bringen, dass die V nicht nur für Ansprüche ab dem Betriebsübergang, sondern auch für ältere Ansprüche (unbeschränkt) haftet.
- 24
-
Allein wegen dieser unklaren und missverständlichen Formulierung ist die Unterrichtung nicht vollständig. Hinzu kommt, dass daneben jeglicher Hinweis auf die Begrenzung der Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB fehlt. Ebenso wenig wird auf die Tatsache einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beklagten und der V hingewiesen.
- 25
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c) Diese unzureichende Unterrichtung wird auch nicht dadurch vervollständigt und zutreffend, dass dem Unterrichtungsschreiben der Gesetzeswortlaut des § 613a BGB beigefügt ist. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht. Erforderlich ist eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache (BAG 14. Dezember 2006 - 8 AZR 763/05 - AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63).
- 26
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d) Mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung ist die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB mit Zugang der Unterrichtung im Juli 2007 nicht in Lauf gesetzt worden(st. Rspr., BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119).
- 27
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2. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt.
- 28
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a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
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Nach der Rechtsprechung des Senats kann das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers (§ 613a Abs. 6 BGB) verwirken (vgl. BAG 12. November 2009 - 8 AZR 751/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 12).
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b) Dem Landesarbeitsgericht ist dahin zu folgen, dass es vorliegend dahinstehen kann, ob das für das Vorliegen einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Die Klägerin hat jedenfalls kein Umstandsmoment verwirklicht.
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c) Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Verhaltens des Arbeitnehmers davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gegeben hat, er habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Regelmäßig ist dies anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113). Eine solche Disposition über ihr Arbeitsverhältnis hat die Klägerin nicht getroffen.
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aa) Weder die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebsübernehmer (BAG 2. April 2009 - 8 AZR 318/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 8) noch etwaige Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch die einzelne Arbeitsbedingungen, etwa die Art und der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden, stellen Sachverhalte dar, durch die das Umstandsmoment der Verwirkung ausgelöst ist. Im Gegensatz hierzu begründen Dispositionen des Arbeitnehmers über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses an sich das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Als Dispositionen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sind nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers anzusehen, durch die es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Dies können insbesondere der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem Betriebserwerber oder die widerspruchslose Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung sein. Auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsübernehmer, durch die das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird, die nicht mehr als Fortführung des bisherigen Vertrags angesehen werden kann, stellt eine Disposition über das Arbeitsverhältnis dar (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; vgl. BAG 23. Juli 2009 - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
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Kein Umstandsmoment begründet hingegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Erwerber ausgesprochene Kündigung (vgl. BAG 2. April 2009 - 8 AZR 178/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9).
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bb) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, unterliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben. Allerdings unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung, ob das Gericht der Tatsacheninstanz alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 734/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 119). Dies ist vorliegend der Fall.
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Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Klägerin habe mit dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 hinsichtlich des Betriebsübergangs von der V auf die A nicht über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses disponiert und daher ihr Recht zum Widerspruch am 28. April 2008 nicht verwirkt gehabt. Zutreffend stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass die Beklagte aus dem Widerspruch vom 13. Februar 2008 nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige mit diesem den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf eine arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten. Die Klägerin ist mit ihrem Widerspruch lediglich einer (weiteren) Änderung ihres Vertragspartners entgegengetreten, ohne hiermit eine Disposition oder Aussage über den Vertragspartner sowie den Inhalt und den Bestand ihres zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisses zu treffen. Sie hat nicht erklärt: „Ich will bei der V bleiben“, sondern: „Ich will nicht zur A wechseln“.
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Widerspricht der Arbeitnehmer (zunächst) dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines „Zweit-Betriebsübergangs“, ist dies dem Fall vergleichbar, in welchem der Arbeitnehmer zunächst, dh. vor Erklärung des Widerspruchs, gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Betriebserwerber Kündigungsschutzklage erhebt. In beiden Fallgestaltungen erklärt der Arbeitnehmer lediglich gegenüber dem Betriebserwerber, dass er einer Beendigung der aktuell bestehenden Arbeitsvertragsbeziehung entgegentritt. Einen weitergehenden Erklärungswert enthält grundsätzlich weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch der Widerspruch hinsichtlich eines Zweit-Betriebsübergangs.
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3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, weil es sich - wie die Revision rügt - mit dem Wortlaut des Widerspruchsschreibens der Klägerin vom 13. Februar 2008 nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte aus ihm nicht den Schluss ziehen durfte, die Klägerin bestätige durch das Schreiben den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der V und verzichte endgültig auf die arbeitsvertragliche Bindung zu der Beklagten.
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Die Auslegung einer nichttypischen Erklärung, als welche sich das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 13. Februar 2008 darstellt, ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung ist, außer Betracht gelassen worden ist (st. Rspr., vgl. BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 46/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 11 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 139). Dass dem Landesarbeitsgericht bei der Auslegung des Widerspruchsschreibens solche Rechtsfehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.
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4. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
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Hauck
Böck
Breinlinger
Umfug
Brückmann
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
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für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.