Amtsgericht Wuppertal Urteil, 01. März 2016 - 93 C 104/15


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten sich vorliegend um die Nutzung einer auch über das Grundstück des Beklagten führenden Zufahrt mittels PKW.
3Die Kläger sind Eigentümer und Bewohner des Grundstücks mit Reiheneigenheim T-Straße 1 in X. Der Beklagte ist Eigentümer und Bewohner des Nachbargrundstücks mit Reiheneigenheim T-Straße 2 in X.
4Die beiden Häuser sind Teil einer Reihe von Eigenheimen, zu der noch das Haus T-Straße 3 gehört und die sich sämtlich auf dem Flurstück G befinden. Diese Häuser sind von der Straße T-Straße über einen kleinen etwa 20 m langen auf den Grundstücken befindlichen Fußweg zu erreichen, der direkt vor den Häusern herführt. Neben dem Fußweg führt ein ebenfalls zu den Grundstücken gehörender befestigter Fahrweg entlang. Im Baulastenverzeichnis der Stadt X ist zu Gunsten des Grundstücks der Kläger und zu Lasten des Grundstücks des Beklagten eine Zuwegungsbaulast eingetragen. Zur besseren Verdeutlichung der örtlichen Gegebenheiten wird auf den Auszug aus dem Planungsrechts- und Liegenschaftskataster (Anlage K 1, Bl. 7 der GA) verwiesen.
5Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stünde das Recht zu, die Zufahrt mit ihrem PKW zu nutzen, um ihr Grundstück anzufahren.
6Sie beantragen daher,
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1. den Beklagten zu verurteilen, zu dulden, dass die Kläger die über das Grundstück T-Straße 2 in X führende Zufahrt zu den Grundstücken T-Straße 1 - 3 im Rahmen des gesetzlichen Notwegerechts als Zufahrt zu dem Grundstück T-Straße 1 in X zu nutzen,
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2. dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird und
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3. den Beklagten zu verurteilen, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 525,98 € freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er ist der Auffassung, den Klägern stehe das von ihnen eingeforderte Notwegerecht nicht zu.
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und der zur Akte gereichten Unterlagen verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18A. Zulässigkeit
19Die Klage ist zulässig. Ein Schlichtungsverfahren wurde erfolglos durchgeführt.
20B. Begründetheit
21Die Klage ist jedoch unbegründet. Den Klägern steht der beantragte Duldungsanspruch gegenüber dem Beklagten aus keinem rechtlichem Gesichtspunkt zu.
221.
23Zunächst steht den Klägern ein solcher Anspruch entgegen ihrer Auffassung nicht aus der zu Gunsten ihres Grundstücks und zu Lasten des Grundstücks des Beklagten eingetragenen Baulast i.V.m. § 4 Abs. 1 BauO NRW zu.
24Denn unabhängig davon, dass diese Baulast, wie aus der dem Auszug aus dem Planungsrechts- und Liegenschaftskataster beigefügten Zeichnung und den dort eingezeichneten Pfeilen (Anlage K 1, Bl. 7 der GA) erkennbar ist, nur den vor den Häusern herführenden Fußweg, nicht aber die hier streitige Zufahrt betrifft, wirken eine solche Baulast und auch die bauordnungsrechtliche Vorschrift nur im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Stadt. Eine Baulast vermittelt dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks keine subjektiven Rechte. Sie dient vielmehr dem öffentlichen Interesse, bauordnungswidrige Zustände zu verhindern und verschafft dem Eigentümer kein Recht auf Nutzung des belasteten Grundstücks.
252.
26Der geltend gemachte Duldungsanspruch folgt auch nicht aus dem in § 917 BGB verankertem Notwegerecht.
27Voraussetzung für ein solches Notwegerecht ist, dass dem klägerischen Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Eine solche Verbindung liegt hier aber in dem etwa 20 m langen Fußweg, der von der öffentlichen Straße zu den Reihenhäusern T-Straße 1 - 3 führt.
28Das führt zwar dazu, dass das klägerische Grundstück nicht direkt mit dem PKW angefahren werden kann, sondern die Kläger gehalten sind, ihr Fahrzeug auf den an der T-Straße befindlichen Parkplätzen abzustellen und die restliche Strecke bis zu ihrer Hauseingangstür zu Fuß zurück legen müssen. Dies ist den Klägern jedoch zuzumuten. Es mag vielleicht bequemer für die Kläger sein, ihr Fahrzeug direkt vor der Haustür abstellen zu können, um diese schneller zu erreichen und auch Einkaufstüten u.ä. nicht bis dorthin tragen zu müssen. An die Voraussetzungen des gesetzlichen Notwegerechts sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen: Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit, wie sie hier ausschließlich vorliegen, genügen nicht. Die Möglichkeit, das Fahrzeug auf seinem Grundstück abstellen zu können, gehört damit nicht zu einer ordnungsgemäßen Nutzung zu Wohnzwecken, solange es in benachbarten Straßen abgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 09.11.1979, V ZR 85/78).
29Auch die klägerseits angeführte Entscheidung des BGH vom 12.12.2008 (Az.: V ZR 106/07) führt hier zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn dieser Entscheidung liegt ein vollkommen anderer Sachverhalt zu Grunde. Das dortige Grundstück war, anders als das Hiesige, nur über einen Fuß- und Radweg zu erreichen, der von einem öffentlichen Parkplatz zu dem Grundstück führte. Das Grundstück konnte somit über die vorhandene städtische Fläche überhaupt nicht mit dem PKW angefahren werden. In diesem Punkt unterscheidet sich der dieser Entscheidung grundlegend von den hiesigen Verhältnissen, die es den Klägern, wie oben bereits ausgeführt, erlauben, ihren PKW in direkter Nachbarschaft zu ihrem Grundstück abzustellen.
303.
31Mangels Hauptforderung können die Kläger auch nicht die als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen.
32II.
33Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.
34III.
35Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
36Streitwert: 3.000,00 Euro


Annotations
(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.