Amtsgericht Rosenheim Beschluss, 11. Jan. 2016 - 8 XIV 9/16

bei uns veröffentlicht am11.01.2016

Gericht

Amtsgericht Rosenheim

Tenor

I.

Gegen den Betroffenen wird die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß §§ 427 i. V. m. 49-57 FamFG für die Dauer von 13 Tagen angeordnet.

II.

Die Freiheitsentziehung beginnt mit der Festnahme am 10.01.2016 und endet spätestens nach Ablauf von 13 Tagen, spätestens am 22.01.2016.

III.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

I.

Der Betroffene ist marokkanischer Staatsangehöriger.

Er reiste am 10.01.2016 gegen 20:25 Uhr, von Österreich kommend unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein, § 14 Abs. 1 AufenthG.

Die im Rahmen des § 71 Absatz 3 Nr. 1 AufenthG als Ausländerbehörde zuständige Bundespolizei hat gemäß § 417 FamFG die Zurückschiebehaft für die Dauer von 13 Tagen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt.

Der Betroffene soll gemäß § 57 Abs. 1 AufenthG zurückgeschoben bzw. abgeschoben werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann noch nicht abschließend beurteilt werden, in welchem Verfahren der Betroffene zurückgeschoben bzw., abgeschoben wird. Es erscheint eine Zurückschiebung nach Österreich aber auch eine Abschiebung nach Marokko möglich.

II.

Im Rahmen der heutigen Vorführung wurde dem Betroffenen gemäß § 420 Abs. 1 S. 1 FamFG in der gebotenen Weise vor der Entscheidung rechtliches Gehör gewährt.

Der Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde ist dem Betroffenen übersetzt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben worden. Ein Abdruck des Antrags ist dem Betroffenen überlassen worden. Der Betroffene war in der Lage, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde zu äußern. Es handelt sich vorliegend um einen überschaubaren Sachverhalt, den der Betroffene vor der Anhörung ausreichend erfassen konnte. Auch aufgrund der vorangegangenen polizeilichen Vernehmung hatte er bereits Kenntnis von den tatsächlichen Umständen, die die Ausländerbehörde dem Antrag zugrunde gelegt hat.

Im Übrigen wird auf das Protokoll Bezug genommen.

III.

Die beantragte einstweilige Anordnung ist zu erlassen.

1.

Ein zulässiger und ausreichend begründeter Haftantrag der zuständigen Ausländerbehörde liegt vor.

Der vorliegende Haftantrag genügt auch den Darlegungsanforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. bspw. BGH vom 15.9.2011, Az. V ZB 123/11, BGH vom 10.5.2012, Az. V ZB 246/11; vgl. hinsichtlich der Zulässigkeit eines ähnlich gelagerten Antrages der Bundespolizei auch: LG Traunstein, Beschluss vom 10.1.2013, Az. 4 T 43/13).

Insbesondere hat die beteiligte Ausländerbehörde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum die Sicherungshaft in der beantragten Länge erforderlich ist.

Das gemäß § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft liegt - wie im Haftantrag mitgeteilt - vor.

2.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anordnung zur Zurückschiebehaft (§ 57 Abs. 3 i. V. m. § 62 AufenthG) sind gegeben.

Mit dem unter I. geschilderten Sachverhalt liegen die Voraussetzungen einer unerlaubten Einreise gemäß § 14 Abs. 1 AufenthG vor. Der Betroffene ist damit auch vollziehbar ausreisepflichtig, § 50 AufenthG. Die Voraussetzungen für die Zurückschiebung nach § 57 AufenthG liegen vor.

a) Haftgründe im Sinne des § 62 Abs. 3 AufenthG sind gegeben:

Ob der Haftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG für sich alleine ausreichend ist, kann dahinstehen. Es liegt nämlich jedenfalls der Haftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor.

Es besteht der begründete Verdacht, dass sich der Betroffene der Zurückschiebung bzw. der Abschiebung entziehen will.

Die Annahme einer Entziehungsabsicht setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Betroffenen voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Betroffene beabsichtigt unterzutauchen oder die Zurückschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. BGH vom 03.5.2012, Az. V ZB 244/11 m.w.Nachw.).

Derartige konkrete Umstände liegen hier vor.

Der Betroffene hat nach eigenen Angaben seine Identitätsdokumente in Griechenland vernichtet, um seine marokkanische Herkunft zu verschleiern. Zudem verwendete er auf der Reise mehrere unterschiedliche Personalien und unterschiedliche Staatsangehörigkeiten.

Die Fluchtgefahr ist auch als erheblich einzustufen.

Der Begriff der Erheblichkeit ist als Begriff des Europarechts autonom auszulegen. Eine Definition durch den nationalen Gesetzgeber bedarf es nicht. Bei der Auslegung ist insbesondere der Wortlaut der Bestimmung, vor allem aber der sich bereits aus Erwägungsgrund Nr. 20 Dublin-III-VO ergebenen Willen des Verordnungsgebers, die Inhaftierung von Antragstellern lediglich als letztes Mittel nach strenger Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuordnen, zu beachten. Der Begriff der Erheblichkeit ist daher dergestalt zu verstehen, dass es anhand konkreter Tatsachen im hohen Maße wahrscheinlich ist, dass sich der Betroffene auf freiem Fuß belassen dem Überstellungsverfahren entziehen wird.

Im vorliegenden Einzelfall ist aus folgenden Gründen von einer solch hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen:

Der Betroffene hat in der Vergangenheit durch die Vorlage unterschiedlicher Personalien versucht, über seine wahre Identität und Herkunft zu täuschen. Umstände, die erwarten ließen, dass er sein Verhalten nunmehr ändert, liegen nicht vor.

b) Die Anordnung der Haft ist auch verhältnismäßig, § 62 I AufenthG.

Ein milderes Mittel als die Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung ist nicht gegeben. Meldeauflagen, die Verwahrung des Passes oder die Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, sind entweder nicht möglich, da der Betroffene keine Ausweisdokumente hat, oder vor dem Hintergrund der geschilderten Umstände nicht geeignet, die Zurückschiebung des Betroffenen sicherzustellen.

c) Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 S. 4, Abs. 4 S. 1 AufenthG liegen vor.

Umstände, die - unabhängig von der konkreten Dauer der angeordneten Haft - einer Zurückschiebung innerhalb der nächsten 3 Monate aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, bzw. innerhalb von 6 Monaten nach seiner Einreise entgegenstehen, sind nicht ersichtlich,.

3.

Es ist im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 427 FamFG zu entscheiden.

Durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müssen noch das zur Anwendung kommende Verfahren sowie das Zielland der Zurückschiebung bestimmt werden. Diese Festlegungen können binnen der angeordneten Haftdauer von 13 Tagen getroffen werden. Erst nachdem Verfahren und Zielland feststehen, kann eine endgültige Entscheidung über die Zurückschiebehaft getroffen werden (vgl. BGH vom 06.12.2012, Az. V ZB 118/12).

Es besteht auch ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, da über die endgültige Freiheitsentziehung nicht rechtzeitig entschieden werden kann.

Das Verfahren beruht im Übrigen auf den §§ 416, 418, 419, 420, 421 FamFG.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung beruht auf § 422 Abs. 2 FamFG und ist erforderlich, da andernfalls der Zweck der Maßnahme nicht erreicht werden könnte.

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Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

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(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. (2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:1.die Identität des Betroffenen,2.den gewöhnlichen Aufent

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 72 Beteiligungserfordernisse


(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Rege

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 71 Zuständigkeit


(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 14 Unerlaubte Einreise; Ausnahme-Visum


(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,2a. zwar ein nach § 4 erforderliche

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 420 Anhörung; Vorführung


(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierü

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 427 Einstweilige Anordnung


(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedür

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 57 Zurückschiebung


(1) Ein Ausländer, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Außengrenze) aufgegriffen wird, soll zurückgeschoben werden. (2) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 422 Wirksamwerden von Beschlüssen


(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam. (2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 418 Beteiligte


(1) Zu beteiligen sind die Person, der die Freiheit entzogen werden soll (Betroffener), und die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat. (2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Ver

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 416 Örtliche Zuständigkeit


Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entsteht. Befindet sich die Person bereits

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 419 Verfahrenspfleger


(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 421 Inhalt der Beschlussformel


Die Beschlussformel zur Anordnung einer Freiheitsentziehung enthält auch1.die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung sowie2.den Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet.

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Tenor 1. Der Antrag des Betroffenen vom 17.01.2016 auf Feststellung, dass der Vollzug des Beschlusses des Amtsgerichts Rosenheim vom 11.01.2016, Az. 8 XIV 9/16 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, wird zurückgewiesen. 2. Die

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(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

(1) Ein Ausländer, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Außengrenze) aufgegriffen wird, soll zurückgeschoben werden.

(2) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, der durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, Norwegen oder die Schweiz auf Grund einer am 13. Januar 2009 geltenden zwischenstaatlichen Übernahmevereinbarung wieder aufgenommen wird, soll in diesen Staat zurückgeschoben werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird.

(3) § 58 Absatz 1b, § 59 Absatz 8, § 60 Absatz 1 bis 5 und 7 bis 9, die §§ 62 und 62a sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 123/11
vom
15. September 2011
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er die in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bezeichneten
Punkte behandelt. Die Darlegungen müssen - wenn auch in knapper Form -
die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.
BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird unter Aufhebung des Beschlusses der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 19. Januar 2011 festgestellt, dass die Anordnung von Sicherungshaft durch den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. Dezember 2010 den Betroffenen von diesem Tage an in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Land Berlin auferlegt.
Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2007 ohne Reisepass und Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein und hielt sich dort ohne behördliche Meldung auf, bis er im Oktober 2008 festgenommen wurde. Er befand sich seither in Untersuchungshaft und wurde am 7. Mai 2009 u. a. wegen Urkundenfälschung und Hehlerei in mehreren Fällen zu einer Freiheits- strafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde von September 2009 an vollstreckt.
2
Mit Bescheid vom 29. Januar 2009 ordnete die Beteiligte zu 2 die Abschiebung des Betroffenen in sein Heimatland Algerien an. Zur Abschiebung kam es zunächst nicht, weil der Betroffene einen Asylantrag stellte. Diesen lehnte das zuständige Bundesamt mit - inzwischen bestandskräftigem - Bescheid vom 20. September 2010 als offensichtlich unbegründet ab. Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Bescheid wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. November 2010 zurück. Nach einem Hinweis der Staatsanwaltschaft vom 6. Dezember 2010, dass der Rest der Haftstrafe des Betroffenen zur Bewährung ausgesetzt und seine Entlassung aus der Strafhaft für den 9. Dezember 2010 vorgesehen sei, beantragte die Beteiligte zu 2 noch am selben Tag die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung und bat das algerische Generalkonsulat mit Schreiben vom 10. Dezember 2010 um Ausstellung des ihr bei einer früheren Anfrage zugesagten Reisedokuments für den vorgesehenen Flug am 29. Dezember 2010, das auch ausgestellt wurde.
3
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 hat das Amtsgericht nach einer vorausgegangenen einstweiligen Anordnung, die vor dem Senat nicht mehr angefochten wird, im Hauptsacheverfahren die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 29. Dezember 2010 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Gegen die Entscheidung hat der Betroffene Beschwerde eingelegt und nach der am 29. Dezember 2010 erfolgten Abschiebung beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.


4
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei auf Grund der Abschiebungsverfügung vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Es habe der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorgelegen. Dazu verweist es auf die unerlaubte Einreise, die Straftaten und den langen Zeitraum des illegalen Aufenthalts. Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Frist nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG habe durchgeführt werden können, hätten nicht bestanden. Gegen das Beschleunigungsgebot habe die Beteiligte zu 2 nicht verstoßen. Die Zusage, Passersatzpapiere auszustellen, habe frühzeitig vorgelegen. Bis zur Kenntnis von der Zurückweisung des gegen die Ablehnung des Asylgesuchs eingelegten Rechtsschutzantrags durch das Verwaltungsgericht habe die Beteiligte zu 2 nicht tätig werden müssen. Sie sei ferner nicht verpflichtet gewesen, von sich aus Erkundigungen zur Strafaussetzung einzuholen. Da am 20. Oktober 2010 noch nicht absehbar gewesen sei, dass die Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt würde, habe sie im Hinblick auf eine nur begrenzte Gültigkeit des Reisedokuments dessen Ausstellung noch nicht in die Wege leiten müssen.

III.


5
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die mit einem Antrag nach § 62 FamFG gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151) und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet. Auf seinen Antrag ist festzustellen, dass die Anordnung der Sicherungshaft den Betroffenen vom 13. Dezember 2010 an in seinen Rechten verletzt hat.
6
1. Grundlage für die Vollziehung der Sicherungshaft gegen den Betroffenen ist seit dem Beschluss vom 13. Dezember 2010 in der Hauptsache dieser Beschluss und nicht mehr die mit Beschluss vom 7. Dezember 2010 durch das Amtsgericht getroffene einstweilige Anordnung. In dieser war zwar eine vorläufige Sicherungshaft bis zum 30. Dezember 2010 verfügt. Diese endete aber auch ohne ausdrücklichen Ausspruch in einem der beiden Beschlüsse mit dem Erlass der Entscheidung in der Hauptsache.
7
2. Diese Entscheidung verletzt den Betroffenen schon deshalb in seinen Rechten, weil ihr ein zulässiger Haftantrag der Beteiligten zu 2 nicht zugrunde lag.
a) Das Vorliegen eines solchen Antrags ist Verfahrensvoraussetzung und
8
daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - V ZB 79/10, FGPrax 2010, 158). Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 8). Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden.
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b) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrensleitenden Antrag erforderlich, aber auch ausreichend wäre. Der Gesetzgeber hat sich – abweichend von dem Vorschlag der Bundesregierung, die es dabei bewenden lassen wollte (Entwurfsbegründung zum FGG-ReformG in BT-Drucks 16/6308 S. 291) – dafür entschieden, an die Begründung eines Haftantrags strengere Anforderungen zu stellen und der Behörde mit dem heutigen § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorzuschreiben, zu welchen Punkten sich der Haftantrag zu verhalten hat (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG in BT-Drucks 16/9733 S. 299). Diese müssen in dem Haftantrag behandelt werden. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass dem Gericht schon durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. seine Entscheidung zugänglich werden (Beschlussempfehlung zum FFG-ReformG aaO; Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14). Eine solche Darlegung gibt dem Betroffenen eine Grundlage für seine Verteidigung gegen den Haftantrag (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 12). Danach bestimmen sich Inhalt und Umfang der dazu notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen.
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c) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag nicht. aa) Die Beteiligte zu 2 hat in ihrem Antrag zwar dargelegt, aus welchen
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Gründen der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig war. Die mit § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG weiter vorgeschriebene Darlegung der Voraussetzungen und Durchführbarkeit der Abschiebung, der Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und ihrer erforderlichen Dauer fehlt dagegen. Die Beteiligte zu 2 nennt als Haftgrundlage § 62 Abs. 2 AufenthG. Auf welchen konkreten Haftgrund die Abschiebungshaft nach ihrer Ansicht gestützt werden soll, führt sie nicht aus. Sie setzt sich mit den Voraussetzungen der einzelnen Haftgründe auch nicht inhaltlich auseinander. Die Voraussetzungen der Haftgründe der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und der Entziehungsabsicht nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, die die Beteiligte zu 2 im Blick gehabt haben mag, werden nicht in der vorgeschriebenen Weise dargelegt. bb) Der Haftgrund der unerlaubten Einreise nach § 62 Abs. 2 Satz 1
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Nr. 1 AufenthG setzt neben der unerlaubten Einreise, die in dem Antrag angesprochen wird, voraus, dass die Ausreisepflicht auf der unerlaubten Einreise beruht. Daran fehlt es, wenn der Betroffene einen Asylantrag stellt und dieser nicht innerhalb von vier Wochen als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt wird (Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 210/10, FGPrax 2011, 41, 43 Rn. 20). Nach dem Haftantrag schied dieser Haftgrund von vornherein aus, weil der Asylantrag des Antragstellers erst nach über einem Jahr beschieden worden ist. cc) Abschiebungshaft wegen Entziehungsabsicht darf nach § 62 Abs. 2
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Satz 1 Nr. 5 AufenthG nur angeordnet werden, wenn konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Betroffenen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass er beabsichtigt , unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, juris Rn. 12). Der Haftantrag enthält zu solchen Umständen keine Ausführungen. Er beschränkt sich auf den Hinweis, dass der Betroffene zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, die er verbüße. Diese Angabe ist hier jedenfalls deshalb unzureichend, weil die Beteiligte zu 2 auch mitgeteilt hat, der Betroffene werde in Kürze auf Bewährung entlassen. Dem dazu mit dem Antrag vorgelegten Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 2. Dezember 2010 ist zu entnehmen, dass sich der Betroffene schuldeinsichtig und von dem Vollzug der Strafhaft deutlich beeindruckt gezeigt habe und seine ungeklärte ausländerrechtliche Situation der Gewährung einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegenstehe. Diese Beurteilung musste zwar die Anordnung von Abschiebungshaft nicht ausschließen, erforderte aber eine mit ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten belegte Darlegung der Entziehungsabsicht (vgl. OLG Köln, OLGR 2007, 764 [Ls.] Vollabdruck bei juris). Diese enthält der Antrag nicht. dd) Auch die Dauer der beantragten Haft von sechs Wochen wird mit
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keinem Wort begründet. Ausführungen dazu waren aber auch deshalb geboten, weil die Beteiligte zu 2 im Verfahren über die einstweilige Anordnung die Anordnung einer Sicherungshaft von dreieinhalb Wochen für ausreichend hielt.
d) Das Versäumnis hat die Beteiligte zu 2 auch nicht, was – für die Zu15 kunft – möglich gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11) nachgeholt. Sie hat sich bei der Anhörung des Betroffenen im Verfahren über die einstweilige Anordnung darauf beschränkt, statt der ursprünglich beantragten Sicherungshaft von sechs Wochen eine solche von dreieinhalb Wochen zu beantragen, ohne ihren Sinneswandel zu erklären. In der Stellungnahme zu der Beschwerde des Betroffenen gegen die einstweilige Anordnung hat sie lediglich den Haftgrund, aber keine Tatsachen genannt, die diesen ausfüllen könnten. Solche Tatsachen enthält auch ihre zudem nach erfolgter Abschiebung abgegebene Stellungnahme zu der Beschwerde gegen die Haftanordnung in der Hauptsache nicht.
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3. Fehlt es schon an einem zulässigen Haftantrag, muss den in der Sache allerdings bestehenden erheblichen Bedenken gegen das Vorliegen einer Entziehungsabsicht und die Einhaltung des Beschleunigungsgebots nicht mehr nachgegangen werden.

IV.


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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, das Land Berlin als diejenige Körperschaft, der die beteiligte Behörde angehört (vgl. § 430 FamFG), zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 13.12.2010 - 380 XIV 386/10 B und 380 XIV
387/10 B -
LG Berlin, Entscheidung vom 19.01.2011 - 84 T 290/10 B und 84 T 298/10 B -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 246/11
vom
10. Mai 2012
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Haftantrag ist nach § 417 Abs. 2 FamFG nur zulässig, wenn er die beantragte
Haftdauer unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots nach § 62 Abs. 1
Satz 2 AufenthG (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der EU-Richtlinie 2008/115/EG) erläutert.
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11 - LG Wiesbaden
AG Wiesbaden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt; ihm wird Rechtsanwältin Dr. Ackermann beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 10. September 2011 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 17. Oktober 2011 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in den Rechtsmittelverfahren werden dem Beteiligten zu 2 auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist türkischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 7. September 2011 nach Deutschland ein, ohne im Besitz eines Passes und Aufenthaltstitels zu sein. Er wurde am 9. September 2011 in Wiesbaden festgenommen.
2
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. September 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung in die Türkei bis einschließlich 9. Dezember 2011 angeordnet. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene einen Asylantrag gestellt, gegen dessen Zurückweisung am 13. Oktober 2011 bei dem Verwaltungsgericht Klage erhoben und beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Haftanordnung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Zurückweisung des Asylantrags durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. November 2011 und seiner Entlassung aus der Haft mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung und ihrer Aufrechterhaltung durch das Landgericht festzustellen.

II.


3
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund der illegalen Einreise unter der entgeltlichen Zuhilfenahme von Schleusern bestehe der begründete Verdacht, dass er sich der Abschie- bung entziehen werde. Damit sei der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF erfüllt. Die Haftdauer von drei Monaten sei verhältnismäßig. Aufgrund des zwischenzeitlich vorliegenden türkischen Personalausweises (Nüfus) könne er innerhalb der angeordneten Haftdauer in die Türkei "zurückgeschoben" werden.

III.


4
Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
5
1. Das Amtsgericht hätte die Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
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a) Dessen Vorliegen ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7).
7
b) An dieser Voraussetzung fehlt es.
8
aa) Ein Haftantrag, der den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG nicht genügt, ist unzulässig und keine Grundlage für die Anordnung von Abschiebungshaft (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8).
9
bb) In dem Haftantrag müssen nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG unter anderem die zweifelsfreie Ausreisepflicht des Betroffenen, die Abschiebungsvoraussetzungen, die Erforderlichkeit der Haft, die Durchführbarkeit der Abschiebung und die notwendige Haftdauer dargelegt werden. Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, FGPrax 2011, 317 f. Rn. 9). Sie müssen auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82, 83 Rn. 13). Die Durchführbarkeit der Abschiebung muss mit konkretem Bezug auf das Land, in das der Betroffene abgeschoben werden soll, dargelegt werden. Anzugeben ist dazu, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen. Daran fehlt es hier.
10
cc) Die beteiligte Behörde hat zwar dargelegt, dass der Betroffene unerlaubt eingereist und deshalb kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig war. Sie hat auch die Notwendigkeit der Abschiebung erläutert. Den gesetzlichen Anforderungen genügen aber ihre Darlegungen zu der Durchführbarkeit der Abschiebung nicht. Hier hat sie sich auf austauschbare formelhafte Ausführungen beschränkt. Ihren Ausführungen ist weder zu entnehmen, wie lange die Behörden der Türkei, in welche der Betroffene abgeschoben werden sollte, für die Ausstellung von Ersatzpapieren üblicherweise benötigen, noch, ob das davon abhängt, dass sich der Betroffene zu seiner Identität wahrheitsgemäß äußert , oder ob die Angaben des Betroffenen etwa durch eine Nachfrage bei den türkischen Behörden überprüft worden sind. Weshalb eine Haft von drei Monaten erforderlich erschien und eine Haft von kürzerer Dauer nicht ausreichte, wird nicht erläutert. Eine solche Erläuterung ist indessen unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen Haftantrags, weil die Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist und die Frist von drei Monaten vorbehaltlich des § 62 Abs. 4 AufenthG die obere Grenze der möglichen Haft und nicht deren Normaldauer bestimmt. § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist zwar nach Art. 13 des Gesetzes vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) erst am 26. November 2011 in Kraft getreten. Die Vorschrift setzt aber nahezu wörtlich eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. EG Nr. L 348 S. 98) um, die seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 24. Dezember 2010 (Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie) auch schon vor dem Inkrafttreten der Umsetzungsvorschriften zu beachten war. Außerdem formuliert sie eine Anforderung, die sich schon aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384, 387 Rn. 27 zu beiden Gesichtspunkten für Art. 17 der Richtlinie).
11
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist im Hinblick auf die vorgenommene Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
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a) Für die Anordnung und Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft ist damit erst Raum, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergeben haben, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder zunächst eine zuverlässige Prognose nicht getroffen werden kann (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 211/10, juris Rn. 11; BVerfG NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 22). Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine Sicherungshaftanordnung richtet, müssen deshalb die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF (heute § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG) unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens erneut geprüft werden (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris Rn. 13). Erscheint eine Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, juris Rn. 13). Die erforderliche Prognose darf nur auf einer hinreichend vollständigen Tatsachengrundlage getroffen werden (Senat , Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, juris, Rn. 9; Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17) und hat sich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken , die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 22; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 89/10, juris Rn. 8). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, InfAuslR 2011, 26 Rn. 12; Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17).
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b) In diesem Umfang ist sie jedoch zu beanstanden. Das Beschwerdegericht hat den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF (heute § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG) verkannt.
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aa) Zwar sind für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des zuständigen Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (Senat, Beschlüsse vom 12. Juni 1986 - V ZB 9/86, BGHZ 98, 109, 112 und vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 728 Rn. 23). Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass sich der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF (heute § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG) abverlangten Prognose, ob die Abschiebung in den kommenden drei Monaten durchgeführt werden kann, nicht mit einem Verweis auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begnügen darf. Er muss in diesem Rahmen eigene Ermittlungen anstellen und den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 23; Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 728 Rn. 24).
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bb) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Der Betroffene hat schon bei der Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt, er wolle Asyl beantragen, weil die PKK ihn davor gewarnt habe, den Militärdienst abzuleisten. Diesen - später förmlich gestellten - Antrag hat das zuständige Bundesamt zwar als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Dem ausführlich begründeten Bescheid , der dem Beschwerdegericht in Kopie vorgelegt worden ist, ist aber zu entnehmen, dass sich in dem Fall des Betroffenen neben einer Würdigung seines Verhaltens die von dem Bundesamt eingehend behandelte Frage stellte, ob die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes generell und im Fall einer Bedrohung durch die PKK eine politische Verfolgung darstellt. Es war deshalb nicht ohne weiteres damit zu rechnen, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid innerhalb der restlichen Haftdauer zurückgewiesen und die Abschiebung weiterhin durchführbar sein würde. Es drängte sich vielmehr auf, bei dem Verwaltungsgericht nach dem Stand der Angelegenheit und dem möglichen Ausgang der Prüfung nachzufragen.
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cc) Anhaltspunkte dafür, dass die gebotene, aber unterlassene Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht Gesichtspunkte erbracht hätte, die die Prognose gerechtfertigt hätten, der Eilantrag werde innerhalb der angeordneten Haftdauer zurückgewiesen und das mit seinem Erfolg eintretende Abschiebungs- und Hafthindernis (vgl. Senat, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 121/10, juris Rn. 10) werde nicht eintreten, sind nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat knapp einen Monat nach der Beschwerdeentscheidung über den Eilantrag entschieden. Es hat ihm entsprochen und die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

IV.


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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 10.09.2011 - 710 XIV 603/11 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 17.10.2011 - 4 T 407/11 -

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Ein Ausländer, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Außengrenze) aufgegriffen wird, soll zurückgeschoben werden.

(2) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, der durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, Norwegen oder die Schweiz auf Grund einer am 13. Januar 2009 geltenden zwischenstaatlichen Übernahmevereinbarung wieder aufgenommen wird, soll in diesen Staat zurückgeschoben werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird.

(3) § 58 Absatz 1b, § 59 Absatz 8, § 60 Absatz 1 bis 5 und 7 bis 9, die §§ 62 und 62a sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 244/11
vom
3. Mai 2012
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (Asylverfahrensrichtlinie) Art.
7 Abs. 1 Satz 1
Aus der Regelung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom
1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung
und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Abl. EG Nr. L 326, S. 13)
folgt nicht, dass der Aufenthalt eines Asylbewerbers auch während eines Rechtsbehelfsverfahrens
gegen die Entscheidung über seinen Asylantrag ausnahmslos als
rechtmäßig anzusehen wäre.
BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - V ZB 244/11 - LG Wiesbaden
AG Wiesbaden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Dem Betroffenen wird - unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Ackermann - Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 10. September 2011 ihn in seinen Rechten verletzt hat.
Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Landeshauptstadt Wiesbaden zu 50 % auferlegt. Im Übrigen findet eine Auslagenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist türkischer Staatsangehöriger und reiste Anfang September 2011 mit Hilfe von Schleusern gegen Zahlung von 5.000 € nach Deutschland ein, ohne im Besitz eines Passes und Aufenthaltstitels zu sein. Er wurde am 9. September 2011 in Wiesbaden festgenommen.
2
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. September 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung in die Türkei bis einschließlich 9. Dezember 2011 angeordnet.
3
Während des gegen die Haftanordnung gerichteten Beschwerdeverfahrens stellte der Betroffene einen Asylantrag, der am 12. September 2011 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einging. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2011 lehnte das Bundesamt den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und forderte den Betroffenen auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht. Gegen die Entscheidung des Bundesamts erhob der Betroffene am 13. Oktober 2011 Klage bei dem Verwaltungsgericht und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
4
Das Landgericht hat die Beschwerde gegen die Haftanordnung nach Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen.
5
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er nach der am 23. November 2011 erfolgten Abschiebung die Feststellung, dass er durch die Haftanordnung und ihre Aufrechterhaltung in seinen Rechten verletzt worden ist.

II.

6
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts stand der Asylantrag der Aufrechterhaltung der Sicherungshaft nicht entgegen, weil sich der Betroffene im Zeitpunkt der Antragstellung in Sicherungshaft befunden habe. Die illegale Einreise mit Hilfe von Schleusern und die hierfür aufgewendeten nicht unerheblichen finanziellen Mittel hätten den Verdacht begründet, dass sich der Betroffene der Abschiebung habe entziehen wollen. Seine Bekundung, er werde im Fall der Zurückweisung des Asylantrags freiwillig in die Türkei zurückkehren, sei nicht glaubhaft. Die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG habe der Aufrechterhaltung der Sicherungshaft nicht entgegengestanden. Die Haftdauer von drei Monaten sei verhältnismäßig gewesen. Aufgrund des zwischenzeitlich vorliegenden Ausweises (Nüfus) sei davon auszugehen gewesen, dass der Betroffene innerhalb der angeordneten Haftdauer in die Türkei habe zurückgeschoben werden können.

III.

7
Die hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
8
Die ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155 Rn. 6; insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 184, 323) und auch im Übrigen nach § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist zum Teil begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
9
1. Wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechenden Antragsbegründung hätte die Haft nicht angeordnet werden dürfen. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7).
10
a) Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 14; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 8). So verhält es sich hier.
11
b) Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die Behörde in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG die Vollstreckungsvoraussetzungen darlegen, zu denen die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG aF gehört (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10, juris Rn. 16). Fehlt es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine kraft Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG aF) vollziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 252/10, juris Rn. 16). Dies hat die Beteiligte zu 2 nicht berücksichtigt. Sie hat nur die Tatsachen für die Begründung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen vorgetragen. Das mag für einen Antrag auf Anordnung der Haft zur Sicherung einer Zurückschiebung im Sinne des § 58 AufenthG aF ausreichen. Eine Zurückschiebung des Betroffenen war aber nach dem eindeutigen Inhalt des Haftantrags nicht dessen Gegenstand.
12
c) An der Unzulässigkeit des Haftantrags im Zeitpunkt der Haftanordnung ändert der Umstand nichts, dass im Laufe des Beschwerdeverfahrens durch den Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2011 der Antrag des Betroffenen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt und er aufgefordert wurde, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen sowie ihm für die Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde. Damit fehlte es zwar nicht mehr an den Vollstreckungsvoraussetzungen für die beabsichtigte Abschiebung. Ein unzulässiger Haftantrag und die damit einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG kann aber in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden (Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, juris Rn. 14; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19).
13
2. Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung war der ursprüngliche Begründungsmangel für die Zukunft geheilt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2011 - V ZB 173/11, NJW 2011, 3792, 3793 Rn. 4), weil der Beteiligte zu 2 den Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2011 dem Beschwerdegericht vorgelegt hatte; hierzu konnte der Betroffene in der Anhörung Stellung nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, FGPrax 2011, 318 Rn. 8; Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11).
14
3. Der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag stand der Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen. Zwar ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Diese Aufenthaltsgestattung war aber im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nach der Vorschrift des § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG erloschen, weil die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamts vollziehbar war. Der Bescheid wurde dem Betroffenen nach dem Inhalt der von ihm in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht übergebenen Abschrift seiner Klageschrift an das Verwaltungsgericht am 7. Oktober 2011 zugestellt, so dass die dem Betroffenen durch das Bundesamt gesetzte Ausreisefrist vor der Beschwerdeentscheidung am 17. Oktober 2011 abgelaufen war. Die verwaltungsgerichtliche Klage des Betroffenen gegen die Entscheidung des Bundesamts und sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO änderten hieran nichts. Erst wenn einem solchen Antrag oder der Klage stattgegeben wird, wirkt diese verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Abschiebungsandrohung zurück mit der Folge, dass sie (vorläufig) nicht vollziehbar ist (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 59 AufenthG, Rn. 43). So verhält es sich hier indes nicht. Feststellungen zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts, nach der die Anträge des Betroffenen erfolgreich waren, fehlen. Dies behauptet der Betroffene auch nicht.
15
4. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen des Haftgrunds der Entziehungsabsicht (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF) rechtsfehlerfrei bejaht. Danach ist ein Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Die Annahme einer Entziehungsabsicht setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 40/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28 Rn. 15; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, juris Rn. 12). So lag es hier.
16
a) Bei dem von dem Beschwerdegericht für maßgeblich erachteten Verhalten des Betroffenen, nämlich die unerlaubte Einreise nach Deutschland mit Hilfe von Schleusern gegen Zahlung von 5.000 €, kann es sich um solche Umstände handeln (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung der Rechtsbeschwerde Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik einreisen, "fast regelmäßig auf die Inanspruchnahme von Fluchthelfern angewiesen seien, da es für sie keine legale Möglichkeit der Einreise gebe". Denn entscheidend für den Rückschluss, der Ausländer werde sich der Abschiebung entziehen, ist nicht die Inanspruchnahme von Schleusern, sondern die damit einhergehende Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel, die der Ausländer im Fall der Abschiebung vergeblich aufgewendet hätte (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130; BayObLG, InfAuslR 2001, 343, 344). Hieraus kann auf einen Anreiz des Ausländers geschlossen werden, sich nicht freiwillig für seine Abschiebung bereit zu halten, sondern den Verbleib in der Bundesrepublik durch ein Untertauchen zu sichern.
17
b) Die tatrichterliche Schlussfolgerung auf die Entziehungsabsicht unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 40/11, juris Rn. 7; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28 Rn. 16; Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). Mit der Rechtsbeschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die Folgerungen des Tatrichters nicht zwingend seien oder dass eine andere Schlussfolgerung ebenso naheliege (Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 40/11, juris Rn. 7; Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). Hieran gemessen ist die Würdigung des Beschwerdegerichts nicht fehlerhaft. Es hat auch den gegen die Entziehungsabsicht sprechenden Umstand, nämlich die Erklärung des Betroffenen in seiner Anhörung vor dem Beschwerdegericht, er werde im Fall der rechtskräftigen Zurückweisung seines Asylgesuchs freiwillig in die Türkei zurückkehren, berücksichtigt und ist zu einer hier von dem Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmenden negativen Einschätzung für den Betroffenen gelangt.
18
5. Die Regelungen der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Abl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98; nachfolgend: Rückführungsrichtlinie) standen der Beschwerdeentscheidung ebenfalls nicht entgegen, unbeschadet der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Betroffener auf einzelne Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie gegenüber einem Mitgliedstaat berufen kann, der diese innerhalb der in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie enthaltenen, am 24. Dezember 2010 abgelaufenen Umsetzungsfrist nicht oder nur unzulänglich umgesetzt hat (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 28. April 2011 - C-61/11 PPU [El Dridi], InfAuslR 2011, 320, 322 Rn. 46; insoweit nicht abgedruckt in ABl. EU 2011, Nr. C 186, S. 8 f.). Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fehlte es nicht an einer Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie. Die Rückkehrentscheidung ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Nr. 4 der Rückführungsrichtlinie die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Der Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2011 erfüllte diese Anforderungen.
19
6. Ein Verstoß gegen die Regelung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Abl. L 326 vom 13. Dezember 2005, S. 13; nachfolgend: Asylver- fahrensrichtlinie) lag nicht vor. Zwar dürfen danach Antragsteller ausschließlich zum Zweck des Asylverfahrens so lange im Mitgliedstaat verbleiben, bis die Asylbehörde nach den in Kapitel III genannten erstinstanzlichen Verfahren über den Asylantrag entschieden hat. Hieraus folgt aber nicht, dass der Aufenthalt eines Asylbewerbers auch während eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Entscheidung über seinen Asylantrag ausnahmslos als rechtmäßig anzusehen wäre. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten nach der Regelung des Art. 39 Abs. 3 lit a) und lit b) der Asylverfahrensrichtlinie die Möglichkeit, national zu regeln, ob sich ein Asylbewerber während eines Rechtsbehelfsverfahrens in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten darf (Müller in HK-AuslR, § 75 AsylVfG, Rn. 1). Das deutsche Recht sieht keine "automatische" Aufenthaltsgestattung während des gegen den Bescheid des Bundesamts gerichteten Klageverfahrens vor. Vielmehr hat nach der Vorschrift des § 75 Satz 1 AsylVfG eine Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylverfahrensrecht nur in den - hier nicht vorliegenden - Fällen des § 38 Abs. 1 AsylVfG und des § 73 AsylVfG eine aufschiebende Wirkung. Damit hatte die Klage des Betroffenen gegen den Bescheid des Bundesamts vom 6. Oktober 2011 keinen Suspensiveffekt und damit keine aufenthaltsgestattende Wirkung. Dies galt jedenfalls so lange, wie das Verwaltungsgericht aufgrund des gleichzeitig gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage nicht angeordnet hatte.
20
7. Die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft verstieß nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. 1953 II S. 559). Zwar ist dort in Art. 31 Abs. 1 niedergelegt, dass die vertragschließenden Staaten wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen werden, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in welchem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Die Vorschrift ist im Fall der Anordnung von Sicherungshaft aber schon deshalb nicht anwendbar, weil diese mangels Sanktionscharakter für begangenes Unrecht keine "Strafe" im Sinne dieser Vorschrift ist, sondern eine reine Präventivmaßnahme zur Durchsetzung der Ausreisepflicht (BayObLGR 1998, 37, 38; BayObLG, Beschluss vom 10. Mai 1996 - 3Z BR 113/96, juris Rn. 11, insoweit nicht abgedruckt in BayObLGR 1996, 55).
21
8. Die Beschwerdeentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF). Die Anforderungen an die hierfür erforderliche Prognose (vgl. Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 22; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 22) hat das Beschwerdegericht zwar nicht beachtet. Das hat sich aber nicht ausgewirkt.
22
a) Hat der Ausländer zur Verhinderung der Abschiebung einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht beantragt, setzt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aF voraus, dass der Haftrichter den Stand und den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufklärt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10, juris Rn. 19; Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 12/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 728 Rn. 24). Wird solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10, juris Rn. 19; Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, NVwZ 2010, 1510, 1511 Rn. 14). Dieser Aufklärungspflicht ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Allerdings führt das allein nicht zur Rechtswidrigkeit der aufrechterhaltenen Sicherungshaft. Vielmehr bedarf es der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 1 FamFG (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10, juris Rn. 20; Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, juris Rn. 11). Daran fehlt es. Anders als in den von dem Senat entschiedenen Fällen, in denen Betroffene mit Eilanträgen bei den Verwaltungsgerichten ihre Zurückschiebung etwa nach Griechenland verhindern wollten und diesen Anträgen durch die Verwaltungsgerichte regelmäßig stattgegeben wurde (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - V ZB 12/10, juris Rn. 9 mwN), legt die Rechtsbeschwerde eine solche Praxis der Verwaltungsgerichte bei Eilanträgen, die sich gegen die Abschiebung in die Türkei richten, nicht dar. Hierfür ist auch nach dem zu berücksichtigenden späteren tatsächlichen Geschehensablauf, aus dem auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, juris Rn. 19; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 24), nichts ersichtlich.
23
b) Dass das Beschwerdegericht nicht weiter aufgeklärt hat, in welchem Zeitraum nach Ausstellung des Nüfus mit der tatsächlichen Rückführung des Betroffenen in die Türkei üblicherweise gerechnet werden konnte, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung. Der Betroffene wurde noch vor Ablauf der angeordneten dreimonatigen Haftdauer abgeschoben. Aus diesem Umstand kann auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 24).

IV.

24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Kostenquote entspricht dem Verhältnis des gesamten Zeitraums der Haft zu dem Zeitraum, für den das Rechtsmittel Erfolg hat.
25
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 10.09.2011 - 710 XIV 602/11 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 17.10.2011 - 4 T 406/11 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Freiheitsentziehung anordnen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehung gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Die vorläufige Freiheitsentziehung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.

(2) Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht eine einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen sowie vor Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers erlassen; die Verfahrenshandlungen sind unverzüglich nachzuholen.

Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entsteht. Befindet sich die Person bereits in Verwahrung einer abgeschlossenen Einrichtung, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt.

(1) Zu beteiligen sind die Person, der die Freiheit entzogen werden soll (Betroffener), und die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat.

(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.

(3) Beteiligt werden können im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kinder, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, die Pflegeeltern sowie
2.
eine von ihm benannte Person seines Vertrauens.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Die Bestellung ist insbesondere erforderlich, wenn von einer Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll.

(2) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(3) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(4) Die Bestellung endet, wenn sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Freiheitsentziehung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(6) Für die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers gilt § 277 entsprechend. Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.

(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.

(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.

(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.

Die Beschlussformel zur Anordnung einer Freiheitsentziehung enthält auch

1.
die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung sowie
2.
den Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.

(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder
2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
Der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.

(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.