Amtsgericht Emmendingen Urteil, 26. Feb. 2008 - 5 Cs 350 Js 459 - AK 19/08

published on 26/02/2008 00:00
Amtsgericht Emmendingen Urteil, 26. Feb. 2008 - 5 Cs 350 Js 459 - AK 19/08
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Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.

Gründe

 
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO nach Eintritt der Rechtskraft) I. Der Angeklagte ... ist am ... in .... geboren. Er ist geschieden und hat 5 Kinder im Alter zwischen 12 und 27 Jahren von 3 verschiedenen Frauen. Die Kinder leben selbständig oder bei ihren Müttern. Der Angeklagte unterhält lediglich sporadischen Kontakt zu ihnen. Unterhaltspflichtig ist er nur noch gegenüber der jüngsten Tochter. Derzeit kann er seiner Unterhaltspflicht jedoch nicht nachkommen. Der Angeklagte ist angelernter Zimmermann. Zuletzt hat er seinen Beruf vor etwa 10 Jahren ausgeübt. Anschließend war er einige Jahre ohne festen Wohnsitz und reiste durch Europa. Anschließend lebte er im Obdachlosenmilieu. Seit Ende 2007 hat er wieder einen festen Wohnsitz. Derzeit bezieht er über “Hartz IV“ monatlich 347,-- EURO. Die Miete wird von der öffentlichen Hand gesondert an den Vermieter überwiesen. Nebenher arbeitet der Angeklagte noch etwa 20 Stunden wöchentlich auf 1-EURO-Basis bei der Zeitarbeitsfirma …. Nach eigenen Angaben lasten auf dem Angeklagten keine Schulden in größerem Umfang. Gelegentlich ist er als Straßenmusiker unterwegs. Nach eigenen Angaben bringt ihm dies lediglich einige EURO zusätzlich ein.
Die Strafliste des Angeklagten enthält 7 Eintragungen. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Emmendingen am 12.09.2007 wegen versuchter Abgabe von Betäubungsmitteln an unter 18-jährige, tateinheitlich begangen mit versuchtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Die Vollstreckung wurde für die Dauer von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Ausweislich der Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte am 03.02.2007 auf dem Marktplatz in Emmendingen einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen Haschisch angeboten und dabei erklärt, er verfüge selbst über keinerlei Geldmittel und verkaufe deshalb das Rauschgift an jeden, auch an Kinder. Die Kinder lehnten das Angebot jedoch ab (6 Ls 640 Js 8155/07).
II.
In der Nacht vom 10. auf den 11.12.2007 sowie im Verlaufe des 11.12.2007 nahm der Angeklagte in erheblichem - im Einzelnen nicht mehr feststellbarem - Umfang alkoholische Getränke zu sich. Gegen Mittag nahm er auf dem Friedhof in Emmendingen an der Beerdigung eines Bekannten aus der Obdachlosenszene teil und spielte zu Ehren des Verstorbenen unter anderem auch mit seiner Gitarre am Grab.
Danach begab er sich mit einem anderen Bekannten auf den Marktplatz in Emmendingen. Kurz vor 15.00 Uhr brach im angrenzenden Gebäude der “Badischen Zeitung“ eine Kundin zusammen. Der Angeklagte bemerkte das Eintreffen des herbeigerufenen Notarztwagens sowie eines Rettungswagens des Deutschen Roten Kreuzes. Er begab sich in das Gebäude der Zeitung und mischte sich in die Bemühungen der Notärztin und der Rettungssanitäter ein. Die Vorgenannten wiesen ihn wiederholt zurück; Mitarbeiter der “Badischen Zeitung“ verwiesen ihn schließlich des Hauses.
Hierüber ärgerte sich der Angeklagte. Er verlies das Gebäude. Vor diesem war der Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes Emmendingen unverschlossen abgestellt. Der Zündschlüssel steckte im Schloss. Der Angeklagte beugte sich in das Fahrzeuginnere, zog den Zündschlüssel ab und warf ihn unter einen von mehreren Tannenbäumen, die im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt in der Nähe des Rettungswagens aufgestellt waren.
Anschließend entfernte sich der Angeklagte zusammen mit seinem Bekannten und begab sich in ein gleichfalls an den Marktplatz angrenzendes Tabakwarengeschäft. Der Angeklagte war sich bewusst, dass sein Tun die Abfahrt des Rettungsfahrzeuges nicht unerheblich verzögern würde.
Als die Patientin ausreichend stabilisiert war, um ins Krankenhaus transportiert werden zu können, wurde sie in das Rettungsfahrzeug verbracht. Nachdem festgestellt wurde, dass der Zündschlüssel verschwunden war, begab sich zunächst der Rettungsassistent F. auf die Suche nach dem Schlüssel. Sein Kollege schloss sich dem an.
Kurz danach begab sich eine Passantin, die den Vorfall beobachtet hatte, zum Rettungswagen und teilte dem Fahrer der Notärztin, G, mit, sie habe beobachtet, das ein Mann, der eine Gitarre bei sich geführt habe, den Schlüssel abgezogen habe. Dieser halte sich zwischenzeitlich in dem Tabakwarengeschäft auf. Wo der Schlüssel sei, wisse sie allerdings nicht. G verlies daraufhin den Rettungswagen. Nunmehr befand sich die Patientin allein mit der Notärztin in demselben. Aufgrund des fehlenden Zündschlüssels konnte unter anderem die Heizung nicht in Betrieb gesetzt werden. G begab sich in das Tabakwarengeschäft und sprach den Angeklagten an. Dieser stritt zunächst ab, mit der Sache etwas zu tun zu haben. Erst als G “nachdrücklicher“ wurde und unter anderem begann, die Jackentaschen des Angeklagten gegen dessen Willen zu durchsuchen, führte der Angeklagte den Fahrer der Notärztin schließlich widerwillig zu dem vorerwähnten Tannenbaum und zeigte ihm, wo er den Zündschlüssel hingeworfen hatte. Die Abfahrt des Rettungswagens verzögerte sich durch das Verhalten des Angeklagten um mindestens 15 Minuten. Der Angeklagte hatte dies zumindest in Kauf genommen.
III.
Der Angeklagte räumt die Tat im Wesentlichen und glaubhaft ein. Lediglich hinsichtlich seiner Motivation hat er sich anders als oben I festgestellt eingelassen. Er will den Zündschlüssel lediglich abgezogen haben, um die Rettungsassistenten hierdurch freundlicherweise auf mögliche berufliche und sonstige Konsequenzen ihres sorglosen Tuns aufmerksam zu machen.
10 
Das Gericht hält dies für eine absurde Schutzbehauptung. Die verbale Begründung des Angeklagten widerspricht bereits seinem faktischen Handeln. Um die Rettungssanitäter zu “belehren“, hätte ein Warten auf deren Rückkehr und die alsbaldige Rückgabe des Schlüssels völlig ausgereicht. Das Wegwerfen des Zündschlüssels und die anschließende Entfernung der eigenen Person von der Örtlichkeit waren insoweit nachgerade kontraproduktiv. Wäre das gesamte Geschehen nicht zufällig von einer Passantin beobachtet worden und hätte diese nicht zusätzlich die Zivilcourage besessen, sich der Sache anzunehmen und die Besatzung des Rettungswagens entsprechend zu informieren, wäre aus der angeblich freundlichen Ermahnung voraussehbar die Gefahr einer Katastrophe erwachsen.
11 
Das Gericht ist überzeugt, dass der Angeklagte aus Verärgerung über die vorangegangene “Abweisung“ seitens Notärztin und Sanitäter gehandelt hat und dabei rücksichtslos in Kauf genommen hat, dass die Patientin dadurch ernsthaft zu Schaden kommt. Die Feststellungen zu der Verzögerung der Abfahrt des Rettungswagens beruhen auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugen G und F.
IV.
12 
Der Angeklagte hat sich somit der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln schuldig gemacht; strafbar gem. § 145 Abs. 2 Nr. 2 StGB.
13 
Zum einen handelt es sich auch bei einem Rettungswagen um ein zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen bestimmtes Rettungsgerät im Sinne der Vorschrift (so z.B. zutreffend MünchKommStGB- Zopfs , § 145 Rn 10). Zum anderen hat der Angeklagte dieses auch “unbrauchbar“ gemacht. Hierfür bedarf es nicht etwa eines dauerhaften Funktionsverlustes oder gar einer Substanzverletzung (zu eng etwa SK- Rudolphi , § 145 Rn 5). Das Verstecken des Zündschlüssels eines Rettungsfahrzeuges stellt folglich eine Beeinträchtigung des Rettungsgerätes im Sinne der Vorschrift dar (wie hier LK- von Bubnoff , § 145 Rn 22)
V.
14 
Das Gericht ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass seine Fähigkeit entsprechend der Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, bei Begehung der Tat erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war. Zwar hat der Zeuge K (Polizeihauptmeister) bekundet, er habe keinen Anlass für eine Atemalkoholkontrolle gesehen. Der Angeklagte hat jedoch - im Hinblick auf die anstehende Beerdigung und seine damalige Verortung im Obdachlosenmilieu - “nachvollziehbar“ berichtet, er habe zuvor in erheblichem Umfang alkoholische Getränke zu sich genommen. Auch die Zeugen G und F haben bestätigt, sie hätten eine entsprechende Alkoholisierung des Angeklagten bemerkt. Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB hat die Beweisaufnahme hingegen nicht erbracht. Die Zeugen G und F haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, wesentliche Ausfallserscheinungen hätten bei dem Angeklagten nicht festgestellt werden können.
VI.
15 
Das Gericht hat von der Milderungsmöglichkeit gem. § 21 i.V.m. § 49 StGB Gebrauch gemacht. Zwar war dem Angeklagten aus der Vergangenheit bekannt, dass er unter Alkoholeinfluss zur Begehung von Straftaten neigt. Im Hinblick auf die längere “Alkoholikerkarriere“, die letztlich auch im Obdachlosenmilieu ihr vorläufiges Ende fand, ist zugunsten des Angeklagten jedoch davon auszugehen, dass der Alkohol zum Zeitpunkt der Tat bereits seine gesamte Persönlichkeit in Mitleidenschaft gezogen hatte.
16 
Bei der konkreten Strafzumessung waren zugunsten des Angeklagten insbesondere sein Geständnis und die Einsicht in sein Fehlverhalten, aber auch die Tatsache, dass er den Ort des Verbleibens des Zündschlüssels letztlich doch offenbart hat, zu berücksichtigen. Zu seinen Lasten gehen die erhebliche zeitliche Verzögerung des Transportes der Patientin in das Kreiskrankenhaus sowie die strafrechtliche Vorbelastung und die Tatbegehung unter Bewährung. Weniger im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt als vielmehr im Hinblick auf den vorliegenden Bruch eines gesellschaftlichen Tabus - Verzögerung statt weitestmöglicher Unterstützung eines Rettungsfahrzeuges im Einsatz - ist die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe vorliegend “zur Verteidigung der Rechtsordnung“ unerlässlich im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB.
17 
Tat- und schuldangemessen ist nach alledem die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten.
18 
Trotz Tatbegehung unter Bewährung konnten dem Angeklagten - wenngleich unter Zurückstellung von Bedenken - vorliegend nochmals eine ausreichend positive Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Maßgeblich hierfür ist zum einen die bereits erwähnte Einsicht des Angeklagten in sein Fehlverhalten, zum anderen die - in der Hauptverhandlung sichtbare - zwischenzeitlich eingeleitete positive Entwicklung. So hat er - womöglich nicht zuletzt im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Geschehen - dem Alkohol “den Krieg erklärt“ und besucht unter anderem regelmäßig eine örtliche Gruppe der “Anonymen Alkoholiker“.
VII.
19 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Annotations

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich

1.
Notrufe oder Notzeichen mißbraucht oder
2.
vortäuscht, daß wegen eines Unglücksfalles oder wegen gemeiner Gefahr oder Not die Hilfe anderer erforderlich sei,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer absichtlich oder wissentlich

1.
die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Warn- oder Verbotszeichen beseitigt, unkenntlich macht oder in ihrem Sinn entstellt oder
2.
die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Schutzvorrichtungen oder die zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr bestimmten Rettungsgeräte oder anderen Sachen beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 303 oder § 304 mit Strafe bedroht ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.