Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Sept. 2024 - XI ZR 111/23 von Dirk Streifler

published on 20/01/2025 13:40
Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Sept. 2024 - XI ZR 111/23 von Dirk Streifler
Gesetze
Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Sept. 2024 - XI ZR 111/23

Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. September 2024 (XI ZR 111/23) bringt wesentliche Klärungen zur Abtretbarkeit von Auskunftsansprüchen nach § 399 BGB im Zusammenhang mit Entgeltinformationen aus Zahlungsdiensterahmenverträgen. Es schärft die Grenzen der Verbraucherschutzregelungen und befasst sich mit den Bedingungen, unter denen diese Ansprüche von Verbrauchern an Dritte, insbesondere Inkassounternehmen, übertragen werden können. Die Entscheidung berührt zentrale Themen des Schuldrechts, des Verbraucherschutzes und der Bankpraxis.

Sachverhalt und Prozessgeschichte

Ein Inkassounternehmen (Kägerin) hatte von einer Bank (Beklagte) im Wege der Stufenklage Auskunft über die von einer Kundin geleisteten Bankentgelte verlangt. Grundlage war eine Abtretungserklärung, durch die die Kundin der Kägerin Ansprüche auf Entgeltrückerstattung sowie Auskunftserteilung übertragen hatte. Während das Amtsgericht die Bank zur Auskunftserteilung verurteilte, wies das Berufungsgericht die Klage ab. Es argumentierte, die Abtretung sei unwirksam, da § 399 BGB einer Abtretung entgegenstehe. Der BGH hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Kernaussagen der Entscheidung

Der BGH stellte fest, dass die Abtretung von Auskunftsansprüchen nicht durch § 399 BGB ausgeschlossen ist. Insbesondere:

  1. Kein persönlicher Charakter der Ansprüche: Die Auskunftsansprüche betreffen lediglich objektive Informationen über Bankentgelte und enthalten keine personenbezogenen oder ideellen Daten. Sie haben daher keinen persönlichen Charakter, der eine Abtretung verhindern könnte.

  2. Unveränderter Anspruchsinhalt: Der BGH betonte, dass die Erbringung der geschuldeten Leistung (Entgeltauskunft) durch die Abtretung weder inhaltlich noch praktisch verändert wird. Die Bank bleibt verpflichtet, die standardisierten Informationen bereitzustellen.

  3. Verbraucherschutz und Transparenz: Die Entscheidung hebt hervor, dass der Zweck der Auskunftspflichten – Transparenz und Verbraucherschutz – auch durch die Durchsetzung der Ansprüche durch ein Inkassounternehmen erreicht wird.

Abtretbarkeit des Kontoentgeltinformationsanspruchs – Rechtliche Analyse

  1. Systematik des § 399 BGB: Nach § 399 Fall 1 BGB ist eine Abtretung ausgeschlossen, wenn die Leistung an einen anderen Gläubiger nicht ohne Änderung ihres Inhalts erbracht werden kann. Der BGH hat hier zutreffend entschieden, dass die Leistungshandlung – die Bereitstellung von Informationen – durch die Abtretung nicht verändert wird. Die Bank muss die Entgeltaufstellungen in gleicher Weise bereitstellen wie gegenüber der ursprünglichen Kundin.

  2. Persönlichkeitsrechte und ideeller Charakter: Die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach die Verbrauchereigenschaft der Kundin die Abtretung hindere, wurde zurecht verworfen. Der BGH wies darauf hin, dass es sich um rein wirtschaftliche Ansprüche handelt, die keine schutzwürdigen Persönlichkeitsrechte berühren.

  3. Verbraucherschutz und Interessen der Bank: Der Zweck der Auskunftspflichten – Transparenz und Vergleichbarkeit – bleibt gewahrt, selbst wenn ein Inkassounternehmen die Ansprüche geltend macht. Das Argument, die Abtretung könne den Bearbeitungsaufwand der Bank erhöhen, überzeugt nicht, da der Aufwand für die Bank unabhängig vom Gläubiger gleich bleibt.

Abweichende Meinungen und Problemkreise

  1. Schutzwürdigkeit des Schuldners: Teile der Instanzrechtsprechung argumentieren, dass die Abtretung von Auskunftsansprüchen die Interessen des Schuldners beeinträchtigen könnte, insbesondere wenn diese zur massenhaften Rechtsverfolgung durch Inkassounternehmen genutzt werden. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass diese Interessen nicht schutzwürdig sind, da die Leistung standardisiert ist.

  2. Datenschutz und Bankgeheimnis: Einige Stimmen sehen in der Weitergabe von Auskunftsansprüchen potenzielle Verstöße gegen das Bankgeheimnis und den Datenschutz. Der BGH widersprach dieser Auffassung und stellte klar, dass die Abtretung keine zusätzliche Offenlegung personenbezogener Daten beinhaltet.

  3. Verbraucherschutz als ideelles Recht: Eine Mindermeinung vertritt, dass Verbraucherschutzrechte unveräußerlich seien, um eine Kommerzialisierung zu verhindern. Der BGH setzte dem entgegen, dass es sich bei den streitigen Ansprüchen um Hilfsrechte zur Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen handelt.

Lehren aus der Entscheidung

  • Rechtsklarheit: Das Urteil schafft Klarheit zur Abtretbarkeit von Ansprüchen und verdeutlicht, dass Verbraucherschutzrechte nicht per se unveräußerlich sind.

  • Stärkung des Verbraucherschutzes: Die Entscheidung unterstreicht, dass Transparenz- und Schutzmechanismen auch durch Dritte effektiv durchgesetzt werden können.

  • Wirtschaftliche Effizienz: Inkassounternehmen erhalten Rechtssicherheit bei der Durchsetzung von Ansprüchen, was die Durchsetzbarkeit von Verbraucherrechten fördert.

Ausblick

Das Urteil könnte als Präzedenzfall für weitere Streitfragen zur Abtretbarkeit von Verbraucherschutzansprüchen dienen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Instanzgerichte bei der Umsetzung der Leitlinien des BGH positionieren, insbesondere bei der Abwägung zwischen den Interessen von Verbrauchern, Inkassounternehmen und Banken.

Fazit

Das Urteil des BGH ist rechtsdogmatisch überzeugend und stärkt die Durchsetzbarkeit von Verbraucherrechten. Es schafft ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucherschutz, wirtschaftlicher Effizienz und den berechtigten Interessen der Banken. Gleichzeitig regt es zur Diskussion über die Grenzen der Kommerzialisierung von Verbraucherschutzansprüchen an.

Show what you know!
1 Gesetze

{{count_recursive}} Gesetze werden in diesem Text zitiert

Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.
1 Artikel zu passenden Rechtsgebieten

30/06/2023 15:35

Widerruft der Verbraucher, einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag, bei dem er nicht über sein Widerrufsrecht aufgeklärt wurde, muss er auch nach Erfüllung des Vertrages nicht bezahlen. So die Antwort des Europä
Artikel zu Verbraucherrecht

Annotations

Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist.