OnlineKommentar zu § 185 StGB von Dirk Streifler - Partner



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Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Allgemein
Die Auslegung des § 185 StGB erfordert die Berücksichtigung von Kunstfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit.[3]
Rechtsgut
Die Beleidigungsdelikte sind im 14. Abschnitt des Strafgesetzbuches geregelt. Das Rechtsgut dieser Beleidigungsdelikte und damit auch des § 185 StGB ist die Ehre.[4] Die Ehre ist Ausfluss der Personenwürde.[5] Der Mensch besitzt aufgrund seines Menschseins Würde und aufgrund dieser Personenwürde auch das gleiche Maß an Ehre.[6]
Systematik
§ 185 Var. 1 fungiert als Grund- und Auffangtatbestand der Beleidigungsdelikte. Demgegenüber sind die §§ 186, 187 StGB leges speciales. Der Anwendungsbereich des § 185 StGB umfasst mithin ehrverletzende Werturteile gegenüber Betroffenen („Du Arschloch!“), ehrverletzende Werturteile gegenüber Dritten („Sie ist eine dumme Sau!“) sowie beleidigende Tatsachenbehauptungen gegenüber Betroffenen („Du hast gestohlen!“).[7] Die Aussprache beleidigender Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten („Er hat gestohlen!“) wird als üble Nachrede gem. § 187 StGB oder als Verleumdung gem. § 187 StGB bestraft.[8]
Objektiver Tatbestand
Tatobjekt
Jede Person, die Träger des Rechtsguts "Ehre" sein kann, stellt ein taugliches Tatobjekt dar. Das sind grundsätzlich alle natürlichen Personen und aufgrund des § 194 Abs. 3 und 4 StGB auch Personengemeinschaften, Verbände sowie politische Körperschaften.
Tathandlung
Die Beleidigung ist die ehrverletzende Kundgabe der eigenen Missachtung oder der Nichtachtung gegenüber einem tauglichen Tatobjekt.[9]
Kundgabe
Die eigene[10] Kundgabe fungiert als eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung. [11] Deshalb muss sich der/die Täter/in mit dem Inhalt der Äußerung identifizieren.[12]
Nicht erforderlich ist, dass die Äußerung mündlich erfolgt. Sie kann vielmehr auch schriftlich, bildlich, symbolisch, durch schlüssige Handlungen oder Tätlichkeiten erfolgen.[13]
Die Kundgabe erfordert keine Individualisierung. Aus diesem Grund ist es nicht notwendig, dass sich die Beleidigung sich an den Beleidigten richtet. Es reicht aus, wenn sie an eine andere Person gerichtet ist.[14]
Ehrverletzender Charakter
Die Kundgabe der eigenen Missachtung oder Nichtachtung muss ehrverletzenden Charakter haben und ist anzunehmen, wenn die/der Täter/in der Betroffenen Person, ihren sittlichen, personalen oder sozialen Geltungswert abspricht.[15]
Das kann durch das Zuschreiben negativer Qualitäten geschehen.[16]
Auslegung der Äußerung/Geste
Die Aufgabe der Gerichte besteht darin, den objektiven Sinn der Äußerung bzw. Geste durch eine umfassende Auslegung zu ermitteln.[17]
Dabei berücksichtigt das Gericht alle Umstände des Einzelfalles.[18] Nicht jedoch das subjektive Empfinden des Opfers.[19] Wie der Empfänger die Äußerung/Geste diese verstanden hat, ist also nicht entscheidend.[20]
Bei der Auslegung einer Äußerung/Geste und der Frage nach ihrem ehrverletzenden Inhalt ist die Beantwortung der Frage, wie ein objektiver Dritte bei Kenntnis aller Umstände des Einzelfalles diese versteht, maßgeblich.[21]
Insbesondere muss das Kommunikationsgrundrecht, namentlich die Meinungsäußerungsfreiheit des Kundgebenden sorgfältig gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abgewogen werden.[22]
Diese Abwägung wird nur unterlassen, wenn es sich bei der Äußerung um eine sogenannte Schmähkritik oder Formalbeleidigung handelt. Als Schmähkritik wird eine Äußerung bezeichnet, die jeder sachlichen Grundlage entzogen ist und die überwiegend böswillig und gehässig ist.[23] Dieser Begriff muss jedoch eng ausgelegt werden, weil es sonst zu einer übermäßigen Verdrägung der Meinungsfreiheit kommen könnte.[24]
Tatsachenbehauptungen und Werturteile
Ehrverletzende Tatsachenbehauptungen müssen unwahr sein. Wahre Tatsachenbehauptungen können nur unter bestimmten Umständen eine Beleidigung darstellen. Das kann sich zum Beispiel aus der Form der Äußerung ergeben (vgl. § 192 StGB).[25]
Bei negativen Werturteilen, die ein ehrminderndes Verhalten des Betroffenen zum Gegenstand haben und grundsätzlich als angemessen anzusehen sind, ist eine Miss-bzw. Nichtachtung nicht anzunehmen. Ausnahmen bestehen insofern bei Formalbeleidigungen.[26]
Qualifikation
Eine Qualifikation liegt vor, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird. Voraussetzung ist eine unmittelbar spürbare Einwirkung auf den Körper des Opfers. Weitere Voraussetzung ist, dass der/die Täter/in durch diese Einwirkung gleichzeitig die Geringschätzung gegenüber dem Opfer zum Ausdruck bringt.[27]
Unterlassen
Eine Beleidigung durch Unterlassen ist möglich. Dazu ist es erforderlich, dass das Unterlassen einen eigenen Erklärungswert hat. Der Tatbestand der Beleidigung durch Unterlassen ist regelmäßig erfüllt, wenn der/die Täter/in nicht verhindert, dass Dritte Kenntnis von, ihre/seine eigenen Aufzeichnungen erlangen.[28] Demgegenüber reicht es für eine Beleidigung durch Unterlassen nicht aus, dass eine Person, die Beleidigungen Dritter nicht verhindert, da es hier an einer eigenen Kundgabe fehlt.[29] In diesem Fall kommt lediglich eine Beihilfe zur Beleidigung in Betracht. Allerdings nur, wenn einer Garantenstellung bejaht werden kann.[30] Ein konkludentes Tun, nicht jedoch eine Unterlassen liegt vor, wenn bei der Anrede von Personen, die Höflichkeitsformeln wie die Anrede "Frau" unterlassen werden..[31]
Subjektiver Tatbestand
Die Erfüllung des Tatbestandes der Beleidigung gem. § 185 StGB erfordert zumindest bedingtes vorsätzliches Handeln.[32] Der/die Täterin muss zumindest die Möglichkeit sehen, dass seine/ihre Äußerung oder Geste ehrverletzend sein könnte. Die Kränkungs- bzw. Beleidigungsabsicht stellt demgegenüber keine notwendige Tatbestandsvoraussetzung dar.[33]
Zum Vorsatz gehört weiterhin, dass der/die Täter/in will, dass das Opfer bzw. Dritte die ehrverletzende Äußerung zur Kenntnis nehmen und den ehrverletzenden Gehalt verstehen. [34] Der Vorsatz des/der Täterin muss sich bei Tatsachenbehauptungen auch auf die Unwahrheit der Behauptung beziehen.[35]Vorsätzliches Handeln ist schließlich auch dann anzunehmen, wenn der Beleidigende den Äußerungsempfänger verwechselt. Hier liegt ein unbeachtlicher error in persona vor.[36] Allerdings nur, wenn für den Empfänger nicht erkennbar ist, dass der Angriff auf die Ehre an eine andere Person gerichtet war.[37]
Rechtswidrigkeit
Beleidigte Personen können auf die Wahrung ihres Achtungsanspruchs verzichten. In diesem Fall entfällt eine Strafbarkeit wegen Beleidigung.[38] Uneinigkeit besteht bei der Frage, ob eine Zustimmung des Betroffenen die Beleidigung bereits auf der Tatbestandsebene ausschließt[39] oder eine Einwilligung auf der Rechtfertigungsebene darstellt.[40]Einigkeit besteht hingegen darüber, dass eine wirksame Zustimmung die Kenntnis des Beleidigten über die Bedeutung und Tragweiter der Tat voraussetzt und nicht auf einer rechtsgutsbezogenen Täuschung beruhen darf.[41] Die sogenannte "Ehrennotwehr" fungiert als sonstiger Rechtfertigungsgrund. Ein andauernder Angriff auf die persönliche Ehre kann eine Beleidigung erforderlich machen.[42]
Täterschaft und Teilnahme
Der Ausdruck der eigenen Missachtung ist zwingende Voraussetzung der Täterschaft bei einer Beleidigung, weshalb Beteiligte nur dann in Mittäterschaft bestraft werden können, wenn die Beleidigung ihnen gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann und die Beteiligten die Äußerung auch als eigene verstehen wollen.[43]
Für mittelbare Täterschaft ist erforderlich, dass dieser sich einer anderen Person bedient, um durch diese die eigene Nichtachtung bzw. Missachtung auszudrücken.[44]
Als Teilnehmer kann bestraft werden, wer eine fremde Miss- bzw. Nichtachtung kundtut und nur sofern die Beleidigung durch den Haupttäter noch nicht vollendet ist.[45]
Versuch
Bei der Beleidigung handelt es sich um ein Vergehen. Um eine Strafbarkeit wegen versuchter Beleidigung zu ermöglichen, müsste § 185 diese ausdrücklich bestimmen. Da dies nicht der Fall ist, steht eine versuchte Beleidigung nicht unter Strafe.[46]
Konkurrenzen
Fallen mehrere Beleidigungen in einer zusammenhängenden Äußerung (unabhängig davon, ob die schriftlich oder mündlich erfolgt) ist Tateinheit anzunehmen.[47] § 185 StGB tritt gegenüber §§ 186, 187 als lex generalis zurück, sofern eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung ausschließlich Dritten gegenüber erfolgt. Dagegen ist Tateinheit einzunehmen, wenn der Betroffene selbst Adressat der Äußerung ist.[48]
§ 90 StGB ist gegenüber § 185 StGB Spezialvorschrift und verdrängt diesen dementsprechend.[49]
Die Möglichkeit einer Idealkonkurrenz besteht bei § 90b, § 189 sowie § 223[50] und unter Umständen auch mit §§ 174, 177 und § 182.[51]
[1] Regge/Pegel, Müko-StGB, 4. Auflage 2019, § 185, Rn. 6.
[2] Regge/Pegel, Müko-StGB, 4. Auflage 2019, § 185, Rn. 6.
[3] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 1.
[4] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 1.
[5] BGHSt 36, 145 (148); OLG Düsseldorf, NJW 2001, 3562 (3563).
[6] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 1.
[7] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 15; Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 2.
[8] Kühl, Lackner/Kühl-StGB, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 2.
[9] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 8; Rainer/Zaczyk, Kindhäußer/Neumann/Paeffgen-StGB, 5 Auflage, 2017, § 185, Rn. 2; Kühl, Lackner/Kühl-StGB, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 3.
[10] hM; vgl Köln NJW 93, 1486 und 96, 2878; auch anders: Tenckhoff, JuS 88, 787, 791.
[11] Kühl, Lackner/Kühl-StGB, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 3.
[12] OLG Köln 19.3.1996 – Ss 32/96, NJW 1996, 2878 (2879); Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 8.
[13] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 8; Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 17.
[14] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 18.
[15] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 9; Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 2; Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 4.
[16] Vgl. BGH 36 148, Bay 83 32, 02 25, NJW 05, 1291, Düsseldorf NJW 89, 3030, 92, 1335, Frankfurt NJW 03, 77; Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 2.
[17] Vgl. BVerfGE 93, 266, 295; BVerfG BayVBl 06, 15; Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 4.
[18] Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 4.
[19] OLG Hamm 10.10.2005 – 3 Ss 231/05, NStZ-RR 2007, 140; OLG Dresden 14.5.2009 – 1 Ss 181/09, 3 Rn. 8.
[20] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 12.
[21] BVerfG 25.3.2008 – 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907 (2908); BGH 18.2.1964 – 1 StR 572/63, BGHSt 19, 235 (237) = NJW 1964, 1148; 18.11.2014 – VI ZR 76/14, NJW 2015, 778; Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 12.
[22] BVerfG 28.8.2005 – 1 BvR 1917/04, NJW 2005, 3274; 5.12.2008 – 1 BvR 1318/07, NJW 2009, 749 Rn. 12; Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 8.
[23] LAG Hamm 5.2.2016 – 10 SaGa 35/15, BeckRS 2015, 68677, Rn. 102; Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 9.
[24] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 9
[25] Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 6.
[26] Vgl. EGMR NJW 92, 613, NJW 06, 1648; Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 7.
[27] BGH 16.1.1951 – 3 StR 45/50, NJW 1951, 368; 15.10.1987 – 4 StR 420/87, BGHSt 35, 76 = NStZ 1988, 69.
[28] Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 12; Tenckhoff, JuS 1988, 199, 204.
[29] Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 12.
[30] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 36; Tenckhoff, JuS 1988, 199, 204.
[31] Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 12.
[32] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 39; Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 10.
[33] BGH 19.9.1991 – 1 StR 509/91, NStZ 1992, 33 (34); BayObLG 18.2.1998 – 5 StRR 117/97, BayObLGSt 1998, 15 (19).
[34] Haas GA 1996, 473; Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 40.
[35] BGH 16.12.1954 – 3 StR 384/54; Eisele/Schittenhelm, Schönke/Schröder-StGB, 30 Auflage 2019, § 185, Rn. 12.
[36] Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 10.
[37] Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 10.
[38] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 38; Tenckhoff JuS 88, 787, 788.
[39] So uA. BGH GA 1963, 50; Fischer Rn. 16.
[40] So BGHSt 11, 67 (72); BayObLG MDR 1963, 333.
[41] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 38.
[42] RGSt 21, 168 (171); 29, 240 f.; Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 39.
[43] OLG Köln 28.1.1992 – 1 Ss 567 – 569/91, NJW 1993, 1487; Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 49.
[44] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 49.
[45] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 49.; Reinbacher JZ 2020, 558.
[46] Regge/Pegel, MüKo-StGB, 4 Auflage 2021, § 185, Rn. 51.
[47] Valerius, BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 43.
[48] BGHSt 6, 159 (161); BayObLG NJW 1962, 1120.
[49] Valerius BeckOK-StGB, 51. Edition Stand 01.11.2021, § 185, Rn. 44.
[50] BGH MDR/D 1975, 196; Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 14.
[51] Kühl, Lackner/Kühl-StGb, 29. Auflage 2018, § 185, Rn. 14.

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Annotations
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, früher Chefjustiziar der H.-Bank, nimmt die auf Beklagtenseite allein noch beteiligte Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) auf Richtigstellung einer ihn betreffenden Berichterstattung in Anspruch. Die Beklagte verlegt ein Nachrichtenmagazin, in dem am 23. August 2010 unter der Überschrift "Angst und Verfolgungswahn" unter voller Nennung der im Folgenden abgekürzt wiedergegebenen Namen und Firmen über die H.-Bank berichtet wurde:
- 2
- Der Beitrag behandelt zunächst die im Jahr 2009 erfolgte Entlassung des Vorstandsmitglieds R. wegen des Verdachts, Journalisten vertrauliches Material zugespielt zu haben. Weiter heißt es, im Zuge der Ermittlungen sei die Staatsanwaltschaft zu der Einschätzung gelangt, es könne "nicht ausgeschlossen werden, dass R. nach der Methode des Spurenlegens Opfer einer Falschbezichtigung geworden sei." Erst kürzlich sei ein Ermittlungsverfahren gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitet worden, einen ehemaligen Subunternehmer der für die Bank tätigen Consultingfirma P. AG. Dieser solle R.'s Büro verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht und zudem mitgeholfen haben, Dokumente zu frisieren und zu verschicken, die R. seinen Job gekostet hätten. Weiter heißt es: "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre das eine neue Dimension in der Skandalchronik der Katastrophenbank," die mehrheitlich im Staatseigentum stehe, wegen hochriskanter und verlustreicher Geschäfte mit "Schrottpapieren" ins Visier der Strafverfolger geraten sei und mit staatlichen Mitteln in Milliardenhöhe habe "vor dem Untergang bewahrt" werden müssen. Ausgelöst worden seien die neuen Ermittlungen durch Schilderungen des früheren Sicherheitsberaters gegenüber Vertretern der H.-Bank bei einem vertraulichen Treffen vom 29. Juli 2010. Diesbezüglich heißt es in dem Beitrag: "Anfang 2009 habe ihn ein P.-Mitarbeiter gebeten, spätabends zum Seiteneingang der H.-Bank-Zentrale in der […] Innenstadt zu kommen, um einen heiklen Spezialauftrag auszuführen. Chefjustitiar G. [der Kläger] persönlich habe ihn ins Haus gelassen und in das Büro von F. begleitet, der damaligen Chefin der Unternehmenskommunikation. Dort sei zu seiner Überraschung auch ein hochrangiger Berater der P. AG gewesen. Die drei hätten ihm erklärt, R. sei ein übler Bursche, der überwacht werden müsse. Später habe er in R.´s Büro eine Wanze installiert. ‚Zielsetzung sei gewesen, einen Nachweis hinsichtlich inkorrekten Verhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, eventuell auch sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, zu erhalten’, heißt es im Protokoll."
- 3
- Im Folgenden wird in dem Beitrag eine Stellungnahme des P.-Vertreters wiedergegeben, der sich zwar an ein Treffen mit dem früheren Sicherheitsberater , dem Kläger und F. erinnern könne, das aber - so der P.-Vertreter - eine andere Angelegenheit betroffen habe; "illegale Aktionen des Mannes kenne man nicht". Im Anschluss daran heißt es in dem Beitrag, der frühere Sicherheitsberater habe laut dem Protokoll des Treffens vom 29. Juli 2010 weiter berichtet, er sei auch in R.´s Privatwohnung eingedrungen und habe dort vergebens versucht , die Telefonleitung so zu manipulieren, dass R. auch zu Hause habe abgehört werden können. Ferner - so der Beitrag - habe der frühere Sicherheitsberater erklärt, er - und nicht R. - sei es gewesen, der jene Papiere "verschickt" habe, die zu R.'s Kündigung geführt hätten. "In diese Aufträge sei seiner Wahrnehmung nach jedes Mal der Leiter der Rechtsabteilung involviert gewesen." Weiter heißt es in dem Beitrag, G. - der Kläger - dementiere mit Nachdruck. Er habe über seinen Anwalt mitteilen lassen, von den angeblichen Vorgängen keine Kenntnis zu haben und erst recht nicht in irgendeiner Weise daran beteiligt gewesen zu sein. Dennoch - so der Beitrag - sei G. "momentan" von seinen Aufgaben entbunden worden. Auf Grund der Aussagen des früheren Sicherheitsberaters habe eine vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Bank beauftragte Anwaltskanzlei Anzeige gegen den Berater erstattet. Ferner habe ein bei dem Treffen vom 29. Juli 2010 anwesender Vertreter der Bank sich bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge gemeldet. Weiter heißt es: "Im Kern geht es um eine Frage: Ist es vorstellbar, dass der Justitiar der Bank tatsächlich bei angeblichen Spitzelaktionen gegen R. mitgemischt hat, ohne Wissen und Billigung des H.-Vorstandsvorsitzenden?"
- 4
- Im weiteren Text heißt es schließlich: "Fest steht, dass G. [der Kläger] und N. [der Vorstandsvorsitzende] im Februar 2009 eine Geheimoperation star- teten, um R. und drei weitere Vorstandskollegen des Geheimnisverrats zu überführen."
- 5
- Dem Beitrag lag ein nicht unterzeichnetes Protokoll über den angeblichen Inhalt des Gesprächs vom 29. Juli 2010 zugrunde, demzufolge ein Herr U. als ehemaliger Subunternehmer der P. AG gegenüber Vertretern der H.-Bank eingeräumt hatte, die in dem Beitrag geschilderten, gegen R. gerichteten Handlungen vorgenommen zu haben. In dem Protokoll heißt es, "in diese Aufträge sei Herrn U.'s Wahrnehmung nach jedes Mal der Leiter der Rechtsabteilung involviert gewesen." Nachdem U. von diesem Protokoll Kenntnis erlangt hatte, erklärte er am 22. August 2010 vor einem Notar, er habe die im Protokoll festgehaltenen Aussagen so zu keinem Zeitpunkt gemacht; die Aussagen seien auch inhaltlich falsch. Der Beklagten war diese notarielle Erklärung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags nicht bekannt. Ein gegen U. und den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde im Oktober 2012 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte sinngemäß verurteilt richtigzustellen, dass der Kläger an Abhörmaßnahmen wie den im Bericht vom 23. August 2010 beschriebenen angeblichen Maßnahmen gegen R. nicht mitgewirkt habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert. Gemäß einem erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag des Klägers hat es die Beklagte stattdessen verurteilt, in der nach Eintritt der Rechtskraft nächsten erreichbaren Ausgabe ihres Nachrichtenmagazins im redaktionellen Teil mit entsprechender Aufmachung wie die Erstmitteilung unter Verwendung der Überschrift "Richtigstellung" und mit Ankündigung im Inhaltsverzeichnis eine Erklärung des Inhalts zu veröffentlichen, dass sie in dem Bericht vom 23. August 2010 durch die oben in Kursivschrift zitierten und in der Erklärung wiederzugebenden Äußerungen den Verdacht erweckt habe, der Kläger habe an den beschriebenen angeblichen Abhörmaßnahmen gegen R. mitgewirkt, und sie diesen Verdacht nicht aufrechterhalte. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZUM-RD 2014, 354 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem Kläger stehe der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Berichtigungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB i.V.m. § 823 BGB, § 186 StGB zu. Bei einer unzutreffenden Verdachtsäußerung, die nicht in Form einer echten Frage erfolge, komme ein Berichtigungsanspruch in Betracht, wenn der geäußerte Verdacht geeignet sei, das Ansehen des Betroffenen in beträchtlicher Weise herabzusetzen, und diese Rufbeeinträchtigung fortdauere. Dem stehe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen. Denn danach begegne es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken , bei einer Verdachtsberichterstattung einen Folgenbeseitigungsanspruch anzunehmen, wenn eine rechtmäßige Meldung über eine Straftat sich aufgrund späterer gerichtlicher Erkenntnisse in einem anderen Licht darstelle und die durch die Meldung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts andauere. Nach dieser Rechtsprechung sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte dem Betroffenen das Recht zubillig- ten, eine ergänzende Meldung über den für ihn günstigen Ausgang des Strafverfahrens zu verlangen. Eine Erklärung, dass der Verdacht unberechtigt sei, könne nicht verlangt werden, da die Beklagte nicht behauptet habe, der Verdacht sei berechtigt.
- 9
- Abgesehen von den Fällen, in denen ein strafrechtliches Verfahren mit einem Freispruch beendet worden sei und der Betroffene insoweit eine ergänzende Mitteilung verlangen könne, setze ein Anspruch auf Berichtigung einer Verdachtsberichterstattung voraus, dass sich nach der Berichterstattung herausstelle, dass der Verdacht unberechtigt sei. Dafür trage der Anspruchsteller die Beweislast. Im Streitfall sei der Senat nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verdacht, der Kläger habe an Abhörmaßnahmen gegen R. mitgewirkt, unberechtigt sei. Ausgangspunkt für den Verdacht seien die Angaben U.'s, die dieser nach der Behauptung der Beklagten zunächst in einer Besprechung vom 29. Juli 2010 gemacht und sodann in Telefonaten gegenüber den Autoren des Berichts wiederholt habe. Selbst wenn U. diese Angaben tatsächlich gemacht haben sollte, seien sie nach den glaubhaften Aussagen der dazu vernommenen Zeugen jedenfalls inhaltlich unwahr.
- 10
- Der von der Beklagten verbreitete Verdacht sei schwerwiegend und ehrabschneidend. Da die mit dem Verdacht verbundene Rufbeeinträchtigung ohne Zweifel fortdauere, bestehe ein Anspruch des Klägers auf Veröffentlichung einer Erklärung, wonach der Verdacht nicht aufrechterhalten werde. Die vom Landgericht zuerkannte Fassung der Erklärung gehe demgegenüber zu weit.
- 11
- Ob die Verdachtsberichterstattung der Beklagten rechtmäßig gewesen sei, sei für den zuerkannten Berichtigungsanspruch nicht von Bedeutung. Es reiche, dass der von ihr geschaffene Störungszustand als rechtswidrig fortdauere. Davon abgesehen habe die Beklagte nicht dargelegt, die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten zu haben. Sie habe keinen hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen dargetan. Selbst wenn man meinte, die Angaben U.´s rechtfertigten den Verdacht, sei der Beklagten vorzuwerfen, jedenfalls ihrer Recherchepflicht nicht genügt zu haben. Angesichts des für den Kläger außerordentlich schwerwiegenden Vorwurfs habe es nach der Bestätigung der Vorwürfe durch U. nahe gelegen, die übrigen an dem angeblichen spätabendlichen Treffen beteiligten Personen anzuhören. Zwar habe die Beklagte nach ihrem Vorbringen den hochrangigen Vertreter der P. AG und den Kläger angehört. Sie habe es aber ohne erkennbaren Grund unterlassen, auch F. als weitere angeblich Beteiligte zu dem Treffen zu befragen.
II.
- 12
- Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe gegen die Beklagte unabhängig davon , ob eine zulässige Verdachtsberichterstattung vorgelegen habe oder nicht, ein Richtigstellungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB i.V.m. § 823 BGB mit dem ausgeurteilten Inhalt zu. Auch die Hilfsbegründung, die Beklagte habe nicht dargelegt, die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten zu haben, erweist sich als rechtsfehlerhaft.
- 13
- 1. In Anlehnung an § 1004 BGB und verwandte Bestimmungen hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass der Betroffene vom Störer die Berichtigung einer unwahren Tatsachenbehauptung verlangen kann, um einem Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen und so die rechtswidrige Störung abzustellen (BGH, Großer Zivilsenat, Beschluss vom 19. Dezember 1960 - GSZ 1/60, BGHZ 34, 99, 102; Senatsurteile vom 15. No- vember 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 6 und vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 11). Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des Berichtigungsanspruchs müssen jeweils grundrechtskonform konkretisiert werden. Dementsprechend unterscheidet die Rechtsprechung des Senats zwischen verschiedenen Abstufungen des Berichtigungsanspruchs, etwa einem Widerruf (Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 6), einer Richtigstellung bei entstellender Einseitigkeit der Reportage (Senatsurteil vom 22. Dezember 1959 - VI ZR 175/58, BGHZ 31, 308, 318 f.), einem Abrücken von übernommenen Äußerungen Dritter (Senatsurteil vom 6. April 1976 - VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 189 ff.) oder einer Richtigstellung, wenn eine Äußerung nur in einem Teilaspekt unwahr ist, der dem Leser durch ihren Kontext übermittelt wird (Senatsurteil vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80, NJW 1982, 2246, 2248; vgl. BVerfGE 97, 125, 150). Auch ein von der Rechtsprechung entwickelter "äußerungsrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch", gerichtet auf eine ergänzende Meldung oder Mitteilung bei günstigem Ausgang eines Strafverfahrens nach ursprünglich rechtmäßiger Meldung über das Verfahren, begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2589). Schon in seinem Urteil vom 30. November 1971 (VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325) hat der Senat dem Betroffenen nach einem Bericht über seine nicht rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung einen "Ergänzungsanspruch" hinsichtlich des späteren Freispruchs zuerkannt. Auch die Erklärung, dass eine Behauptung nicht aufrechterhalten wird, teilweise als eingeschränkter Widerruf bezeichnet (vgl. dazu Soehring in ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 31 Rn. 14), stellt eine Konkretisierung des Berichtigungsanspruchs dar (vgl. BVerfG, NJW 2004, 354, 355).
- 14
- 2. Um der Eigenart der hier in Rede stehenden Verdachtsberichterstattung gerecht zu werden und im Streitfall die dem Ausgleich der Interessen angemessene Konkretisierung eines Berichtigungsanspruch zu bestimmen, kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darauf an, ob die angegriffene Berichterstattung den Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung genügte. Nur im Falle einer von Anfang an unzulässigen Verdachtsberichterstattung wäre ein Richtigstellungsanspruch gegeben. Soweit das Berufungsgericht die Rechtmäßigkeit in seiner Hilfsbegründung verneint hat, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft.
- 15
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 f.; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35 und vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 26 mwN).
- 16
- Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzu- treffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, NJW 2013, 790 Rn. 26 und vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO).
- 17
- b) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann mit der Begründung des Berufungsgerichts eine rechtmäßige Verdachtsberichterstattung nicht verneint werden.
- 18
- aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen in dem Beitrag vom 23. August 2010 als Tatsachenbehauptungen in Gestalt einer Verdachtsberichterstattung angesehen. Einerseits lässt sich den Äußerungen entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht die Behauptung eines feststehenden Sachverhalts entnehmen. Andererseits macht die Revision ohne Erfolg geltend, es werde nur eine Frage aufgeworfen, die einem Werturteil gleichstehe.
- 19
- (1) Bei der Erfassung des Aussagegehalts, die in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 21 und vom 27. Mai 2014 - VI ZR 153/13, VersR 2014, 970 Rn. 13; jeweils mwN), muss eine beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st.
- 20
- (2) Nach diesen Grundsätzen enthalten die angegriffenen Äußerungen die Darstellung des Verdachts, der Kläger sei an den angeblichen auf eine Falschbezichtigung R.'s abzielenden Maßnahmen beteiligt gewesen.
- 21
- Der Beitrag vom 23. August 2010 berichtet über das gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, R.'s Büro verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht sowie beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben. In diesem Zusammenhang zitiert der Bericht Aussagen des Beraters, wonach der Kläger an der Beauftragung dieser von ihm - dem Berater - durchgeführten Maßnahmen mitgewirkt habe. Dem stellt der Beitrag Stellungnahmen des Klägeranwalts und des angeblich ebenfalls beteiligten P.-Vertreters gegenüber, in denen die Vorwürfe bestritten werden. Sodann wird geschildert, dass Vertreter der Bank sich auf Grund der Aussagen des früheren Sicherheitsberaters an die Staatsanwaltschaft gewandt hätten.
- 22
- Dieser Darstellung entnimmt ein unbefangener Durchschnittsleser, dass eine Beteiligung des Klägers an den angeblichen Spitzelaktionen möglich erscheint. Er nimmt an, dass der Kläger Bestrebungen unterstützte, R. aus dem Vorstand zu drängen, und damit ein Motiv für die angeblichen Spitzelaktionen hatte; darauf zielen die Ausführungen im Artikel "R. stand seit Januar 2009 auf N.'s Abschussliste" und sei "von nun an sein [des Klägers] Gegner". Mit den protokollierten angeblichen Aussagen des früheren Sicherheitsberaters wird dann ein Anhaltspunkt für eine tatsächliche Beteiligung geliefert und so vermittelt , dass ein Verdacht "krimineller Methoden" und strafbarer Handlungen des Klägers besteht. Dies wird noch bekräftigt durch die weitere Darstellung, dass offenbar Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren gegen R. mit dem korrespondierten , was der "Security-Mann" (U.) zu Protokoll gegeben habe. Vor diesem Hintergrund fasst er auch die nachfolgenden Sätze "Im Kern geht es um eine Frage: Ist es vorstellbar, dass der Justitiar der Bank tatsächlich bei angeblichen Spitzelaktionen gegen R. mitgemischt hat, ohne Wissen und Billigung des H.-Vorstandsvorsitzenden?" als Bestandteil der Verdachtsäußerung auf (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 159). Denn es handelt sich bei dem in Frageform gefassten zweiten Satz nicht um eine echte Frage, die einem Werturteil gleichstünde und wegen der eine Richtigstellung nicht verlangt werden könnte. Ein Fragesatz ist nämlich keine echte Frage in diesem Sinne, wenn er nicht auf eine Antwort durch einen Dritten gerichtet oder nicht für verschiedene Antworten offen ist (Senatsurteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 38/03, NJW 2004, 1034 f.; BVerfGE 85, 23, 31 ff.; BVerfG, NJW 2003, 660, 661; BVerfG NJW 2014, 766, 767). Der im Streitfall zu beurteilende Fragesatz ist im Gesamtzusammenhang des Artikels schon nicht für verschiedene Antworten offen. Er zielt, wie sich aus dem Kontext ergibt, nur auf eine affirmative Antwort ab, nämlich "Ja, das (Mitmischen bei angeblichen Spitzelaktionen) ist vorstellbar." Die Darstellungen der Motivationslage des Klägers und N.'s, der Entlastung des als Opfer dargestellten R.'s, der Suspendierung des Klägers, die Wiedergabe des Protokolls, die Erwähnung bisheriger Vorwürfe an die Manager - Leichtsinn, Inkompetenz, Größenwahn und das Versenken von Milliarden - und der Hinweis auf die Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren gegen R. nehmen insgesamt einen breiten Raum ein und lassen die Stellungnahmen des Klägers und des P.-Vertreters in den Hintergrund treten. Damit wird dem unbefangenen Leser der Weg zu einer Verneinung verstellt. Mit dem Begriff der Vorstellbarkeit weisen die Autoren aber deutlich darauf hin, dass die Beteiligung des Klägers an den angeblichen Spitzelaktionen gegen R. eben noch nicht feststeht, sondern es nur um einen Verdacht geht. Sie lassen offen, ob die Aussagen der Wahrheit entsprechen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der zutreffenden Information über die vorläufige Suspendierung des Klägers.
- 23
- bb) Nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten ist von der Zulässigkeit der Verdachtsberichterstattung auszugehen.
- 24
- Die möglichen Verfehlungen von Führungskräften der H.-Bank, deren Anteile überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten wurden und die im Zuge der Finanzkrise verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten war, waren ein Vorgang von gravierendem Gewicht, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt war. Dies zieht auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel.
- 25
- Entgegen ihrer Auffassung hat die Beklagte auch einen Mindestbestand an Beweistatsachen dargetan, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags für eine Beteiligung des Klägers an den fraglichen Vorgängen sprachen. Nach dem vom Berufungsgericht wiedergegebenen Beklagtenvortrag hatte U. den beiden Autoren des Berichts gegenüber erklärt, der Kläger habe ihn bei einem spätabendlichen Treffen beauftragt, R.'s Büro zu verwanzen und dessen Privatwohnung zu durchsuchen. Diese Erklärung stand in Einklang mit den im Protokoll vom 29. Juli 2010 festgehaltenen Angaben U.'s, die dieser den beiden Autoren nach dem von der Revision berufenen Beklagtenvortrag bestätigt hatte. Den Angaben U.'s kam ein nicht unerheblicher Beweiswert zu, weil er sich selbst belastete und ein Motiv für eine Falschbezichtigung des Klägers nicht ersichtlich war. Zudem ergab sich nach dem von der Revision angeführten Beklagtenvortrag aus einem Vermerk der Staatsanwaltschaft, dass U. sich dort gemeldet hatte, um - gegen Straffreiheit - über die angeblichen Abhörmaßnahmen auszusagen. Schließlich zeigte die vorläufige Suspendierung des Klägers, dass auch die H.-Bank die Aussagen U.'s ernst nahm.
- 26
- An einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlte es auch nicht deshalb , weil die Autoren keine Stellungnahme F.'s eingeholt hatten, die nach den Angaben U.'s an dem spätabendlichen Treffen beteiligt gewesen war. Die Revision macht zu Recht geltend, dass die Sorgfaltspflichten überspannt würden, wollte man von der Presse verlangen, grundsätzlich alle Personen zu befragen, die zu einem Verdacht Auskunft geben können. Die Autoren des Berichts vom 23. August 2010 haben nach dem Vorbringen der Beklagten mit dem Kläger und dem P.-Vertreter zwei der drei Personen angehört, die bei dem Treffen auf U. eingewirkt haben sollen. Dies war unter den konkreten Umständen des Streitfalles auch unter Berücksichtigung der Schwere des im Raum stehenden Vorwurfs ausreichend. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Befragung F.'s einen wesentlichen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erbracht hätte, waren nicht ersichtlich.
- 27
- Der Bericht enthält schließlich auch keine Vorverurteilung des Klägers. Er erweckt bezüglich der "Spitzelaktionen" nicht den Eindruck, der Kläger sei einer Beteiligung an den angeblichen gegen R. gerichteten Maßnahmen bereits überführt.
- 28
- 3. Sind mithin nach dem für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Vortrag der Beklagten die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten, so kann der Kläger nicht die begehrte Richtigstel- lung, sondern nur eine nachträgliche Mitteilung verlangen, die die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Berichterstattung nicht in Frage stellt und unter Hinweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Klärung des Sachverhalts ausführt, dass der Verdacht nicht mehr aufrechterhalten wird.
- 29
- a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Berichtigungsanspruch liegen vor.
- 30
- Mit der angegriffenen Berichterstattung ist die Tatsachenbehauptung erhoben worden, der Kläger stehe im Verdacht, sich an Straftaten des U. beteiligt zu haben (s.o.). Infolge dieser Verdachtsberichterstattung liegt eine mittlerweile rechtswidrige Störung in Gestalt eines Zustandes fortdauernder Rufbeeinträchtigung vor.
- 31
- aa) Die angegriffenen Äußerungen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Denn sie betreffen die mögliche Beteiligung des Klägers an Straftaten des früheren SicherheitsberatersU. (§ 148 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a TKG, § 123 Abs. 1, § 201 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 269 Abs. 1 StGB). Eine Berichterstattung über den Verdacht von Straftaten unter namentlicher Nennung des Verdächtigen beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (vgl. nur Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 202 und vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, NJW 2013, 229 Rn. 9 mwN).
- 32
- Ferner hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die Rufbeeinträchtigung fortdauert. Hiergegen wendet die Revision ohne Erfolg ein, fast vier Jahre nach der Veröffentlichung sei wegen fehlender Prominenz des Klägers allenfalls eine theoretisch vorhandene gegenwärtige Beeinträchtigung vorhanden. Insoweit kommt es nämlich in der Regel nicht auf den der Verfahrensdauer geschuldeten Zeitablauf an (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 38/03, NJW 2004, 1034; Soehring in ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 31 Rn. 8 c). Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden, sind weder ersichtlich noch dargetan. Hinzu kommt, dass zwischen der Berichterstattung und der Klageerhebung nur circa vier Monate lagen.
- 33
- bb) Der fortdauernde Störungszustand ist spätestens seit der Ausräumung des Tatverdachts rechtswidrig.
- 34
- Der in Anlehnung an § 1004 BGB entwickelte Berichtigungsanspruch zielt auf eine Folgenbeseitigung. Er setzt deshalb nicht voraus, dass eine in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifende Äußerung als von Anfang an rechtswidrig anzusehen ist. Abzustellen ist vielmehr auf die fortdauernde Wirkung einer Äußerung. In dieser Wirkung kann auch dann ein rechtswidriger Zustand liegen, wenn die Äußerung zwar zunächst gerechtfertigt war, die den Rechtfertigungsgrund ergebenden Tatsachen aber in der Folgezeit fortgefallen sind (Senatsurteile vom 10. Juli 1959 - VI ZR 149/58, NJW 1959, 2011, 2012; vom 11. Januar 1966 - VI ZR 221/63, NJW 1966, 647, 649; vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 328 f.; BGH, Urteile vom 25. April 1958 - I ZR 97/57, NJW 1958, 1043 und vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702; Kamps in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts , § 49 Rn. 19; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung , 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 23 f.; a.A. Soehring in ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 31 Rn. 3a f.). Dem widerspricht es entgegen den von der Revision geäußerten Zweifeln (ebenso Soehring, aaO Rn. 4a) nicht, dass die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) in solchen Fällen nicht vermutet wird, sondern konkret festgestellt werden muss (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai1987 - VI ZR 195/86, NJW 1987, 2225, 2227 mwN); denn insoweit geht es um die spezifischen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs.
- 35
- In der fortdauernden Wirkung einer rufbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptung liegt demzufolge unabhängig von ihrer ursprünglichen Rechtmäßigkeit ein von dem Betroffenen nicht zu duldender Störungszustand, wenn der Wahrheitsgehalt der Behauptung zwar zunächst ungeklärt war, sie sich aber nachträglich als unrichtig herausstellt. Zwar fallen solche Behauptungen nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) heraus. Bei der deshalb erforderlichen Abwägung überwiegen jedoch die Belange des Betroffenen. Denn es gibt kein legitimes Interesse daran, an einer Behauptung auch nach Feststellung der Unwahrheit festzuhalten (Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34 f. mwN; BVerfGE 97, 125, 149; 99, 185, 197 f. mwN).
- 36
- Danach liegt im Streitfall eine rechtswidrige Störung vor, auch wenn die Berichterstattung als im Veröffentlichungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen ist. Denn nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Verdachtsbehauptung, der Kläger sei an den angeblichen Maßnahmen gegen R. beteiligt gewesen, als widerlegt anzusehen. Die von der Verdachtsberichterstattung ausgehende Rufbeeinträchtigung muss der Kläger deshalb nicht länger hinnehmen.
- 37
- cc) Die Beklagte ist auch für die rechtswidrige Störung verantwortlich. Als Störer im Sinne von § 1004 BGB ist nämlich - ohne Rücksicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft - jeder anzusehen, der die Störung herbeigeführt hat (Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 24 mwN). Im Streitfall hat die Beklagte mit ihrer Verdachtsberichterstattung die Gefahr einer Per- sönlichkeitsrechtsverletzung begründet, die sich mit der Ausräumung des Verdachts verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 328). Dass sich dem Beitrag entnehmen lässt, dass die Autoren von der Vorläufigkeit des Berichteten ausgingen, ist insoweit unerheblich (gegen eine Verantwortlichkeit des Äußernden in solchen Fällen allerdings Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 75).
- 38
- b) Mit dem Berufungsgericht ist demnach davon auszugehen, dass auch bei zulässiger Verdachtsberichterstattung bei späterer Entkräftung des Verdachts grundsätzlich ein Berichtigungsanspruch bestehen kann. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfordert indes die eingetretene Störung bei zulässiger Verdachtsberichterstattung keine Richtigstellung wie vom Kläger begehrt.
- 39
- Der Presse kann es nach den obigen Ausführungen zur Verdachtsberichterstattung nicht verwehrt werden, nach sorgfältiger Recherche auch über Vorgänge oder Umstände zu berichten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht mit Sicherheit feststeht. Andernfalls könnte sie ihre Aufgabe, auf eine Klärung öffentlich bedeutsamer Vorgänge hinzuwirken, nicht erfüllen. Ebenso wenig wie es einen rechtfertigenden Grund gibt, an Behauptungen festzuhalten , deren Unwahrheit sich herausgestellt hat, ist aber ein rechtfertigender Grund erkennbar, derartige Behauptungen unberichtigt zu lassen, wenn sie die Rechte Dritter fortwirkend beeinträchtigen (BVerfGE 97, 125, 149; BVerfG, NJW 2004, 354, 355) und diese die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.
- 40
- Ein Anspruch auf Abgabe einer die fortwirkende Beeinträchtigung beseitigenden Erklärung muss sich in den Grenzen des Notwendigen und Zumutbaren halten. Unter Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen ist die schonendste Maßnahme zu wählen, die zur Beseitigung des Störungszustandes geeignet ist (Senatsurteile vom 3. Juni 1969 - VI ZR 17/68, WM 1969, 915, 917; vom 30. November 1971 - VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 333; vom 25. November 1986 - VI ZR 57/86, BGHZ 99, 133, 138; BGH, Urteil vom 21. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 702 f.; Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1294; MünchKomm-BGB/Rixecker, 6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 223; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 25; Kamps in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rn. 33 f., 49; vgl. auch BVerfGE 97, 125, 150).
- 41
- Die Verpflichtung eines Presseunternehmens zur Veröffentlichung einer Richtigstellung stellt einen erheblichen Eingriff in dessen Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK dar, denn die Presse darf zur Wahrung der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden, worüber sie berichten will (Senatsurteil vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 18 f.). Dieser Eingriff kann zwar nach einer Abwägung mit dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs gerechtfertigt sein, wenn eine Verdachtsäußerung als von Anfang an rechtswidrig anzusehen ist, etwa weil sie eine Vorverurteilung des Betroffenen enthält. Dies gilt jedoch nicht im Fall einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung, in dem der Äußernde offen darlegt, dass die mitgeteilte Einschätzung nicht endgültig ist, sondern auf Grund späterer Erkenntnisse möglicherweise revidiert werden muss. Tritt dieser von vornherein in Betracht gezogene Fall ein, ist es nicht erforderlich, dass der Äußernde von seiner Erklärung abrückt (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2589; Lehr, AfP 2013, 7, 14). Würde die erst nachträglich als unwahr erkannte Äußerung uneingeschränkt mit Sanktionen belegt, stünde zu befürchten, dass der Kommunikationsprozess litte, weil risikofrei nur noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden dürften. Damit wäre ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender Effekt verbunden, der bereits aus Gründen der Meinungsfreiheit vermieden werden muss (BVerfG, AfP 2009, 480 ff.). Andererseits kann dem Betroffenen nicht zugemutet werden, dass sein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung zum Schutze der Pressefreiheit gänzlich zurücktritt.
- 42
- Diese Güterabwägung führt zu einer gegenüber der Richtigstellung für die Presse weniger einschneidenden Abstufung des Berichtigungsanspruchs. Um die durch die Verdachtsäußerung hervorgerufene Störung abzustellen, ist es geeignet, erforderlich aber auch ausreichend, dass auf Verlangen des Betroffenen nachträglich mitgeteilt wird, dass der berichtete Verdacht nach Klärung des Sachverhalts nicht aufrechterhalten werde.
- 43
- Bei zulässiger Verdachtsberichterstattung kann das Presseorgan nicht verpflichtet werden, sich selbst ins Unrecht zu setzen, wenn der geäußerte Verdacht sich später als unrichtig erweist. Deshalb kann der Anspruch nicht darauf gerichtet sein, dass auf die nachträgliche Mitteilung im Inhaltsverzeichnis oder im Text unter der Überschrift "Richtigstellung" hingewiesen wird. Denn mit dieser Bezeichnung verbindet der unbefangene Durchschnittsleser, der sie nicht als Fachbegriff der Rechtssprache begreift, nicht nur die Vorstellung, dass der frühere Verdacht ausgeräumt worden ist, sondern dass die Berichterstattung falsch oder unzulässig war. Stattdessen ist ein neutraler Begriff zu wählen, der beispielsweise "Nachtrag zum Bericht vom ..." lauten kann.
- 44
- Das Berufungsgericht hat bei der Entscheidung über das schonendste Mittel diesem Gedanken bereits insoweit Rechnung getragen, als es die Erklärung für ausreichend erachtet hat, dass der Verdacht nicht aufrechterhalten werde (vgl. BVerfG, NJW 2004, 354, 355; BGH, Urteile vom 25. April 1958 - I ZR 97/57, NJW 1958, 1043 und vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, JZ 1960, 701, 703; vgl. Soehring in ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 31 Rn. 4a). Um den Eindruck eines Fehlers durch die frühere Berichterstattung zu vermeiden, ist dabei ein Hinweis auf die zwischenzeitliche Klärung des Sachverhalts, deren Einzelheiten nicht ausgeführt werden müssen, aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 - I ZR 30/58, aaO).
- 45
- 4. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Bezüglich des Berichtigungsbegehrens fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zu den von der Beklagten behaupteten Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung. Galke Wellner Pauge von Pentz Oehler
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2012 - 324 O 628/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.01.2014 - 7 U 44/12 -
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.09.2015 – 3 Ga 16/15 – wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
1
Tatbestand
2Der Verfügungskläger macht gegen die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung einen Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen geltend.
3Der Verfügungskläger ist alleiniger Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Firma K E GmbH & Co. KG in I (im Folgenden: Firma E). Mit Wirkung zu Ende März 2016 wurde er als Geschäftsführer abberufen.
4Die Verfügungsbeklagte ist Mitarbeiterin der Firma E sowie Mitglied des dort gebildeten Betriebsrats. In der Zeit vom 03.04.1998 bis zum 12.02.2015 war sie als Betriebsratsvorsitzende von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt.
5Während dieser Zeit kam es zu Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und der Firma E (Bl. 203/204 d. A.). Am 30.11.2000 schlossen die Firma E, vertreten durch den Verfügungskläger, der Betriebsrat sowie die Verfügungsbeklagte als weitere Beteiligte in einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Herford (Az: 1 BV 15/00) einen Vergleich mit folgendem Inhalt (Bl. 205/206 d. A.):
6Die Beteiligten einigen sich darauf, künftig miteinander sachlich umzugehen. Dazu gehört, dass sie bei Auseinandersetzungen sachlich miteinander streiten und eine moderate sprachliche Umgangsform pflegen. Die Beteiligten vermeiden dabei insbesondere persönliche Angriffe.
7Vor ihrer Freistellung als Betriebsratsvorsitzende war die Verfügungsbeklagte als Sekretärin für ihren Vorgesetzten I1 tätig. Über diese Tätigkeit der Verfügungsbeklagten existiert ein Zwischenzeugnis vom 22.12.1997, welches als Position der Verfügungsbeklagten „Sekretärin der Geschäftsleitung im Bereich Verkauf/Handel“ und als Unterzeichner den Vorgesetzten I1 aufführt.
8NacI3em die Verfügungsbeklagte Anfang 2015 ihr Amt als Betriebsratsvorsitzende niedergelegt hatte, stritten die Verfügungsbeklagte und die Firma E über die vertragsgemäße Beschäftigung der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsbeklagte vertrat die Auffassung, sie sei als Sekretärin der Geschäftsleitung im Bereich Verkauf/Handel zu beschäftigen. Die Firma E bestritt, dass es sich bei dem Vorgesetzten I1 um ein Mitglied der Geschäftsleitung gehandelt habe und meinte, die Verfügungsbeklagte sei lediglich eine „normale“ Sekretärin gewesen.
9Die Verfügungsbeklagte erhob Klage gegen die Firma E vor dem Arbeitsgericht Herford (Az: 2 Ca 553/15), mit der sie neben der Beschäftigung als Sekretärin der Geschäftsleitung im Bereich Verkauf/Handel weitere Ansprüche geltend machte. Darüber hinaus verfolgte sie den Beschäftigungsanspruch noch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Herford (Az: 2 Ga 10/15), welches durch einen Vergleich endete. In beiden Verfahren reichte sie jeweils das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 in Kopie zur Gerichtsakte.
10Mit dem in dem einstweiligen Verfügungsverfahren eingereichten anwaltlichen Schriftsatz vom 05.06.2015 (Bl. 140 – 151 d. A.) nahm die Firma E zu dem vorgelegten Zwischenzeugnis unter anderem wie folgt Stellung:
11„Wenn sie Abweichendes aus dem von ihr als Anlage K2 vorgelegten Zwischenzeugnis vom 22.12.1997, unterzeichnet vom Zeugen I1, herzuleiten berechtigt zu sein glaubt, weil es dort im Eingangssatz in der zweiten Zeile heißt: „als Sekretärin der Geschäftsleitung“, so ist dies offensichtlich falsch, wie bereits der Arbeitsvertrag beweist. Warum der Zeuge I1 in diesem Punkte ein falsches Zeugnis ausstellte kann nur gemutmaßt werden (…). Die Verfügungsbeklagte und der Zeuge I1 trennten sich letztendlich durch Aufhebungsvertrag vom 31.03.1998 mit Ablauf des 30.06.1998 voneinander. Es kann nur gemutmaßt werden, dass der Zeuge I1 durch dieses Gefälligkeitsattest bzw. Gefälligkeitszeugnis der Verfügungsbeklagten in seinem Abgang noch „eins auswischen“ wollte oder aber seiner persönlichen Sekretärin besonders gefällig sein wollte. Das Zeugnis selber jedenfalls ist der Verfügungsbeklagten nicht bekannt. Es befindet sich auch nicht in der Personalakte der Verfügungsklägerin und wird erstmals hier in diesem Zusammenhang vorgelegt.
12(…)
13Tatsache ist jedenfalls, dass selbst der Zeuge I1 zu seiner aktiven Zeit nicht Mitglied der Geschäftsleitung war, ebenso wenig wie der Einkaufsleiter. Sie waren auch nicht Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern lediglich leitende Angestellte und der Geschäftsleitung unmittelbar unterstellt.
14(…)
15Im Übrigen fällt auf, dass das von der Verfügungsklägerin als Anlage K2 vorgelegte Zeugnis zwar die Unterschrift des Zeugen I1 trägt, nicht aber den Zusatz und den Hinweis auf die Prokura. Zum Datum der Zeugniserstellung war der Zeuge I1 aber noch Gesamtprokurist und hätte mit Sicherheit seiner Unterschrift das ppa-Zeichen hinzugesetzt oder den Zusatz „Gesamtprokurist“. (…)
16Vor diesem Hintergrund wird bestritten, dass das von der Klägerin als Anlage K2 vorgelegte Zeugnis tatsächlich zum angegebenen Datum von dem Zeugen I1 ausgestellt worden ist.“
17In dem Hauptsacheverfahren (Az: 2 Ca 553/15) fand am 26.06.2015 ein Gütetermin statt (Bl. 31/32 d. A.), in dem die Parteien erneut über das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 und die Position des Vorgesetzten I1 stritten.
18Unmittelbar nach dem Gütetermin wandte sich die Verfügungsbeklagte mit einem Schreiben an I2 E, der zum Zeitpunkt der Erteilung des Zwischenzeugnisses vom 22.12.1997 Geschäftsführer der Firma E war. Dieser ist nun gemeinsam mit B E und Q T Geschäftsführer der Firma I3 E1 GmbH. Die Firma I3 E1 GmbH wiederum ist Gesellschafterin der Firma E.
19Das Schreiben der Verfügungsbeklagten an I2 E (Bl. 38/39 d. A.) hat folgenden Inhalt:
20„Bitte um Information
21Sehr geehrter Herr E,
22vom 03.04.1998 bis zum 12.02.2015 habe ich als „freigestellte“ Betriebsratsvorsitzende im Stammhaus I gearbeitet. Am 12.02.2015 habe ich mein Amt als Vorsitzende niedergelegt.
23Nun ist es gesetzlich so geregelt, dass der Arbeitgeber mich nach den Jahren der Freistellung wieder auf dem Platz oder mit einer vergleichbaren Tätigkeit beschäftigen muss, die ich vor Beginn meiner Betriebsratsarbeit ausgeübt habe.
24Ich war als Sekretärin für Herrn I1, im Bereich Handel (für den Bereich Personal war Frau N zuständig) bis zu seinem Ausscheiden tätig.
25Bevor ich Betriebsrätin wurde, habe ich Herrn I1 um ein Zwischenzeugnis gebeten. Dieses hat er auch ausgeschrieben, am 22.12.1997.
26In dem Zeugnis listet er meine Tätigkeiten auf und bestätigt, dass ich als Sekretärin der Geschäftsleitung im Handel für ihn tätig war. Geschrieben hat das Zeugnis Frau N.
27Die jetzige Geschäftsleitung, d. h. Herr Q1, der sich von Frau T1 vor Gericht vertreten lässt, gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Dr. I4, behauptet, dass ich das Zeugnis gefälscht hätte, oder es ein Gefälligkeitsdienst von Herrn I1 gewesen wäre, und dass ich niemals in dieser Position gearbeitet hätte.
28Sie behaupten weiter, dass das Zeugnis niemals in der Personalakte gewesen wäre, obwohl ich weiß, dass es da war, weil ich es mehrfach gesehen habe, wenn ich im Laufe der Jahre meine Personalakte geprüft habe. Im Übrigen hat das Zeugnis Herr Q1 als Kopie in 1999 vom Betriebsrat noch einmal erhalten im Rahmen der Eingruppierung. Herr Q1 aber behauptet, das Zeugnis noch nie gesehen zu haben.
29Ich weiß, dass es keinen Grund für Sie gibt, die ehemalige Betriebsratsvorsitzende zu unterstützen, aber ich bitte Sie dennoch darum, denn ich schreibe Sie als ihre langjährige Mitarbeiterin an, die dem Unternehmen E sehr verbunden ist, und der nach wie vor der Umgang mit den Mitarbeitern am Herzen liegt. Der Ruf unserer Firma ist vor dem Arbeitsgericht in Herford schon so beschädigt, jetzt kommen noch Lügen und Betrug hinzu. Meine erste Gerichtsverhandlung hat hierzu heute stattgefunden, und ich war sprachlos über das Ausmaß der Lügen.
30Es kann doch nicht sein, dass der gute Name der Firma E jetzt schon so in den Schmutz gezogen wird, in dem man Lügengeschichten vor dem Gericht erfindet und mit Schmutz um sich schmeißt, nur um die Rechte der Mitarbeiter zu umgehen. Hintergrund ist, dass man mir ca. 750,00 Euro netto weniger zahlen will pro Monat, und obwohl die Gerichtsverhandlungen noch nicht stattgefunden haben, hat Herr Q1 im Personalbüro angewiesen, dass ich für Mai 2015 schon das Geld weniger bekommen habe und hat, obwohl das an meinen Stempelzeiten zu sehen ist, außerdem angewiesen, dass ich 1 Woche gar kein Geld bekomme, obwohl ich gearbeitet habe. Die Gelder muss ich extra einklagen. Ich werde diese Klage gewinnen, denn es ist rechtlich völlig haltlos, was er dort macht. Das ist ihm aber egal, ihn interessiert der Ruf der Firma nicht und er setzt sich über Recht und Gesetz hinweg und übergibt diese unlauteren Machenschaften an seine Sekretärin, die weder ausgebildet noch qualifiziert ist, um die Firma vor dem Gericht zu vertreten.
31Nach meinen Unterlagen ist es so, dass Herr I1 bis zum 31.12.1997 gemeinsam mit Herrn E4, Herrn Q1 und Herrn N1 Gesamtprokura gehabt hat und die Geschäftsleitung für I für die E KG sich aus Ihnen, Herrn E, Herrn G, Herrn N1, Herrn E4 und Herrn I1 zusammensetzte.
32Ab dem 01.01.1998 firmierten wir um und wurden zur E GmbH & Co. KG. Hier gehörten zur Geschäftsleitung dann für die gesamte Firmengruppe nur noch Sie, Herr E, Herr G und Herr Q1 mit Einzelprokura.
33Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir kurz schriftlich darüber Auskunft geben könnten, ob meine Angaben zur Funktion von Herrn I1 der Wahrheit entsprechen.“
34Der ehemalige Geschäftsführer E ließ das Schreiben mit handschriftlichen Anmerkungen versehen (vgl. Bl. 38/39 d. A.) unter dem Datum 20.06.2015 wieder der Verfügungsbeklagten zukommen. Er bestätigte u.a. die Richtigkeit der Angaben der Verfügungsbeklagten zur Funktion ihres ehemaligen Vorgesetzten I1.
35Auf welchem Weg die Verfügungsbeklagte das Schreiben an den ehemaligen Geschäftsführer E übermittelte und auf welchem Weg das Schreiben wieder an die Verfügungsbeklagte zurück gelangte, ist zwischen den Parteien streitig.
36Das mit „Bitte um Information“ überschriebene Schreiben mit den handschriftlichen Anmerkungen von I2 E reichte die Verfügungsbeklagte als Anlage K 20 in dem Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15 beim Arbeitsgericht Herford ein.
37Der Verfügungskläger reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 07.08.2015, mit dem er die Ausführungen der Verfügungsbeklagten in dem Schreiben „Bitte um Information“ zurückweisen ließ und die Äußerungen in dem Schreiben als Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung wertete.
38Wegen der von der Verfügungsbeklagten in dem Schreiben „Bitte um Information“ gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer E getätigten Äußerungen beabsichtigte die Firma E, das zwischen ihr und der Verfügungsbeklagten bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden und ersuchte den Betriebsrat um Erteilung seiner Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Verfügungsbeklagten. Nachdem der Betriebsrat diese verweigerte, leitete die Firma E mit Antragschrift vom 17.08.2015 ein Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung der Verfügungsbeklagten ein (Az: 1 BV 21/15) beim Arbeitsgericht Herford.
39Mit einem weiteren anwaltlichen Schreiben vom 17.08.2015 (Bl. 40 – 43 d. A.) forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Fristsetzung bis zum 31.08.2015 auf. Daneben forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Übernahme seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf. Die dem Schreiben als Anlage beiliegende strafbewehrte Unterlassungserklärung enthielt neben der Verpflichtung zur Unterlassung der hier streitgegenständlichen Äußerungen die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten, dem Verfügungskläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro zu erstatten.
40Die Verfügungsbeklagte antwortete mit anwaltlichem Schreiben vom 19.08.2015 (Bl. 44 d. A.) und lehnte die Abgabe der Unterlassungserklärung ab.
41Mit einem am 15.09.2015 bei dem Arbeitsgericht Herford eingegangenen Schriftsatz hat der Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der hier streitgegenständlichen, in dem Schreiben „Bitte um Information“ an I2 E getätigten Äußerungen, gefordert.
42Erstinstanzlich hat der Verfügungskläger die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen zu, da es sich um falsche Tatsachenbehauptungen handele. Selbst wenn man von Werturteilen ausginge, seien diese nicht vom Grundsatz der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern hätten beleidigenden Charakter und seien ehrverletzend. Den Verfügungsgrund hat der Verfügungskläger darin gesehen, dass eine Wiederholungsgefahr schon allein durch die erfolgte Rechtsverletzung indiziert werde und sich zudem aus der Weigerung der Verfügungsbeklagten, eine Unterlassungserklärung abzugeben, ergebe.
43In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 29.09.2015 vor dem Arbeitsgericht Herford hat der Prozessvertreter des Verfügungsklägers die Verfügungsbeklagte aufgefordert, zu Protokoll zu erklären, dass sie die streitgegenständlichen Äußerungen nicht mehr wiederhole. Dies hat die Verfügungsbeklagte abgelehnt und erklärt, sie lasse sich ihren Mund nicht verbieten (Bl. 75R d. A.).
44Der Verfügungskläger hat beantragt,
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1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß nachfolgende Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten.
a) Der jetzige Geschäftsführer der Firma K E GmbH & Co. KG behauptet, die Antragsgegnerin hätte das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 des Zeugen I1 gefälscht.
48b) Der Ruf der Firma sei vor dem Arbeitsgericht in Herford schon so beschädigt, jetzt kämen noch Lügen hinzu.
49c) Es könne nicht sein, dass der gute Name der Firma E jetzt schon so in den Schmutz gezogen werde, indem man Lügengeschichten vor Gericht erfinde und mit Schmutz um sich schmeiße, nur die Rechte der Mitarbeiter zu umgehen.
50d) Was Herr Q1 mache, sei rechtlich völlig haltlos, das sei ihm aber egal, ihn interessiere der Ruf der Firma nicht.
51e) Herr Q1 setze sich über Recht und Gesetz hinweg.
52f) Herr Q1 übergebe unlautere Machenschaften an seine Sekretärin.
53- 54
2. Der Antragsgegnerin wird angedroht, dass für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die zu Ziffer 1) ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für jeden Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
56den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
57Die Verfügungsbeklagte hat die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers bezweifelt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie die streitgegenständlichen Äußerungen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Streitigkeit gegenüber dem früheren Geschäftsführer der Firma E und damit nicht öffentlich kundgetan habe. Weiter hat sie die Auffassung vertreten, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Werturteile handele. Sie hat außerdem gemeint, dass es an einer Wiederholungsgefahr fehle, da die Äußerungen nur bei der Einholung der Auskunft von dem ehemaligen Geschäftsführer aufgestellt wurden und die Auskunft nunmehr erteilt sei. Der Verfügungskläger habe außerdem die Dringlichkeit dadurch selbst widerlegt, dass er mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu lange zugewartet habe.
58Mit Urteil vom 29.09.2015 hat das Arbeitsgericht Herford den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den streitgegenständlichen Äußerungen handele es sich nur bei der dem Antrag zu 1 a) zugrundeliegenden Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, wobei jedoch Zweifel bestünden, ob diese Tatsachenbehauptung unwahr sei. Denn die Verfügungsbeklagte habe das Bestreiten der Firma K E GmbH & Co. KG im Bezug auf das von ihr vorgelegte Zwischenzeugnis als Vorwurf der Fälschung gegen sie verstehen können. Hinsichtlich der den Klageanträgen zu 1 b) und 1 c) zugrundeliegenden Äußerungen fehle es an der Aktivlegitimation des Verfügungsklägers, da sich diese nicht auf den Verfügungskläger bezögen. Zudem seien die Aussagen im Rahmen der Informationsbeschaffung für das gerichtliche Verfahren gefallen. Bei den weiteren Äußerungen zu 1 d), e) und f) handele es sich um zulässige Werturteile. Im Übrigen fehle es an konkreten Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr und damit an einem Verfügungsgrund. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich weder aus der Weigerung der Verfügungsbeklagten, die strafbewehrte Unterlassungserklärung nebst unzulässiger Kostenübernahmeerklärung zu unterzeichnen, noch aus der Weigerung der Verfügungsbeklagten, die vom Verfügungsklägervertreter angeregte Protokollerklärung in der mündlichen Verhandlung abzugeben.
59Gegen das am 09.10.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.10.2015 eingelegte und am 08.12.2015 begründete Berufung des Verfügungsklägers, die er unter Wiederholung und Vertiefung seines Sachvortrags erster Instanz ergänzend wie folgt begründet:
60Schon nach Abschluss des Vergleichs des im Jahr 2000 geführten Beschlussverfahren (Az: 1 BV 15/00) habe die Verfügungsbeklagte gemeinsam mit Kollegen gegen den Verfügungskläger polemisiert, so dass die Firma E sogar eine Kündigung in Erwägung gezogen habe. Bei I2 E sei zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger zu diesem ein angespanntes Verhältnis habe, so dass sich das Verhalten der Verfügungsbeklagten auch deshalb als unverhältnismäßig darstelle. Zudem habe die Verfügungsbeklagte das Schreiben „Bitte um Information“ nicht unmittelbar dem ehemaligen Geschäftsführer E zukommen lassen, sondern es offen an den Lagermitarbeiter U mit der Bitte um Weitergabe an Q T überreicht. Dieser habe es über das Faxgerät von F G am 18.06.2015 an I2 E gefaxt. Das Schreiben mit den handschriftlichen Bemerkungen von I2 E sei am 20.06.2015 auf demselben Weg wieder an die Verfügungsbeklagte zurückgelangt. Die Verfügungsbeklagte habe bewusst diesen „öffentlichen“ Übermittlungsweg gewählt, obgleich sie auch das Faxgerät im Betriebsratsbüro hätte nutzen können. Die schriftliche Einholung der Auskunft sei nicht notwendig gewesen, da die Verfügungsbeklagte ebenso den ehemaligen Geschäftsführer E als Zeugen hätte benennen können. Vielmehr zeige sich, dass es der Verfügungsbeklagten lediglich um die Diffamierung des Verfügungsklägers sowie um die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und Ansprüche gegangen sei. Die Äußerung zu 1a) beinhalte eine falsche Tatsachenbehauptung, die die Verfügungsbeklagte bewusst aufgestellt habe. Die Äußerungen zu 1b) bis 1f) stellten keine zulässigen Werturteile, sondern nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützte Formalbeleidigungen und Schmähkritik dar. Zudem stelle sich die Vorgehensweise der Verfügungsbeklagten als Verstoß gegen die Verpflichtung als Betriebsrätin gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dar. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich nicht nur aus der Weigerung der Verfügungsbeklagten, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben, sondern auch aus ihrer Weigerung im erstinstanzlichen Kammertermin, die geforderte Protokollerklärung zu tätigen. Außerdem handele es sich bei dem Verhalten der Verfügungsbeklagten um keinen Einzelfall, wie das von der Verfügungsbeklagten mitunterzeichnete Schreiben des Betriebsrats vom 21.11.2013 (Bl. 202 d. A.) an Frau G und Herrn T zeige. Konsequenz derartiger Schreiben sei, dass sich der Verfügungskläger vor den Gesellschaftern rechtfertigen müsse.
61Der Verfügungskläger beantragt,
62das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.09.2015– 3 Ga 16/15 – abzuändern und
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1. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß nachfolgende Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten:
a) Der jetzige Geschäftsführer der Firma K E GmbH & Co. KG, d.h. Herr Q1 behaupte, die Verfügungsbeklagte habe das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 des Zeugen I1 gefälscht.
66b) Der Ruf der Firma sei vor dem Arbeitsgericht in Herford schon so beschädigt, jetzt kämen noch Lügen und Betrug hinzu.
67c) Es könne nicht sein, dass der gute Name der Firma E jetzt schon so in den Schmutz gezogen werde, indem man Lügengeschichten vor Gericht erfinde und mit Schmutz um sich schmeiße, nur um die Rechte der Mitarbeiter zu umgehen.
68d) Was Herr Q1 mache, sei rechtlich völlig haltlos. Das sei ihm aber egal. Ihn interessiere der Ruf der Firma nicht.
69e) Herr Q1 setze sich über Recht und Gesetz hinweg.
70f) Herr Q1 übergebe unlautere Machenschaften an seine Sekretärin.
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2. der Verfügungsbeklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die zu Ziffer 1 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für jeden Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
74die Berufung zurückzuweisen.
75Die Verfügungsbeklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das arbeitsgerichtliche Urteil. Die streitgegenständlichen Äußerungen stellten lediglich pointierte Werturteile dar, mit denen die Verfügungsbeklagte ihre damalige Entrüstung über das Bestreiten der Echtheit des Zwischenzeugnisses zum Ausdruck brachte. Einer Wiederholungsgefahr stehe zudem die Abberufung des Verfügungsklägers aus der Position des Geschäftsführers Ende März 2016 entgegen.
76In dem Rechtsstreit der Verfügungsbeklagten gegen die Firma E (Az: 2 Ca 553/15) hat das Arbeitsgericht Herford zwischenzeitlich mit Teilurteil vom 11.11.2015 (Bl. 175 – 192 d. A.) den Antrag der Verfügungsbeklagten auf Beschäftigung als Sekretärin der Geschäftsleitung im Bereich Verkauf/Handel abgewiesen. Gegen das Teilurteil hat die Verfügungsbeklagte Berufung eingelegt (Az: 7 Sa 1815/15), diese jedoch nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet (Bl. 250 d. A.).
77In dem Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung der Verfügungsbeklagten (Az: 1 BV 21/15) hat das Arbeitsgericht Herford mit Beschluss vom 20.11.2015 die Anträge der Firma E zurückgewiesen (Bl. 152 – 174 d. A.). Gegen den Beschluss hat die Firma E Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Hamm ein eingelegt (Az: 13 TaBV 90/15).
78Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von den Parteien zu Protokoll abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
79Entscheidungsgründe
80I. Die Berufung des Verfügungsklägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2b) ArbGG) und nach § 519 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 28.10.2015 gegen das am 09.10.2015 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb des Frist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 08.12.2015 begründet worden. Sie ist damit zulässig.
81II. Die Berufung ist nicht begründet.
82Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es kann dahinstehen, ob für die Verfügungsklage ein Verfügungsanspruch sowie ein Verfügungsgrund vorliegen, da die Klage bereits unzulässig ist. Ihr fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
831. Das Verschlechterungsverbot gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 528 ZPO steht der Zurückweisung der Berufung wegen der fehlenden Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. War die klagende Partei erstinstanzlich sachlich unterlegen, ist das Berufungsgericht nicht gehindert, die Klage als bereits unzulässig zu erachten (vgl. BGH vom 10.12.1998 – II ZR 2/98 – NJW 1999, 1113).
842. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage fehlt, weil die Verfügungsbeklagte die streitgegenständlichen Äußerungen in einem Schreiben tätigte, welches der Verfolgung ihres Anspruchs auf vertragsgemäße Beschäftigung in dem zwischen ihr und der Firma E geführten Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15 diente. Die Beschränkung von Ehrenschutzklagen im Rahmen gerichtlicher Verfahren führt zur Unzulässigkeit der Verfügungsklage.
85a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden können. Denn das Gerichtsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien und infolge dessen auch die von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung der Rechte der Parteien für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Mit den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen und mit den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es unvereinbar, wenn die Kompetenzen des Gerichts des Ausgangsverfahrens durch die Möglichkeit einer Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten Prozess vor einem anderen Gericht unterlaufen werden könnten. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfG vom 25.09.2006 – 1 BvR 1898/03 – NJW-RR 2007, 840; BGH vom 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – MDR 2008, 332; BGH vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03 – MDR 2005, 507; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 09.12.2014 – 2 Sa 141/14 – juris; LAG Berlin-Brandenburg vom 21.09.2011 – 15 SaGa 2250/10 – juris; LAG Hamm vom 21.02.2008 – 8 Sa 1736/07 – juris).
86Diese Einschränkungen gelten jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens (vgl. BGH vom 10.06.1986 – VI ZR 154/85 – NJW 1986, 2502; OLG Hamm vom 03.12.2012 – I-13 U 178/11, 13 U 178/11 – juris).
87b) Die streitgegenständlichen Äußerungen hat die Verfügungsbeklagte in dem mit „Bitte um Information“ betitelten, an den ehemaligen Geschäftsführer der Firma E gerichteten Schreiben getätigt. Mit diesem Schreiben bezweckte sie, sich von dem ehemaligen Geschäftsführer bestätigen zu lassen, dass ihr früherer Vorgesetzter I1 seinerzeit (22.12.1997) Mitglied der Geschäftsleitung war. Dementsprechend hat die Verfügungsbeklagte das Schreiben „Bitte um Information“ mit den handschriftlichen Anmerkungen von I2 E als Anlage K 20 im Verfahren Az: 2 Ca 553/15 zur Gerichtsakte gereicht, um den von ihr verfolgten Anspruch auf Beschäftigung als Sekretärin der Geschäftsleitung Verkauf/ Handel zu belegen. Mit dem Schreiben „Bitte um Information“, in dem sich die streitgegenständlichen Äußerungen befinden, verfolgte die Verfügungsbeklagte deshalb ihren Beschäftigungsanspruch in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Herford.
88Dem steht nicht der Einwand des Verfügungsklägers entgegen, die Verfügungsbeklagte hätte für die Richtigkeit ihres Vorbringens den ehemaligen Geschäftsführer E als Zeugen benennen können und sei daher nicht auf das Schreiben „Bitte um Information“ angewiesen. Welcher konkreten Beweismittel und Schriftstücke sich die Verfügungsbeklagte in dem Rechtsstreit über die vertragsgemäße Beschäftigung bedienen möchte, unterliegt ausschließlich ihrer Entscheidung als Partei in diesem Rechtsstreit. Es wäre ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Verfahrensführung der Parteien, wenn diese infolge von Ehrenschutzklagen auf andere Beweismittel verwiesen werden müssten.
89Die Beschränkung der Möglichkeit, ehrverletzende Äußerungen mit Ehrenschutzklagen abzuwehren, bezieht sich deshalb nicht nur auf den Sachvortrag im Ausgangsverfahren selbst. Sie gilt ebenso für Äußerungen in anderen Schriftstücken, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Ausgangsverfahren dienen. Nur durch dieses weite Verständnis kann sichergestellt werden, dass die Verfahrensbeteiligten in der von ihnen für erforderlich gehaltenen Weise den Prozess führen und hierzu die von ihnen für notwendig erachteten Schriftstücke zur Gerichtsakte reichen können, ohne durch Ehrenschutzklagen eingeschränkt zu werden.
90Da das Ausgangsverfahren Az: 2 Ca 553/15 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, weil die Verfügungsbeklagte gegen das Teilurteil vom 11.11.2015 Berufung eingelegt hat (Az: 7 Sa 1815/15), bestehen die Einschränkungen im Ehrenschutz fort. Darüber hinaus ist das Schreiben „Bitte um Information“ Gegenstand des Beschlussverfahrens Az: 1 BV 21/15, welches ebenfalls noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
913. Die Verfügungsbeklagte hat mit dem an den ehemaligen Geschäftsführer E übermittelten Schreiben „Bitte um Information“ keine Interessen außerhalb des Ausgangsverfahrens verfolgt.
92a) Ehrenschutzklagen sind nicht ausgeschlossen, wenn die beanstandeten Äußerungen zur Durchsetzung von Interessen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden und der Äußernde in einer außergerichtlichen Kampagne an die Öffentlichkeit tritt. Der Ausschluss der Ehrenschutzklage gegenüber dem Prozessgegner stellt sich nämlich als einschneidende Beschränkung des Ehrenschutzes dar, die nur mit der besonderen Interessenlage anlässlich eines laufenden oder im Hinblick auf ein konkret bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren gerechtfertigt werden kann. Das Interesse des Äußernden daran, seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem anhängigen oder künftigen Verfahren führen oder vorbereiten zu können, ohne sich damit einem Ehrenschutzverfahren auszusetzen, ist nicht betroffen, wenn er mit solchen Beschränkungen für eine Verfolgung seiner Angelegenheit außerhalb eines Verfahrens durch öffentliche Angriffe, Rundschreiben und Ähnliches belastet wird (vgl. BGH vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03 – a.a.O.).
93b) Weder das Schreiben „Bitte um Information“ an I2 E, noch der vom Verfügungskläger behauptete Weg der Übermittlung dieses Schreibens lassen darauf schließen, dass es der Verfügungsbeklagten um eine Verfolgung ihrer Angelegenheit außerhalb des Verfahrens Az: 2 Ca 553/15 ging.
94aa) So handelt es sich bei I2 E schon nicht um einen außenstehenden Dritten. Als ehemaliger Geschäftsführer der Firma E sowie jetziger Mitgeschäftsführer der Firma I3 E1 GmbH als Gesellschafterin der Firma E liegt ein enger Bezug zur Firma E vor.
95Es besteht zudem eine Verbindung des ehemaligen Geschäftsführers E zu dem zwischen der Verfügungsbeklagten und der Firma E geführten Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15. Denn die Verfügungsbeklagte sah den ehemaligen Geschäftsführer als Zeugen zur Bestätigung ihres Sachvortrags, weshalb sie das Schreiben „Bitte um Information“ an ihn richtete. Das Herantreten einer Partei an mögliche Zeugen für ihr Vorbringen – auch im schriftlichen Weg – kann in der Regel nicht als Herantreten an die Öffentlichkeit gewertet werden.
96bb) Ebenso lässt der vom Verfügungskläger behauptete Weg der Übermittlung des Schreibens „Bitte um Information“ an I2 E und zurück an die Verfügungsbeklagte nicht auf einen öffentlichen Angriff der Verfügungsbeklagten auf den Verfügungskläger schließen.
97Unabhängig von dem Bestreiten dieses Vorbringens durch die Verfügungsbeklagte, der Frage der Zulässigkeit des Bestreitens und der fehlenden Glaubhaftmachung durch den Verfügungskläger liegt in der behaupteten Art der Übermittlung keine öffentliche Bekanntmachung des Inhalts ihres Schreibens. Allein der Umstand, dass der Inhalt des Schreibens bei der Übermittlung möglicherweise dem Lagermitarbeiter U sowie Q T, der ebenfalls Mitgeschäftsführer der Firma I3 E1 GmbH ist, zur Kenntnis gelangte, reicht nicht aus, um eine „öffentliche Kampagne“ annehmen zu können.
98Die Verfügungsbeklagte hat das Schreiben „Bitte um Information“ nicht wahllos oder in größerem Stil im Betrieb verteilt, so dass nicht darauf geschlossen werden kann, die Verfügungsbeklagte habe allein durch die gewählte Art der Übermittlung einen möglichst großen Personenkreis von ihren Äußerungen in Kenntnis setzen wollen. Es ist auch nicht ersichtlich, welchen anderen Weg der Übermittlung die Verfügungsbeklagte hätte wählen sollen. Wenn der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte auf das Faxgerät im Betriebsratsbüro verweist, so handelt es sich bei der Beschaffung von Informationen für einen Individualrechtsstreit nicht um eine Betriebsratsangelegenheit. Die Verfügungsbeklagte war deshalb nicht berechtigt, die Sachmittel des Betriebsrats zur Verfolgung ihrer individuellen Interessen zu nutzen.
99Selbst wenn das Verhältnis zwischen dem Verfügungskläger und dem ehemaligen Geschäftsführer E angespannt gewesen sein sollte, so war die Verfügungsbeklagte dennoch nicht gehindert, sich mit ihrem Schreiben an I2 E zu wenden. Dass die Verfügungsbeklagte mit ihrem Schreiben allein bezweckte, dem Verfügungskläger Unannehmlichkeiten zu bereiten, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht bereits, dass sie mit ihrem Schreiben auch um Erteilung konkreter Informationen für die Verfolgung ihrer Ansprüche in dem Verfahren Az: 2 Ca 553/15 nachsuchte.
1004. Der Verfügungskläger ist nicht als ein außerhalb des Ausgangsverfahren Az: 2 Ca 553/15 stehender Dritter anzusehen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Einschränkung des Äußerungsprivilegs im Prozess ausscheidet.
101a) Eine Ehrenschutzklage in der Regel auch dann unzulässig, wenn der Vortrag Dritte betrifft, die an dem Prozess formal nicht beteiligt sind, deren Verhalten aber aus der Sicht des Äußernden für die Darstellung und Bewertung des Streitstoffs von Bedeutung sein kann. Das Äußerungsprivileg kann jedoch unter besonderen Umständen nicht in Betracht kommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist, diese auf der Hand liegend falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen (vgl. BVerfG vom 16.03.1999 – 1 BvR 734/98 – NJW 2000, 199; BGH vom 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – a.a.O.; LAG Hamm vom 21.02.2008 – 8 Sa 1736/07 – a.a.O.).
102b) Der Verfügungskläger ist schon nicht als Dritter anzusehen. Er ist Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Firma E und damit gesetzlicher Vertreter der Beklagten in dem Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15. Allein der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte in dem Schreiben „Bitte um Information“ den Verfügungskläger persönlich erwähnt, lässt ihn nicht zu einem am Verfahren Az: 2 Ca 553/15 nicht beteiligten Dritten werden.
1035. Die Unterlassungsklage ist nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die auf den Verfügungskläger bezogenen Äußerungen in dem Schreiben „Bitte um Information“ erwiesen unwahr sind oder reine Schmähkritik ohne Bezug zum Ausgangsverfahren darstellen.
104a) Die Einschränkung von Ehrenschutzklagen gilt grundsätzlich auch für prozessbezogene Äußerungen, die sich auf das Verhalten der Gegenpartei beziehen. Die Zulässigkeit einer Ehrenschutzklage bei Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem schwebenden Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, wird allenfalls bei bewusst oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen oder reiner Schmähkritik ohne erkennbaren Bezug zum Ausgangsverfahren erwogen (vgl. BVerfG vom 25.09.2006 – 1 BvR 1898/03 – a.a.O.; OLG Hamm vom 03.12.2012 – I-13 U 178/11, 13 U 178/11 – a.a.O.).
105aa) Die auf den Verfügungskläger bezogenen Äußerungen der Verfügungsbeklagten in dem Schreiben „Bitte um Information“ sind nicht auf der Hand liegend falsch und offensichtlich unwahr.
106Die Kammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei den Äußerungen zu 1b) bis 1f) um Werturteile und damit Meinungsäußerungen handelt. Diese pauschal gehaltenden Äußerungen stellen Bewertungen des Verhaltens der Gegenpartei im geführten Rechtsstreit aus Sicht der Verfügungsbeklagten dar. Sie sind durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt und keinem Beweis zugänglich.
107Die Äußerung der Verfügungsbeklagten, die dem Antrag zu 1a) zugrunde liegt, enthält eine Tatsachenbehauptung. Diese ist jedoch nicht offensichtlich unwahr. Die Verfügungsbeklagte durfte davon ausgehen, dass ihr die Firma E, vertreten durch den Verfügungskläger, unterstellt, das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 des Zeugen I1 gefälscht zu haben.
108Der Schriftsatz der Firma E in dem einstweiligen Verfügungsverfahren Az: 2 Ga 10/15 schließt mit folgenden Ausführungen: „Vor diesem Hintergrund wird bestritten, dass das von der Klägerin als Anlage K2 vorgelegte Zeugnis tatsächlich zum angegebenen Datum von dem Zeugen I1 ausgestellt worden ist.“ Diesen Vortrag konnte und durfte die Verfügungsbeklagte dahingehend verstehen, dass ihr die Firma E unterstellt, das im Prozess vorgelegte Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 gefälscht zu haben. Denn wenn es nicht der als Aussteller genannte ehemalige Vorgesetzte I1 erteilt haben soll, wer – wenn nicht die Verfügungsbeklagte, die sich auf dieses beruft - sollte das Zwischenzeugnis sonst erstellt haben?
109bb) Die streitgegenständlichen Äußerungen in dem Schreiben „Bitte um Information“ stellen auch keine unzulässigen Schmähungen des Verfügungsklägers ohne Bezug zum Ausgangsrechtsstreit dar.
110(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der „Schmähkritik“ eng auszulegen. Von einer Schmähkritik kann deshalb nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hierbei ist nicht nur isoliert die Aussage zu erfassen, sondern auch der Zusammenhang, in dem diese aufgestellt wurde (vgl. BGH vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 – NJW 2000, 1036; BGH vom 29.01.2002 – VI ZR 20/01 – NJW 2002, 1192; BGH vom 11.12.2007 – VI ZR 14/07 – a.a.O.).
111(2) Alle streitgegenständlichen Äußerungen beziehen sich auf die gerichtliche Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht Herford. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens „Bitte um Information“.
112Mit dem Schreiben „Bitte um Information“ hat die Verfügungsbeklagte den ehemaligen Geschäftsführer E um Unterstützung ersucht. In dem Schreiben schildert sie den Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Firma E, den Streit über das Zwischenzeugnis vom 22.12.1997 und ihre Empörung über das aus ihrer Sicht unredliche Prozessverhalten der Gegenseite. Im diesem Kontext hat sie die in diesem Verfahren gegenständlichen Äußerungen getätigt.
113(a) Hierbei stellt die Äußerung zu 1a) stellt schon nach Form und Inhalt keine Schmähkritik dar.
114(b) Die Äußerungen zu 1b) und 1c) haben zum Gegenstand, dass die Firma E aus Sicht der Verfügungsbeklagten in dem Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15 bewusst wahrheitswidrig vorgetragen hat, um die von der Verfügungsbeklagten verfolgten Ansprüche zu vereiteln. Die Verfügungsbeklagte bezeichnet dieses Verhalten u.a. als „Lügen und Betrug“, „Erfinden von Lügengeschichten“ und „Um-sich-Schmeißen-mit-Schmutz zur Umgehung der Mitarbeiterrechte“. Letztlich handelt es sich bei diesen Äußerungen um eine polemische Wertung des Prozessverhaltens ihres Gegners als (versuchter) Prozessbetrug. Vom anhängigen Rechtsstreit unabhängige persönliche Angriffe auf den Verfügungskläger liegen darin nicht.
115Darüber hinaus lassen sich die Äußerungen zu 1b) und 1c), wie das Arbeitsgericht richtig gesehen hat, nicht einmal eindeutig dem Verfügungskläger zuordnen. In dem Schreiben „Bitte um Information“ werden neben dem Verfügungskläger die Firma E, Frau T4 und Rechtsanwalt Dr. I4 erwähnt. Der Verfügungskläger ist in den Äußerungen zu 1b) und 1c) nicht ausdrücklich genannt. In der Äußerung zu 1c) ist allgemein von „man“, in dem der Äußerung zu 1b) vorausgehenden Absatz ist von „sie“ (Mehrzahl) die Rede.
116(c) Die Äußerungen zu 1d) bis 1f) hingegen beziehen sich hingegen eindeutig auf den Verfügungskläger.
117Mit diesen unterstellt die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger Desinteresse am Ruf der Firma E, Hinwegsetzen über Recht und Gesetz und die Weitergabe unlauterer Machenschaften an seine zur gerichtlichen Vertretung nicht qualifizierte Sekretärin.
118Auch die Äußerungen zu 1d) bis 1f) sind überspitzt formuliert. Dem Verfügungskläger werden mangelnde Gesetzestreue und unlautere Machenschaften vorgeworfen. Diese Äußerungen sind ehrverletzend, stellen allerdings keine von der Auseinandersetzung in der Sache völlig losgelöste Schmähkritik dar. Denn auch diese Äußerungen beziehen sich auf das prozessuale Verhalten des Verfügungsklägers als Geschäftsführer der Firma E im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung. Da die Verfügungsbeklagte, wie sie in dem Schreiben „Bitte um Information“ ausführt, davon ausgeht, die Klage zu gewinnen, wertet sie das Bestreiten ihrer Ansprüche durch den Verfügungskläger als Parteivertreter als unlauter, rechts- und gesetzeswidrig und rufschädigend für die Firma E. Eine vom Ausgangsverfahren losgelöste Diffamierung des Verfügungsklägers liegt darin nicht.
119b) Ein anderer Maßstab ist nicht deshalb zugrunde zu legen, weil die Verfügungsbeklagte Mitglied des bei der Firma E gebildeten Betriebsrats ist. Da es sich bei dem Rechtsstreit Az: 2 Ca 553/15 um einen Individualrechtsstreit der Verfügungsbeklagten gegen die Firma E handelt, sind betriebsverfassungsrechtliche Pflichten der Verfügungsbeklagten nicht von Bedeutung. Von daher ist auch der im Jahr 2000 vor dem Arbeitsgericht Herford in dem Beschlussverfahren Az: 1 BV 15/00 geschlossene Vergleich nicht maßgeblich, da sich aus dessen Regelungen allenfalls betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen für die Beteiligten als Betriebsparteien ergeben könnten.
1206. Da die Verfügungsklage nach alledem unzulässig ist, hat das Arbeitsgericht zu Recht die Verfügungsklage abgewiesen, so dass auch die Berufung des Verfügungsklägers zurückzuweisen war.
121III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.
122IV. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG bei Entscheidungen über Berufungen im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zulässig.