Milieuschutz in Deutschland – Einführung, aktuelle Rechtsprechung und Praxishinweise
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Gliederung
A. Gesetzlicher Rahmen und Zweck des Milieuschutzes
B. Festsetzung sozialer Erhaltungsgebiete
C. Genehmigungspflichten bei baulichen Maßnahmen
D. Milieuschutz, Umwandlung und kommunales Vorkaufsrecht
E. Antragsverfahren und Sanktionen (Bußgeld, Rückbau)
F. Praktische Hinweise für Eigentümer, Käufer und Mieter
G. Häufige Fragen (FAQ)
H. Ausblick
Die Gliederung folgt dem in juristischen Arbeiten üblichen Aufbauschema mit wenigen, klar hierarchischen Ebenen.
A. Gesetzlicher Rahmen und Zweck des Milieuschutzes
I. Rechtsgrundlagen
Kernnorm ist § 172 BauGB in der Fassung 2025. Die Vorschrift erlaubt der Gemeinde, durch Erhaltungssatzung Gebiete zu bezeichnen, in denen der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen (und in bestimmten Fällen auch die Errichtung) der Genehmigung bedürfen. Für den Milieuschutz ist § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB maßgeblich: Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.
Die Genehmigungsvoraussetzungen, das Verfahren und der Übernahmeanspruch des Eigentümers regelt § 173 BauGB. Dort ist auch vorgesehen, dass bei baugenehmigungspflichtigen Vorhaben die erhaltungsrechtliche Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde „im Einvernehmen mit der Gemeinde“ erteilt wird.
Flankiert wird das Milieuschutzrecht heute vom bundesrechtlichen Umwandlungsregime des § 250 BauGB („Umwandlungsbremse“) für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt, das sich teilweise mit Milieuschutzgebieten überschneidet.
II. Zweck: Gebietsschutz, nicht Einzelfallmieterschutz
Die Soziale Erhaltungssatzung ist kein „Super-Mieterschutz“. Sie schützt keinen konkreten Mietervertrag, sondern die soziale Struktur eines Gebietes – also die typische Zusammensetzung der Bewohnerschaft. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 2004 betont, dass die Regelungen in erster Linie städtebaulich motiviert sind und nicht das Mietrecht verdoppeln sollen.
Die Literatur bringt das auf den Punkt: Milieuschutz ist ein städtebauliches Instrument zur Dämpfung von Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen, nicht zur Einfrierung einzelner Mieten.
Für die Praxis heißt das: Entscheidend ist stets, ob eine Maßnahme typischerweise geeignet ist, Verdrängungsdruck im Gebiet zu erzeugen, nicht ob im konkreten Einzelfall gerade ein bestimmter Mieter auszieht.
B. Festsetzung sozialer Erhaltungsgebiete
I. Anforderungen an Satzung und Begründung
Die Erhaltungssatzung muss ein abgegrenztes Gebiet bestimmen (regelmäßig anhand eines Plans) und in der Begründung plausibel darlegen, dass ohne die Satzung eine unerwünschte Veränderung der Gebietsbevölkerung zu erwarten ist.
Dazu gehören etwa:
· starker Aufwertungsdruck,
· deutlich steigende Mieten,
· Modernisierungs- und Umwandlungswellen,
· besondere Verwundbarkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen.
Die Rechtsprechung verlangt eine nachvollziehbare Prognose. Fehlen belastbare Grundlagen, ist die Satzung oder deren Erweiterung angreifbar.
II. Beispiel: OVG Berlin-Brandenburg „Hornstraße / Riehmers Hofgarten“
Ein prominentes aktuelles Beispiel ist das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2024 (OVG 10 A 14.20). Das Gericht erklärte die Erweiterung der Erhaltungsverordnung „Hornstraße“ in Berlin-Kreuzberg um einen weiteren Baublock (u. a. Riehmers Hofgarten) wegen fehlerhafter Abgrenzung und unzureichender Begründung für unwirksam.
Die Entscheidung zeigt: Milieuschutzsatzungen sind kein „Freifahrtschein“. Eigentümer können sich mit Normenkontrollklagen erfolgreich gegen überdehnte oder schlecht begründete Gebietsabgrenzungen wehren.
C. Genehmigungspflichten bei baulichen Maßnahmen
I. Was ist genehmigungspflichtig?
Im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung bedürfen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich der Genehmigung:
1. Rückbau (Abbruch oder Teilabbruch),
2. bauliche Änderung,
3. Nutzungsänderung.
Die Kommunen (München, Hamburg, Freiburg u. a.) präzisieren das mit Genehmigungskriterien und Merkblättern. Typisch genehmigungspflichtig sind: Grundrissänderungen, Zusammenlegung von Wohnungen, Einbau von Aufzügen, umfangreiche Bad- und Küchenmodernisierungen, energetische Modernisierungen sowie die Umnutzung von Wohn- in Gewerberaum.
Wichtig: Die Genehmigungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Wohnung vermietet, leerstehend oder selbst genutzt ist. Das wird in Verwaltungshinweisen ausdrücklich klargestellt.
II. Abgrenzung: Instandhaltung vs. aufwertende Modernisierung
Genehmigungsfrei sind bloße Instandsetzungen, die nur den bisherigen Standard erhalten (z. B. Austausch defekter Leitungen ohne Standardanhebung). Modernisierungen, die den Wohnwert verbessern, können dagegen genehmigungspflichtig sein, weil sie Mieterhöhungen ermöglichen und damit Verdrängungsdruck erzeugen können.
Die aktuelle Rechtsprechung hat den Maßstab in den letzten Jahren konkretisiert:
· OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.05.2012 – OVG 10 B 9.11: Nachträgliche Aufzugshaltestellen in einem Pankower Altbau sind trotz Milieuschutz genehmigungsfähig, wenn sie Wohnungen nur auf einen zeitgemäßen Ausstattungsstandard heben.
· VG Berlin, Urteile vom 02.04.2025 – VG 19 K 17/22 und 19 K 351/23: Wandhängende WCs, Handtuchheizkörper in Standardausführung und Balkone (4 m²) stellen heute den Standard mittlerer Wohnverhältnisse dar und sind daher regelmäßig genehmigungsfähig.
Die Entscheidungen markieren einen spürbaren Schwenk zugunsten zeitgemäßer, aber „normaler“ Ausstattung.
III. Eigentümer-Selbstnutzung und der „niemand wird verdrängt“-Gedanke
Hier wird es dogmatisch spannend – und praktisch oft missverstanden.
Die Überlegung aus Eigentümersicht – ich verdränge doch niemanden, ich modernisiere für mich, mit meinem Geld, in meiner Wohnung. Warum soll das denn die Nachbarn oder die Ämter stören? – ist plausibel. Aber Gesetz- und Verordnungsgeber und auch die Rechtsprechung sehen das anders.
Für die Frage der Genehmigungspflicht kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall gerade ein konkreter Mieter verdrängt wird. Maßgeblich ist, ob die Maßnahme typischerweise geeignet ist, das Gebiet aufzuwerten und mittelbar Verdrängungsdruck zu erzeugen.
Und die Selbstnutzungsabsicht kann jederzeit aufgegeben werden. Die Wohnung kann dann neu vermietet oder verkauft werden, ohne dass nochmals eine erhaltungsrechtliche Prüfung stattfindet. Damit ergäben sich vielfältige Umgehungsmöglichkeiten. Genau hier setzt der – typisierende – Ansatz von § 172 BauGB an.
D. Milieuschutz, Umwandlung und kommunales Vorkaufsrecht
I. Umwandlung: § 172 Abs. 4 BauGB und § 250 BauGB
Schon länger kann in sozialen Erhaltungsgebieten durch landesrechtliche Verordnung ein Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum eingeführt werden (klassische „Umwandlungsverordnung“ nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 BauGB).
Seit 2021 existiert zusätzlich § 250 BauGB („Umwandlungsbremse“) für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt. In diesen Gebieten bedarf die Umwandlung von Miet- in Wohnungseigentum grundsätzlich einer Genehmigung; Ausnahmen gelten insbesondere, wenn innerhalb von sieben Jahren nur an Mieter verkauft wird. Der Gesetzgeber hat diese Befristung inzwischen bis Ende 2030 verlängert.
Für Gebiete, in denen Milieuschutz und § 250 BauGB zusammentreffen (z. B. Berlin), entsteht eine doppelte Genehmigungslage, die in der Beratung sehr genau auseinanderzuhalten ist.
II. BVerwG 30.06.2004 – 4 C 1.03: Veräußerung nur an Mieter?
Das Bundesverwaltungsgericht hat 2004 einen Fall entschieden, in dem eine Umwandlungsgenehmigung mit der Auflage erteilt worden war, Wohnungen nur an Mieter zu veräußern. Der Eigentümer wollte an Dritte verkaufen und berief sich auf fehlende Genehmigungsbedürftigkeit, scheiterte damit aber. Das Gericht leitete aus dem Schutzzweck des Milieuschutzes eine weit auszulegende Bindung an die Mieter her.
Die Entscheidung zeigt: Auch im Veräußerungsstadium wirkt Milieuschutz tief in die Privatautonomie ein.
III. Kommunales Vorkaufsrecht und BVerwG 09.11.2021 – 4 C 1.20
Lange nutzten Kommunen das besondere Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB), um Häuser in der Hand gemeinwohlorientierter Erwerber zu halten oder Abwendungsvereinbarungen mit Investoren durchzusetzen.
Mit Urteil vom 09.11.2021 – 4 C 1.20 – hat das BVerwG diese Verwaltungspraxis deutlich eingeschränkt: Das Vorkaufsrecht kann nicht ausgeübt werden, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Kaufvertrags bereits entsprechend den Zielen der Erhaltungssatzung bebaut und genutzt wird; bloße Befürchtungen über eine künftige „entmietende“ Bewirtschaftung reichen nicht.
Der Gesetzgeber versucht derzeit, diese Rechtsprechung durch Neuregelungen wieder teilweise zu korrigieren; die Diskussion ist im Fluss.
E. Antragsverfahren und Sanktionen (Bußgeld, Rückbau)
I. Doppeltes Verfahren: Bauordnungsrecht und Milieuschutz
Typischer Ablauf – im Kern bundesweit ähnlich, mit kommunalen Besonderheiten:
1. Prüfung, ob das Grundstück im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung liegt (Geoportal, Stadtplanungsamt, Bezirksamt).
2. Wenn die Maßnahme baugenehmigungspflichtig ist: Bauantrag bei der Bauaufsichtsbehörde.
3. Zusätzlich (oder integriert) erhaltungsrechtlicher Genehmigungsantrag nach §§ 172, 173 BauGB bei der Gemeinde bzw. dem Stadtentwicklungs-/Stadtplanungsamt.
4. Bei verfahrensfreien Vorhaben nach Bauordnung: trotzdem separat erhaltungsrechtlichen Antrag stellen, wenn Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung vorliegt.
Die Zuständigkeitsverteilung ist je nach Bundesland und Gemeinde unterschiedlich ausgestaltet. In Berlin etwa erteilt das jeweilige Bezirksamt die erhaltungsrechtliche Genehmigung; der Senat hat hierzu einheitliche AV Genehmigungskriterien erlassen.
II. Materielle Prüfung
Die Behörde prüft, ob die Maßnahme:
· zur bloßen Instandsetzung,
· zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards oder
· zu einer darüber hinausgehenden Aufwertung und potentiell verdrängenden Modernisierung führt.
In der Praxis werden Standard- und Höchstausstattungen tabellarisch definiert (z. B. Größe und Anzahl von Balkonen, Ausstattung Bäder, Bodenbeläge, Aufzüge). Die aktuellen Berliner AV sowie Leitlinien anderer Städte (München, Hamburg, Mannheim, Düsseldorf) zeigen eine zunehmende Bereitschaft, „normale“ Modernisierung zuzulassen, Luxussanierungen aber zu untersagen.
III. Was passiert bei ungenehmigten Maßnahmen?
Hier verlässt man schnell den Bereich „lästige Verwaltungsvorschrift“ und landet bei empfindlichen finanziellen Risiken:
1. Ordnungswidrigkeit nach § 213 BauGB
Wer im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung eine bauliche Anlage ohne Genehmigung rückbaut oder ändert, handelt ordnungswidrig (§ 213 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Die Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zu 30.000 Euro geahndet werden.
Viele Städte (z. B. Düsseldorf, Köln) weisen in ihren FAQ ausdrücklich darauf hin, dass ungenehmigte Änderungen, Rückbau oder Nutzungsänderungen im Erhaltungsgebiet eine OWi darstellen.
2. Rückbau- und Wiederherstellungsverfügungen
Unabhängig vom Bußgeld kann die Bauaufsichtsbehörde Rückbau oder Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands anordnen. Das folgt aus allgemeinem Bauordnungsrecht und gilt auch Jahre später; eine starre Verjährung gibt es öffentlich-rechtlich regelmäßig nicht.
In der Praxis bedeutet das: Es drohen nicht nur die (verlorenen) Kosten der ungenehmigten Modernisierung, sondern zusätzlich die Kosten für den Rückbau – etwa die Entfernung eines neu eingebauten Luxusbades oder eines zu großen Balkons.
3. Zivilrechtliche Rückbauansprüche
Parallel dazu können im Wohnungseigentumsrecht und Mietrecht Rückbauansprüche entstehen, wenn in WEG-Anlagen ohne Beschluss, oder in Mietwohnungen ohne Zustimmung des Vermieters umgebaut wurde. Mehrere aktuelle Entscheidungen des BGH und der Instanzgerichte bestätigen, dass ungenehmigte bauliche Veränderungen grundsätzlich zu beseitigen sind.
Ein weiterer Risikoaspekt, der im Alltag gerne verdrängt wird: Es gibt keine Garantie, dass die Nachbarn freundlich bleiben. Viele Verfahren beginnen mit einer schlichten Anzeige beim Bauamt – nicht selten aus dem Hinterhof heraus.
IV. Nachträgliche Genehmigung?
Eine nachträgliche erhaltungsrechtliche Genehmigung ist in vielen Städten möglich und wird in Verwaltungshinweisen ausdrücklich erwähnt. Das ändert aber nichts daran, dass die Durchführung ohne Genehmigung bereits eine Ordnungswidrigkeit darstellen kann und Rückbauverfügungen nicht ausgeschlossen sind, wenn die Maßnahme materiell nicht genehmigungsfähig ist.
F. Praktische Hinweise für Eigentümer, Käufer und Mieter
I. Eigentümer und Selbstnutzer
· Vor jedem Umbau prüfen, ob das Objekt im Erhaltungsgebiet liegt.
· Geplante Maßnahmen frühzeitig schriftlich skizzieren und mit den amtlichen Genehmigungskriterien abgleichen.
· Bei Grenzfällen (z. B. Grundrissänderungen, Zusammenlegung, hochwertige Ausstattung) immer vorher den erhaltungsrechtlichen Antrag stellen – nicht „auf eigene Faust“ bauen.
Gerade bei selbstgenutzten Wohnungen lohnt sich die Beratung: Was heute noch Selbstnutzungsumbau ist, kann morgen zum Vermietungsobjekt werden – und dann wird aus „niemand wird verdrängt“ rasch ein klassischer Gentrifizierungsfall.
II. Käufer
Beim Ankauf in Milieuschutzgebieten sollten notarielle Verträge und Due Diligence Unterlagen stets prüfen:
· Bestehen bauliche Änderungen der letzten Jahre ohne erkennbaren Genehmigungsnachweis?
· Liegen erhaltungsrechtliche Genehmigungen oder bestandskräftige Ablehnungen vor?
· Ist die Umwandlung in Wohnungseigentum bereits erfolgt oder hängt sie noch an § 172/§ 250 BauGB?
· Droht kommunales Vorkaufsrecht, sind Abwendungsvereinbarungen geschlossen worden?
III. Mieter
Für Mieter ist wichtig:
· Milieuschutz verhindert keine Mieterhöhungen im Rahmen der allgemeinen mietenrechtlichen Regelungen.
· Er kann aber bestimmte Modernisierungen (und damit „Luxusmieterhöhungen“) blockieren oder verzögern.
· Mieter können im Genehmigungsverfahren angehört werden (§ 173 Abs. 3 BauGB). In der Praxis lohnt es sich, Unterlagen anzufordern und gegebenenfalls Einwendungen zu erheben.
G. Häufige Fragen (FAQ)
1. Gilt Milieuschutz auch für leerstehende oder selbst genutzte Wohnungen?
Ja. Der Genehmigungsvorbehalt knüpft an das Gebiet, nicht an den Vermietungszustand an. Die Verwaltungshinweise verschiedener Städte stellen ausdrücklich klar, dass auch Leerstand und Selbstnutzung erfasst sind.
2. Brauche ich für eine bloße Badsanierung eine Genehmigung?
Es kommt auf den Standard an. Reine Instandsetzung (defekte Leitungen, gleichwertiger Fliesenersatz) ist genehmigungsfrei. Der Umstieg von uraltem Stand-WC auf wandhängendes WC, Handtuchheizkörper und kleiner Balkon (4 m²) ist nach aktueller VG-Berlin-Rechtsprechung genehmigungsfähig, muss aber im Erhaltungsgebiet gleichwohl beantragt werden.
3. Ich will zwei kleine Wohnungen zu einer Familienwohnung zusammenlegen – geht das?
Wohnungszusammenlegungen werden in den meisten Genehmigungskriterien kritisch gesehen, weil dadurch preisgünstiger Wohnraum verloren geht. Teilweise wurden Zusammenlegungen im Milieuschutz untersagt; die Rechtsprechung ist hier eher restriktiv.
4. Ich habe ohne Genehmigung umgebaut. Was droht mir?
Es drohen Bußgelder bis 30.000 € nach § 213 BauGB und öffentlich-rechtliche Rückbau- oder Wiederherstellungsverfügungen. Die zivilrechtliche Ebene (WEG, Mietrecht) kommt noch dazu. Eine nachträgliche Genehmigung kann helfen, ist aber kein „Freibrief“ und scheitert, wenn die Maßnahme materiell nicht genehmigungsfähig ist.
5. Welche Rolle spielt das Vorkaufsrecht heute noch?
Nach dem BVerwG-Urteil 4 C 1.20 ist die bisherige Praxis vieler Städte deutlich eingeschränkt. Das Vorkaufsrecht greift nicht mehr allein wegen befürchteter zukünftiger „renditeorientierter Bewirtschaftung“, wenn die aktuelle Nutzung den Satzungszielen entspricht. Der Bundesgesetzgeber arbeitet an einer neuen Fassung; die Entwicklung ist zu beobachten.
H. Ausblick
Das Milieuschutzrecht ist kein starres System. Drei Entwicklungen zeichnen sich ab:
1. Präzisere Genehmigungskriterien
Städte wie Berlin, Hamburg, München und andere versuchen, durch detaillierte Kriterienkataloge planbar zu machen, was noch als zeitgemäßer Standard, was schon als luxusnahe Modernisierung gilt. Die jüngsten Entscheidungen des VG Berlin (Hänge-WC, Handtuchheizung, 4-m²-Balkon) markieren einen Wendepunkt: Milieuschutz soll nicht die „zeitgemäße Wohnung“ verhindern, sondern nur Aufwertungen, die typischerweise Verdrängung auslösen.
2. Verknüpfung mit § 250 BauGB und Verlängerung der Umwandlungsbremse
Mit der Verlängerung von § 250 BauGB bis 2030 verschiebt sich ein Teil des Umwandlungsschutzes auf die bundesrechtliche Ebene, unabhängig vom Milieuschutz. Für die Beratungspraxis bedeutet das: Die Schnittstellen zwischen Milieuschutzsatzungen, Umwandlungsverordnungen und § 250 BauGB werden komplexer – und damit rechtlich interessanter.
3. Kontrolle der Milieuschutzsatzungen selbst
Das OVG-Urteil zu „Hornstraße/Riehmers Hofgarten“ zeigt, dass Milieuschutzgebiete rechtlich angreifbar sind, wenn Prognosegrundlagen und Gebietsabgrenzungen nicht sauber sind. Eigentümer werden diese Spur weiter nutzen, um aus zu weit gezogenen Erhaltungsgebieten herauszukommen.
Für Eigentümer, Käufer und Mieter in Milieuschutzgebieten bleibt damit ein klares Fazit: Milieuschutz ist kein abstraktes Schlagwort, sondern ein technisch komplexes Instrument mit handfesten Folgen – positiv wie negativ - und manchmal beides, ja nach Perspektive. Wer größere Umbauten, Umwandlungen oder Verkäufe plant, fährt besser, wenn er die städtebauliche Brille der Verwaltung von Anfang an mitdenkt und nicht erst, wenn der Rückbau-Bescheid im Briefkasten liegt.
Wenn Sie ein Vorhaben in einem (möglichen) Milieuschutzgebiet planen, empfiehlt es sich, die Unterlagen (Grundriss, Baubeschreibung, Fotos, Satzungsauszug) frühzeitig zusammenzustellen und rechtlich durchsehen zu lassen. So lassen sich Spielräume nutzen, Risiken begrenzen – und teure Überraschungen vermeiden.
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(1) Die Gemeinde kann in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen
- 1.
zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (Absatz 3), - 2.
zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Absatz 4) oder - 3.
bei städtebaulichen Umstrukturierungen (Absatz 5)
(2) Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gefasst und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Absatz 1 auf die Durchführung eines Vorhabens im Sinne des Absatzes 1 entsprechend anzuwenden.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn
- 1.
die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient, - 1a.
die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes oder der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 257 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, wenn diese nach § 111 Absatz 1 des Gebäudeenergiegesetzes weiter anzuwenden ist, dient, - 2.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 4.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, - 5.
das Gebäude im Zeitpunkt der Antragstellung zur Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird oder - 6.
sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern; eine Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verkürzt sich um fünf Jahre; die Frist nach § 577a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entfällt.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 darf die Genehmigung nur versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern. Ist ein Sozialplan nicht aufgestellt worden, hat ihn die Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 180 aufzustellen. Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.
(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.
(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.
(1) Sofern Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a Satz 3 und 4 vorliegen und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind, bedarf bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung nach Satz 3 bestanden, die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes der Genehmigung. Das Genehmigungserfordernis nach Satz 1 gilt nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten muss. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. In der Rechtsverordnung nach Satz 3 kann eine von Satz 2 abweichende Anzahl an Wohnungen bestimmt werden; diese Anzahl kann zwischen drei und 15 liegen.
(2) Zuständig für die Genehmigung ist die von der Landesregierung bestimmte Stelle. § 173 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 2.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll, - 4.
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist oder - 5.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist.
(4) Unbeschadet des Absatzes 3 darf eine Genehmigung nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist. Unter der Voraussetzung von Satz 1 kann die Genehmigung mit einer Auflage erteilt werden.
(5) Bei einem Grundstück, das im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Satz 3 liegt, darf das Grundbuchamt die Eintragungen in das Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der Eintragung gilt die Genehmigung als erteilt.
(6) Der Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf ferner
- 1.
die Begründung der in den §§ 30 und 31 des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte, - 2.
die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden, wenn zugleich nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, sowie - 3.
bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden eine im Grundbuch als Belastung einzutragende Regelung nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist.
(7) Diese Vorschrift geht im räumlichen Anwendungsbereich von Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 3 den Rechtsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 4 vor. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn nach Absatz 1 Satz 2 und 6 keine Genehmigungspflicht besteht.
(1) Die Gemeinde kann in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen
- 1.
zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (Absatz 3), - 2.
zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Absatz 4) oder - 3.
bei städtebaulichen Umstrukturierungen (Absatz 5)
(2) Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gefasst und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Absatz 1 auf die Durchführung eines Vorhabens im Sinne des Absatzes 1 entsprechend anzuwenden.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn
- 1.
die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient, - 1a.
die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes oder der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 257 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, wenn diese nach § 111 Absatz 1 des Gebäudeenergiegesetzes weiter anzuwenden ist, dient, - 2.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 4.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, - 5.
das Gebäude im Zeitpunkt der Antragstellung zur Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird oder - 6.
sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern; eine Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verkürzt sich um fünf Jahre; die Frist nach § 577a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entfällt.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 darf die Genehmigung nur versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern. Ist ein Sozialplan nicht aufgestellt worden, hat ihn die Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 180 aufzustellen. Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung wegen der Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle für einen Aufzug zum Treppenraum eines bestehenden Wohngebäudes, dessen Dachgeschoss nachträglich zu Wohnzwecken ausgebaut wurde.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks S... Straße ... in Berlin-Pankow, das in der Nähe des Arnimplatzes am Prenzlauer Berg nördlich des Berliner S-Bahn-Rings liegt. Es ist mit einem Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten sechsgeschossigen Wohngebäude (fünf Vollgeschosse bestehend aus einem Erdgeschoss und vier Obergeschossen sowie zusätzlich einem Dachgeschoss) bebaut. Das Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, aber im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung gemäß § 172 BauGB für das Gebiet „Arnimplatz“ im Bezirk Prenzlauer Berg von Berlin vom 23. März 1999. Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung bedürfen nach § 2 der Erhaltungsverordnung der Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung.
Die Klägerin teilte die Wohnungen des Gebäudes auf und veräußerte das Sondereigentum an einem Teil der Wohnungen an Dritte. Im Mai 2008 beantragte sie eine Baugenehmigung unter anderem zum nachträglichen Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und zur Errichtung eines Aufzuges an der hofseitigen Außenwand des Gebäudes. Nach den am 30. Mai 2008 eingereichten (ausgetauschten) Bauvorlagen wurden Haltestellen des Aufzuges zum Treppenraum des Erdgeschosses und zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss zur Erschließung des Dachgeschosses beantragt. Der Personenaufzug hat nach den Bauvorlagen einen Fahrkorb mit einer Grundfläche von 0,80 m x 1,10 m.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte der Beklagte der Klägerin die Baugenehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses des Gebäudes zu Wohnzwecken und zur Errichtung des Aufzugs mit Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses sowie zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss.
Während der Bauausführung, bei der das Dachgeschoss ausgebaut und der Aufzug errichtet wurde, beantragte die Klägerin am 10. November 2009 eine Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 für die Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle des Aufzugs zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss.
Am 6. April 2010 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung ab. Der Einbau einer weiteren Haltestelle zum Zwecke der zusätzlichen Erreichbarkeit der Bestandswohnungen mit dem Aufzug sei bauordnungsrechtlich nicht vorgeschrieben. Er sei geeignet, die Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung zu gefährden. Die zusätzliche Erreichbarkeit der oberen Geschosse mittels Aufzugs sei mit einer Aufwertung der Wohnungen und möglicherweise mit einer Anhebung der Mieten verbunden, wodurch die Gefahr bestehe, dass für Einkommensschwache und Durchschnittsverdiener kein angemessener Wohnraum zur Verfügung stehe.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem am 29. Juni 2011 zugestelltem Urteil (Grundeigentum 2011, 958, juris) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2010 verpflichtet, der Klägerin die beantragte Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 - Bau einer zusätzlichen Haltestelle für den Aufzug - zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Dem Vorhaben stünden keine erhaltungsrechtlichen Vorschriften entgegen. Die erhaltungsrechtliche Genehmigung sei gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zu erteilen. Es sei davon auszugehen, dass die aktuell geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen den Standard umschrieben, bei dem die Genehmigung grundsätzlich zu erteilen sei. Der Bau des zusätzlichen Fahrstuhlausstieges zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss diene unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 4 BauO Bln der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer Wohnung.
Der Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt, die er im Wesentlichen wie folgt begründet hat: Maßgeblich für die Versagung der Baugenehmigung für die nachträgliche Errichtung eines weiteren Haltepunktes des Aufzugs sei gewesen, dass eine nicht vorhandene Erschließung der im Vorderhaus gelegenen Wohneinheiten durch einen Aufzug keinem „Substandard“ gleichzusetzen sei. Ein Personenaufzug stelle auch kein gebietstypisches Ausstattungsmerkmal in der Gegend um das im Jahr 1905 errichtete fünfgeschossige Wohngebäude dar. Die Anhebung des Ausstattungsstandards durch die Maßnahme führe zu erheblichen Mietsteigerungen, welche die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung bewirken könnten. Dies ergebe sich vor allem aus der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt veröffentlichten Berliner Betriebskostenübersicht, nach der die Betriebskosten eines Aufzuges monatlich 0,26 € pro qm der Wohnung betrügen. Bei künftiger Neuvermietung stünden die Wohnungen Gering- und Durchschnittsverdienern nicht mehr zur Verfügung. Der eingebaute Aufzug erfülle wegen seiner geringen Fahrkorbmaße auch nicht die bauordnungsrechtlichen Anforderungen des § 39 Abs. 4 und 5 BauO Bln. Zudem stehe der Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung entgegen, dass die mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte Baugenehmigung formell bestandskräftig sei.
Der Beklagte beantragt,
das ihm am 29. Juni 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Berufung sei unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO genüge. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung finde nicht statt.
Die Berufung sei zudem unbegründet. Die Ausführungen des Beklagten seien nicht geeignet, die Begründung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern. Der Rückschluss, dass Aufzüge nicht zu dem allgemein üblichen Ausstattungsstandard gehörten, weil diese bei der überwiegenden Anzahl der um das Jahr 1905 errichteten fünfgeschossigen Wohngebäude in dem in Rede stehenden Gebiet nicht vorhanden seien, gehe an der Sache vorbei. Er sei auf den Standard abzustellen, der bei Neubauten gelte. Der Gesetzgeber nehme Mieterhöhungen und ggf. dadurch bedingte Verdrängungseffekte hin. Der Umstand, dass der Aufzug die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 5 BauO Bln nicht vollständig erfülle, sei nicht entscheidend, da er gleichwohl erhebliche Vorteile zur Förderung des Gesetzeszweckes biete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der Entscheidungsbildung gemacht worden.
Gründe
I.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) des Beklagten ist zulässig.
Die Berufung ist fristgerecht (§ 124a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VwGO) eingelegt und begründet worden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin genügt die Berufungsbegründung noch den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Sie hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2008 - BVerwG 10 B 3.08 -, juris Rn. 3). Ein Berufungsführer genügt grundsätzlich seiner gesetzlichen Pflicht, wenn er in der Berufungsbegründung an seiner in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hinreichend konkret erläuterten Auffassung festhält und dadurch zum Ausdruck bringt, dass er von den gegenteiligen Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht überzeugt ist. Entspricht die Berufungsbegründung diesen Anforderungen, so macht sie auch ohne eine Detailkritik an den Gründen der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen an dem verfolgten Rechtsschutzziel festgehalten wird und erfüllt damit die der Berufungsbegründung zukommende Funktion, die übrigen Beteiligten und das Berufungsgericht über die zur Stützung des Berufungsbegehrens maßgeblichen Gründe zu unterrichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2012 - BVerwG 9 B 71/11 -, juris Ls. und Rn. 3). Welche Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung sich aus diesen Grundsätzen ergeben, hängt im Wesentlichen von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (BVerwG, Urteil vom 23. April 2001 - BVerwG 1 C 33.08 -, BVerwGE 114, 155, juris Rn 10; Beschluss vom 16. Februar 2012 - BVerwG 9 B 71.11 -, juris Rn. 5).
Den vorgenannten Anforderungen genügt die in der Berufungsschrift des Beklagten vom 29. August 2011 enthaltene Begründung noch. Er bringt dort hinreichend zum Ausdruck, weshalb das angefochtene Urteil zum Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung nach seiner Auffassung unrichtig ist und geändert werden muss. Mit seinen Ausführungen, wonach für die Versagung der Baugenehmigung maßgeblich gewesen sei, dass eine nicht vorhandene Erschließung der im Vorderhaus gelegenen Wohneinheiten durch einen Aufzug kein „Substandard“ sei, ein Personenaufzug kein gebietstypisches Ausstattungsmerkmal darstelle und der Aufzug bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen nicht erfülle sowie die Maßnahme zu erheblichen Mietsteigerungen führe, welche die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung bewirken könnten, macht er hinreichend deutlich, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an seiner in der Klageerwiderung vom 17. Juni 2010 konkret erläuterten Auffassung festhält. Er stellt damit klar, dass er von der gegenteiligen Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht überzeugt ist. Er kritisiert dabei ausdrücklich die Gründe des angefochtenen Urteils, nach dem aufgrund § 39 Abs. 4 BauO Bln ein Indiz bestehe, dass ein Aufzug zur zeitgemäßen durchschnittlichen Ausstattung eines mehr als viergeschossigen Gebäudes gehöre. Er setzt sich mit diesen Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils auseinander und beanstandet unter Berücksichtigung eines Urteils des Bundesgerichtshofs, dass die Kosten für den zweiten Haltepunkt nur auf ganz wenige Wohnungen zu verteilen seien, was für die Mieter dieser Wohnungen erhebliche finanzielle Belastungen darstellen dürfte. Eine darüber hinausgehende substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verlangt § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, anders als die Klägerin meint, nicht. Insbesondere verlangt diese Norm nicht, dass der Berufungsführer im Einzelnen auf die Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils eingeht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2005 - BVerwG 10 B 4.05 -, juris Rn. 5).
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, die beantragte Nachtragsgenehmigung zur Baugenehmigung vom 21. Juli 2008 zu erteilen. Die Ablehnung der Nachtragsbaugenehmigung ist rechtswidrig und die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt. Sie hat gemäß § 71 Abs. 1 BauO Bln (vom 29. September 2005, GVBl. S. 495, zuletzt geändert durch ÄndG vom 29. Juni 2011, GVBl. S. 315) i.V.m. § 172 Abs. 4 Satz 1 und 3 Nr. 1 BauGB in der seit 20. Juli 2004 gültigen Fassung (BGBl. I, S. 2414) einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Errichtung eines Aufzugs an dem sechsgeschossigen Wohngebäude mit den begehrten Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses, zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss sowie zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Eine Nachtragsbaugenehmigung wird erforderlich, wenn vor oder nach Beginn der Bauausführung das Vorhaben gegenüber den ursprünglichen genehmigten Plänen verändert durchgeführt werden soll. Mit einer Nachtragsbaugenehmigung („Tekturgenehmigung“), bei der es sich in der rechtlichen Terminologie um eine Baugenehmigung i.S.d. § 71 Abs. 1 BauO Bln handelt, können kleinere modifizierende Änderungen eines bereits genehmigten, aber nicht vollständig ausgeführten Vorhabens zugelassen werden, die das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berühren (vgl. Knuth in: Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer/Broy-Bülow, BauO Bln, 6. Aufl. 2008, § 71 Nr. 7 m.w.N., Simon/Busse, BayBauO, Stand Februar 2012, Art. 68 Rn. 110 f.). Eine bereits erteilte Baugenehmigung kann daher durch eine Nachtragsgenehmigung ergänzt oder geändert werden, soweit dadurch das Vorhaben nicht in seinem Wesen verändert wird. Die Nachtragsbaugenehmigung, bei der das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt Gegenstand der rechtlichen Prüfung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 -,Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329, juris Rn. 15), ist ein akzessorischer Verwaltungsakt, der von der Wirksamkeit der zugrunde liegenden, ursprünglich erteilten Baugenehmigung abhängt und diese modifiziert, also mit dieser eine einheitliche Baugenehmigung bildet (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Mai 2004 - OVG 10 A 1476.04 -, BRS 67 Nr. 169, juris Rn. 7; Knuth, a.a.O.).
Die von der Klägerin begehrte und ausweislich der Ausführungen des Beklagten im Bescheid vom 9. Juni 2010 während der Bauausführung im Wege einer Nachtragsbaugenehmigung beantragte zusätzliche Haltestelle des Aufzugs zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Obergeschosses des Wohngebäudes modifiziert den mit Bescheid vom 21. Juli 2008 genehmigten Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Errichtung eines Aufzuges, ohne das Vorhaben in seinem Wesen zu verändern. Die Änderung ist daher der Nachtragsbaugenehmigung zugänglich. Da eine solche auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der ursprünglichen Baugenehmigung erteilt werden kann (vgl. Simon/Busse, a.a.O., Art. 68 Rn. 116) ist es entgegen der Ansicht des Beklagten unerheblich, dass die mit Bescheid vom 21. Juli 2008 erteilte Baugenehmigung formell bestandskräftig ist.
2. Die Nachtragsbaugenehmigung ist nach § 71 Abs. 1 BauO Bln zu erteilen, denn dem Bauvorhaben zur Errichtung eines Aufzuges an dem Wohngebäude mit Haltestellen zum Treppenraum des Erdgeschosses, sowie zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss und zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss stehen keine nach § 64 BauO Bln zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen.
a. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Errichtung der Aufzugsanlage nach § 60 Abs. 1 BauO Bln einer Baugenehmigung bedarf. Zwar sind Anlagen der technischen Gebäudeausstattung (vgl. §§ 39 f. BauO Bln), wozu auch Aufzüge gehören, nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 c) BauO Bln i.d.F. vom 29. September 2005 (nunmehr § 62 Abs. 1 Nr. 2 b) BauO Bln i.d.F. vom 29. Juni 2011, GVBl. S. 315) verfahrensfrei. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Aufzug Teil eines genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens ist (Knuth, a.a.O., § 62 Rn. 13; Simon/Busse, a.a.O., Art. 37 Rn. 13). Dies ist hier der Fall, denn die Errichtung der Aufzugsanlage ist Teil des Gesamtvorhabens u.a. zum genehmigungspflichtigen Ausbau des Dachgeschosses des Gebäudes zu Wohnzwecken.
b. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung zur Errichtung des Aufzuges an dem Wohngebäude mit sechs oberirdischen Geschossen mit den begehrten Haltestellen. Die erhaltungsrechtliche Genehmigung (§ 172Abs. 1 Satz 1 BauGB), über die gemäß § 173 Abs. 1 Satz 2 BauGB hier im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden ist, ist gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 und 3 Nr. 1 BauGB zu erteilen.
aa. Die Errichtung und Änderung der Aufzugsanlage bedarf nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 2 Satz 1 der am 4. April 1999 in Kraft getretenen Erhaltungsverordnung für das Gebiet „Arnimplatz“ vom 23. März 1999 (GVBl. S. 104) einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Das Vorhabengrundstück liegt in einem Gebiet, für das der Beklagte festgelegt hat, dass zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung unter anderem die Änderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedarf. Der Beklagte verfolgt damit das legitime Ziel, die ansässige Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2006 - BVerwG 4 C 9.04 -, BVerwGE 126, 104, juris Rn. 24 und 26). Bei dem Gesamtvorhaben des Ausbaus des Dachgeschosses des Gebäudes S... Straße ... zu Wohnzwecken und der Errichtung einer Aufzugsanlage handelt es sich um die Änderung einer baulichen Anlage i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. dazu näher Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. September 2011, § 172 Rn. 105). Durch die Maßnahme wird zum einen in die bauliche Substanz des vorhandenen Wohngebäudes eingegriffen. Zum anderen ist die Maßnahme vom Umfang her geeignet, die Ziele der Erhaltungsverordnung zu berühren, da insbesondere die Errichtung einer Aufzugsanlage mit Haltestellen zur Erreichung der Wohnungen jedenfalls prinzipiell zu Mieterhöhungen und damit möglicherweise zu einer Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung führen kann.
bb. Die gesetzlichen Gründe, bei deren Vorliegen die erhaltungsrechtliche Genehmigung versagt werden darf, sind in § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB i.V.m. § 2 Satz 2 der Erhaltungsverordnung festgelegt. In den Fällen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Aus der Formulierung folgt im Umkehrschluss, dass die Genehmigung versagt werden darf, wenn die bauliche Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen und wenn eine solche Verdrängung aus besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde. Da das Ziel der Verordnung die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in ihrem Geltungsbereich ist, ist es für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nicht entscheidend, ob durch die konkrete Baumaßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt werden. Es reicht vielmehr aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet ist, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 C 2.97 -, BVerwGE 105, 67, juris Rn. 18).
Bei der Anwendung dieser allgemeinen Regelung ist allerdings einschränkend zu beachten, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 2 Satz 3 der Erhaltungsverordnung einen speziellen Genehmigungsanspruch begründet. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Bei Vorliegen dieses Tatbestandes wird also ein Genehmigungsanspruch ausgelöst (vgl. näher Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 172 Rn. 51; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 172 Rn. 175). Durch das Abstellen auf einen zeitgemäßen Ausstattungszustand wird zum Ausdruck gebracht, dass der für die Genehmigung maßgebliche Ausstattungszustand einer Wohnung im Laufe der Zeit einem Wandel, etwa durch technischen Fortschritt oder gesellschaftliche Entwicklungen, wie z. B. der Veränderung der Bevölkerung nach Altersstruktur, unterworfen ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 172 Rn. 52). Die Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, kein selbständiges Tatbestandsmerkmal der Norm, sondern dient als Indiz zur Ausführung und näheren Bestimmung des Merkmals „zeitgemäßer Ausstattungszustand“. Das Vorliegen bauordnungsrechtlicher Mindestanforderungen hat also Indizwirkung dafür, dass die Änderung der baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer Wohnung dient (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O.). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einen Standard umschreiben, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - BVerwG 4 B 85.04 -, NVwZ 2005, 445, juris Rn. 10).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist bei wertender Betrachtung festzustellen, dass die von der Klägerin beantragte Errichtung des Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude mit den begehrten Haltestellen einschließlich der zum Treppenraum zwischen dem zweiten und dritten Geschoss unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung dient.
Hierfür spricht der Zweck des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB. Der Gesetzgeber hat mit dieser Norm eine Art „Öffnungsklausel“ zur Ermöglichung von Modernisierungen in Form der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes geschaffen. Es soll vermieden werden, dass in Gebieten, in denen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten werden soll, städtebauliche oder bauordnungsrechtliche „Substandards“ bestehen bleiben. Das Ziel, die Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen, kann es nämlich nicht rechtfertigen, vorhandene städtebauliche Missstände oder Substandards in einem Gebiet festzuschreiben; Ziel der Sanierung muss es sein, die Missstände und Substandards zu beheben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - a.a.O., juris Rn. 10; OVG Bln, Urteil vom 10. Juni 2004 - OVG 2 B 3.04 -, BauR 2004, 1775, juris Rn. 41). Daraus folgt, dass das von dem Beklagten als maßgeblich angesehene Abstellen auf den im Erhaltungsgebiet „Arnimplatz“ vorhandenen Zustand der Wohnungsausstattung in den um das Jahr 1905 errichteten fünfgeschossigen Wohngebäuden, nach dem die Erschließung der Wohnungen mittels Aufzugs nicht zu dem allgemein üblichen durchschnittlichen Ausstattungszustand einer Wohnung gehört, der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht hinreichend gerecht wird. Zwar geht aus der vom Beklagten angeführten Studie der TOPOS Stadtforschung (Sozialstruktur und Mietentwicklung in den Milieuschutzgebieten im Bezirk Pankow von Berlin 2010, S. 23, http://www.berlin.de) hervor, dass in dem Gebiet am Arnimplatz wie auch in der Gesamtheit der Milieuschutzgebiete im Bezirk Pankow im Jahr 2005 insgesamt nur 8% der Wohnungen das Ausstattungsmerkmal „Aufzug“ hatten. Das bloße Abstellen auf den im Erhaltungsgebiet vorhandenen Zustand zur Bestimmung des Ausstattungszustandes wird aber dem Umstand nicht gerecht, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht nur eine Bezugnahme auf tatsächliche Verhältnisse („durchschnittliche Wohnung“), sondern zugleich mit der Bezugnahme auf die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen auch ein wertendes Element enthält. Dabei ist nicht auf das Bauordnungsrecht zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes Anfang des 20. Jahrhunderts abzustellen. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einen Standard umschreiben, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004, a.a.O., juris Rn. 10).
Ein Gebäude mit sechs oberirdischen Geschossen - wie das der Klägerin - ist nach den geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen verpflichtend mit einem Aufzug auszustatten. Für Berlin folgt dies aus § 39 Abs. 4 Satz 1 BauO Bln. Danach müssen Gebäude mit mehr als vier oberirdischen Geschossen, das heißt im Allgemeinen ab fünf Geschossen, Aufzüge in ausreichender Zahl haben. Von diesen Aufzügen muss mindestens ein Aufzug Kinderwagen, Rollstühle, Krankentragen und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben (§ 39 Abs. 4 Satz 2 BauO Bln). Obwohl § 39 Abs. 4 Satz 1 BauO Bln nur für neu zu errichtende Gebäude gilt (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 8. November 2006 - OVG 2 B 13.04 -, juris Rn. 21), kann der Norm über § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB die gesetzgeberische Wertung entnommen werden, dass es unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen bei bestehenden Gebäuden mit einer hohen Zahl an Geschossen - jedenfalls bei der hier vorhandenen Zahl von sechs Geschossen - zum zeitgemäßen Ausstattungsstandard einer Wohnung i.S.v. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB gehört, dass die Geschosse des Gebäudes mit einem Aufzug erreicht werden können. Überdies ergibt sich aus § 39 Abs. 4 Satz 2 BauO Bln, dass die einmal ausgelöste Aufzugspflicht nicht auf die oberen Geschosse oder gar das Dachgeschoss beschränkt ist, sondern der Aufzug Haltestellen in allen Geschossen haben muss. Insbesondere um Menschen mit Behinderungen, die einen Rollstuhl benötigen, oder Älteren - vor dem Hintergrund der Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung - eine unabhängige Lebensführung zu ermöglichen, sollen Aufzüge die Zugänglichkeit aller Geschosse ermöglichen oder zumindest erleichtern.
Die vorgenannte, auf § 39 Abs. 4 Satz 1 und 2 BauO Bln beruhende Wertung wird auch durch die geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an Aufzüge in den anderen Bundesländern bestätigt. Danach müssen Gebäude mit einer höheren Zahl an Geschossen einen Aufzug haben. So regelt die für den anderen Teil der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg geltende Norm des § 34 Abs. 5 Satz 1 BbgBO, dass in Gebäuden, in denen der Fußboden eines Aufenthaltsraums mehr als 13 m über der Geländeoberfläche liegt, Aufzüge in ausreichender Zahl eingebaut werden müssen. Ähnliche Regelungen enthalten die Bauordnungen der meisten anderen Bundesländer, nach denen Gebäude mit einer Höhe von mehr als 13 m (vgl. Art. 37 Abs. 4 BayBO, § 37 Abs. 4 Hamburgische BauO, § 33 Abs. 4 Hessische BO, § 39 LBauO M-V, § 39 Abs. 5 Saarländische LBO, § 39 Abs. 4 BO LSA, § 40 Abs. 4 LBO Schleswig-Holstein, § 37 Abs. 4 Thür BO) bzw. mehr als 12,25 m (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Nds BauO) Aufzüge haben müssen. Daraus folgt, dass im Allgemeinen Gebäude mit einer Anzahl von mehr als fünf Geschossen Aufzüge haben müssen (vgl. Simon/Busse, BayBO, a.a.O., Art. 37 Rn. 29). Ähnliche Regelungen haben die Länder Rheinland-Pfalz (§ 36 Abs. 5 LBauO), Sachsen (§ 35 Abs. 5 Sächs BO) und Nordrhein-Westfalen (§ 39 Abs. 6 BauO NRW), die Aufzüge in Gebäuden mit mehr als fünf Geschossen über der Geländeoberfläche fordern, während Bremen bereits für Gebäude mit einer Höhe von mehr als 10,25 m einen Aufzug verlangt (§ 39 Abs. 4 Bremische LBO). Zusammenfassend ergibt sich aus den geltenden Bauordnungen aller Bundesländer, dass Gebäude mit einer höheren Zahl an Geschossen - wie das Gebäude der Klägerin mit sechs oberirdischen Geschossen - verpflichtend einen Aufzug haben müssen.
Da damit die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen für Gebäude mit einer höheren Anzahl von Geschossen eine Verpflichtung zum Einbau eines Aufzuges beinhalten und zudem § 39 Abs. 4 BauO Bln regelt, dass mindestens ein Aufzug Haltestellen in allen Geschossen haben muss, wird ein Standard umschrieben, der erhaltungsrechtlich nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zu berücksichtigen ist. Er hat eine Indizwirkung dahingehend, die gegenwärtigen bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Einbau von Aufzügen in Gebäude einen Standard umschreiben, für den die erhaltungsrechtliche Genehmigung zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist.
Die vorgenannte Bewertung steht mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2004 (a.a.O., juris Rn. 10) im Einklang. Das Bundesverwaltungsgericht führt darin zur Änderung einer baulichen Anlage durch Einbau eines Aufzuges - die Entscheidung nicht tragend - aus: „So mag…die bauordnungsrechtliche bestehende Pflicht zum Einbau eines Aufzuges für Gebäude mit einer höheren Zahl an Stockwerken nicht stets auch die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB rechtfertigen“. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen zu dem bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Einbau von Aufzügen interpretiert das Verwaltungsgericht diese Regel zu Recht der Sache nach dahingehend, dass zwar nicht stets ein Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB für den Einbau eines Aufzuges in Gebäuden mit einer höheren Zahl an Obergeschossen besteht (so aber Lemmel: in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl. 2003, § 172 Rn. 34). Die geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen umschreiben insoweit aber einen Standard, bei dem grundsätzlich eine Indizwirkung für die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB besteht. Im Einzelfall bedarf es allerdings stets einer sorgfältigen Betrachtung und Abwägung, ob aufgrund besonderer Umstände etwas anderes zu gelten hat. Ausnahmen kommen insbesondere in Betracht, wenn der Einbau und Betrieb des Aufzuges für sich genommen oder ggf. im Zusammenwirken mit anderen vorrangegangenen oder gegenwärtigen, die baulichen Anlage ändernden Einzelmaßnahmen oder als Teil einer Gesamtmaßnahme - in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts - eine „ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung“ wäre. Vom Kostenaufwand erheblich von der Regel abweichende Maßnahmen haben nämlich im besonderen Maß das Potenzial, modernisierungsbedingte Mietsteigerungen hervorzurufen und so in erheblichem Maß zur Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung oder zu einer städtebaulich nicht erwünschten Veränderung der Bevölkerungsstruktur beizutragen.Darüber hinaus wird, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch das Ausmaß der Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung durch die Änderung der baulichen Anlage von Bedeutung sein. Dies hat zur Folge, dass bei überdurchschnittlicher Verdrängungsgefahr ausnahmsweise kein Anspruch auf Genehmigung eines Aufzugs mit Haltestellen in allen Geschossen bestehen kann, wenn der Einbau des Aufzuges aufgrund seiner Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken (vgl. in dieser Richtung auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 172 Rn. 190).
In Anwendung dieser Grundsätze ist im Einzelfall der Klägerin davon auszugehen, dass die aufgrund der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen des § 39 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BauO Bln bestehende Indizwirkung für die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht widerlegt wird.
Dass der Bau und der Betrieb des konkreten Aufzuges mit den beantragten Haltestellen eine „ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung“ wäre, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin hat im Bauantrag vom 6. Mai 2008, der einen Dachgeschossausbau, den Bau von Balkonen und den Anbau des Aufzuges zum Gegenstand hatte, die Herstellungskosten für die technischen Anlagen mit insgesamt brutto 32.369 Euro angegeben und die Herstellungskosten für die per Nachtragsgenehmigung beantragte zusätzliche Haltestelle mit 6.545 Euro beziffert. Angesichts des eher bescheidenen Ausmaßes des Fahrkorbes und der bautechnischen Ausführung (Anbau an der Rückseite des Bestandsgebäudes ohne grundlegende Eingriffe in die Bausubstanz) ist auch sonst nicht erkennbar, dass der Einbau des Aufzuges eine ungewöhnlich kostenaufwändige Änderung einer baulichen Anlage ist. Es ist vom Beklagten auch nicht substantiiert dargetan worden oder sonst ersichtlich, dass die Kosten des Betriebs des Personenaufzuges (Betriebsstrom, Beaufsichtigung, Bedienung, Überwachung und Pflege der Anlage, regelmäßige Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Reinigung der Anlage, vgl. § 2 Nr. 7 BetrKV) und die sich daraus ergebenden Belastungen etwa für Wohnungsmieter über die Betriebskosten ungewöhnlich hohe Aufwendungen zur Folge hätten und so geeignet wären, eine hohe Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen. Nach der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt veröffentlichten Berliner Betriebskostenübersicht 2011 (), auf die sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung berufen hat, betrugen auf Grundlage der Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2009 die Betriebskosten eines Aufzuges im Mittelwert, der vier Fünftel der erhobenen Werte berücksichtigt, monatlich 0,16 € pro qm der Wohnfläche. Anhaltspunkte dafür, dass der konkret von der Klägerin eingebaute Aufzug abweichend vom Mittelwert höhere Betriebskosten verursacht, sind weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich. Bei einer durchschnittlichen Größe einer Berliner Wohnung von 70,4 qm (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin - wohnenswerte Stadt, S. 1 ) entstehen daher im Mittelwert rund 11,26 € monatliche Betriebskosten für einen Aufzug, weshalb nicht ersichtlich ist, dass der Einbau und Betrieb des Aufzuges in das sechsgeschossige Wohngebäude der Klägerin eine ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung wäre. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, zu dem Mittelwert von 0,16 €/qm bzw. dem oberen Spannenwert von 0,26 €/qm kämen noch erheblich höhere Belastungen der Mieter durch die Wartung des Aufzuges hinzu, berücksichtigt er nicht, dass nach § 2 Nr. 7 BetrKV - der bei der Berliner Betriebskostenübersicht 2011 zu Grunde gelegt wurde - die Kosten der Überwachung und Pflege der Anlage, der regelmäßigen Prüfung ihrer Betriebsbereitschaft und Betriebssicherheit einschließlich der Einstellung durch eine Fachkraft sowie die Kosten der Reinigung bereits Teil der Betriebskosten sind. Auch Anhaltspunkte dafür, dass der Einbau und Betrieb des Aufzuges in das Wohngebäude der Klägerin im Zusammenwirken mit anderen, in der Vergangenheit erfolgten Maßnahmen oder dem mit der beantragten Gesamtmaßnahme geplanten Ausbau des Dachgeschosses und des Anbaus der 1,20 m tiefen hofseitigen Balkone im besonderen Maß zur Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung führen würde, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan.
Die Wertung des Verwaltungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass im Erhaltungsgebiet „Arnimplatz“ ein extremer Verdrängungsdruck auf die vorhandene Wohnbevölkerung herrsche und damit bereits die Errichtung eines Aufzuges generell geeignet wäre, durch geringfügige Wohnwertsteigerung eine relevante Verdrängungsgefahr auszulösen, weshalb ein (zeitweiser) Verzicht auf die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes gerechtfertigt sein könnte, ist im Ergebnis gleichfalls nicht zu beanstanden. Da eine Baumaßnahme innerhalb eines Erhaltungsgebietes für sich genommen kaum jemals zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen wird, kommt es darauf an, dass die einzelne zu genehmigende Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung nach sich zieht (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O., juris Rn. 18). Dass die Errichtung eines Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude der Klägerin eine Vorbildwirkung hätte, die im Gebiet des Arnimplatzes eine Entwicklung in Gang setzen würde, die zu einer überdurchschnittlich hohen Verdrängungsgefahr für die Bevölkerung führen würde, hat der Beklagte nicht substantiiert dargetan. Auch die genannte Studie der TOPOS Stadtforschung aus dem Jahre 2010 enthält keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Modernisierung durch Errichtung eines Aufzuges an dem sechsgeschossigen Wohngebäude zu einer solchen Verdrängungsgefahr führen könnte. Aufgrund seiner Entfernung von den Gebieten in Pankow, die bereits ab Mitte der neunziger Jahre einen intensiven sozialstrukturellen Veränderungsprozess erlebt haben (z. B. das Gebiet am Kollwitzplatz), war das Tempo der Modernisierung und das Ausmaß der Zuwanderung in dem Gebiet am Arnimplatz zunächst begrenzt. Zwar ist das Gebiet in den letzten Jahren stärker in bauliche und soziale Entwicklungsprozesse einbezogen worden. Die Studie kommt aber zum Ergebnis, dass das Gebiet am Arnimplatz gemessen an den Erhaltungsgebieten des Bezirkes ein in nahezu allen Belangen durchschnittliches Gebiet ist. Allerdings sei die Verdrängungsgefahr stärker geworden und eine Zunahme des innerstädtischen Segregationsprozesses durch die Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte sei ansatzweise bereits Realität. Die Anwendungsvoraussetzungen für den Milieuschutz bestünden deshalb fort. Im Vergleich zu anderen Gebieten sei aber eine leicht unterdurchschnittliche Priorität zu erkennen (TOPOS, a.a.O. S. 50). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass tatsächliche Zweifel daran bestehen, ob der Einbau des Aufzuges in dem Wohngebäude der Klägerin überhaupt geeignet sei, zu signifikanten Mieterhöhungen und damit zur Gefahr der Verdrängung der ansässigen Bevölkerung zu führen. Es beruft sich dabei auf den Berliner Mietspiegel aus dem Jahr 2011 ( S. 19), nach dem die Existenz eines Personenaufzuges nur bei Gebäuden mit weniger als fünf Obergeschossen eine wohnwerterhöhende Maßnahme ist, weshalb es jedenfalls als nicht gesichert erscheint, dass sich die Errichtung des Aufzuges in dem Gebäude der Klägerin mit sechs Obergeschossen bei künftigen Vermietungen oder Mieterhöhungen auf Grundlage des Mietspiegels in relevanter Weise auf die Miethöhe (ohne Betriebskosten) auswirken wird. Zudem liegt die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht fern, dass ein aus möglichen Mieterhöhungen resultierendes Verdrängungspotenzial jedenfalls teilweise dadurch kompensiert wird, dass ein Aufzug der angestammten älteren Bevölkerung es überhaupt ermöglicht, durch die bessere Zugänglichkeit ihrer Wohnungen im Gebiet zu verbleiben. Der Beklagte ist diesen Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht substantiiert entgegengetreten und es ist nicht ersichtlich, dass diese zu beanstanden wären.
Auch der Einwand des Beklagten, dass der von der Klägerin eingebaute Aufzug nicht die Anforderungen des § 39 Abs. 4 und 5 BauO Bln erfüllt, steht der Erteilung einer Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass der Aufzug aufgrund der zu geringen Grundfläche von 0,80 m x 1,10 m des Fahrkorbes nicht zur Aufnahme etwa einer Krankentrage geeignet ist und daher nicht § 39 Abs. 5 Satz 1 BauO Bln entspricht. Auch sind durch den Aufzug nicht alle Geschosse des Gebäudes stufenlos erreichbar (§ 39 Abs. 4 Satz 3 BauO Bln), weil die Haltestellen aus bautechnischen Gründen sich auf „halber Treppe“ befinden. Für die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB ist dies aber unerheblich. Die Detailanforderungen an die Ausgestaltung (d.h. das „Wie“) des Aufzuges nach § 39 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 BauO Bln gelten - wie ausgeführt - unmittelbar nur in Baugenehmigungsverfahren für die Neuerrichtung von Bauten (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 8. November 2006, a.a.O., juris Rn. 21). Für die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung ist über § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB allein maßgeblich, dass die Verpflichtung zum Einbau eines Aufzuges mit Haltestellen in allen Geschossen in einem sechsgeschossigen Wohngebäude (d.h. das „Ob“) der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer Wohnung dient. Obwohl die Grundfläche des Fahrkorbes relativ klein ist und die Haltestellen auf „halber Treppe“ angeordnet sind, bleibt es bei der Grundwertung, dass der Einbau des Aufzuges der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes dient, denn die Erreichbarkeit der Wohnungen wird jedenfalls den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen deutlich angenähert. Der Aufzug hat mit seinen Haltestellen erhebliche Vorteile für den Transport von Lasten, für die Zugänglichkeit der Wohnungen für Personen mit leichter Gehbehinderung, ältere Menschen und Familien mit Kleinkindern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die für die Entscheidung erheblichen Voraussetzungen des Genehmigungsanspruches gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB sind, wie aus obigen Ausführungen (S. 10 ff.) ersichtlich, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.
Tenor
Der Beklagte wird auf den Antrag der Klägerin vom 12. Mai 2021, angepasst in der mündlichen Verhandlung am 2. April 2025, unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 18. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung für den Anbau von Balkonen in der H in 4… Berlin zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, Rechtnachfolgerin der auf sie verschmolzenen D mbH, begehrt die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung für den Anbau von 13 Balkonen à 4 m² an die Seitenflügel (EG bis 4. OG jeweils links und rechts) und an das Hinterhaus (1. OG bis 3. OG links) des Gebäudes H in 4… Berlin.
Das im Eigentum der Klägerin stehende Gebäude wurde um 1900 errichtet und im Jahr 2016 kernsaniert. Es liegt im räumlichen Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs für das Gebiet "Humboldthain Nord-West” im Bezirk Mitte von Berlin vom 4. Dezember 2018 (GVBl. S. 683 f.; im Folgenden: Erhaltungsverordnung), sowie des Bebauungsplanes III-24 vom 23. April 1960 (GVBl. S. 444), der durch den Text-Bebauungsplan III-A vom 9. Juli 1971 (GVBl. S. 1230) teilweise auf die Vorschriften der Baunutzungsverordnung 1968 umgestellt worden ist.
Auf ihren Antrag vom 3. Juni 2021 hin erteilte das Bezirksamt Mitte von Berlin (im Folgenden: Bezirksamt) der D mbH, mit Bescheid vom 7. Juni 2021 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans III-24 und ließ die Überschreitung der festgesetzten Baugrenze durch zwei Balkonanlagen im Hof zu. Außerdem erließ das Bezirksamt mit Schreiben vom 9. Juni 2021, entsprechend der Anzeige der Genehmigungsfreistellung der Klägerin vom 18. Februar 2021, die Mitteilung über die Genehmigungsfreistellung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 BauO Bln.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 beantragte die D mbH beim Bezirksamt die Erteilung einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung für den Anbau von 13 Balkonen.
Nach den Antragsunterlagen sollen die Balkone jeweils 4 m² Innenfläche haben, bei Außenmaßen von 1,50 m Tiefe und 2,86 m Breite. Die Baukosten inkl. Baunebenkosten werden mit 77.350 Euro angegeben. Dabei wies die Klägerin darauf hin, dass das Gebäude im Jahr 2016 kernsaniert worden sei und die Wohnungen deshalb erst seit Abschluss der Sanierungsarbeiten vermietet würden. Es sei daher keine alteingesessene Wohnbevölkerung im Objekt ansässig. Des Weiteren sei keine Mieterhöhung für den geplanten Balkonanbau vorgesehen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2021 versagte das Bezirksamt die erhaltungsrechtliche Genehmigung mit der Begründung, der Balkonanbau erhöhe den Wohnwert der betreffenden Bestandswohneinheiten erheblich. Beim Anbau der Balkone handle es sich nicht um Maßnahmen, die der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohneinheit dienten. Der Balkonanbau verändere die Zielgruppe potenzieller Mieter hin zu Besserverdienenden, was eine abstrakte Verdrängungsgefahr begründe. Unerheblich sei, ob Mieter oder Eigentümer mit der Maßnahme einverstanden seien.
Gegen den Versagungsbescheid erhob die D mbH am 9. Juni 2021 Widerspruch. Der Anbau der Balkone diene der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen. Nach den Prüfkriterien der Berliner Bezirke sei ein Erstbalkon, der hier für die Wohnungen jeweils beantragt werde, in angemessener Größe in der Regel auflagenfrei zu genehmigen. Bei Neubauvorhaben sei es üblich, dass Wohnungen mit Balkon errichtet würden. Auch Bestandsbauten würden mit Balkonen versehen. Dass der Anbau von Balkonen nicht zu den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen gehöre, sei irrelevant, da der Anbau bereits tatsächlich zeitgemäß und durchschnittlich sei. Dies zeige sich bei der vergleichbaren Situation der Anbringung eines Fliesenspiegels im Bad, welcher als zeitgemäße und durchschnittliche Ausstattung genehmigt werde, ohne dass die Bauordnung diesen vorschreibe. Die abstrakte Verdrängungsgefahr stehe der Genehmigung nicht entgegen, da § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB einen Anspruch trotz Verdrängungsgefahr begründe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2021 wies das Bezirksamt den Widerspruch zurück. Bei der Maßnahme "Neuerrichtung von Balkonen an bestehenden Wohneinheiten" handle es sich um eine erhaltungsrechtlich relevante Maßnahme.
Von ihr gehe eine negative Vorbildwirkung aus. Die Voraussetzungen des Genehmigungstatbestandes des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB lägen nicht vor. Bei Auslegung des Merkmals "durchschnittlich" sei ein bundesweiter Vergleichsmaßstab anzulegen. Die geplante Maßnahme entspreche nicht dem Durchschnitt einer üblichen Wohnung. Insbesondere sei dabei nicht auf Neubauten abzustellen. Der Genehmigungsvorbehalt bestehe seitens der jeweils zuständigen Bezirksverwaltung, sodass die Genehmigungskriterien anderer Berliner Bezirke vorliegend nicht überzeugten. Hinzu komme, dass der Anbau von Balkonen weder bei Bestandsgebäuden noch bei Neubauten bauordnungsrechtlich vorgeschrieben sei. Der Vergleich mit der Verfliesung in Badezimmern überzeuge nicht. Es lägen keine seriösen Erhebungen vor, nach denen der überwiegende Teil von Neubau- und Bestandswohneinheiten im Bundesgebiet (nachträglich) mit Balkonen ausgestattet worden sei. Bestehe nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB kein Genehmigungsanspruch, richte sich die Entscheidung nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Die hierfür maßgebliche abstrakte Verdrängungsgefahr liege vor. Die Maßnahme sei aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich ziehe. In dem sozialen Erhaltungsgebiet "Humboldthain Nord-West" bestehe ein erheblicher Verdrängungsdruck. Derzeit gebe es eine deutliche Aufwertungsdynamik und eine stark gestiegene Konkurrenzsituation auf dem Wohnungsmarkt. Daher führten bereits verhältnismäßig geringe Steigerungen des Wohnwerts bzw. der Attraktivität zu einer potentiellen Verdrängungsgefahr. Hinzu komme, dass durch die Umlagefähigkeit der Baukosten gemäß §§ 555b, 559 BGB die ortsübliche Vergleichsmiete ansteigen könne. Auch würden die Wohneinheiten mit gehobener Ausstattung bei Neuvermietung eine veränderte Zielgruppe ansprechen. Aufgrund der negativen Vorbildwirkung sei der Umstand irrelevant, ob die Maßnahme im vorliegenden Fall eine Mieterhöhung nach sich ziehen würde, oder nicht. Atypische Umstände seien nicht erkennbar. Angesichts des erheblichen Verdrängungsdrucks sei das behördliche Ermessen dahingehend auszuüben, die Maßnahme nicht zu genehmigen.
Mit ihrer am 24. Januar 2022 erhobenen Klage verfolgt zuletzt die Klägerin das Begehren weiter. Vertiefend führt sie aus, dass der Anbau eines Erstbalkons mit angemessener Größe nach überwiegender Auffassung der Berliner Bezirke zum zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung gehöre. Wenn ausnahmsweise die besondere Kostenaufwändigkeit geprüft werde, gingen die Bezirke davon aus, dass Balkone einem zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung dienten. Eine plausible Erklärung, warum das Bezirksamt von dieser einhelligen Auffassung abweiche, sei nicht ersichtlich. Die durchschnittliche Wohnung verfüge heutzutage über einen Balkon in angemessener Größe, wobei insbesondere Neubauten in den Blick zu nehmen seien, um das Merkmal der "Zeitgemäßheit" beurteilen zu können. Nach neuen statistischen Erhebungen (Januar bis Mai 2022) seien im gesamten Bundesgebiet über die Hälfte der Wohnungen mit Balkonen ausgestattet, in Berlin seien es 71 %. Balkone mit einer Grundfläche von 4 m² stellten zudem nach Berliner Mietspiegel kein wohnwerterhöhendes Merkmal dar.
In der mündlichen Verhandlung am 2. April 2025 hat die Klägerin für das Vorhaben erneut die Erteilung einer Befreiung entsprechend dem Antrag vom 3. Juni 2021 beantragt. Daraufhin hat der Beklagte zugesichert, diese Befreiung zu erteilen, sofern die Klägerin beim Bezirksamt die Antragsunterlagen formgerecht einreiche. Zudem hat die Klägerin die Genehmigungsfreistellung nach § 62 BauO Bln, wie bereits angezeigt mit Formular vom 18. Februar 2021, abermals angezeigt, worauf der Beklagte erklärt hat, in diesem Verfahren nicht ins Baugenehmigungsverfahren überzuleiten. Schließlich hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Fenster zu den geplanten Balkonen wie beantragt zu Balkontüren umgebaut werden sollen, wobei diese Türen dem Mindeststandard nach dem Gebäudeenergiegesetz nach geltender Rechtslage entsprechen werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 18. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 zu verpflichten, die beantragte erhaltungsrechtliche Genehmigung, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt, für den Anbau von Balkonen zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid und den Verwaltungsvorgang.
Ergänzend führt er aus, dass keine einhellige Verwaltungspraxis in Bezug auf den Anbau von Erstbalkonen in angemessener Größe erkennbar sei. Vielmehr gingen alle Bezirke davon aus, dass Balkone auf verschiedene Aspekte hin geprüft werden müssten. Beispielsweise prüfe der Bezirk P die Kosten der Maßnahme und deren Vorbildwirkung. Auch in der Stadt Hamburg werde der Anbau von Balkonen nicht einheitlich beurteilt. Folgende verdrängungsfördernde Folgen seien zudem durch den Anbau der Balkone zu erwarten: Vergrößerung der Wohnfläche, Attraktivierung der Wohneinheiten und Änderung der Zielgruppe sowie Mietumlagen gemäß § 559 BGB.
Letzteres sei auch dann der Fall, selbst wenn sich der Anbau eines Erstbalkons in angemessener Größe nicht als wohnwerterhöhendes Merkmal darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
A. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Erteilung einer isolierten erhaltungsrechtlichen Genehmigung. Ein Rechtsschutzbedürfnis entfiele, wenn das Vorhaben der Klägerin nicht genehmigungsfreigestellt wäre. Denn dann müsste sie eine Baugenehmigung nach § 63 BauO Bln beantragen, die die erhaltungsrechtliche Genehmigung miteinschließen würde (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. August 2021 – OVG 2 S 7/21 –, juris Rn. 2).
Die Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung nach § 62 Abs. 2 BauO Bln liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit hinreichender Gewissheit alsbald vor. Zwar hat die ursprüngliche Mitteilung des Beklagten über die Genehmigungsfreistellung vom 9. Juni 2021 gemäß § 62 Abs. 3 Satz 4 BauO Bln a.F. nach drei Jahren ihre Wirkung verloren, ohne dass die Klägerin mit der Bauausführung begonnen oder einen Verlängerungsantrag gestellt hätte. Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2025 erneut die Genehmigungsfreistellung - wie am 18. Februar 2021 beantragt - angezeigt und der Beklagte hat erklärt, nicht ins Baugenehmigungsverfahren überzuleiten.
Der Genehmigungsfreistellung des Vorhabens steht außerdem nicht mehr als nur vorübergehend entgegen, dass die erforderlichen Befreiungen oder Ausnahmen nach § 31 BauGB nicht erteilt worden sind (§ 62 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a. Alt. 2 BauGB). Zwar war die ursprünglich am 7. Juni 2021 erteilte Befreiung des Vorhabens von der Festsetzung über die Bebauungstiefe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 BauO Bln i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauO Bln nach zwei Jahren erloschen, ohne dass die Klägerin mit der Bauausführung begonnen oder einen Verlängerungsantrag gestellt hätte.
Eine solche Befreiung war und ist auch erforderlich, weil das Vorhabengrundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans III-24 liegt, der eine Baugrenze für Hinterhaus und Seitenflügel unmittelbar an der Gebäudegrenze ausweist. Der Beklagte hat jedoch in dem im Termin zur mündlichen Verhandlung die erforderliche Befreiung von der Bebauungstiefe nach § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 67 Abs. 2 BauO Bln nach entsprechendem Antrag zugesichert. Damit ist hinreichend gewiss, dass die Klägerin die von ihr begehrte isolierte erhaltungsrechtliche Genehmigung wird ausnutzen können.
II. Die Klage ist begründet. Die Ablehnung der erhaltungsrechtlichen Genehmigung für die beantragte Maßnahme "Neuerrichtung von Balkonen an bestehenden Wohneinheiten" im Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der erhaltungsrechtlichen Genehmigung entsprechend dem Antrag vom 12. Mai 2021, klargestellt in der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2025.
Anspruchsgrundlage für die erhaltungsrechtliche Genehmigung ist § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
1. Die von der Klägerin begehrte Maßnahme ist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2BauGB in Verbindung mit § 2 Satz 1 der Erhaltungsverordnung genehmigungsbedürftig. Denn es handelt sich bei dem Vorhaben um Änderungen einer baulichen Anlage in dem durch § 1 der Erhaltungsverordnung bestimmten Gebiet.
a. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Im Land Berlin tritt an die Stelle der Satzung nach § 172 Abs. 1 BauGB eine Rechtsverordnung, die von dem zuständigen Bezirksamt erlassen wird (vgl. § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs – AGBauGB Bln –). Eine solche Rechtsverordnung liegt mit der oben genannten Erhaltungsverordnung vor.
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Erhaltungsverordnung bestehen nicht. Die Erhaltungsverordnung gibt insbesondere hinreichend bestimmt an, in welchem Gebiet (vgl. § 1 der Erhaltungsverordnung in Verbindung mit der Anlage) und aus welchem der in § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, nämlich zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB), das erhaltungsrechtliche Genehmigungserfordernis statuiert worden ist (vgl. insbesondere § 2 der Erhaltungsverordnung sowie deren Titel). Dies ist ausreichend, weil die weitere Konkretisierung erst auf der zweiten Stufe des Verfahrens erfolgt, auf der über die Zulässigkeit etwaiger Veränderungen entschieden wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987 – BVerwG 4 C 26.85 –, juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2014 – OVG 2 B 7.12 –, juris Rn. 18; VG Berlin, Urteil vom 8. September 2015 – VG 19 K 125.15 –, juris Rn. 21, und Beschluss vom 17. November 2020 – VG 19 L 315/20–, juris Rn. 27). Auch die Klägerin hat die Wirksamkeit der Erhaltungsverordnung nicht in Zweifel gezogen. Soweit in der ursprünglichen Beschlussbegründung zum Erlass der Erhaltungsverordnung der Zusammenhang zwischen der Gebietsbezeichnung und der ausführlichen Begründung mit Auswertung im Gutachten über die vertiefende Untersuchung falsch zitiert wurde, hat die Bezirksverordnetenversammlung die Begründung der Erhaltungsverordnung unter Bezugnahme auf die zutreffenden Seitenzahlen in der vertiefenden Untersuchung im Jahr 2021 erneut beschlossen (Drucksache Nr. 3294/V vom 19. August 2021).
b. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung, wie er sich aus § 1 der Erhaltungsverordnung in Verbindung mit der Anlage ergibt.
Die geplante Maßnahme stellt eine Änderung einer baulichen Anlage dar.
Der Begriff der (baulichen) Änderung setzt voraus, dass die innere oder äußere Bausubstanz der Anlage berührt wird (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 105a m.w.N.). Veränderungen der Innenausstattung einer Wohnung werden nur erfasst, wenn sie mit baulichen Änderungen der Anlage einhergehen. Dies ist bei dem Austausch eines Herdes oder einer Spüle oder dem Einbau eines Küchenschrankes nicht der Fall, selbst wenn hierfür kleinere Substanzeingriffe (z.B. Bohrlöcher) erforderlich sind (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 105b; Mitschang, in: Battis/Kreuzberger/Lähr, BauGB, 15. Aufl. 2022, BauGB § 172 Rn. 49). Der Genehmigungsvorbehalt gilt zudem nur für Vorhaben, die erhaltungsrechtlich relevant sind. Nicht erfasst werden demnach Änderungen baulicher Anlagen, die von vornherein nicht geeignet sind, sich auf das Erhaltungsziel auszuwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 3; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 101a, 106). Nicht genehmigungsbedürftig sind damit Maßnahmen der baulichen Instandhaltung und Instandsetzung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 3; OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 34 f.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 106 m.w.N.).
Davon ausgehend stellt die beantragte Maßnahme eine genehmigungsbedürftige Änderung einer baulichen Anlage dar. Die Errichtung von Balkonen stellt einen Eingriff in die bauliche Substanz des Wohngebäudes dar, weil neben der Verbindung mit der Außenwand des Gebäudes auch ein Umbau der Fenster zu Balkontüren erforderlich ist. Zudem kann dem Balkonanbau die grundsätzliche Eignung, das Ziel der Erhaltungsverordnung negativ zu beeinflussen, nicht abgesprochen werden. Denn die Maßnahme kann prinzipiell zu Mieterhöhungen und damit möglicherweise zu einer Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung führen. Dabei kann die Maßnahme vorliegend zum einen zu einer Erhöhung der relativen Miete, d.h. der Miete pro Quadratmeter führen, weil die Errichtung von Balkonen auf dem Wohnungsmarkt als Verbesserung der Wohnqualität bewertet werden dürfte. Zum anderen kann die Maßnahme auch ohne eine Erhöhung der Miete pro Quadratmeter die absolute Miethöhe beeinflussen, weil Balkone regelmäßig anteilig auf die Wohnfläche angerechnet werden, die sich damit vergrößert. Dies ergibt sich aus § 4 Nr. 4 Wohnflächenverordnung (- WoFlV -).
2. Die beantragte Maßnahme dient der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB.
a. Für die Ermittlung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung ist ein bundesweiter Vergleichsmaßstab anzulegen. Als Vergleichsgebiet ist nicht lediglich das konkrete Erhaltungsgebiet, sondern grundsätzlich das Bundesgebiet in den Blick zu nehmen (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 39 ff.; VG Berlin, Urteil vom 8. September 2015 – VG 19 K 125.15 –, juris Rn. 31, und Urteil vom 24. August 2023 – VG 19 K 99/20 –, juris Rn. 34; VG München, Urteil vom 28. November 2016 – VG M 8 K 15.3460 –, juris Rn. 44). Hierfür spricht schon, dass es sich bei § 172 BauGB um ein Bundesgesetz handelt und dem Tatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB eine Beschränkung oder auch nur eine Bezugnahme auf die örtlichen Gegebenheiten nicht zu entnehmen ist (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 39). Etwas anderes folgt nach Überzeugung der Kammer nicht daraus, dass der Wortlaut von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB auch die Berücksichtigung bauordnungsrechtlicher Mindestanforderungen gebietet. Insoweit nimmt der Bundesgesetzgeber zwar den Gestaltungsrahmen der Landesgesetzgeber hin und bezieht ihn in den für die Anwendung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zugrunde zu legenden Maßstab ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 8). Dies ändert aber nichts daran, dass es sich – sofern nicht die Mindestanforderungen nach den Landesbauordnungen maßgeblich sind – um die Auslegung und Anwendung von Bundesrecht handelt.
Das Tatbestandsmerkmal "zeitgemäßer Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung" bezieht sich hinsichtlich der "durchschnittlichen Wohnung" auf tatsächliche Verhältnisse. Dabei ist nach Überzeugung der Kammer für die Annahme, dass ein Ausstattungszustand demjenigen einer durchschnittlichen Wohnung entspricht, nicht erforderlich, dass dieser einen bestimmten prozentualen Verbreitungsgrad oder gar einen 50 % übersteigenden Verbreitungsgrad erlangt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 11). Vielmehr ist auf einen "mittleren Ausstattungszustand" abzustellen, welcher nach unten begrenzt wird durch einen Substandard und nach oben durch einen deutlich gehobenen Standard beziehungsweise eine Luxussanierung, die sich nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB beurteilt (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 187: "mittlere Wohnungsverhältnisse"). Nicht mehr dem Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung zuzurechnen sind Änderungen einer baulichen Anlage, die sich als "ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderungen" (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10) darstellen.
Zudem geht die Kammer davon aus, dass weder ausschließlich Neubauten noch ausschließlich (mietspiegelrelevante) Mietwohnungen in den Blick zu nehmen sind. Vielmehr ist auf den Durchschnitt aller Wohnungen abzustellen. Dies folgt bereits daraus, dass § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB von dem Ausstattungszustand einer "durchschnittlichen Wohnung" spricht (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23. Mai 2018 – VG 13 K 680.17 –, juris Rn. 28). Entgegen der Ansicht des Beklagten sind Neubauten dabei ebenfalls in die Betrachtung mit einzubeziehen (vgl. zur Verneinung einer bauklassenorientierten Betrachtungsweise VG Berlin, Urteil vom 2. April 2025 – VG 19 K 351/23 –, EA S. 12 f.). Gegen eine Betrachtung nur von Bestandsgebäuden spricht bereits, dass der Wortlaut des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht nach Baualtersklassen differenziert, sondern allgemein auf eine "durchschnittliche Wohnung" abstellt und zudem den "zeitgemäßen" Ausstattungszustand zum Maßstab erklärt. Dies zeigt, dass der maßgebliche Ausstattungszustand einer Wohnung nicht statisch zu betrachten, sondern im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 30). Dies entspricht auch Sinn und Zweck des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB, zu gewährleisten, dass Wohnungen in einem Milieuschutzgebiet (allmählich) auf das Niveau einer durchschnittlichen Wohnung angehoben werden können (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 32). So wie in einem Milieuschutzgebiet das zeitgemäße Ausstattungsniveau unterschritten sein kann und daher eine Auslegung geboten ist, die sich nicht an diesem ausrichtet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10), kann in einer bestimmten – in der Regel älteren – Baualtersklasse ein unerwünscht niedriger Ausstattungszustand vorliegen, der bei einem baualtersklassenorientierten Ansatz verfestigt würde. Es ist aber kein einleuchtender Grund ersichtlich, warum es hinsichtlich des "zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung" baualtersklassenspezifische Unterschiede geben sollte. Gegen eine solche Differenzierung spricht zudem, dass bei der Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen im Rahmen von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht auf das zum Zeitpunkt der Errichtung geltende Bauordnungsrecht abzustellen ist, sondern auf die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, jurisRn. 10).
Mit der Bezugnahme auf die "bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen" enthält § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zudem ein wertendes Element (vgl. BVerwG, Be-schluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10). Ursprünglich wollte der Gesetzgeber solche Modernisierungen, die lediglich den Mindestanforderungen des Bauordnungsrechts Rechnung tragen, genehmigungsfrei stellen. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass in Milieuschutzgebieten bei restriktiver Handhabung der Vorschrift ein bauordnungsrechtlicher Substandard festgeschrieben wird (vgl. Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 6. Mai 1997, BT-Drucksache 13/7589, S. 29). Vor diesem Hintergrund stellt sich § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB, der an der Genehmigungspflicht festhält, unter bestimmten Voraussetzungen aber einen Genehmigungsanspruch schafft, als gesetzgeberischer Kompromiss dar, bei dessen Auslegung und Anwendung die Zielsetzung, einen bauordnungsrechtlichen Substandard zu vermeiden, gleichfalls heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10). Entsprechend ist davon auszugehen, dass die gegenwärtig geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einen Standard umschreiben, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 32; VG Berlin, Urteil vom 25. Mai 2023 – VG 19 K 195/21 –, EA S. 8).
Daraus folgt jedoch weder, dass die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung abschließend beschreiben, noch, dass der Genehmigungsanspruch auf Fälle beschränkt ist, in denen erstmals der zeitgemäße Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen hergestellt wird, und die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB daher stets abzulehnen ist, wenn ein solcher Ausstattungszustand schon im Bestand gewahrt ist. Soweit die Kammer dies bisher anders gesehen hat (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 17. November 2020 – VG 19 L 315/20 –, juris Rn. 32; Urteil vom 1. November 2022 – VG 19 K 170/21 –, EA S. 8), wird diese Rechtsprechung nicht fortgeführt.
Gegen eine Gleichsetzung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung mit den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen spricht bereits, dass der Wortlaut von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zwischen dem zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung einerseits und den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen andererseits unterscheidet und zugleich lediglich die "Berücksichtigung" der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen gebietet. Die "Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen" ist demnach kein selbstständiges Tatbestandsmerkmal, sondern dient der Ausfüllung und näheren Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "zeitgemäßer Ausstattungszustand" (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 30; vorgehend VG Berlin, Urteil vom 21. Juni 2011 – VG 13 K 29.10 –, juris Rn. 21; vgl. auch Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 104 m.w.N.).
Auch die Gesetzgebungshistorie spricht gegen eine Gleichsetzung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung mit den jeweiligen bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen. Die Regelung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB geht auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BT-Drucksache 13/7588) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 – BauROG –, BT-Drucksache 13/6392) zurück. Der Beschlussvorschlag sah vor, § 172 Abs. 4 BauGB wie folgt zu fassen (vgl. BT-Drucksache 13/7588, S. 47):
"(4) In den Fällen des Abs. 1 S. 1 Nr. 2 liegt eine genehmigungspflichtige Änderung einer baulichen Anlage nicht vor,
1. wenn die Maßnahme den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen Rechnung trägt, oder
2. wenn die Maßnahme der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dient, soweit mit ihr kein wesentlicher Eingriff in die Bausubstanz verbunden ist.
Im übrigen darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll."
Zur Begründung dieser Ergänzung führt der Ausschuss aus, es solle sichergestellt werden, dass in Milieuschutzsatzungsgebieten vom Eigentümer beabsichtigte Modernisierungen, die den Mindestanforderungen des Bauordnungsrechts Rechnung trügen, möglichst zügig durchgeführt werden könnten. Genehmigungsfrei sollten auch Maßnahmen sein, mit denen der zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung hergestellt werden solle (BT-Drucksache 13/7589, S. 29). Der Beschlussvorschlag unterscheidet mithin zwischen der Herstellung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einerseits und der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung andererseits. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen und unter anderem beantragt, bezüglich § 172 Abs. 4 BauGB die von der Bundesregierung vorgelegte Fassung wiederherzustellen (BT-Drucksache 13/7886, S. 11). Er hat seinen Antrag damit begründet, dass die vom Bundestag beschlossene Fassung mit dem weitgehenden Verzicht auf das Genehmigungserfordernis für Änderungsmaßnahmen die ohnehin begrenzten Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand ohne stichhaltigen Grund einschränke (BT-Drucksache 13/7886, S. 11). Es ist nicht ersichtlich, dass durch den sodann gefundenen gesetzgeberischen Kompromiss (dazu auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 20) eine Gleichsetzung von bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen und zeitgemäßem Ausstattungszustand erfolgen sollte mit der Folge, dass dem Tatbestandsmerkmal "zeitgemäßer Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung" ein eigener Regelungsgehalt nicht mehr zukommt.
Auch die Systematik spricht gegen eine Gleichsetzung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung mit den jeweiligen bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen. Denn bei § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB handelt es sich um Bundesrecht, bei den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen hingegen um Landesrecht. Zwar hat der Bundesgesetzgeber, wie dargelegt, mit der Einbeziehung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen den Gestaltungsrahmen der Landesgesetzgeber in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB einbezogen und insofern hingenommen, dass bei Auseinanderfallen der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen eine differenzierte Bewertung geboten sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 8). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber den Genehmigungstatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB vollumfänglich in die Gestaltungshoheit der Landesgesetzgeber legen wollte. Dagegen spricht auch die Bezugnahme auf einen "zeitgemäßen" Ausstattungszustand. Damit wird verdeutlicht, dass der maßgebliche Ausstattungszustand einer Wohnung nicht statisch zu betrachten, sondern im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen ist. Bestimmend sind insbesondere der technische Fortschritt und gesellschaftliche Entwicklungen, wie z.B. die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 30; VG Berlin, Beschluss vom 17. November 2020 – VG 19 L 315/20 –, juris Rn. 31, und Urteil vom 1. November 2022 – VG 19 K 170/21 –, EA S. 7; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 104 m.w.N.). Eine Gleichsetzung des zeitgemäßen Ausstattungszustands mit den jeweiligen bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen ist damit nicht zu vereinbaren (in diesem Sinne auch Augustin, BauR 2021, S. 888, 895 f.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen im Regelfall nicht höher liegen als der zeitgemäße Ausstattungszustand und sich dieser zunehmend von den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen entfernt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. Juni 2011 – VG 13 K 29/10 –, juris Rn. 21; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 104). Zugleich ist zu berücksichtigen, dass es regelmäßig nicht nur einen zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung gibt, sondern mehrere Ausstattungsvarianten vorliegen können, die jeweils den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung abbilden (so auch Augustin, BauR 2021, S. 888, 895). Dem ist im Rahmen von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB Rechnung zu tragen.
Auch nach Sinn und Zweck ist der zeitgemäße Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht mit den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen gleichzusetzen. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB dient der Ermöglichung von Modernisierungen, um der Gefahr einer dauerhaften Festschreibung unzuträglicher Substandards zu begegnen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands auf dem Niveau durchschnittlicher Wohnungen zu erleichtern. Durch eine behutsame Anhebung der Qualität von Wohnungen mit "kleinschrittigen" Verbesserungen des Ausstattungszustands soll ein durchschnittlicher Standard erreicht und der schleichenden Entstehung und Verfestigung von Gebieten mit auffällig schlechtem Wohnstandard entgegengewirkt werden (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 32). Die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dienen demgegenüber dazu, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren (vgl. Hellriegel, in: Meyer/Achelis/von Alven-Döring/Hellriegel/Kohl/Rau, BauO Bln, 7. Aufl. 2021, § 3 Rn. 5 m.w.N.). Eine Gleichsetzung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung mit den jeweils geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen ergibt sich auch nicht daraus, dass Sinn und Zweck des § 172 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB häufig mit der Formulierung umschrieben werden, es solle vermieden werden, dass in Milieuschutzgebieten ein "bauordnungsrechtlicher" Substandard festgeschrieben werde (vgl. BVerwG, Be-schluss vom 17. Dezember 2004 – BVerwG 4 B 85.04 –, juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 32; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 101). Diese Formulierung ist, wie dargelegt, der Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entwurf des BauROG entnommen (vgl. BT-Drucksache 13/7589, S. 29). Diese unterscheidet aber gerade zwischen der Herstellung bauordnungsrechtlicher Mindestanforderungen einerseits und der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung andererseits und sieht für beide Fälle eine Genehmigungsfreiheit vor. Ihr kann daher nicht entnommen werden, dass Sinn und Zweck der Regelung ausschließlich in der Vermeidung bauordnungsrechtlicher Substandards bestehen sollte.
Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht überzeugend, den Genehmigungsanspruch des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB auf die erstmalige Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen zu beschränken und ihn folglich stets abzulehnen, wenn dieser Ausstattungszustand im Bestand (noch) gewahrt ist und folglich kein Substandard vorliegt. Zwar könnte der Begriff der "Herstellung" eine solche Auslegung noch tragen. Sie liefe aber dem gesetzgeberischen Anliegen, in Milieuschutzgebieten mit kleinschrittigen Verbesserungen eine behutsame Anhebung der Qualität der Wohnungen zu ermöglichen, zuwider und bürge die Gefahr, dass schleichend doch wieder Gebiete mit unterdurchschnittlichem Standard entstünden. Vor diesem Hintergrund kommt es im Rahmen von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht darauf an, ob der Zustand vor Durchführung der beantragten Modernisierung bereits dem zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen entspricht, sondern ob dies (auch) auf den Zustand nach Durchführung der begehrten Modernisierung zutrifft (vgl. in diesem Sinne auch Augustin, BauR 2021, S. 888, 895 f.; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 101; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 185).
b. Ausgehend von diesen Maßstäben dient die beantragte Errichtung von Erstbalkonen der beantragten Größe von jeweils 4 m² der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen.
aa. Der Balkonanbau dient zwar nicht dazu, die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen zu erfüllen. Weder die BauO Bln noch die Bauordnungen anderer Bundesländer legen fest, dass Balkone zu den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen einer Wohnung zählen. Er dient auch nicht der Einhaltung der allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen gemäß § 3 BauO Bln.
Dies führt – anders als von der Kammer in der Vergangenheit angenommen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 17. November 2020 – VG 19 L 315/20 –, juris Rn. 32; Urteil vom 1. November 2022 – VG 19 K 170/21 –, EA S. 8) – jedoch nicht dazu, dass der Genehmigungsanspruch aus § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nicht besteht. Wie dargelegt, ist der Anspruch des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB weder auf die erstmalige Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung begrenzt, noch bilden die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen die Obergrenze für den Genehmigungsanspruch des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB. Vielmehr ist die Frage, ob es sich bei der beantragten Errichtung der Balkone um die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung handelt, wertend unter Heranziehung weiterer Kriterien zu beantworten. Sowohl mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse als auch unter Berücksichtigung wertender Elemente stellt der Anbau von Balkonen mit der beantragten Größe von 4 m² eine Maßnahme dar, die der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dient.
bb. Dafür, dass Balkone den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung darstellen, spricht zunächst deren tatsächliche Verbreitung.
Die "Vertiefende(n) Untersuchungen zur Vorbereitung sozialer Erhaltungsverordnungen nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB in den "Beobachtungsgebieten" des Stadtraums Wedding im Bezirk Mitte von Berlin" der R sowie der L von Juni 2018 (im Folgenden: Untersuchungsbericht) sind insoweit nicht aussagekräftig. Denn danach sind im konkreten Erhaltungsgebiet "Humboldthain Nord-West" bei relativ wenigen Altbauten bislang Balkone angebaut (Untersuchungsbericht, S. 74). Ansonsten verhält sich die Untersuchung zur Verbreitung von Balkonen nicht.
Das Ausstattungsmerkmal Balkon wird allerdings in den von der Klägerin vorgesehenen Maßen (4 m²) in den Mietspiegeln der 14 größten deutschen Städte überwiegend nicht als wohnwerterhöhend eingestuft. Dies gilt nach den Mietspiegeln für Düsseldorf 2024 und Stuttgart 2025, welche das Merkmal Balkon nicht gesondert ausweisen. Die Mietspiegel für Hamburg 2023 sowie Dortmund 2024 berücksichtigen den Balkon als eine normale Ausstattung, wobei Dortmund das Fehlen eines Balkons als wohnwertmindernd einstuft. Eine solche Einstufung nehmen auch die Mietspiegel für Berlin 2024, Nürnberg 2024, Dresden 2025 und Essen 2024 vor. Wohnwerterhöhend ist der Balkon unabhängig von seiner Größe im Mietspiegel für Bremen 2024 sowie für München 2025 ausgewiesen, in letzterem allerdings nur für Wohnungen mit Baujahr vor 1999. Eine Wohnwerterhöhung abhängig von der Größe des Balkons sehen die Mietspiegel für Berlin 2024 (über 4 m²), Leipzig 2022 (linearer Anstieg), Frankfurt am Main 2024 (über 80 cm Tiefe), Köln 2024 (großer Balkon gemeinsam mit weiteren wertsteigernden Merkmalen), Nürnberg 2024 (über 8 m²), Dresden 2025 (über 10 m²) und Hannover 2023 (über 1 m Tiefe) vor. Die hier streitgegenständliche Balkonanlage wäre demnach in Leipzig, Frankfurt am Main, Bremen, München und Hannover wohnwerterhöhend, mithin in fünf der hier untersuchten 14 Städte. In elf Städten ist der hier beantragte Anbau eines Erstbalkons mit einer Größe von 4 m² nach Mietspiegel nicht wohnwerterhöhend.
Dieser Befund weist indiziell darauf hin, dass bei bundesweiter Betrachtung eine durchschnittliche Wohnung in tatsächlicher Hinsicht mit einem Balkon ausgestattet ist, denn die Gemeinden sind gehalten, die Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen (§ 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –). Entsprechend stuft der Berliner Mietspiegel 2024 den Erstbalkon mit einer Größe bis zu 4 m² mit Blick auf den großen Verbreitungsgrad nicht als wohnwerterhöhend ein und weist demgegenüber das Fehlen eines Balkons als wohnwertmindernd aus.
Soweit bundesweite statistische Erhebungen zur Verbreitung von Balkonen veröffentlicht sind, stützen sie den Befund, dass Balkone im Bundesgebiet weit verbreitet sind und den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung darstellen. Ausweislich der – soweit ersichtlich einzig einschlägigen – Erhebung der Z GmbH zum Anteil der angebotenen Wohnung mit Balkon in deutschen Großstädten im Jahr 2022 verfügten 71 % der Wohnungen in Berlin über einen Balkon. In Düsseldorf lag der Anteil bei 68 %, in Stuttgart und Leipzig bei 65 %, in Frankfurt am Main bei 62 % und in Hamburg bei 61 %. In Köln, Bremen, Nürnberg, Dortmund, München, Dresden und Hannover wiesen zwischen 50 und 60 % der angebotenen Wohnungen einen Balkon auf. In Essen lag der Anteil bei 47 %. Nachdem die Erhebung das sonst zu gewinnende Bild nur bestätigt, bedarf die methodische Tragfähigkeit der Erhebung keiner abschließenden Beurteilung durch die Kammer.
cc. Dem aufgezeigten Befund, wonach ein Balkon nach den untersuchten Mietspiegeln der 14 größten deutschen Städte überwiegend nicht als wohnwerterhöhend gewertet wird, kommt auch bei wertender Betrachtung eine gewichtige Indizwirkung dahingehend zu, dass der Balkon dem zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung zuzurechnen ist. Denn der fehlenden Einstufung eines Merkmals als wohnwerterhöhend im Mietspiegel liegt zugrunde, dass das Vorliegen des Merkmals keine Abweichung von der ortsüblichen Vergleichsmiete nach oben durch einen Zuschlag rechtfertigt, was zu erwarten wäre, wenn das Merkmal den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung überschritte.
Etwas anderes folgt nicht daraus, soweit die Ausführungsvorschriften zu Genehmigungskriterien für bauliche Anlagen in Gebieten zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs (AV Genehmigungskriterien soziale Erhaltungsgebiete) vom 18. November 2024 (ABl Nr. 50, S. 3667) in Ziffer 2.7. bestimmen, dass wohnwerterhöhende Merkmale im Sinne des Berliner Mietspiegels einen überdurchschnittlichen Ausstattungszustand indizieren und regelmäßig nicht genehmigungsfähig sind. Unabhängig davon, dass der hier beantragte Anbau des Erstbalkons in einer Größe von 4 m² nach dem Berliner Mietspiegel 2024 nicht wohnwerterhöhend ist, spricht die bundesweite Vergleichsbetrachtung der Mietspiegel gerade dafür, den Balkon als zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung anzusehen.
dd. Im Rahmen der vorzunehmenden wertenden Betrachtung sprechen schließlich planungsrechtliche Bestimmungen dafür, dass der Normgeber selbst davon ausgegangen ist, dass Balkone dem zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung entsprechen. Nach den §§ 19 Abs. 4 Satz 2, 20 Abs. 3 BauNVO 1968 wurden Balkone von der Berechnung der Grund- und Geschossflächenzahl ausgenommen. Danach wollte der Verordnungsgeber diese Gebäudeteile ausdrücklich wegen ihres hohen Wohnwerts bei der Ermittlung der zulässigen Grund- und Geschossfläche begünstigen (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 20 BauNVO Rn. 3, BR-Drucksache 402/68, S. 12).
Nach gegenwärtiger Rechtslage sind Balkone nach § 20 Abs. 4 BauNVO von der Berechnung der Geschossflächenzahl ausgenommen.
ee. Schließlich handelt es sich bei der beantragten Errichtung von Erstbalkonen mit einer Größe von 4 m² - für sich genommen - nicht um eine ungewöhnlich kostenaufwändige Maßnahme. Die Klägerin hat für 13 Balkone Errichtungskosten in Höhe von 77.350 Euro angegeben. Von dem Genehmigungsanspruch auszunehmen sind ungewöhnlich kostenaufwändige Maßnahmen, denn solche dienen nicht mehr der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung. Eine solche ungewöhnlich kostenaufwändige Maßnahme ist vorliegend bei Kosten von weniger als 6.450,00 Euro je Wohnung jedoch nicht erkennbar und wird auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht.
3. In der Folge ist gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB die beantragte Genehmigung für die Errichtung von 13 Erstbalkonen mit einer Größe von 4 m² zu erteilen.
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB vor, besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 30; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 99; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 157. EL Nov. 2024, § 172 Rn. 185).
Soweit es nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Einzelfall einer sorgfältigen Betrachtung und Abwägung bedarf, ob aufgrund besonderer Umstände etwas anderes zu gelten hat, und Ausnahmen insbesondere in Betracht kommen, wenn die beabsichtigte Maßnahme, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen vorangegangenen oder gegenwärtigen, die baulichen Anlage ändernden Einzelmaßnahmen oder als Teil einer Gesamtmaßnahme eine "ungewöhnlich kostenaufwändige Anforderung" wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 36), ist diese Rechtsprechung nach Überzeugung der Kammer auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts betrifft die Frage der Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle für einen Aufzug zum Treppenraum eines bestehenden Wohngebäudes mit sechs oberirdischen Geschossen in einem Erhaltungsgebiet. Für die Ausstattung von neu zu errichtenden Gebäuden mit Aufzügen sieht § 39 Abs. 4 BauO Bln bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen vor. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass diese einen Standard umschreiben, bei dem grundsätzlich eine Indizwirkung für die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB besteht, es im Einzelfall aber einer sorgfältigen Betrachtung und Abwägung bedarf, ob etwas anderes zu gelten hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 33 ff.). Der vorliegende Fall liegt anders. Es fehlt eine vergleichbare Indizwirkung, weil es, wie dargelegt, bauordnungsrechtliche Mindestanforderungen betreffend die Ausstattung von Wohnungen mit Balkonen nicht gibt. Schon vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob eine Ausnahme auf Rechtsfolgenseite angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB ("ist […] zu erteilen") tatsächlich in Betracht kommt. Jedenfalls stellt die beantragte Errichtung der Balkone, wie dargelegt, keine ungewöhnlich kostenaufwändige Maßnahme dar.
Gleiches gilt, soweit nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg auch das Ausmaß der Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung durch die Änderung der baulichen Anlage von Bedeutung ist und bei überdurchschnittlicher Verdrängungsgefahr ausnahmsweise kein Anspruch auf Genehmigung einer Maßnahme zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung bestehen kann, wenn die Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 36). Es kann dahinstehen, ob eine solche Ausnahme mit dem Wortlaut sowie mit Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB vereinbar ist, in denen zum Ausdruck kommt, dass bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen mögliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung hinzunehmen sind (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 – OVG 2 B 3.02 –, juris Rn. 41; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 172 Rn. 110; Augustin, BauR 2021, S. 888, 895f.; jeweils m.w.N.). Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ist, wie dargelegt, auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass in dem Erhaltungsgebiet "Humboldthain Nord-West" ein extremer Verdrängungsdruck auf die vorhandene Wohnbevölkerung besteht und die Errichtung von Erstbalkonen mit einer Größe von 4 m² vor diesem Hintergrund generell geeignet wären, durch eine geringfügige Wohnwertsteigerung eine relevante Verdrängungsgefahr auszulösen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2012 – OVG 10 B 9.11 –, juris Rn. 39).
Etwas anderes folgt aus nicht aus der Untersuchung für den Erlass der Erhaltungsverordnung "Humboldthain Nord-West". Diese kommt zwar zu der Einschätzung, dass für Teile der Gebietsbevölkerung ein relevantes Verdrängungspotenzial vorhanden ist. Dies gilt insbesondere für die migrantische Bevölkerung, Transferempfänger und Geringverdiener sowie die Stammbevölkerung, insbesondere Senioren ( Untersuchungsbericht, S. 67 ff., 72). Die Haushalte im Untersuchungsgebiet weisen eine durchschnittliche Mietbelastungsquote von etwas über 20 % aus, wobei zu berücksichtigen ist, dass Haushalte mit mittlerem Einkommen (rund 40 %) bereits jetzt einer mittleren Mietbelastungsquote von 27 % ausgesetzt sind (Untersuchungsbericht, S. 68 f.). Zudem beziehen 38 % der Haushalte Transferleistungen (Untersuchungsbericht, S. 68). Das bauliche Aufwertungspotenzial, etwa durch energetische Modernisierungsmaßnahmen oder die Ausstattung der Wohnungen mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen, ist hoch (Untersuchungsbericht, S. 61 ff., 64). Dies gilt insbesondere auch für den Anbau von Balkonen (Untersuchungsbericht, S. 62). Zugleich ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Armutsgefährdungsquote im Erhaltungsgebiet nur halb so hoch ist wie im Bezirk (Untersuchungsbericht, S. 68), und sich das Erhaltungsgebiet durch ein hohes Bildungsniveau und eine hohe Erwerbsquote kennzeichnet (Untersuchungsbericht, S. 67 f.).
Davon ausgehend ist jedenfalls nicht erkennbar, dass in dem Erhaltungsgebiet ein extremer Verdrängungsdruck auf die Wohnbevölkerung besteht und in der Folge der Anbau eines Erstbalkons mit – wie hier – einer Größe von 4 m² generell geeignet wäre, eine relevante Verdrängungsgefahr auszulösen beziehungsweise eine überdurchschnittliche Verdrängungsgefahr zu verstärken. Etwas anderes hat auch der Beklagte nicht substanziiert dargetan. Soweit er darauf verwiesen hat, dass sich die Maßnahmen in zweifacher Weise auf die Miethöhe auswirken könnten, nämlich in Form einer Modernisierungsumlage sowie als Vergrößerung der Wohnfläche, führt dies im Rahmen von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB zu keiner anderen Bewertung. Es obliegt dem zuständigen Normgeber, auf gegebenenfalls unerwünschte Folgen zu reagieren.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung.
Die Kammer lässt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu, § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
65.000,00 Euro
festgesetzt.
(1) Die Gemeinde kann in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen
- 1.
zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (Absatz 3), - 2.
zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Absatz 4) oder - 3.
bei städtebaulichen Umstrukturierungen (Absatz 5)
(2) Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gefasst und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Absatz 1 auf die Durchführung eines Vorhabens im Sinne des Absatzes 1 entsprechend anzuwenden.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn
- 1.
die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient, - 1a.
die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes oder der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 257 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, wenn diese nach § 111 Absatz 1 des Gebäudeenergiegesetzes weiter anzuwenden ist, dient, - 2.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 4.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, - 5.
das Gebäude im Zeitpunkt der Antragstellung zur Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird oder - 6.
sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern; eine Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verkürzt sich um fünf Jahre; die Frist nach § 577a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entfällt.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 darf die Genehmigung nur versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern. Ist ein Sozialplan nicht aufgestellt worden, hat ihn die Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 180 aufzustellen. Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Sofern Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a Satz 3 und 4 vorliegen und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind, bedarf bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung nach Satz 3 bestanden, die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes der Genehmigung. Das Genehmigungserfordernis nach Satz 1 gilt nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten muss. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. In der Rechtsverordnung nach Satz 3 kann eine von Satz 2 abweichende Anzahl an Wohnungen bestimmt werden; diese Anzahl kann zwischen drei und 15 liegen.
(2) Zuständig für die Genehmigung ist die von der Landesregierung bestimmte Stelle. § 173 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 2.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll, - 4.
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist oder - 5.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist.
(4) Unbeschadet des Absatzes 3 darf eine Genehmigung nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist. Unter der Voraussetzung von Satz 1 kann die Genehmigung mit einer Auflage erteilt werden.
(5) Bei einem Grundstück, das im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Satz 3 liegt, darf das Grundbuchamt die Eintragungen in das Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der Eintragung gilt die Genehmigung als erteilt.
(6) Der Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf ferner
- 1.
die Begründung der in den §§ 30 und 31 des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte, - 2.
die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden, wenn zugleich nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, sowie - 3.
bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden eine im Grundbuch als Belastung einzutragende Regelung nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist.
(7) Diese Vorschrift geht im räumlichen Anwendungsbereich von Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 3 den Rechtsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 4 vor. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn nach Absatz 1 Satz 2 und 6 keine Genehmigungspflicht besteht.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 1.03 - 30. Juni 2004
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Dezember 1999 und des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 28. November 2002 geändert.
Es wird festgestellt, dass die Versagung der Genehmigung zur Veräußerung einer Wohnung an Herrn P. durch den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 1999 rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Kläger trägt von den Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens jeweils 5/6 und von den Kosten des Revisionsverfahrens 4/5. Die übrigen Kosten trägt die Beklagte.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Eigentümer eines 1910 errichteten Wohnhauses mit 17 Wohnungen im Geltungsbereich einer zum 1. Januar 2004 aufgehobenen Sozialen Erhaltungsverordnung in Hamburg. Im Januar 1999 beantragte und erhielt der Kläger für das im Jahr zuvor erworbene Haus eine Umwandlungsgenehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB, nachdem er sich verpflichtet hatte, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Sondereigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern. Zugleich wurde gemäß § 172Abs. 4 Satz 4 und 5 BauGB bestimmt, dass die Veräußerung von Sondereigentum der Genehmigung der Beklagten bedurfte; diese Genehmigungspflicht wurde in das Grundbuch eingetragen.
Im Februar/März 1999 bemühte sich der Kläger um die Veräußerungsgenehmigung für mehrere von ihm verkaufte Wohnungen, von denen drei noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind. Diese standen zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leer. Er vertrat die Auffassung, im Hinblick auf den Leerstand bedürfe er keiner Veräußerungsgenehmigung, hilfsweise sei sie ihm zu erteilen. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom 28. November 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Veräußerung der Wohnungen bedürfe einer Genehmigung. Die Verpflichtung, die Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern, schließe auch die zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung nicht vermieteten Wohnungen ein. Dies ergebe sich aus dem Ziel der Regelung, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Geschützt werden solle nicht der einzelne konkret vorhandene Mieter; vielmehr solle aus städtebaulichen Gründen einer allgemeinen Verdrängungsgefahr vorgebeugt werden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung der Veräußerungsgenehmigung. Allerdings könne auch derjenige Mieter im Sinne von § 172Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB sein, der erst nach Erteilung der Umwandlungsgenehmigung in die Wohnung eingezogen sei. Andererseits sei nur als Mieter anzusehen, wer als Folge einer auf Dauer angelegten Gebrauchsüberlassung eine Nutzungsbeziehung gerade zu der Wohnung habe, die veräußert werden solle. Entscheidend sei dabei, ob eine Person wie ein Mieter in der Wohnung lebe. Hierzu gehöre zumindest der Abschluss eines Mietvertrags, die ordnungsgemäße Meldung sowie die reale Zahlung von Miete. Diese Voraussetzungen seien bei den drei streitigen Wohnungen nicht erfüllt, da die Herren P., S. und K. die Wohnungen lediglich im Vorgriff auf die beabsichtigte Eigentumsübertragung nutzten. Selbst wenn zusätzlich zum Kaufvertrag ein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, solle dieser kein eigenständiges Mietrechtsverhältnis begründen, sondern stehe nur im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag. Die Betroffenen zahlten auch keine Miete, sondern nur die bei Wohnungseigentum üblicherweise zu entrichtenden Kosten. Für diese Einordnung spreche auch, dass der Kläger selbst erklärt habe, die Mietverträge seien "rein vorsorglich" bzw. auf Empfehlung seines Notars "als sicherster Weg" abgeschlossen worden. Für eine Zustimmung im Ermessenswege bestehe daher vorliegend ebenfalls kein Anlass.
Der Kläger hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte mit Wirkung zum 1. Januar 2004 die hier maßgebliche Verordnung - die Soziale Erhaltungsverordnung Eimsbüttel-Nord/Hoheluft-West - aufgehoben. Daraufhin wurden dem Kläger Löschungsbewilligungen erteilt und das Grundbuchamt um ersatzlose Streichung der Veräußerungsbeschränkung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB gebeten.
Der Kläger hat daraufhin einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt. Hierzu führt er aus, er habe das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige Interesse, da er einen Amtshaftungsanspruch geltend machen wolle, dessen Durchsetzung nicht offenbar aussichtslos sei. Er habe ferner einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Dieser setze voraus, dass eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar das Eigentum beeinträchtige. Die rechtswidrige Versagung einer behördlichen Genehmigung zur Veräußerung eines im Eigentum stehenden Grundstücks oder Grundstücksteils erfülle diese Voraussetzungen.
In der Sache vertritt er die Auffassung, bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes und der ihm erteilten Umwandlungsgenehmigung folge, dass die Verpflichtung sich nicht auf leer stehende Wohnungen erstrecke, da diese keine Mieter hätten. Bei leer stehenden Wohnungen bestehe nicht die Gefahr, dass ein Mieter verdrängt werde; eine "Wohnbevölkerung" gebe es in ihnen nicht. Leer stehende Wohnungen seien nicht anders zu behandeln, als ein leer stehendes Haus, für das nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 BauGB eine Umwandlungsgenehmigung ohne besondere Verpflichtung zu erteilen sei. § 172 BauGB müsse im Hinblick auf Art. 14 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform ausgelegt werden. Aus dem Recht am Eigentum dürfe nicht eine Last werden und das Eigentum dürfe nicht seine Privatnützigkeit verlieren. Zumindest habe er einen Anspruch auf Erteilung der Veräußerungsgenehmigung. Der Begriff des Mieters in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB sei nicht anders auszulegen als im BGB. Daher genüge das Vorliegen eines Mietvertrags. Auf die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen einschränkenden Kriterien komme es somit nicht an. Die drei Herren P., S. und K. seien als Mieter anzusehen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Dezember 1999 und des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 28. November 2002 zu ändern sowie festzustellen, dass die Veräußerung von Wohnungen durch den Kläger an Herrn P. aufgrund des Vertrages vom 26. Februar 1999, an Herrn K. aufgrund des Vertrages vom 5. März 1999 und an Herrn S. aufgrund des Vertrages vom 18. März 1999 einer Genehmigung der Beklagten nicht bedurfte,
hilfsweise
festzustellen, dass die Versagung der Veräußerungsgenehmigungen durch die Beklagte mit Blick auf die Veräußerungen an Herrn P. aufgrund des Vertrages vom 26. Februar 1999, an Herrn K. aufgrund des Vertrages vom 5. März 1999 und an Herrn S. aufgrund des Vertrages vom 18. März 1999 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Dem Kläger fehle es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein Amtshaftungsanspruch sei im Hinblick auf die Entscheidungen zweier Kollegialgerichte aussichtslos. Es liege auch kein unmittelbarer Eingriff vor, der einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff begründen könne.
In der Sache verteidigt die Beklagte ihre Bescheide und das angegriffene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren ohne einen Antrag zu stellen.
II.
A. Der vom Kläger im Revisionsverfahren gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig.
1. Die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg hat die hier maßgebliche Verordnung - die Soziale Erhaltungsverordnung Eimsbüttel-Nord/Hoheluft-West vom 17. Januar 1995 - mit Wirkung zum 1. Januar 2004 aufgehoben. Daraufhin wurden dem Kläger Löschungsbewilligungen erteilt und das Grundbuchamt um ersatzlose Streichung der Veräußerungsbeschränkung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB gebeten, so dass eine derartige Beschränkung nicht mehr besteht. Der Rechtsstreit hat sich somit in der Hauptsache erledigt. Dies gilt auch für den vor dem Berufungsgericht gestellten Feststellungsantrag. Denn mit ihm wollte der Kläger den Ausspruch des Gerichts erreichen, dass es für die Veräußerung der drei leer stehenden Wohnungen keiner Veräußerungsgenehmigung bedurfte, da sie nicht unter die Verpflichtung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB fielen. Für den Fall, dass das Gericht eine derartige Feststellung treffen sollte, hatte sich die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, die für die Löschung des Vermerks über die Genehmigungspflicht gegenüber dem Grundbuchamt erforderlichen Erklärungen abzugeben. Der Kläger ist hierauf jetzt nicht mehr angewiesen, nachdem die Beklagte dem Grundbuchamt gegenüber die Löschungsbewilligung erteilt hat. Er ist insoweit in der Verfügung seines Eigentums nicht mehr eingeschränkt.
2. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
2.1 Allerdings lässt sich dieses nicht auf den vom Kläger angekündigten Amtshaftungsprozess stützen.
Soweit der Kläger den Amtshaftungsanspruch auf die ergangenen und inzwischen erledigten Verwaltungsentscheidungen stützt, ist seine Durchsetzung aussichtslos. Zwar kann ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse gegeben sein, wenn die Weiterführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dazu dienen soll, einen Amtshaftungsprozess vor den Zivilgerichten vorzubereiten. Voraussetzung ist aber, dass der beabsichtigte Zivilprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Davon ist dann auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht. Bezogen auf Amtshaftungsklagen ist das etwa dann der Fall, wenn - wie hier - ein Kollegialgericht das Verhalten eines Beamten als rechtmäßig gewertet hat und diesem gegenüber deshalb nicht der Vorwurf erhoben werden kann, er habe offensichtlich fehlsam gehandelt und damit schuldhaft eine ihm obliegende Amtspflicht verletzt (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 9. August 1990 - BVerwG 1 B 94.90 - NVwZ 1991, 270 und Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 5 C 50.02 - NVwZ 2004, 104). Dieser Grundsatz gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn es sich bei dem beanstandeten Verhalten um eine grundsätzliche Maßnahme zentraler Dienststellen bei Anwendung eines ihnen besonders anvertrauten Spezialgesetzes handelt oder wenn das Gericht die Rechtslage trotz eindeutiger und klarer Vorschriften verkannt oder eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - III ZR 282/00 - DVBl 2001, 1619). Die Regel ist ferner unanwendbar, wenn besondere Umstände dafür sprechen, dass der verantwortliche Beamte kraft seiner Stellung oder seiner besonderen Einsichten es "besser" als das Kollegialgericht hätte wissen müssen (vgl. die Nachweise bei Eyermann/Jörg Schmidt § 113 VwGO Rn. 90). Entgegen der Auffassung des Klägers ist hier keine dieser Voraussetzungen gegeben. Insbesondere begründet sein Hinweis darauf, dass die Sachbearbeiterin vorliegend allein mit Fragen der Erhaltungssatzung befasst gewesen sei, keine besondere Sachkunde einer zentralen Dienststelle mit besonderer Fachkunde. Vielmehr geht es um die Auslegung schwieriger Rechtsfragen, für deren Bewältigung die Verwaltungsbediensteten keine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen hatten, die sich die Verwaltungsgerichte nicht ebenfalls hätten aneignen oder zu Nutze machen können. Davon, dass die Verwaltungsgerichte die Rechtslage offensichtlich verkannt hätten, kann ohnehin keine Rede sein.
Soweit der Kläger nunmehr weiterhin vorträgt, er wolle einen Schadensersatzanspruch wegen unzureichender oder falscher Beratung durch die Sachbearbeiterin geltend machen, begründet dies ebenfalls kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Denn mit der beantragten Feststellung würde keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung getroffen, die dem Kläger bei der Verfolgung dieses Anspruchs durch Beantwortung einer öffentlich-rechtlichen Vorfrage weiterhelfen könnte. Eine weitergehende Beratung hätte ihm im Übrigen lediglich die Rechtsauffassung der Beklagten deutlicher machen können, wonach auch für leer stehende Wohnungen eine Verpflichtung nach § 172Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB und eine Veräußerungsgenehmigung erforderlich sind.
2.2 Dagegen begründet die Absicht des Klägers, eine Klage zu erheben, mit der ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs geltend gemacht werden soll, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Eine derartige Klage wäre nicht offensichtlich aussichtslos.
Zwischen einem Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff und einem Anspruch aus Amtspflichtverletzung kann Anspruchskonkurrenz bestehen (BGH, Urteil vom 1. Februar 2001 - III ZR 193/99 - BGHZ 146, 365). Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 23. Januar 1997 - III ZR 234/95 - (BGHZ 134, 316) einen Entschädigungsanspruch wegen rechtswidriger Versagung einer Teilungsgenehmigung bejaht, wobei der Betroffene die Absicht hatte, das Grundstück zu Bebauungszwecken zu veräußern. Er hat zur Begründung ausgeführt, die Befugnis, das Grundstück zu Bebauungszwecken zu veräußern, sei ein Ausfluss des Eigentums, der gleichwertig neben der Befugnis stehe, das Grundstück selbst zu bebauen. Daraus folge, dass ein Kläger lediglich darzutun brauche, dass er die Möglichkeit gehabt habe, das Grundstück zu Bebauungszwecken zu veräußern. Durch die Versagung der Teilungsgenehmigung werde der Kläger in seiner durch Art. 14 GG geschützten Freiheit, sein Grundstück im Rahmen der Rechtsordnung nach seinen eigenen Vorstellungen zu nutzen, in einer Weise beeinträchtigt, die er bei Rechtswidrigkeit der Versagung nicht entschädigungslos hinzunehmen brauche. Im Anschluss daran hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 3. Juli 1997 - III ZR 205/96 - (BGHZ 136, 182) diese Grundsätze auf die Versagung einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz übertragen und es als unerheblich angesehen, dass das Grundstück nicht zu Bebauungszwecken veräußert werden sollte. Er sehe keine durchgreifenden Bedenken dagegen, diese Grundsätze auf die Versagung einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz zu übertragen. Beide Fälle lägen in dem entscheidenden Punkt gleich, dass der Eigentümer durch die Versagung der Genehmigung in seiner durch Art. 14 GG geschützten Freiheit, sein Grundstück im Rahmen der Rechtsordnung nach seinen eigenen Vorstellungen zu nutzen, in einer Weise beeinträchtigt werde, die er bei Rechtswidrigkeit der Versagung nicht entschädigungslos hinzunehmen brauche. Zum Bestand der Rechtsmacht, die Art. 14 Abs. 1 GG zur Sicherung des Instituts "Privateigentum" gewährleiste, gehöre grundsätzlich die Veräußerungsfreiheit und Verfügungsbefugnis des Eigentümers.
Eine Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall einer Veräußerungsbeschränkung hinsichtlich einzelner Wohnungen eines Hauses liegt nicht völlig fern. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs ist somit nicht von vornherein aussichtslos. Eine genauere Bestimmung der Anspruchsgrundlagen ist den Zivilgerichten ebenso zu überlassen wie die Frage, in welchem Umfang in derartigen Fällen eine angemessene Entschädigung in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 3. Juli 1997, a.a.O.).
B. Die vom Kläger gestellten Anträge erstrecken sich - wie zur Klarstellung hervorzuheben ist - nicht auf denjenigen Lebenssachverhalt, der Gegenstand des zurzeit beim Verwaltungsgericht Hamburg anhängigen Verfahrens - 19 VG 4532/2001 - ist. Der Kläger hatte während des Berufungsverfahrens in der vorliegenden Sache mit Schreiben vom 13. Juli 2000 einen erneuten Antrag auf Erteilung einer Veräußerungsgenehmigung gestellt. Dabei hatte er sich zur Begründung auf frühere Hinweise der Beklagten berufen, eine Genehmigung komme möglicherweise in Betracht, nachdem die Kaufinteressenten für eine längere Zeit als Mieter in der Wohnung gelebt hätten. Unter Hinweis hierauf erstrebte er eine erneute Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten. Nachdem dies durch Bescheid vom 15. August 2000 und Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2000 abgelehnt worden war, hat er hiergegen beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben. Sowohl in diesem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat er ausdrücklich erklärt, er sehe in diesem Vorgang einen eigenständigen Lebenssachverhalt, der nicht in das damals beim Oberverwaltungsgericht und jetzt beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Verfahren einbezogen werden sollte. Aus diesen von § 88VwGO gedeckten Erklärungen folgt, dass der Senat über den weiteren abtrennbaren Lebenssachverhalt, wonach die Herrn P., S. und K. länger als ein Jahr in ihren jeweiligen Wohnungen gelebt haben, und der Kläger daraus einen Anspruch auf eine (nunmehr) für ihn günstige Ermessensentscheidung ableitet, nicht zu entscheiden hatte. Der hier gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag betrifft - zulässigerweise (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1999 - BVerwG 4 C 4.98 - BVerwGE 109, 74) - einen weiter zurückliegenden Zeitraum. Er knüpft an den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1999 an.
C. Der somit zulässige Fortsetzungsfeststellungsantrag hat nur teilweise Erfolg. Soweit der Kläger die Feststellung erstrebt, dass die Veräußerung der drei Wohnungen keiner Genehmigung der Beklagten bedurfte, ist ihm nicht zu folgen. Soweit er hilfsweise die Feststellung beantragt, die Versagung einer Veräußerungsgenehmigung sei rechtswidrig gewesen, hat seine Revision lediglich hinsichtlich eines der drei Erwerber, des Herrn P., Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hätte insoweit die Beklagte verpflichten müssen, über den im Jahre 1999 gestellten Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. In diesem Umfang verletzt seine Entscheidung Bundesrecht. Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.
1. Hinsichtlich der drei streitigen zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leer stehenden Wohnungen war eine Veräußerung nur mit der Genehmigung der Beklagten möglich.
1.1 Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Überdies sind die Landesregierungen ermächtigt, für die Grundstücke in Gebieten einer derartigen Satzung durch Rechtsverordnung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen, dass die Begründung von Sondereigentum (Wohnungseigentum und Teileigentum gemäß § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes) an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nicht ohne Genehmigung erfolgen darf (§ 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB). Hiervon hat die Landesregierung der Freien und Hansestadt Hamburg für das hier betroffene Gebiet Gebrauch gemacht. Diese Umwandlungsgenehmigung darf nach § 172 Abs. 4 BauGB nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Sondereigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Sondereigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern (§ 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB). In diesem Fall kann in der Umwandlungsgenehmigung bestimmt werden, dass auch die Veräußerung von Sondereigentum an dem Gebäude während der Dauer der Verpflichtung der Genehmigung der Gemeinde bedarf (Veräußerungsgenehmigung). Die Genehmigungspflicht kann auf Ersuchen der Gemeinde in das Grundbuch für das Sondereigentum eingetragen werden; sie erlischt nach Ablauf der Verpflichtung.
Der Kläger hat sich in diesem Sinne verpflichtet, die Wohnungen im betroffenen Gebäude nur an die Mieter zu veräußern. Daraufhin ist ihm eine Umwandlungsgenehmigung erteilt worden. Diese ist mit einem Vorbehalt verbunden, wonach die Veräußerung von Sondereigentum der Genehmigung der Beklagten bedarf.
1.2 Der Kläger ist der Auffassung, die Verpflichtung, Sondereigentum nur an Mieter zu veräußern, erstrecke sich nicht auf Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Umwandlungsgenehmigung nicht vermietet waren. Dies trifft nicht zu.
Eine auf § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB gestützte Umwandlungsgenehmigung ist für das gesamte Gebäude zu erteilen, auch wenn einzelne Wohnungen leer stehen. Der Gesetzgeber geht in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB davon aus, dass sich die Umwandlungsgenehmigung auf das ganze Gebäude bezieht ("an Gebäuden"). Dies entspricht nach den Erläuterungen der Beklagten auch der Verwaltungspraxis, die im Hinblick auf das Bedürfnis, für die zu schaffenden Eigentumswohnungen grundbuchrechtlich klare Verhältnisse zu schaffen, nahe liegt. Auch die Regelung in § 8 Abs. 1 WEG ist auf die Bildung von Wohnungseigentum durch Teilung des gesamten Grundstücks angelegt. Im vorliegenden Fall bezieht sich die Umwandlungsgenehmigung ebenfalls auf das Grundstück insgesamt, auf dem sich ein Wohngebäude mit 17 (später 16) Wohneinheiten befindet.
Schon dieser Umstand legt die Annahme nahe, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB sich grundsätzlich auf sämtliche Wohnungen des von der Umwandlungsgenehmigung erfassten Gebäudes bezieht.
Die in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB vorgesehene Verpflichtung, die Wohnungen innerhalb von sieben Jahren nur an die Mieter zu veräußern, erstreckt sich auch auf diejenigen Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leer stehen. Dies ergibt der Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgt.
Eine derartige Verpflichtung ist auch der Kläger eingegangen. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die im vorliegenden Einzelfall ergangene Entscheidung der Behörde sowie die vorausgegangene Verpflichtungserklärung des Klägers keinen von der Gesetzeslage abweichenden Inhalt haben und daher ebenso auszulegen sind.
Die gesetzliche Regelung des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB bezweckt, dass der Eigentümer das durch die Umwandlung und Aufteilung entstandene Sondereigentum für eine bestimmte Zeit nicht auf dem freien Immobilienmarkt an jeden beliebigen Kaufinteressenten, sondern nur an die Mieter veräußern darf. Zielsetzung dieser Regelung bleibt auch nach den durch das Bau- und Raumordnungsgesetz - BauROG - vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) erfolgten Ergänzungen in § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Dies verdeutlicht der unverändert gebliebene § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB, wonach die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Die Vorschriften ergänzen zwar die zivilrechtlichen Regelungen zum Mieterschutz, ihre Zielrichtung bleibt aber städtebaurechtlicher Natur. Dem steht der zweite Halbsatz in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB nicht entgegen, in dem auf das BGB Bezug genommen wird, denn dadurch soll nur sichergestellt werden, dass die Beschränkung des Vermieters insgesamt zehn Jahre nicht übersteigt.
Dem städtebaulichen Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu schützen, wird auch damit gedient, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung vorübergehend leer stehende Wohnungen dem betroffenen Personenkreis als Mietobjekt zur Verfügung stehen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen. Für die durch eine Soziale Erhaltungsverordnung geschützten Gebiete ist von einer das Angebot an Mietwohnungen deutlich übersteigenden Nachfrage auszugehen. Daher ist im Regelfall eine erneute Vermietung der Wohnung alsbald möglich. Die leer stehenden Wohnungen sollen dem Mietwohnungsmarkt nicht dadurch entzogen werden, dass sie an einen beliebigen Dritten veräußert werden. Denn der Erwerber wird typischerweise, gegebenenfalls nach Modernisierung der Wohnung, eine deutliche Erhöhung des Mietniveaus anstreben. Diese Entwicklung verstärkt die Gefahr einer Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung (vgl. hierzu BTDrucks 13/7886 S. 13). Dem Schutz hiervor dient das Verbot, das Sondereigentum an andere Interessenten als an den in der Wohnung lebenden Mieter zu veräußern, auch dann, wenn eine Wohnung vorübergehend nicht vermietet ist. Auch der Senat ist bereits in seinem Urteil vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 C 2.97 - (BVerwGE 105, 67 = BRS 59 Nr. 254) im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung des Einbaus einer Loggia in eine Dachgeschosswohnung auf der Grundlage der damals maßgeblichen Gesetzeslage (die das Instrument der Verpflichtung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB noch nicht kannte) davon ausgegangen, dass der Schutzzweck der Regelung auch dann betroffen ist, wenn die Wohnung leer steht. Denn die Erhaltungssatzung dient als städtebauliches Instrument nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - dem Schutz einzelner konkreter Bewohner, sondern dem allgemeineren und längerfristigen Ziel, die Struktur der Wohnbevölkerung zu erhalten. Daran hat sich auch durch die Novellierung im Jahre 1997 nichts geändert.
1.3 Zu Recht hebt das Oberverwaltungsgericht hervor, dass aus der Regelung in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 BauGB nichts anderes folgt. Denn in den Fällen, in denen ein ganzes Gebäude nicht (mehr) zu Wohnzwecken genutzt wird, weil es beispielsweise insgesamt gewerblich genutzt wird oder leer steht, hat sich bereits ein tief greifender Wandel vollzogen, der weit mehr dafür spricht, dass das Gebäude dem Mietwohnungsmarkt entzogen ist und bleibt, als es beim vorübergehenden Leerstand einzelner Wohnungen in einem Haus der Fall ist.
Dieses aus der systematischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass auch die Initiatoren des Gesetzesvorhabens beim Anwendungsbereich der Umwandlungsgenehmigung von der Einbeziehung leer stehender Wohnungen ausgegangen sind (vgl. BTDrucks 13/7886 S. 13).
Erstreckte sich die vom Kläger eingegangene Verpflichtung mithin auch auf die drei streitigen Wohnungen, so bedurfte es auch insoweit einer Veräußerungsgenehmigung. Die Veräußerungsgenehmigung soll der Behörde die Kontrolle darüber ermöglichen, dass die Voraussetzungen nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB erfüllt sind, und durch Eintragung der Genehmigungspflicht in das Grundbuch die Durchsetzung sicherstellen. Diese Aufgabe hatte die Genehmigungspflicht auch im vorliegenden Fall zu erfüllen. Somit kann die Feststellung, dass die Veräußerung der Wohnungen an die Herren S., P. und K. keiner Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 4 BauGB bedurfte, nicht getroffen werden.
2. In den drei noch streitigen Fällen hatte der Kläger auch keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Veräußerungsgenehmigung.
2.1 Diese ist zu erteilen, wenn die Wohnung an den Mieter veräußert werden soll. Die Herren P., S. und K. waren keine Mieter in diesem Sinne.
Der hier zu entscheidende Fall gibt keine Veranlassung, den Begriff des Mieters im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB abschließend zu klären. Jedenfalls bestimmt sich dieser Begriff nicht allein nach zivilrechtlichen Maßstäben, sondern ist unter Beachtung des Gesetzeszwecks auszulegen.
Unbedenklich ist als Mieter im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB anzusehen, wer zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung als Mieter in der Wohnung wohnt. Hinzu tritt derjenige Personenkreis, der nach den Vorschriften des Mietrechts in das Mietverhältnis eintritt (§ 563 BGB). Dem Oberverwaltungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass eine Auslegung des Gesetzes dahingehend, Mieter im Sinne von § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB könne nur sein, wer bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung die betreffende Wohnung bewohnt hat, verfehlt wäre. Zum einen enthält das Gesetz keinen Anhaltspunkt für eine derartige Stichtagswirkung. Zum anderen würden die Konsequenzen über die Zielsetzung, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten, hinausgehen und sich als unverhältnismäßig erweisen. Denn der Eigentümer, der die Umwandlungsgenehmigung mit der Verpflichtung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB erhalten hat, darf für einen Zeitraum von sieben Jahren die Wohnung an keinen anderen als den Mieter veräußern. Auch in einem sozialen Erhaltungsgebiet ist jedoch regelmäßig mit Mieterwechseln zu rechnen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass in allen Fällen, in denen eine Wohnung zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leer gestanden hat, erst der Ablauf von möglicherweise fast sieben Jahren die Annahme rechtfertigt, eine Genehmigung der Veräußerung werde das Ziel einer Erhaltung der Wohnbevölkerung nicht gefährden. Vielmehr kann schon nach Ablauf kürzerer Zeiträume eine derartige Schlussfolgerung gerechtfertigt sein. Auch die Absicht, offenkundige Umgehungen der gesetzlichen Regelungen zu verhindern, würde eine derartige Auslegung nicht rechtfertigen. Denn es entspricht keineswegs der Lebenserfahrung, dass alle Veräußerungen von Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Umwandlungsgenehmigung leer gestanden haben, im Zeitpunkt der Veräußerung aber vermietet sind, eine Umgehung darstellen.
Andererseits sind solche Personen nicht als Mieter anzusehen, die die betreffende Wohnung zwar tatsächlich bewohnen, diese Nutzung aber mit Blick auf die in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB genannten Voraussetzungen nur aufgenommen haben, weil sie von vornherein einen käuflichen Erwerb der Wohnung beabsichtigten. Ein derartiges Vorgehen, das dazu dient, zum Schein die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB zu erfüllen, kann je nach den Umständen auch dann gegeben sein, wenn formal ein Mietvertrag abgeschlossen wurde.
In allen drei noch streitigen Fällen ist das Oberverwaltungsgericht unter Würdigung der Besonderheiten des Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangt, die Betroffenen hätten die Wohnungen nicht wie ein Mieter, sondern im Vorgriff auf die beabsichtigte Eigentumsübertragung genutzt. Es spreche nichts dafür, dass der Mietvertrag auch ohne die Aussicht auf einen Eigentumsübergang geschlossen worden wäre. Der Kläger erziele aus den Wohnungen auch keine Mieteinnahmen, sondern erhalte lediglich Wohngeld bzw. Betriebs- und Heizungskosten. Diese Einschätzung werde auch durch seine Erklärungen im Widerspruchs- und Klageverfahren unterstützt, die Mietverträge seien "rein vorsorglich" "als sicherster Weg" abgeschlossen worden. Diese Schlussfolgerungen lassen keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Verfahrensrügen, die die Tatsachenwürdigung des Oberverwaltungsgerichts angreifen, hat die Revision nicht erhoben.
2.2 Die dargestellte Rechtslage ist mit dem Grundgesetz, insbesondere Art. 14 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Für den Eigentümer wird die Möglichkeit, sein Sondereigentum an Wohnungen zu veräußern, nach Maßgabe der genannten Regelungen eingeschränkt. Dies stellt eine zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums dar. Dem Eigentümer verbleibt die Nutzung des Eigentums durch Vermietung der Wohnungen, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Wohnungen auch vermietet werden können, da eine entsprechende Nachfrage nach derartigen Wohnungen bestehe. Bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ist eine Genehmigung zu erteilen (§ 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB); die Belange des Eigentümers werden ferner durch die weiteren Regelungen in § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB berücksichtigt (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Januar 1987 - 1 BvR 969/83 - NVwZ 1987, 879 = ZfBR 1987, 203 zur Regelung in § 39h BBauG). Im Fall des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB wird sichergestellt, dass die durch Regelungen des Mieterschutzes bestehende Frist von bis zu zehn Jahren nicht überschritten wird.
Der Gesetzgeber verfügt bei derartigen Regelungen über einen weiten Gestaltungsspielraum. Insbesondere kann er die jeweiligen Verhältnisse und Umstände auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen (vgl. z.B. BVerfGE 91, 294, 310). Die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen sind dann überschritten, wenn die Beschränkungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung führen würden. In derartigen Fällen greift jedoch unter anderem § 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB ein. Dessen Voraussetzungen sind im Falle des Klägers - jedenfalls für den hier entscheidungserheblichen Zeitraum - indes nicht gegeben.
Der Gesetzgeber verfolgt auch dann ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Ziel, wenn er die Verfügungsbefugnis des Eigentümers nicht nur zum Schutz des bereits in einer Wohnung lebenden Personenkreises, sondern auch im Interesse der Angehörigen der Wohnbevölkerung beschränkt, die in zeitweise leer stehende Wohnungen einziehen. Der Gesetzgeber stellt in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB sicher, dass eine derartige Beschränkung nur unter bestimmten engen Voraussetzungen (Milieuschutz) durch besonders zu erlassende Rechtsverordnung der Landesregierung erfolgen kann.
Auch die Hinweise des Klägers auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 315/91 - (BVerfGE 102, 1 - Altlasten) führen zu keinem anderen Ergebnis. Dem Kläger wird keine kostenaufwändige Sanierung oder andere Belastung auferlegt. Das 17 (jetzt 16) Wohnungen umfassende Haus kann vielmehr wirtschaftlich wie jedes andere Mietshaus genutzt werden. Im Übrigen konnte der Kläger bereits beim 1998 erfolgten Erwerb des Hauses erkennen, dass es sich in einem Gebiet befindet, für das eine Soziale Erhaltungsverordnung gilt, so dass die Bildung von Wohnungseigentum und die Veräußerung einzelner Wohnungen Beschränkungen unterliegen, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen über den Mieterschutz in diesem Gebiet nicht wesentlich hinausgehen.
3. Veräußert der Eigentümer entgegen der nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB eingegangenen Verpflichtung nicht an einen Mieter im Sinne dieser Vorschrift, sondern an einen Dritten, so entspricht es der in der Gesetzessystematik angelegten Regel, die Veräußerungsgenehmigung zu versagen. Gleichwohl kommen atypische Fallgestaltungen in Betracht, die eine Erteilung der Genehmigung im Ermessenswege rechtfertigen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das Senatsurteil vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 C 2.97 - BVerwGE 105, 67). Dies gilt insbesondere bei Sachverhalten, die gemessen am Ziel der Erhaltung der Bevölkerungsstruktur ähnlich zu bewerten sind wie der gesetzlich geregelte Fall des Kaufs einer Wohnung durch den in ihr wohnenden Mieter. Hierzu zählen beispielsweise Fälle, in denen Mieter, die im selben Haus wohnen, eine andere zurzeit leer stehende Wohnung kaufen wollen. Eine atypische Fallgestaltung kann auch dann gegeben sein, wenn ein Mieter, der bisher im Erhaltungsgebiet in einem anderen Gebäude wohnt, eine leer stehende Wohnung kauft. Je mehr der Fall dem gesetzlich geregelten Kauf einer Wohnung durch den in ihr wohnenden Mieter ähnlich ist, umso eher kommt eine Ermessensentscheidung zugunsten einer Veräußerungsgenehmigung in Betracht.
Derartige Voraussetzungen sind hinsichtlich des Erwerbs einer Wohnung durch Herrn P. gegeben, denn er wohnte bereits zuvor im Gebiet der Erhaltungsverordnung (vgl. Widerspruchsbescheid S. 16). Die Beklagte durfte sich nicht darauf beschränken, einen atypischen Fall mit der Begründung zu verneinen, der Kläger habe die Wohnungen bewusst leer stehen lassen. Vielmehr war dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der an einem Erwerb interessierte Herr P. bereits der zu schützenden "Wohnbevölkerung" angehörte. Dass er "Single" ist und es ihm aufgrund seiner längeren Berufstätigkeit möglich war, die Wohnung zu erwerben, hindert entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid eine für den Kläger und in Folgewirkung für Herrn P. günstige Ermessensentscheidung nicht. Daher hätten das Verwaltungsgericht bzw. das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Herrn P. die Beklagte verpflichten müssen, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Veräußerungsgenehmigung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Insoweit verstoßen die angegriffenen Urteile gegen Bundesrecht. Nach der Aufhebung der Erhaltungsverordnung während des Revisionsverfahrens war die entsprechende Feststellung zu treffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 und § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 12 000 € festgesetzt.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie der Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts für ein Wohngrundstück.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks H.straße ... in Berlin. Es ist mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut und verfügt in einem fünfgeschossigen Vorderhaus, einem Seitenflügel und einem Quergebäude über insgesamt 20 Mietwohnungen und 2 Gewerbeeinheiten. Im Jahr 2004 wurden Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, wozu auf der Grundlage eines Fördervertrags mit dem beklagten Land öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen wurden. Das Grundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich der vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erlassenen Erhaltungsverordnung für das Gebiet "Chamissoplatz", die als sogenannte Milieuschutzsatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung dient. Des Weiteren gilt für das Grundstück eine Verordnung des beklagten Landes, die einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum in Erhaltungsgebieten vorsieht. Schließlich liegt das Grundstück im Geltungsbereich eines Baunutzungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Mit notariellem Vertrag vom 15. Mai 2017 verkaufte die Beigeladene das Grundstück zum Preis von 3,4 Mio. € an die Klägerin. Diese trat in den Fördervertrag ein, dessen Bindungen spätestens im Jahr 2026 ablaufen. Eine ihr vom Bezirksamt angebotene Vereinbarung über die Abwendung des Vorkaufsrechts lehnte die Klägerin ab. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM unterzeichnete als vorkaufsbegünstigter Dritter am 10. August 2017 eine Verpflichtungserklärung.
Mit Bescheid vom 11. August 2017 lehnte das Bezirksamt den Antrag auf Erteilung eines Negativzeugnisses ab und übte unter Berufung auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB sein Vorkaufsrecht zugunsten der WBM aus.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage nach erfolglosem Widerspruchsverfahren ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen vor. Das Wohl der Allgemeinheit könne dies schon dann rechtfertigen, wenn im Hinblick auf eine bestimmte gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt würden. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung sei dies gegeben, wenn erhaltungswidrige Entwicklungen zu befürchten seien, die der Käufer voraussichtlich beabsichtige. Die Anforderungen an diesen Nachweis dürften nicht überspannt werden. Bei einer Würdigung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse habe das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der WBM das Ziel der Erhaltungsverordnung gefördert werde. Es sei auch zu befürchten, dass in der nachgefragten innerstädtischen Lage die Zusammensetzung der sozialgemischten Wohnbevölkerung aufgrund der Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen nicht erhalten werde. Der relativ hohe Kaufpreis lasse erwarten, dass die Klägerin das Grundstück anders als bisher nutzen und den Kaufpreis durch mieterhöhende bauliche Maßnahmen refinanzieren werde. Diese Annahme werde dadurch bestärkt, dass die Klägerin die angebotene Abwendungserklärung nicht angenommen habe. Sie sei eine private Immobiliengesellschaft, was für eine Bewirtschaftung bzw. Vermarktung des Wohngebäudes nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Erfordernissen spreche. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei schließlich nicht durch § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift sei dem Grunde nach anwendbar, wobei sich der Ausübungsausschluss im Falle einer gesonderten Erhaltungssatzung allein nach dessen zweiter Alternative richte. Diese sei ungeachtet des engen Wortlauts sachgerecht dahingehend auszulegen, dass bei der Beurteilung und Bewertung, ob das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme - hier der sozialen Erhaltungssatzung - genutzt werde, auch die zu erwartenden künftigen Nutzungen durch den Käufer zu berücksichtigen seien. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten eines Dritten lägen vor. Schließlich habe der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Maßstab nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB in sich widersprüchlich und fehlerhaft sei. Das Oberverwaltungsgericht missachte die gesetzliche Ausgestaltung der Ziele einer Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB, verzichte zu Unrecht auf eine konkrete Gefährdung der Erhaltungsziele durch den Grundstückserwerb und lege im Rahmen der Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung Umstände außerhalb des Erwerbsvorgangs zugrunde. Des Weiteren gehe es rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB für Grundstücke, die wie hier im Geltungsbereich sowohl eines Bebauungsplans als einer Erhaltungssatzung lägen, nicht einschlägig sei. Im Rahmen des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB berücksichtige das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht künftige erhaltungswidrige Entwicklungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie den Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, ist allerdings der Auffassung, dass § 26 Nr. 4 BauGB auf ein Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung schon deswegen keine Anwendung finde, weil es sich dabei nicht um eine städtebauliche Maßnahme handele.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Gründe
Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat kann auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen selbst antragsgemäß über das geltend gemachte Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte das Vorkaufsrecht am betroffenen Grundstück der Beigeladenen auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 24 Abs. 3, § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB rechtmäßig ausgeübt. Dieser Bewertung steht jedoch der Ausübungsausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB entgegen.
1. Das Grundstück der Beigeladenen liegt im Geltungsbereich der auf der Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB, § 30 Abs. 1 Satz 1 AGBauGB-BE erlassenen Erhaltungsverordnung "Chamissoplatz" vom 25. Mai 2005. Deren Rechtmäßigkeit wird von den Beteiligten nicht infrage gestellt; diesbezügliche Zweifel drängen sich dem Senat auch nicht auf. Der Beklagten steht folglich nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB ein Vorkaufsrecht zu. Es darf gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird begrenzt im Sinne einer negativen Tatbestandsvoraussetzung durch die Ausübungsausschlussgründe nach § 26 BauGB normativ begrenzt. Der dortige Katalog konkretisiert Beispielsfälle, in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 2; vgl. auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 63, § 26 Rn. 1). Hier steht § 26 Nr. 4 BauGB der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegen. Auf die übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts, insbesondere zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, kommt es danach für die revisionsgerichtliche Prüfung nicht mehr an.
2. Nach § 26 Nr. 4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn - erstens - das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und - zweitens - eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist.
Die letztgenannte Voraussetzung ist nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) gegeben. Der Zustand des verkauften Anwesens steht seiner bestimmungsgemäßen Nutzung nicht entgegen; es entspricht auch den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Die erste Voraussetzung ist ebenfalls zu bejahen.
a) Dem steht nicht entgegen, dass nach den auf das nicht revisible Landesrecht bezogenen und auch als solchen nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die im geltenden Baunutzungsplan festgesetzte Geschoßflächenzahl überschritten ist. Denn der Ausschlussgrund der Plankonformität der Bebauung und Nutzung (§ 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB), die sich mangels einschränkender Vorgaben im Gesetz auf alle nach Maßgabe des § 30 BauGB möglichen Festsetzungen bezieht (vgl. Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 47), ist nicht einschlägig, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts ungeachtet der planungsrechtlichen Situation mit der Wahrung der Ziele einer Erhaltungssatzung begründet wird.
Mit den beiden Alternativen der ersten Voraussetzung des § 26 Nr. 4 BauGB hat das Gesetz Ausübungsausschlussgründe für verschiedenartige Vorkaufsrechte zusammengeführt, die gleichwohl in ihrer Zielrichtung unterscheidbar sind und weiterhin nach ihrem Bezugspunkt unterschieden werden. Schon die Verwendung des bestimmten Artikels (des Bebauungsplans) legt nahe, dass sich die Alternative 1 allein auf die Fallkonstellation bezieht, dass das Vorkaufsrecht der Sicherung der Festsetzungen eines Bebauungsplans dient (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Die Begründung des Gesetzentwurfs bestärkt dieses Verständnis, wenn dort - die Gesamtregelung allerdings nicht erschöpfend - als Regelungsvorbild allein auf § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG und damit auf das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BBauG verwiesen wird (BT-Drs. 10/4630 S. 83
b) Der Klägerin kommt § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB zugute.
aa) Zu den hiervon erfassten städtebaulichen Maßnahmen zählt grundsätzlich auch der Erlass einer Erhaltungssatzung nach § 172BauGB. Dieser Begriff ist wie auch in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB als Gegenbegriff zum Bebauungsplan weit zu verstehen; darunter fallen alle Maßnahmen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1994 - 4 B 70.94 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 S. 3; vom 8. September 2009 - 4 BN 38.09 - BRS 74 Nr. 129 Rn. 4 und vom 19. Dezember 2018 - 4 BN 42.18 - BRS 86 Nr. 78 S. 515). Diese können sich auch auf einen städtebaulich motivierten Bestands- bzw. Erhaltungsschutz beziehen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 25 Rn. 15; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 25 Rn. 5; Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2012, § 25 Rn. 4, Stand 2008, § 26 Rn. 10) und in diesem Rahmen als Teilaspekt einer "gemeindlichen Sozialplanung" (vgl. BT-Drs. 7/2495 S. 53) auch Ziele und Zwecke - in erster Linie durch eine entsprechende Nutzung des Bestands - verfolgen.
Unbeachtlich ist, dass in §§ 172 ff. BauGB der Begriff der "Maßnahme" nicht verwendet wird. Das unterscheidet die Vorschriften über die Erhaltungssatzung von anderen im Zweiten Kapitel des Baugesetzbuches (Besonderes Städtebaurecht) aufgeführten städtebaulichen Instrumenten wie insbesondere den Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB) und den Entwicklungsmaßnahmen (§§ 165 ff. BauGB), die auf eine Veränderung und Umgestaltung eines Gebiets ausgerichtet sind. Die auf den Schutz eines Bestands ausgerichtete Erhaltungssatzung samt den darauf beruhenden gemeindlichen Einwirkungsmöglichkeiten ist gleichwohl Teil des besonderen Maßnahmenrechts des Städtebaurechts (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 172 Rn. 2; Bank, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2011, Rn. 2 vor §§ 172-174; § 172 Rn. 9). Von einem umfassenden Begriff der städtebaulichen Maßnahme geht innerhalb des Zweiten Kapitels des Baugesetzbuches auch § 187 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB aus; denn hierunter fallen u.a. alle Satzungen, die auf der Grundlage des Baugesetzbuches erlassen werden (vgl. Möller, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 187 Rn. 4; Schriever/Linke, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2015, § 187 Rn. 22; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 187 Rn. 5). Dieses weite Verständnis findet sich im hier relevanten Kontext ebenfalls in der Begründung des Gesetzentwurfs, wenn dort im Zusammenhang mit der Abwendungsbefugnis unter Bezug auf die Vorschrift des § 24a Satz 2 BBauG betreffend das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten von einer "maßnahmengemäßen" Nutzung die Rede ist (BT-Drs. 10/4630 S. 83
bb) Der Ausschlussgrund greift demnach auch bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 172BauGB), wenn das Grundstück entsprechend deren Zielen und Zwecken bebaut ist und genutzt wird. Auch in dieser Fallgestaltung kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an, während mögliche zukünftige Entwicklungen nicht von Bedeutung sind (siehe zum Streitstand etwa Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 26 Rn. 22). Dieses Verständnis der Norm knüpft an den hinreichend klaren und insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift an, der auch nicht mithilfe anderer Auslegungsmethoden überwunden werden kann.
(1) Das Gesetz bedient sich der Zeitform des Präsens ("bebaut ist und genutzt wird"), die zuvörderst einen gegenwärtigen Zustand umschreibt, nicht aber zukünftige Verhältnisse und Entwicklungen in den Blick nimmt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass sowohl der Bebauung als auch der Nutzung ein Element der Dauer innewohnt; denn das Gesetz stellt ersichtlich gerade auf einen bestimmten Zeitpunkt in einem Kontinuum ab. Ein grammatikalisch durchaus möglicher und insbesondere in der Umgangssprache intendierter Zukunftsbezug bei Verwendung des Präsens kann sich zwar außer aus eindeutigen Zeitangaben auch aus dem Sinnzusammenhang ergeben. Allein der Verweis auf das Erhaltungsziel, das auf die (fortdauernde) Bewahrung eines gegebenen Zustands bezogen ist, reicht nicht aus, um den grammatikalischen Sonderfall als gegeben anzunehmen. Für ein abweichendes Wortverständnis gibt auch die Entstehungsgeschichte nichts her. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 10/4630 S. 83
Der Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB kann auch nicht mit der Begründung als unklar - und folglich auslegungsbedürftig - bezeichnet werden, dass bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB bezogen auf den wesentlichen Inhalt des § 172 BauGB seinen Sinn verlöre (so Roos, in: Brügelmann, BauGB, Stand März 2003, § 24 Rn. 56). Vielmehr wird damit der Sache nach behauptet, dass die Vorschrift aus teleologischen Erwägungen einer den Wortlaut korrigierenden bzw. ergänzenden Auslegung bedürfe (so denn auch Roos a.a.O. Rn. 58 f.).
(2) Stellt § 26 Nr. 4 BauGB nach seinem klaren Wortlaut einheitlich für alle Vorkaufsrechtsfälle bei der Beurteilung einer plan- bzw. maßnahmenkonformen Bebauung und Nutzung auf den gegenwärtigen Zustand ab, könnte der so verstandene Ausübungsausschlussgrund bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung nur dann unberücksichtigt bleiben und damit eine zukunftsgerichtete Betrachtung im Rahmen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB ermöglichen, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion der Norm vorlägen und demnach die zu weit gefasste Regelung auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen wäre (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 Rn. 14 und vom 22. Mai 2014 - 5 C 27.13 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 26 Rn. 21 f. m.w.N.). Eine gesetzgeberische Konzeption, die der Neuregelung des Vorkaufsrechts im Gesetz über das Baugesetzbuch zugrunde liegt, im Normtext aber nur unvollkommen zum Ausdruck gekommen ist und folglich eine entsprechende Korrektur eines insoweit "misslungenen" Gesetzestextes erforderte (siehe etwa Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2008, § 26 Rn. 11; so bereits in der Vorauflage Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, § 26 Rn. 8), ist jedoch mit der gebotenen Eindeutigkeit nicht nachzuweisen. Demgegenüber reicht der Hinweis nicht aus, dass allein eine den Wortlaut des Gesetzes berichtigende Interpretation zu einer als wünschenswert und sinnvoll erachteten Regelung führe. Eine solche vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen, ist Sache des Gesetzgebers.
Den Gesetzesmaterialien zur Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Baugesetzbuch ist nicht zu entnehmen, dass das der Sicherung von städtebaulichen Erhaltungszielen dienende Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG in seiner inhaltlichen Ausformung unverändert in das Baugesetzbuch überführt werden sollte.
Die Gesetzesänderungen im Bereich des Vorkaufsrechts zielten allgemein darauf ab, die Regelungen zu straffen oder aus Gründen der Vereinfachung neu zu fassen (BT-Drs. 10/4630 Einl. B. 11, S. 50, 52). Das Vorkaufsrecht sollte auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen "auf die Fälle wirklichen städtebaulichen Bedürfnisses beschränkt werden" (BT-Drs. 10/4630 S. 56). Wegen geringer praktischer Bedeutung sollten die Vorkaufsrechte nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und nach § 25a BBauG entfallen. Eine nur beschränkte Relevanz des Vorkaufsrechts nach § 24a BBauG stand dem Gesetzgeber ebenfalls deutlich vor Augen. Aus Untersuchungen, auf die in den bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs herangezogenen "Materialien zum Baugesetzbuch" Bezug genommen wird (S. 135), geht hervor, dass das Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG niemals angewendet und nur viermal - jeweils außerhalb von Erhaltungsgebieten - angedroht worden ist (siehe Schäfer/Schmidt-Eichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, Forschungsbericht 34, 1984, S. 228 f., 251). Auch zur Reduzierung eines angesichts des geringen Anteils von Fällen, in denen ein Vorkaufsrecht überhaupt ausgeübt wurde, letztlich überflüssigen Verwaltungsaufwands ist in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB das Vorkaufsrecht auf die durch Satzung festgesetzten Gebiete beschränkt worden (siehe auch Materialien a.a.O. S. 136); ein solches Erfordernis war nach dem Gesetzeswortlaut bisher nicht vorgesehen (so auch die h.M. im Schrifttum, siehe die Nachweise bei Konrad, ZRP 1986, 96 <98 mit Fn. 29>). Aus der Formulierung "Nr. 4 entspricht § 24a des Bundesbaugesetzes" (BT-Drs. 10/4630 S. 82
Mit der Ausübungsvoraussetzung nach § 24 Abs. 3 BauGB wird in Bezug auf eine Rechtfertigung durch das Wohl der Allgemeinheit die alte Rechtslage wiederholt (§ 24a Satz 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 Satz 1 BBauG). Demgegenüber wird mit der Neuregelung der Ausübungsausschlussgründe insoweit die Rechtslage geändert, als diese Gründe nunmehr einheitlich für alle Vorkaufsrechte gelten und der Ausschlussgrund der plankonformen Bebauung und Nutzung (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG) entsprechend auf eine maßnahmenkonforme Bebauung und Nutzung erstreckt wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 3). Darin liegt ein Unterschied zum Regelungsvorschlag im Bericht der Arbeitsgruppe 5, die sich in Absatz 4 des Vorschlags zum Ausschluss des Vorkaufsrechts noch im Anschluss an die bestehenden Vorschriften auf die planentsprechende Bebauung und Nutzung beschränkt hat und somit festhalten konnte, dass die Ausschlussgründe des geltenden Rechts erhalten bleiben (Materialien a.a.O. S. 138). Wenn der Gesetzentwurf hiervon abweicht und die Reichweite des Ausschlussgrundes erweitert, spricht vieles dafür, dass er sich für eine neue inhaltliche Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Gebiet von Erhaltungssatzungen ausgesprochen hat. In den weiteren parlamentarischen Beratungen ist darauf - soweit schriftlich dokumentiert - nicht weiter eingegangen worden (siehe BT-Drs. 10/6166 S. 135 f.), der Bundesrat hat zu §§ 24 bis 26 BauGB-E keine Empfehlungen formuliert (siehe BR-Drs. 575/1/85 S. 42 bis 44), und das Gesetz ist so verabschiedet worden. Damit wird das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten eingeengt, läuft aber nicht von vornherein leer. Ein Anwendungsbereich verbleibt jedenfalls in den Fällen, in denen eine bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist (vgl. auch Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 53; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 27 Rn. 44). Ein eindeutiger Widerspruch zwischen der in der Begründung des Gesetzentwurfs formulierten Regelungsabsicht und dem Verständnis der gesetzlichen Regelung, die eine interpretatorische Korrektur angezeigt erscheinen ließe, liegt folglich nicht vor. Vielmehr war dem Gesetzgeber eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des Vorkaufsrechts im Interesse einer Vereinheitlichung und auch Vereinfachung der verschiedenen Vorkaufsrechte - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der (damals) geringen praktischen Bedeutung dieses städtebaulichen Instruments - unbenommen. Eine Vereinfachung des Vorkaufsrechts mag dabei auch darin gesehen werden, dass zum einen die Schwierigkeiten eines hinreichend verlässlichen Nachweises künftiger erhaltungswidriger Nutzungsabsichten entfallen (siehe dazu Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2018, § 24 Rn. 182 f.) und zum anderen eine Abgrenzung entbehrlich ist, inwiefern die Erhaltungsziele die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen oder die Möglichkeiten einer Genehmigungsversagung nach § 172 Abs. 4 BauGB für deren Verwirklichung ausreichen (siehe dazu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 65a, 76 einerseits; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 24 Rn. 25 a.E. andererseits).
Des Weiteren belegen auch die neugefassten Regelungen über das Abwendungsrecht in § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht, dass dem Gesetzgeber dabei die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Abwehr drohender Nutzungsänderungen in Erhaltungsgebieten vor Augen stand. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann abgewendet werden, wenn der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme entsprechend zu nutzen. Die Abwendung setzt folglich ein fristgerechtes Handeln voraus. Eine Verpflichtung zum Unterlassen einer Änderung, die in Zukunft zu befürchten steht, wird demgegenüber nicht erwähnt.
3. Kommt es von Gesetzes wegen allein auf eine maßnahmenkonforme Nutzung im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts an, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die mit dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten in Einklang stehen, die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und aufzuheben (§ 113Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage hat danach auch insoweit Erfolg, als sie auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB gerichtet ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Der Gemeinde steht ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken
- 1.
im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, soweit es sich um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 festgesetzt ist, - 2.
in einem Umlegungsgebiet, - 3.
in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich, - 4.
im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus und einer Erhaltungssatzung, - 5.
im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist, - 6.
in Gebieten, die nach den §§ 30, 33 oder 34 Absatz 2 vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, soweit die Grundstücke unbebaut sind, wobei ein Grundstück auch dann als unbebaut gilt, wenn es lediglich mit einer Einfriedung oder zu erkennbar vorläufigen Zwecken bebaut ist, - 7.
in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebieten, sowie - 8.
in Gebieten nach den §§ 30, 33 oder 34, wenn - a)
in diesen ein städtebaulicher Missstand im Sinne des § 136 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 3 vorliegt oder - b)
die baulichen Anlagen einen Missstand im Sinne des § 177 Absatz 2 aufweisen
(2) Das Vorkaufsrecht steht der Gemeinde nicht zu beim Kauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz und von Erbbaurechten.
(3) Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dem Wohl der Allgemeinheit kann insbesondere die Deckung eines Wohnbedarfs in der Gemeinde dienen. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie der Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts für ein Wohngrundstück.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks H.straße ... in Berlin. Es ist mit einem Mehrfamilienhaus aus dem Jahre 1889 bebaut und verfügt in einem fünfgeschossigen Vorderhaus, einem Seitenflügel und einem Quergebäude über insgesamt 20 Mietwohnungen und 2 Gewerbeeinheiten. Im Jahr 2004 wurden Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, wozu auf der Grundlage eines Fördervertrags mit dem beklagten Land öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen wurden. Das Grundstück befindet sich im räumlichen Geltungsbereich der vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erlassenen Erhaltungsverordnung für das Gebiet "Chamissoplatz", die als sogenannte Milieuschutzsatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung dient. Des Weiteren gilt für das Grundstück eine Verordnung des beklagten Landes, die einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungseigentum in Erhaltungsgebieten vorsieht. Schließlich liegt das Grundstück im Geltungsbereich eines Baunutzungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Mit notariellem Vertrag vom 15. Mai 2017 verkaufte die Beigeladene das Grundstück zum Preis von 3,4 Mio. € an die Klägerin. Diese trat in den Fördervertrag ein, dessen Bindungen spätestens im Jahr 2026 ablaufen. Eine ihr vom Bezirksamt angebotene Vereinbarung über die Abwendung des Vorkaufsrechts lehnte die Klägerin ab. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM unterzeichnete als vorkaufsbegünstigter Dritter am 10. August 2017 eine Verpflichtungserklärung.
Mit Bescheid vom 11. August 2017 lehnte das Bezirksamt den Antrag auf Erteilung eines Negativzeugnisses ab und übte unter Berufung auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB sein Vorkaufsrecht zugunsten der WBM aus.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage nach erfolglosem Widerspruchsverfahren ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen vor. Das Wohl der Allgemeinheit könne dies schon dann rechtfertigen, wenn im Hinblick auf eine bestimmte gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt würden. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung sei dies gegeben, wenn erhaltungswidrige Entwicklungen zu befürchten seien, die der Käufer voraussichtlich beabsichtige. Die Anforderungen an diesen Nachweis dürften nicht überspannt werden. Bei einer Würdigung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse habe das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der WBM das Ziel der Erhaltungsverordnung gefördert werde. Es sei auch zu befürchten, dass in der nachgefragten innerstädtischen Lage die Zusammensetzung der sozialgemischten Wohnbevölkerung aufgrund der Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen nicht erhalten werde. Der relativ hohe Kaufpreis lasse erwarten, dass die Klägerin das Grundstück anders als bisher nutzen und den Kaufpreis durch mieterhöhende bauliche Maßnahmen refinanzieren werde. Diese Annahme werde dadurch bestärkt, dass die Klägerin die angebotene Abwendungserklärung nicht angenommen habe. Sie sei eine private Immobiliengesellschaft, was für eine Bewirtschaftung bzw. Vermarktung des Wohngebäudes nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Erfordernissen spreche. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei schließlich nicht durch § 26 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift sei dem Grunde nach anwendbar, wobei sich der Ausübungsausschluss im Falle einer gesonderten Erhaltungssatzung allein nach dessen zweiter Alternative richte. Diese sei ungeachtet des engen Wortlauts sachgerecht dahingehend auszulegen, dass bei der Beurteilung und Bewertung, ob das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme - hier der sozialen Erhaltungssatzung - genutzt werde, auch die zu erwartenden künftigen Nutzungen durch den Käufer zu berücksichtigen seien. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten eines Dritten lägen vor. Schließlich habe der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei betätigt.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Maßstab nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB in sich widersprüchlich und fehlerhaft sei. Das Oberverwaltungsgericht missachte die gesetzliche Ausgestaltung der Ziele einer Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB, verzichte zu Unrecht auf eine konkrete Gefährdung der Erhaltungsziele durch den Grundstückserwerb und lege im Rahmen der Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung Umstände außerhalb des Erwerbsvorgangs zugrunde. Des Weiteren gehe es rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB für Grundstücke, die wie hier im Geltungsbereich sowohl eines Bebauungsplans als einer Erhaltungssatzung lägen, nicht einschlägig sei. Im Rahmen des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB berücksichtige das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht künftige erhaltungswidrige Entwicklungen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Oktober 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Mai 2018 sowie den Bescheid des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom 11. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin ein Negativzeugnis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für den Kaufvertrag vom 15. Mai 2017 über das Grundstück H.straße ..., ... Berlin zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, ist allerdings der Auffassung, dass § 26 Nr. 4 BauGB auf ein Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung schon deswegen keine Anwendung finde, weil es sich dabei nicht um eine städtebauliche Maßnahme handele.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Gründe
Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat kann auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen selbst antragsgemäß über das geltend gemachte Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte das Vorkaufsrecht am betroffenen Grundstück der Beigeladenen auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 24 Abs. 3, § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB rechtmäßig ausgeübt. Dieser Bewertung steht jedoch der Ausübungsausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB entgegen.
1. Das Grundstück der Beigeladenen liegt im Geltungsbereich der auf der Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB, § 30 Abs. 1 Satz 1 AGBauGB-BE erlassenen Erhaltungsverordnung "Chamissoplatz" vom 25. Mai 2005. Deren Rechtmäßigkeit wird von den Beteiligten nicht infrage gestellt; diesbezügliche Zweifel drängen sich dem Senat auch nicht auf. Der Beklagten steht folglich nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB ein Vorkaufsrecht zu. Es darf gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird begrenzt im Sinne einer negativen Tatbestandsvoraussetzung durch die Ausübungsausschlussgründe nach § 26 BauGB normativ begrenzt. Der dortige Katalog konkretisiert Beispielsfälle, in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 2; vgl. auch Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 63, § 26 Rn. 1). Hier steht § 26 Nr. 4 BauGB der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegen. Auf die übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts, insbesondere zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, kommt es danach für die revisionsgerichtliche Prüfung nicht mehr an.
2. Nach § 26 Nr. 4 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn - erstens - das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und - zweitens - eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist.
Die letztgenannte Voraussetzung ist nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) gegeben. Der Zustand des verkauften Anwesens steht seiner bestimmungsgemäßen Nutzung nicht entgegen; es entspricht auch den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Die erste Voraussetzung ist ebenfalls zu bejahen.
a) Dem steht nicht entgegen, dass nach den auf das nicht revisible Landesrecht bezogenen und auch als solchen nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die im geltenden Baunutzungsplan festgesetzte Geschoßflächenzahl überschritten ist. Denn der Ausschlussgrund der Plankonformität der Bebauung und Nutzung (§ 26 Nr. 4 Alt. 1 BauGB), die sich mangels einschränkender Vorgaben im Gesetz auf alle nach Maßgabe des § 30 BauGB möglichen Festsetzungen bezieht (vgl. Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 47), ist nicht einschlägig, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts ungeachtet der planungsrechtlichen Situation mit der Wahrung der Ziele einer Erhaltungssatzung begründet wird.
Mit den beiden Alternativen der ersten Voraussetzung des § 26 Nr. 4 BauGB hat das Gesetz Ausübungsausschlussgründe für verschiedenartige Vorkaufsrechte zusammengeführt, die gleichwohl in ihrer Zielrichtung unterscheidbar sind und weiterhin nach ihrem Bezugspunkt unterschieden werden. Schon die Verwendung des bestimmten Artikels (des Bebauungsplans) legt nahe, dass sich die Alternative 1 allein auf die Fallkonstellation bezieht, dass das Vorkaufsrecht der Sicherung der Festsetzungen eines Bebauungsplans dient (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Die Begründung des Gesetzentwurfs bestärkt dieses Verständnis, wenn dort - die Gesamtregelung allerdings nicht erschöpfend - als Regelungsvorbild allein auf § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG und damit auf das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BBauG verwiesen wird (BT-Drs. 10/4630 S. 83
b) Der Klägerin kommt § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB zugute.
aa) Zu den hiervon erfassten städtebaulichen Maßnahmen zählt grundsätzlich auch der Erlass einer Erhaltungssatzung nach § 172BauGB. Dieser Begriff ist wie auch in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB als Gegenbegriff zum Bebauungsplan weit zu verstehen; darunter fallen alle Maßnahmen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1994 - 4 B 70.94 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 2 S. 3; vom 8. September 2009 - 4 BN 38.09 - BRS 74 Nr. 129 Rn. 4 und vom 19. Dezember 2018 - 4 BN 42.18 - BRS 86 Nr. 78 S. 515). Diese können sich auch auf einen städtebaulich motivierten Bestands- bzw. Erhaltungsschutz beziehen (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 25 Rn. 15; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 25 Rn. 5; Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2012, § 25 Rn. 4, Stand 2008, § 26 Rn. 10) und in diesem Rahmen als Teilaspekt einer "gemeindlichen Sozialplanung" (vgl. BT-Drs. 7/2495 S. 53) auch Ziele und Zwecke - in erster Linie durch eine entsprechende Nutzung des Bestands - verfolgen.
Unbeachtlich ist, dass in §§ 172 ff. BauGB der Begriff der "Maßnahme" nicht verwendet wird. Das unterscheidet die Vorschriften über die Erhaltungssatzung von anderen im Zweiten Kapitel des Baugesetzbuches (Besonderes Städtebaurecht) aufgeführten städtebaulichen Instrumenten wie insbesondere den Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB) und den Entwicklungsmaßnahmen (§§ 165 ff. BauGB), die auf eine Veränderung und Umgestaltung eines Gebiets ausgerichtet sind. Die auf den Schutz eines Bestands ausgerichtete Erhaltungssatzung samt den darauf beruhenden gemeindlichen Einwirkungsmöglichkeiten ist gleichwohl Teil des besonderen Maßnahmenrechts des Städtebaurechts (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 172 Rn. 2; Bank, in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2011, Rn. 2 vor §§ 172-174; § 172 Rn. 9). Von einem umfassenden Begriff der städtebaulichen Maßnahme geht innerhalb des Zweiten Kapitels des Baugesetzbuches auch § 187 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB aus; denn hierunter fallen u.a. alle Satzungen, die auf der Grundlage des Baugesetzbuches erlassen werden (vgl. Möller, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 187 Rn. 4; Schriever/Linke, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2015, § 187 Rn. 22; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 187 Rn. 5). Dieses weite Verständnis findet sich im hier relevanten Kontext ebenfalls in der Begründung des Gesetzentwurfs, wenn dort im Zusammenhang mit der Abwendungsbefugnis unter Bezug auf die Vorschrift des § 24a Satz 2 BBauG betreffend das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten von einer "maßnahmengemäßen" Nutzung die Rede ist (BT-Drs. 10/4630 S. 83
bb) Der Ausschlussgrund greift demnach auch bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 172BauGB), wenn das Grundstück entsprechend deren Zielen und Zwecken bebaut ist und genutzt wird. Auch in dieser Fallgestaltung kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an, während mögliche zukünftige Entwicklungen nicht von Bedeutung sind (siehe zum Streitstand etwa Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 26 Rn. 22). Dieses Verständnis der Norm knüpft an den hinreichend klaren und insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift an, der auch nicht mithilfe anderer Auslegungsmethoden überwunden werden kann.
(1) Das Gesetz bedient sich der Zeitform des Präsens ("bebaut ist und genutzt wird"), die zuvörderst einen gegenwärtigen Zustand umschreibt, nicht aber zukünftige Verhältnisse und Entwicklungen in den Blick nimmt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass sowohl der Bebauung als auch der Nutzung ein Element der Dauer innewohnt; denn das Gesetz stellt ersichtlich gerade auf einen bestimmten Zeitpunkt in einem Kontinuum ab. Ein grammatikalisch durchaus möglicher und insbesondere in der Umgangssprache intendierter Zukunftsbezug bei Verwendung des Präsens kann sich zwar außer aus eindeutigen Zeitangaben auch aus dem Sinnzusammenhang ergeben. Allein der Verweis auf das Erhaltungsziel, das auf die (fortdauernde) Bewahrung eines gegebenen Zustands bezogen ist, reicht nicht aus, um den grammatikalischen Sonderfall als gegeben anzunehmen. Für ein abweichendes Wortverständnis gibt auch die Entstehungsgeschichte nichts her. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 10/4630 S. 83
Der Wortlaut des § 26 Nr. 4 BauGB kann auch nicht mit der Begründung als unklar - und folglich auslegungsbedürftig - bezeichnet werden, dass bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB bezogen auf den wesentlichen Inhalt des § 172 BauGB seinen Sinn verlöre (so Roos, in: Brügelmann, BauGB, Stand März 2003, § 24 Rn. 56). Vielmehr wird damit der Sache nach behauptet, dass die Vorschrift aus teleologischen Erwägungen einer den Wortlaut korrigierenden bzw. ergänzenden Auslegung bedürfe (so denn auch Roos a.a.O. Rn. 58 f.).
(2) Stellt § 26 Nr. 4 BauGB nach seinem klaren Wortlaut einheitlich für alle Vorkaufsrechtsfälle bei der Beurteilung einer plan- bzw. maßnahmenkonformen Bebauung und Nutzung auf den gegenwärtigen Zustand ab, könnte der so verstandene Ausübungsausschlussgrund bei Vorkaufsfällen im Gebiet einer Erhaltungssatzung nur dann unberücksichtigt bleiben und damit eine zukunftsgerichtete Betrachtung im Rahmen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB ermöglichen, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion der Norm vorlägen und demnach die zu weit gefasste Regelung auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen wäre (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2014 - 4 CN 5.13 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 Rn. 14 und vom 22. Mai 2014 - 5 C 27.13 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 26 Rn. 21 f. m.w.N.). Eine gesetzgeberische Konzeption, die der Neuregelung des Vorkaufsrechts im Gesetz über das Baugesetzbuch zugrunde liegt, im Normtext aber nur unvollkommen zum Ausdruck gekommen ist und folglich eine entsprechende Korrektur eines insoweit "misslungenen" Gesetzestextes erforderte (siehe etwa Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand 2008, § 26 Rn. 11; so bereits in der Vorauflage Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, § 26 Rn. 8), ist jedoch mit der gebotenen Eindeutigkeit nicht nachzuweisen. Demgegenüber reicht der Hinweis nicht aus, dass allein eine den Wortlaut des Gesetzes berichtigende Interpretation zu einer als wünschenswert und sinnvoll erachteten Regelung führe. Eine solche vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen und drängender Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen, ist Sache des Gesetzgebers.
Den Gesetzesmaterialien zur Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Baugesetzbuch ist nicht zu entnehmen, dass das der Sicherung von städtebaulichen Erhaltungszielen dienende Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG in seiner inhaltlichen Ausformung unverändert in das Baugesetzbuch überführt werden sollte.
Die Gesetzesänderungen im Bereich des Vorkaufsrechts zielten allgemein darauf ab, die Regelungen zu straffen oder aus Gründen der Vereinfachung neu zu fassen (BT-Drs. 10/4630 Einl. B. 11, S. 50, 52). Das Vorkaufsrecht sollte auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen "auf die Fälle wirklichen städtebaulichen Bedürfnisses beschränkt werden" (BT-Drs. 10/4630 S. 56). Wegen geringer praktischer Bedeutung sollten die Vorkaufsrechte nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 und nach § 25a BBauG entfallen. Eine nur beschränkte Relevanz des Vorkaufsrechts nach § 24a BBauG stand dem Gesetzgeber ebenfalls deutlich vor Augen. Aus Untersuchungen, auf die in den bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs herangezogenen "Materialien zum Baugesetzbuch" Bezug genommen wird (S. 135), geht hervor, dass das Vorkaufsrecht nach § 24a BBauG niemals angewendet und nur viermal - jeweils außerhalb von Erhaltungsgebieten - angedroht worden ist (siehe Schäfer/Schmidt-Eichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, Forschungsbericht 34, 1984, S. 228 f., 251). Auch zur Reduzierung eines angesichts des geringen Anteils von Fällen, in denen ein Vorkaufsrecht überhaupt ausgeübt wurde, letztlich überflüssigen Verwaltungsaufwands ist in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB das Vorkaufsrecht auf die durch Satzung festgesetzten Gebiete beschränkt worden (siehe auch Materialien a.a.O. S. 136); ein solches Erfordernis war nach dem Gesetzeswortlaut bisher nicht vorgesehen (so auch die h.M. im Schrifttum, siehe die Nachweise bei Konrad, ZRP 1986, 96 <98 mit Fn. 29>). Aus der Formulierung "Nr. 4 entspricht § 24a des Bundesbaugesetzes" (BT-Drs. 10/4630 S. 82
Mit der Ausübungsvoraussetzung nach § 24 Abs. 3 BauGB wird in Bezug auf eine Rechtfertigung durch das Wohl der Allgemeinheit die alte Rechtslage wiederholt (§ 24a Satz 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 Satz 1 BBauG). Demgegenüber wird mit der Neuregelung der Ausübungsausschlussgründe insoweit die Rechtslage geändert, als diese Gründe nunmehr einheitlich für alle Vorkaufsrechte gelten und der Ausschlussgrund der plankonformen Bebauung und Nutzung (§ 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BBauG) entsprechend auf eine maßnahmenkonforme Bebauung und Nutzung erstreckt wird (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 4 B 100.93 - Buchholz 406.11 § 25 BauGB Nr. 1 S. 3). Darin liegt ein Unterschied zum Regelungsvorschlag im Bericht der Arbeitsgruppe 5, die sich in Absatz 4 des Vorschlags zum Ausschluss des Vorkaufsrechts noch im Anschluss an die bestehenden Vorschriften auf die planentsprechende Bebauung und Nutzung beschränkt hat und somit festhalten konnte, dass die Ausschlussgründe des geltenden Rechts erhalten bleiben (Materialien a.a.O. S. 138). Wenn der Gesetzentwurf hiervon abweicht und die Reichweite des Ausschlussgrundes erweitert, spricht vieles dafür, dass er sich für eine neue inhaltliche Ausgestaltung des Vorkaufsrechts im Gebiet von Erhaltungssatzungen ausgesprochen hat. In den weiteren parlamentarischen Beratungen ist darauf - soweit schriftlich dokumentiert - nicht weiter eingegangen worden (siehe BT-Drs. 10/6166 S. 135 f.), der Bundesrat hat zu §§ 24 bis 26 BauGB-E keine Empfehlungen formuliert (siehe BR-Drs. 575/1/85 S. 42 bis 44), und das Gesetz ist so verabschiedet worden. Damit wird das Vorkaufsrecht in Erhaltungsgebieten eingeengt, läuft aber nicht von vornherein leer. Ein Anwendungsbereich verbleibt jedenfalls in den Fällen, in denen eine bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist (vgl. auch Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2017, § 26 Rn. 53; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 27 Rn. 44). Ein eindeutiger Widerspruch zwischen der in der Begründung des Gesetzentwurfs formulierten Regelungsabsicht und dem Verständnis der gesetzlichen Regelung, die eine interpretatorische Korrektur angezeigt erscheinen ließe, liegt folglich nicht vor. Vielmehr war dem Gesetzgeber eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des Vorkaufsrechts im Interesse einer Vereinheitlichung und auch Vereinfachung der verschiedenen Vorkaufsrechte - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der (damals) geringen praktischen Bedeutung dieses städtebaulichen Instruments - unbenommen. Eine Vereinfachung des Vorkaufsrechts mag dabei auch darin gesehen werden, dass zum einen die Schwierigkeiten eines hinreichend verlässlichen Nachweises künftiger erhaltungswidriger Nutzungsabsichten entfallen (siehe dazu Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand Juli 2018, § 24 Rn. 182 f.) und zum anderen eine Abgrenzung entbehrlich ist, inwiefern die Erhaltungsziele die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen oder die Möglichkeiten einer Genehmigungsversagung nach § 172 Abs. 4 BauGB für deren Verwirklichung ausreichen (siehe dazu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 24 Rn. 65a, 76 einerseits; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 24 Rn. 25 a.E. andererseits).
Des Weiteren belegen auch die neugefassten Regelungen über das Abwendungsrecht in § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht, dass dem Gesetzgeber dabei die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Abwehr drohender Nutzungsänderungen in Erhaltungsgebieten vor Augen stand. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann abgewendet werden, wenn der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme entsprechend zu nutzen. Die Abwendung setzt folglich ein fristgerechtes Handeln voraus. Eine Verpflichtung zum Unterlassen einer Änderung, die in Zukunft zu befürchten steht, wird demgegenüber nicht erwähnt.
3. Kommt es von Gesetzes wegen allein auf eine maßnahmenkonforme Nutzung im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts an, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die mit dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten in Einklang stehen, die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und aufzuheben (§ 113Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage hat danach auch insoweit Erfolg, als sie auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB gerichtet ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
(1) Die Gemeinde kann in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen
- 1.
zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt (Absatz 3), - 2.
zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (Absatz 4) oder - 3.
bei städtebaulichen Umstrukturierungen (Absatz 5)
(2) Ist der Beschluss über die Aufstellung einer Erhaltungssatzung gefasst und ortsüblich bekannt gemacht, ist § 15 Absatz 1 auf die Durchführung eines Vorhabens im Sinne des Absatzes 1 entsprechend anzuwenden.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist. Die Genehmigung zur Errichtung der baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 4 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Sie ist zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage oder ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist. Die Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn
- 1.
die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient, - 1a.
die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes oder der Energieeinsparverordnung vom 24. Juli 2007 (BGBl. I S. 1519), die zuletzt durch Artikel 257 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, wenn diese nach § 111 Absatz 1 des Gebäudeenergiegesetzes weiter anzuwenden ist, dient, - 2.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 4.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, - 5.
das Gebäude im Zeitpunkt der Antragstellung zur Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird oder - 6.
sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern; eine Frist nach § 577a Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verkürzt sich um fünf Jahre; die Frist nach § 577a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entfällt.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 darf die Genehmigung nur versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern. Ist ein Sozialplan nicht aufgestellt worden, hat ihn die Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 180 aufzustellen. Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.
(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.
(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
- 1.
wider besseres Wissen unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erwirken oder einen belastenden Verwaltungsakt zu verhindern; - 2.
Pfähle, Pflöcke oder sonstige Markierungen, die Vorarbeiten dienen, wegnimmt, verändert, unkenntlich macht oder unrichtig setzt; - 3.
einer in einem Bebauungsplan nach § 9 Absatz 1 Nummer 25 Buchstabe b festgesetzten Bindung für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern dadurch zuwiderhandelt, dass diese beseitigt, wesentlich beeinträchtigt oder zerstört werden; - 4.
eine bauliche Anlage im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung (§ 172 Absatz 1 Satz 1) oder einer Satzung über die Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen (§ 171d Absatz 1) ohne Genehmigung rückbaut oder ändert.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Genehmigung nach § 22 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 einen dort genannten Raum als Nebenwohnung nutzt.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu tausend Euro geahndet werden.
(1) Sofern Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a Satz 3 und 4 vorliegen und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind, bedarf bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung nach Satz 3 bestanden, die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes der Genehmigung. Das Genehmigungserfordernis nach Satz 1 gilt nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten muss. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. In der Rechtsverordnung nach Satz 3 kann eine von Satz 2 abweichende Anzahl an Wohnungen bestimmt werden; diese Anzahl kann zwischen drei und 15 liegen.
(2) Zuständig für die Genehmigung ist die von der Landesregierung bestimmte Stelle. § 173 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 2.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll, - 4.
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist oder - 5.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist.
(4) Unbeschadet des Absatzes 3 darf eine Genehmigung nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist. Unter der Voraussetzung von Satz 1 kann die Genehmigung mit einer Auflage erteilt werden.
(5) Bei einem Grundstück, das im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Satz 3 liegt, darf das Grundbuchamt die Eintragungen in das Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der Eintragung gilt die Genehmigung als erteilt.
(6) Der Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf ferner
- 1.
die Begründung der in den §§ 30 und 31 des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte, - 2.
die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden, wenn zugleich nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, sowie - 3.
bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden eine im Grundbuch als Belastung einzutragende Regelung nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist.
(7) Diese Vorschrift geht im räumlichen Anwendungsbereich von Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 3 den Rechtsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 4 vor. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn nach Absatz 1 Satz 2 und 6 keine Genehmigungspflicht besteht.
(1) Die Genehmigung wird durch die Gemeinde erteilt; § 22 Absatz 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Ist eine baurechtliche Genehmigung oder an ihrer Stelle eine baurechtliche Zustimmung erforderlich, wird die Genehmigung durch die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt; im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren wird über die in § 172 Absatz 3 bis 5 bezeichneten Belange entschieden.
(2) Wird in den Fällen des § 172 Absatz 3 die Genehmigung versagt, kann der Eigentümer von der Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 40 Absatz 2 die Übernahme des Grundstücks verlangen. § 43 Absatz 1, 4 und 5 sowie § 44 Absatz 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Vor der Entscheidung über den Genehmigungsantrag hat die Gemeinde mit dem Eigentümer oder sonstigen zur Unterhaltung Verpflichteten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu erörtern. In den Fällen des § 172 Absatz 4 und 5 hat sie auch Mieter, Pächter und sonstige Nutzungsberechtigte zu hören. In den Fällen des § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 hat sie die nach Satz 2 anzuhörenden Personen über die Erteilung einer Genehmigung zu informieren.
(4) Die landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere über den Schutz und die Erhaltung von Denkmälern, bleiben unberührt.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer
- 1.
wider besseres Wissen unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erwirken oder einen belastenden Verwaltungsakt zu verhindern; - 2.
Pfähle, Pflöcke oder sonstige Markierungen, die Vorarbeiten dienen, wegnimmt, verändert, unkenntlich macht oder unrichtig setzt; - 3.
einer in einem Bebauungsplan nach § 9 Absatz 1 Nummer 25 Buchstabe b festgesetzten Bindung für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern dadurch zuwiderhandelt, dass diese beseitigt, wesentlich beeinträchtigt oder zerstört werden; - 4.
eine bauliche Anlage im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung (§ 172 Absatz 1 Satz 1) oder einer Satzung über die Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen (§ 171d Absatz 1) ohne Genehmigung rückbaut oder ändert.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Genehmigung nach § 22 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 einen dort genannten Raum als Nebenwohnung nutzt.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu tausend Euro geahndet werden.
(1) Sofern Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne von § 201a Satz 3 und 4 vorliegen und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind, bedarf bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens der Rechtsverordnung nach Satz 3 bestanden, die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes der Genehmigung. Das Genehmigungserfordernis nach Satz 1 gilt nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Gebiete nach Satz 1 durch Rechtsverordnung zu bestimmen, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten muss. Sie muss begründet werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. In der Rechtsverordnung nach Satz 3 kann eine von Satz 2 abweichende Anzahl an Wohnungen bestimmt werden; diese Anzahl kann zwischen drei und 15 liegen.
(2) Zuständig für die Genehmigung ist die von der Landesregierung bestimmte Stelle. § 173 Absatz 3 gilt entsprechend.
(3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll, - 2.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, - 3.
das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll, - 4.
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist oder - 5.
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist.
(4) Unbeschadet des Absatzes 3 darf eine Genehmigung nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist. Unter der Voraussetzung von Satz 1 kann die Genehmigung mit einer Auflage erteilt werden.
(5) Bei einem Grundstück, das im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 Satz 3 liegt, darf das Grundbuchamt die Eintragungen in das Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der Eintragung gilt die Genehmigung als erteilt.
(6) Der Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf ferner
- 1.
die Begründung der in den §§ 30 und 31 des Wohnungseigentumsgesetzes bezeichneten Rechte, - 2.
die Begründung von Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden, wenn zugleich nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Grundbuch als Belastung eingetragen werden soll, dass Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist, sowie - 3.
bei bestehendem Bruchteilseigentum nach § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an Grundstücken mit Wohngebäuden eine im Grundbuch als Belastung einzutragende Regelung nach § 1010 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach Räume einem oder mehreren Miteigentümern zur ausschließlichen Benutzung zugewiesen sind und die Aufhebung der Gemeinschaft ausgeschlossen ist.
(7) Diese Vorschrift geht im räumlichen Anwendungsbereich von Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 3 den Rechtsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 4 vor. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn nach Absatz 1 Satz 2 und 6 keine Genehmigungspflicht besteht.

