Der Ablauf eines Strafverfahrens in Deutschland: Eine Übersicht

bei uns veröffentlicht am04.06.2024

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Das Strafverfahren in Deutschland ist ein komplexes, mehrstufiges Verfahren, das darauf ausgerichtet ist, Straftaten zu untersuchen und zu ahnden, während es gleichzeitig die Rechte des Beschuldigten schützt. Hier folgt eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Phasen eines Strafverfahrens, wie sie typischerweise ablaufen.

1. Anfangsverdacht und Ermittlungsverfahren
Das Strafverfahren beginnt mit dem Anfangsverdacht einer Straftat. Die Polizei oder die Staatsanwaltschaft (StA) leitet daraufhin das Ermittlungsverfahren ein. Ziel ist es, den Sachverhalt aufzuklären und zu prüfen, ob gegen den Beschuldigten ein hinreichender Tatverdacht besteht, der die Einleitung eines formellen Strafverfahrens rechtfertigt.

 

2. Anklage oder Einstellung
Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob genügend Beweise vorliegen, um eine Anklage zu erheben. Ist dies nicht der Fall, kann das Verfahren eingestellt werden. Eine Einstellung kann jedoch auch aus anderen Gründen erfolgen, beispielsweise wegen Geringfügigkeit oder im Rahmen einer Verfahrenseinstellung gegen Auflagen und Weisungen.

 

3. Zwischenverfahren
Nach Erhebung der Anklage folgt das Zwischenverfahren. In dieser Phase überprüft das zuständige Gericht die Anklageschrift und entscheidet, ob das Hauptverfahren eröffnet wird. Das Gericht prüft die Zulässigkeit der Anklage und ob ein hinreichender Tatverdacht besteht. Wird die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, endet das Verfahren an dieser Stelle oder es wird vorläufig eingestellt.

 

4. Hauptverfahren
Im Hauptverfahren wird die Schuld oder Unschuld des Angeklagten verhandelt. Dies geschieht in der Regel in einer öffentlichen Verhandlung vor dem zuständigen Gericht. Das Verfahren schließt mit einem Urteil ab, das entweder einen Freispruch, eine Verurteilung oder eine andere Entscheidung wie eine Einstellung beinhalten kann.

 

5. Rechtsmittelverfahren
Nach dem Urteil haben die Parteien die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Dies kann eine Berufung oder eine Revision sein, je nach Art des Urteils und der zugrundeliegenden Verfahrensart. Das Rechtsmittelverfahren kann zu einer Überprüfung des Urteils führen, wobei das übergeordnete Gericht das Urteil bestätigen, verwerfen oder das Verfahren an eine untere Instanz zurückverweisen kann. Ziel ist es, etwaige Rechtsfehler zu korrigieren.

 

6. Rechtskraft
Ein Urteil wird rechtskräftig, wenn keine Rechtsmittel (mehr) eingelegt werden oder die eingelegten Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Mit der Rechtskraft ist das Verfahren formal abgeschlossen und das Urteil kann vollstreckt werden.

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Bundesverfassungsgericht stärkt Recht auf faire Verfahren: Klare Vorgaben für Wiederaufnahme nach EMRK-Verstoß

07.02.2024

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in einem heute veröffentlichten Beschluss einer rechtskräftig verurteilten Frau teilweise stattgegeben, die gegen die Ablehnung einer Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens geklagt hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte zuvor eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt. Die Beschwerdeführerin war wegen Mordes an ihrem Ehemann zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Richter, der auch am Urteil gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Frau beteiligt war, wirkte ebenfalls an ihrem Verfahren mit. Nach der Feststellung des EGMR, dass dies einen Konventionsverstoß darstellte, beantragte die Frau die Wiederaufnahme ihres Verfahrens. Dies wurde vom Landgericht abgelehnt, und das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde zurück, da die Frau nicht darlegen konnte, dass das Urteil auf dem Konventionsverstoß beruhte. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Oberlandesgericht den Justizgewährungsanspruch der Beschwerdeführerin verletzte. Die Anforderungen an die Darlegung des Konventionsverstoßes seien unerfüllbar und unzumutbar. Das Gericht verkenne, dass der Konventionsverstoß nicht nur einen möglicherweise voreingenommenen Richter betraf, sondern bereits dessen Einflussnahme im Verfahren gegen die Beschwerdeführerin. Die Sache wurde an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die aufgestellten Anforderungen seien sachlich nicht gerechtfertigt und dürften nicht zu einer generellen Ausschließung von Wiederaufnahmen führen, wenn ein Konventionsverstoß festgestellt wurde. Dies würde einen Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen schaffen, die aus einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter resultieren.