Urlaubsrecht: Arbeitgeber darf Betriebsferien mit „Zwangsurlaub“ für Mitarbeiter anordnen
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Dies hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz im Fall eines Kochs entschieden, der von März 2011 bis Mitte 2012 in einem Gasthaus beschäftigt war. Der Arbeitsvertrag sah einen Jahresurlaub von 28 Tagen vor. Im Juli 2011 war das Gasthaus wegen Betriebsferien für acht Arbeitstage geschlossen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Koch etwa 3.560 Euro als Ausgleich für 28 Urlaubstage. Mit den angeordneten Betriebsferien sei er nicht einverstanden gewesen, sodass sein Urlaubsanspruch nicht erfüllt worden sei.
Dieser Ansicht schloss sich das LAG nicht an. Zwar sei zunächst der gesamte Jahresurlaubsanspruch für 2011 angefallen, obwohl das Arbeitsverhältnis erst im März 2011 begonnen hatte. Dies ergebe sich aus dem Bundesurlaubsgesetz, wonach der volle Jahresurlaub erstmals nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben wird. Der Jahresurlaub sei aber laut LAG mindestens zur Hälfte in den Betriebsferien zu nehmen. Daher sei der Urlaubsanspruch des Kochs im Umfang von acht Arbeitstagen erfüllt worden. Auch wenn der Arbeitgeber bei der Urlaubsgenehmigung die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers berücksichtigen soll, stehe es im Ermessen des Arbeitgebers, Betriebsferien im Rahmen des Direktionsrechts anzuordnen.
Hinweis: Insbesondere in kleinen Unternehmen oder Arztpraxen ist eine Beschäftigung von Mitarbeitern nicht sinnvoll, wenn der Arbeitgeber im Urlaub ist. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist jedoch nicht gesetzlich verankert, dass Mitarbeiter stets dann Urlaub nehmen müssen, wenn der Arbeitgeber selbst in den Urlaub fährt. Einigkeit besteht darin, dass dem Mitarbeiter noch ausreichend Urlaubstage zur freien Verfügung verbleiben müssen. Dementsprechend empfiehlt sich eine genaue Regelung im Arbeitsvertrag, um unnötigen Auseinandersetzungen vorzubeugen (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Ta 149/12).
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 25.09.2012 (Az: 10 Ta 149/12)
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20.06.2012 in Gestalt der teilweise Abhilfe- und Nichtabhilfeentscheidung vom 24.07.2012 teilweise abgeändert und dem Kläger für den ersten Rechtszug auch Prozesskostenhilfe bewilligt soweit er Urlaubsabgeltung für 20 Tage aus 2011 in Höhe von € 2.584,60 brutto beantragt.
Gleichzeitig wird ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte im Rechtsstreit Herr Rechtsanwalt D., D-Stadt, beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger vorerst keine Raten an die Landeskasse zu zahlen hat.
Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass er verpflichtet ist, die von der Landeskasse getragenen Prozesskosten (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten) zurückzuzahlen, sobald sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verbessern.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist - soweit ihr das Arbeitsgericht nicht bereits abgeholfen hat - teilweise begründet. Nach § 114 ZPO erhält eine bedürftige Partei Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Der Klageantrag auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 bietet teilweise Aussicht auf Erfolg. Der Kläger macht Urlaubsabgeltung für 28 Tage aus 2011 in Höhe von € 3.563,63 brutto geltend. Er kann mit hinreichender Erfolgsaussicht Urlaubsabgeltung für 20 Tage in Höhe von € 2.584,60 beanspruchen. Der weitergehende Antrag ist unbegründet.
Der Kläger war seit dem 20.03.2011 im Gasthaus des Beklagten zu einem Bruttomonatslohn von € 2.800,00 als Koch beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen vereinbart. Der Urlaub war mindestens zur Hälfte in den Betriebsferien zu nehmen. Vom 13. bis zum 22.07.2011 (10 Tage) hatte das Gasthaus nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten geschlossen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete, wenn nicht bereits durch die schriftliche fristlose Kündigung des Beklagten vom 20.05.2012, spätestens durch die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2012.
Der Kläger hatte im Jahr 2011 gemäß § 4 BUrIG den vollen Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen erworben, weil das Arbeitsverhältnis im ersten Halbjahr 2011 begonnen hat. Im Streitfall hat der Beklagte vom 13. bis 22.07.2011 Betriebsferien angeordnet. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist durch diese zeitliche Festsetzung im Umfang von 8 Arbeitstagen erfüllt worden. Auch wenn die Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrIG gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer nicht im Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 1 BGB steht, kann der Arbeitgeber in einem betriebsratslosen Betrieb Betriebsferien kraft des ihm obliegenden Direktionsrechts einführen.
Damit kann der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 BUrIG noch die Abgeltung von 20 Urlaubstagen aus 2011 beanspruchen. Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs ist ein reiner Geldanspruch, der nicht dem Fristenregime des BUrIG unterliegt. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zum Charakter des Abgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs insgesamt aufgegeben. Deshalb kommt es, entgegen der Ansicht des Beklagten, nicht darauf an, ob der Kläger seinen Urlaub im Urlaubsjahr 2011 oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31.03.2012 verlangt hat.
Bei einem Monatsverdienst von € 2.800,00 errechnet sich ein Urlaubsentgelt von € 129,23 pro Urlaubstag ([3 Monate x € 2.800,00] ./. 65 Arbeitstage), so dass sich der Abgeltungsanspruch für 20 Tage auf € 2.584,60 brutto beläuft. Der weitergehende Antrag hat keine Erfolgsaussicht.
Da die Beschwerde überwiegend erfolgreich war, fallen Gerichtskosten nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.
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Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20.06.2012 in Gestalt der teilweise Abhilfe- und Nichtabhilfeentscheidung vom 24.07.2012 teilweise abgeändert und
a) dem Kläger für den ersten Rechtszug auch Prozesskostenhilfe bewilligt soweit er Urlaubsabgeltung für 20 Tage aus 2011 in Höhe von € 2.584,60 brutto beantragt.
Gleichzeitig wird ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte im Rechtsstreit Herr Rechtsanwalt D., D-Stadt, beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger vorerst keine Raten an die Landeskasse zu zahlen hat.
Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass er verpflichtet ist, die von der Landeskasse getragenen Prozesskosten (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten) zurückzuzahlen, sobald sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verbessern.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
- 1
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist - soweit ihr das Arbeitsgericht nicht bereits abgeholfen hat - teilweise begründet. Nach § 114 ZPO erhält eine bedürftige Partei Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
- 2
Der Klageantrag auf Zahlung von Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 bietet teilweise Aussicht auf Erfolg. Der Kläger macht Urlaubsabgeltung für 28 Tage aus 2011 in Höhe von € 3.563,63 brutto geltend. Er kann mit hinreichender Er-folgsaussicht Urlaubsabgeltung für 20 Tage in Höhe von € 2.584,60 beanspruchen. Der weitergehende Antrag ist unbegründet.
- 3
Der Kläger war seit dem 20.03.2011 im Gasthaus des Beklagten zu einem Bruttomonatslohn von € 2.800,00 als Koch beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen vereinbart. Der Urlaub war mindestens zur Hälfte in den Betriebsferien zu nehmen. Vom 13. bis zum 22.07.2011 (10 Tage) hatte das Gasthaus nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten geschlossen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete, wenn nicht bereits durch die schriftliche fristlose Kündigung des Beklagten vom 20.05.2012, spätestens durch die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2012.
- 4
Der Kläger hatte im Jahr 2011 gemäß § 4 BUrIG den vollen Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen erworben, weil das Arbeitsverhältnis im ersten Halbjahr 2011 begonnen hat. Im Streitfall hat der Beklagte vom 13. bis 22.07.2011 Betriebsferien angeordnet. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist durch diese zeitliche Festsetzung im Umfang von 8 Arbeitstagen erfüllt worden. Auch wenn die Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrIG gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer nicht im Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 1 BGB steht, kann der Arbeitgeber in einem betriebsratslosen Betrieb Betriebsferien kraft des ihm obliegenden Direktionsrechts einführen (LAG Düsseldorf vom 20.06.2002 - 11 Sa 378/02 - BB 2003, 156, m.w.N.).
- 5
Damit kann der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 BUrIG noch die Abgeltung von 20 Urlaubstagen aus 2011 beanspruchen. Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs ist ein reiner Geldanspruch, der nicht dem Fristenregime des BUrIG unterliegt. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zum Charakter des Abgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruchs insgesamt aufgegeben (BAG vom 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - Juris). Deshalb kommt es, entgegen der Ansicht des Beklagten, nicht darauf an, ob der Kläger seinen Urlaub im Urlaubsjahr 2011 oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31.03.2012 verlangt hat.
- 6
Bei einem Monatsverdienst von € 2.800,00 errechnet sich ein Urlaubsentgelt von € 129,23 pro Urlaubstag ([3 Monate x € 2.800,00] ./. 65 Arbeitstage), so dass sich der Abgeltungsanspruch für 20 Tage auf € 2.584,60 brutto beläuft. Der weitergehende Antrag hat keine Erfolgsaussicht.
- 7
Da die Beschwerde überwiegend erfolgreich war, fallen Gerichtskosten nicht an. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
- 8
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.