Urheberrecht: Der viel gefürchtete Uploadfilter – Was steckt dahinter?
Doch was steckt eigentlich dahinter? Wie schlimm wird dieser „Uploadfilter“ uns wirklich treffen?
Die Ausgangslage, von der im Urheberrecht grundsätzlich ausgegangen wird, ist die von einem wehrlosen Urheber, der sich gegen die großen Verwertungsgesellschaften oder auch Onlineplattformen (wie beispielsweise „Youtube“) zu behaupten hat. Hinsichtlich einer solchen Machtdiskrepanz erscheint es in jedem Fall sinnvoll, von oben herab dafür Sorge zu tragen, dass dem Urheber oder Rechteinhaber gegenüber seinem übermächtigen Vertragspartner ein besonderer Schutz zukommt, sodass dieser sich im Falle einer Rechtsverletzung effektiv zu wehren vermag.
Nun könnte man sich darüber aufregen, dass genügend „Influencer“ und „Youtuber“ durch direkte Werbung oder gezieltes „Product-Placement“ bereits genug Geld verdienen, dass das Herausfiltern der nicht freigegebenen Videos, Fotos oder Songs von eben diesen Internetstars lediglich Nachteile für die jeweiligen Nutzer der Online-Plattformen nach sich zieht und letztlich die Reichen nur noch reicher macht. Da auch die Rechte der Filtersoftwares, wie sie einige große Plattformen bereits im Hintergrund ablaufen lassen, zumeist auch den großen Playern zuzuordnen sind, besteht auch in der Lizenzierung dieser Rechte wieder eine lukrative Einnahmequelle derjenigen, die bereits jetzt schon an der Spitze sind.
Für eine etwas differenziertere und qualifiziertere Betrachtung der neuen Regelung lohnt jedoch ein Blick in das Gesetz selbst. Der Art. 17 DSM-RL besteht aus 10 Absätzen und ist damit ein ganz schöner Brocken. Zunächst wird durch die Regelung festgehalten, dass die Mitgliedstaaten der EU dafür Sorge zu tragen haben, dass die jeweiligen Online-Plattformen nach nationalem Recht mit dafür verantwortlich sind, wenn urheberrechtlich geschützte Werke ohne die Erlaubnis des jeweiligen Rechteinhabers online gestellt werden.
Daher wird gleich in Absatz 1 der Regelung festgestellt, dass ein Diensteanbieter durch „das Teilen von Online-Inhalten eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe oder eine Handlung der öffentlichen Zugänglichmachung (...) vornimmt, wenn er der Öffentlichkeit Zugang zu von seinen Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschafft“. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit nach dem Wortsinn der „Wiedergabe“ sein könnte, wird hier nun explizit festgehalten. Daraus folgt natürlich die Erlaubnispflicht zum Uploaden fremder Werke auf der jeweiligen Plattform.
Hintergrund der Regelung des Art. 17 DSM-RL
Warum aber zieht man hier die Plattformen mit in den Schlamassel, statt die „wirklichen Täter“ anzugreifen, die eigenhändig die urheberrechtsverletzenden Inhalte hochladen?
Der Grund ist dieser: Während die eigenhändig hochladenden Nutzer (zumeist weltweit verteilt) kaum greifbar sind und der Aufwand von deren Aufspüren ggf. im starken Ungleichgewicht zum erzielten Erfolg steht, ist es mit dem Inverantwortungziehen der großen Fische im Teich deutlich leichter einen schnellen Erfolg zu erreichen, der für viele Rechteinhaber entscheidend ist, um eine effektive Verwertung ihrer Werke vornehmen zu können.
Natürlich zielt die Regelung im Ergebnis daher auf die Erlaubnispflicht für das Uploaden urheberrechtlich geschützter Werke ab und im Zuge dessen auf eine Art Pauschallizenzierung zumindest in Hinsicht auf die Handlungen von Privatpersonen auf der jeweiligen Plattform. Nach einem Ausschluss in Abs. 2, hat der Diensteanbieter jedoch nicht dafür Sorge zu tragen, dass eine von ihm eingeholte Erlaubnis auch für die Nutzer gilt, deren Handlungen auf Grundlage einer gewerblichen Tätigkeit erfolgen bzw. deren Handlungen eine erhebliche Einnahmequelle nach sich ziehen. Dies soll im Ergebnis dafür sorgen, dass sich diejenigen, die bereits jetzt schon viel Geld mit dem Uploaden ihres Contents auf Youtube und co. verdienen, selbst um ihre Lizenzvermarktung kümmern müssen.
Der „Uploadfilter“ oder doch eher die Möglichkeit der effektiven Rechtsdurchsetzung?
Der eigentlich gefürchtete Teil des Art. 17 DSM-RL befindet sich in dessen vierten Absatz. Hier wird festgestellt, dass ein Diensteanbieter (wie z.B. Youtube) für das Teilen von Online-Inhalten haftungsrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, wenn dieser nicht bestimmte Anforderungen an einen Haftungsausschluss nachweisen kann.
Voraussetzungen für den Haftungsausschluss des Diensteanbieters:
1. Der Diensteanbieter muss „alle Anstrengungen“ unternommen haben, um die Erlaubnis bspw. in Form einer Lizenz, einzuholen.
2. Er muss außerdem „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards“ alles dafür tun, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte nicht über seine Plattform verfügbar sind, wenn er dazu von dem Rechtinhaber „einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt“ bekommen hat.
3. Der Diensteanbieter muss außerdem „unverzüglich“ handeln und die geschützten Inhalte sperren, entfernen und alle Anstrengungen unternehmen, dass diese auch zukünftig nicht hochgeladen werden. Auch dies gilt erst nachdem er einen entsprechenden „hinreichend begründeten“ Hinweis von den Rechteinhabern erhalten hat.
Der Diensteanbieter muss also ggf. nachweisen, dass er für den Erfolg eines rechtmäßigen Uploads „alle Anstrengungen“ unternommen hat. Das heißt, dass es u.U. weiterhin möglich ist, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte „illegal“ hochgeladen werden, ohne dass bspw. Youtube dafür in Rechenschaft gezogen werden kann, wenn die Plattform im vorhinein alles getan hat, was sie konnte, um das zu verhindern bzw. auf direkten Hinweis des jeweiligen Rechtinhabers die geschützten Inhalte unverzüglich sperren und entfernen lässt sowie ein erneutes Hochladen möglichst verhindert.
Nach Absatz 5 des Art. 17 DSM-RL ist außerdem mit in die Beurteilung der Voraussetzungen einzubeziehen, dass die Verpflichtungen des Diensteanbieter immer verhältnismäßig zur Art der Dienste, dem Publikum und dem Umfang der Dienste zu bewerten sind. Außerdem sind auch die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Mittel zur Durchsetzung der Verpflichtungen sowie die Kosten dafür in die Beurteilung miteinzubeziehen.
Problem: Wie sollen die kleinen Plattformen leisten, was das Gesetz verlangt?
Auch dieses Problem erkennt das Gesetz an. Im sechsten Absatz der Regelung wird ein Privileg für kleinere Diensteanbieter, die seit weniger als drei Jahren zur Verfügung stehen oder deren Jahresumsatz 10 Millionen Euro nicht übersteigt, eingeführt. Diese müssen für einen Haftungsausschluss lediglich die erste der drei in Abs. 4 genannten Voraussetzungen erfüllen sowie den geschützten Inhalt nach Erhalt eines Hinweises unverzüglich sperren bzw. entfernen. Übersteigt die durchschnittliche Besucherzahl der Plattform im Monat jedoch die 5 Millionen-Grenze, so müssen diese Diensteanbieter zusätzlich nachweisen, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um das künftige Hochladen der geschützten Inhalte zu verhindern, wenn sie dazu die nötigen Informationen der Rechteinhaber bereitgestellt bekommen. Diese Anbieter müssten also dementsprechend die erste und die dritte Voraussetzung für einen Haftungsausschluss erfüllen.
Die Angst vor übermäßigem Filter
Weiterhin wird im siebten Absatz der Regelung festgehalten, dass die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses in der Realität nicht dazu führen dürfen, dass rechtmäßig hochgeladene Inhalte auf den Plattformen nicht verfügbar sind. Insbesondere sollen die Mitgliedstaaten darauf achten das Inhalte zum Zweck von Zitaten, Kritik und Rezensionen wie auch die Nutzung fremder Werke zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches nicht „gefiltert“ werden, sondern weiterhin frei verfügbar sein dürfen und sollen.
Eine „allgemeine Überwachung“ dürfe nach Abs. 8 zudem auch nicht erfolgen. So fordert die Regelung von den Diensteanbietern in Zukunft Transparenz hinsichtlich der Funktionsweise ihrer „Filter-Verfahren“.
Fazit: Eine ausgewogene Regelung mit der Möglichkeit zur fairen Anwendung
Der lang diskutierte und oft überarbeitete Art. 17 DSM-RL bietet in seiner differenzierten und ausführlichen Ausarbeitung in jedem Fall die Möglichkeit zur interessengerechten Umsetzung in die nationale Rechtsordnung. Jedoch stehen wir mit seiner Fertigstellung zunächst erst wieder am Anfang der nächsten Phase: Jetzt wird es darum gehen, die noblen Ideen und dahinter stehenden Werte der Richtlinie auf ausgewogene Art und Weise in die nationale Rechtsordnung zu übertragen. Erst mit der Umsetzung und der darauffolgenden direkten Anwendung des Rechts wird sich zeigen, wie dieses sich in Zukunft auf die Praxis auswirken wird. Die Grundsteine für einen ausgeglichenen Schutz der Interessen von Urhebern und Plattformen ist jedoch durch Art. 17 DSM-RL gelegt.
Haben Sie Fragen zum Thema Urheberrecht? Nehmen Sie Kontakt zu Herrn Dr. Benedikt Mick auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
(BM/ts)
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