Gesetzliche Krankenversicherung: Kein Anspruch auf Fettabsaugung bei Lipödem

29.04.2015

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Autoren

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

EnglischDeutsch
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben keinen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf eine ambulante oder stationäre Fettabsaugung.
Das hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in einem Grundsatzurteil entschieden. Für die ambulante Behandlung steht dies schon länger fest, weil es sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode handelt, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine Empfehlung abgegeben hat. Gleiches gilt nach der Entscheidung des LSG auch, wenn die Liposuktion stationär im Krankenhaus durchgeführt werden soll. Auch bei stationärer Behandlung bestehe ein Leistungsanspruch der Versicherten nur, wenn die Behandlung dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Das sei bei der Liposuktionsbehandlung nicht der Fall. Derzeit gebe es keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse über Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung von Lip- und Lymphödemen. Das ergebe sich insbesondere aus einem Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aus dem Jahr 2011. Dies sei jüngst in einem Aktualisierungsgutachten des MDK vom Januar 2015 bestätigt worden. Hiernach ist die Liposuktion zur Therapie von Lip- und Lymphödemen derzeit noch in der wissenschaftlichen Diskussion. Es stehe nicht fest, dass die Behandlungsmethode den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entspreche. Hierzu seien weitere Studien erforderlich. Aus dem jüngsten Aktualisierungsgutachten des MDK von Januar 2015 ergebe sich, dass es auch derzeit an aussagekräftigen Studien fehle. Die vorhandenen Studien wiesen erhebliche methodische und inhaltliche Mängel auf und berichteten unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie. Aus den Empfehlungen in einschlägigen Leitlinien ergebe sich nichts anderes.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.2.2015, (Az.: L 5 KR 228/13).

Eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Liposuktion bei Lipödem unterfällt nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Liposuktion bei Lipödem entspricht derzeit nicht dem auch für stationäre Krankenhausbehandlungen maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse.


Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer stationären Liposuktion.

Die 1980 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte gestützt auf ein Attest der Ärztin für Plastische und Handchirurgie Dr. D vom 06.11.2010 im November 2010 eine Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes, die nach Auffassung von Dr. D aufgrund des hohen Risikos einer Thromboembolie stationär mit mindestens drei Operationen durchgeführt werden müsse. Bei idiopathischem Lymphödem seit dem 16. Lebensjahr mit kontinuierlicher ärztlicher Behandlung bestehe eine klinisch altersuntypische Fettansammlung im Bereich beider Beine und des Gesäßes im Sinne eines Lipödems. Der Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Dr. K führte im Gutachten vom 28.12.2010 aus, bei vorhandener ausgeprägter Adipositas mit einem BMI von knapp 37 kg/m2 ergebe sich anhand der Fotodokumentation kein entstellender körperlicher Befund. Eine Indikation zu einer Fettabsaugung liege nicht vor. Angezeigt seien vielmehr eine konsequente Gewichtsreduktion sowie eine konservative Behandlung des Lymphödems mit regelmäßiger Lymphdrainage und Kompressionstherapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2011 den Leistungsantrag ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest ihrer Hausärztin G vom 28.02.2011 vor, die ausführte, bei der Klägerin bestehe seit dem 16. Lebensjahr ein ideopathisches chronisches Lymphödem. Sie erhalte seit dem 18. Lebensjahr immer wieder Lymphdrainagen, wodurch sich eine leichte Besserung habe erzielen lassen. Seit etwa einem dreiviertel Jahr könne jedoch schmerzbedingt eine Lymphdrainage nicht mehr durchgeführt werden. Im MDK-Gutachten vom 19.04.2011 verblieb Dr. G bei der bisherigen Beurteilung, dass eine entsprechende Gewichtsreduktion maßgeblich und vorrangig sei und zudem eine Bewegungstherapie sowie konservative Behandlung bei Verdacht auf Lipolymphödem der Beine angezeigt sei. Zudem handele es sich bei der Liposuktion beim Lipolymphödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Die Durchführung einer Liposuktion der Oberschenkel und des Gesäßes, wie hier beabsichtigt, erfordere nicht die besonderen Mittel eines Krankenhauses. Sie werde von den meisten Anwendern auch ambulant erbracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 22.07.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Speyer erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, von ihren behandelnden Ärzten sei in Anbetracht der jahrelangen ergebnislos gebliebenen Lymphdrainagebehandlungen sowie Kompressionsbehandlungen und Bandagierung des Bewegungsapparats eine stationäre Fettabsaugung der Oberschenkel und des Gesäßes dringend empfohlen worden. Nur hierdurch könne ein verbesserter Lymphabfluss erreicht werden.

Das SG hat Befundberichte von Dr. D vom 10.11.2011, die die medizinische Notwendigkeit für eine Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie am Gesäß verneint hat, Dr. G vom 28.11.2011, die die Notwendigkeit einer - grundsätzlich ambulant durchführbaren - Liposuktion bestätigt hat, und des Gefäßchirurgen Dr. E vom 22.12.2011, der zur Notwendigkeit einer Liposuktion auf Dr. D verwiesen hat, eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz hat das SG von Dr. G, M, ein chirurgisches Gutachten vom 16.08.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein schwer adipöser Ernährungszustand vor. Darüber hinaus finde sich eine disproportionierte Volumenvermehrung an allen vier körpernahen Extremitäten sowie dem Gesäß. Auffällig sei eine asymmetrische Volumenvermehrung zugunsten der linken Körperseite. Im Zusammenschluss mit den anamnestischen Daten liege die Vermutung nahe, dass sich auf dem Boden eines seit 1996 bekannten, primären Lymphödems und einer sekundären, linksbetonten Lymphabflussstörung nach Tumor- und Lymphknoten-Exstirpation in der linken Leiste eine zentral betonte, körpernahe Lipohypertrophie der Extremitäten entwickelt habe. Unter konservativer Entstauungs- und Kompressions-Therapie habe sich mit großer Wahrscheinlichkeit nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, das schmerzbedingt einer entstauenden Therapie nur noch eingeschränkt zugänglich sei. Als weitere relevante Diagnose bestehe eine koinzidente Adipositas per magna, die die Einordnung des Beschwerdebildes schwieriger mache. Eine Liposuktion ermögliche durch die Reduktion des Fettvolumens eine Verringerung des Druckes auf die abführenden Lymph- und Blutgefäße, so dass sich nach Absaugung des Fettgewebes mit Hilfe entstauender Maßnahmen und Kompressionsbehandlung die Ödemkomponente verbessern lasse. Aus diesen Gründen und unter der Prämisse, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zugrunde liege, bestehe aus seiner Sicht eine eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion im vorliegenden Fall. Da zusätzlich ein primäres Lymphödem mit sekundärer Abflussbehinderung sowie eine Adipositas per magna vorhanden seien, sei jedoch eine alleinige Liposuktion nicht zielführend. Vielmehr müssten gewichtsreduzierende Maßnahmen sowie die klassische manuelle Lymphdrainage ergänzend angewandt werden. Bei der Klägerin sei zu erwarten, dass zur Erreichung eines zufriedenstellenden Ergebnisses so große Mengen Fettgewebes abgesaugt werden müssten, dass eine ambulante Behandlung, wie sie bei einer Vielzahl von ästhetischen Eingriffen Gang und Gäbe sei, aus seiner Sicht nicht vertretbar sei. Die seit 1996 kontinuierlich, anfangs mit gutem Erfolg, durchgeführte antiödematöse Behandlung sei zwischenzeitlich aufgrund der Schmerzhaftigkeit nicht mehr konsequent einsetzbar. Nicht vollständig ausgeschöpft worden sei aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion. Hier könne seines Erachtens in gewissen Grenzen - die echte Lipo-Hypertrophie spreche nicht auf Gewichtsreduktionen an - eine Verbesserung des Befundes erreicht werden. Zumindest würde der Druck auf die Ausflussbahnen durch Reduktion der diätetisch beeinflussbaren Fettzellen vermindert und die Abflusssituation verbessert.

Zu dem Gutachten hat die Beklagte ein nach persönlicher Untersuchung der Klägerin erstelltes MDK-Gutachten von Dr. G /Dr. K vom 25.09.2012 vorgelegt, die hervorgehoben haben, weder für eine Adipositas noch für ein Lymphödem stelle eine Fettabsaugung die Therapie der Wahl dar. Die Kriterien zur Diagnosestellung eines Lipödems seien bei der Klägerin aufgrund des von ihnen, den Gutachtern, erhobenen Untersuchungsbefundes nicht erfüllt. Es bestünden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch sei ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Eine gesicherte Diagnose sei aber Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem handele es sich bei der Liposuktion bei Lipödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Vergleichsstudien zur konservativen und operativen Therapie seien nicht vorhanden. Ferner sei unklar, ob prinzipiell durch die frühzeitige Fettreduzierung auch der Progredienz des Lipödems entgegengewirkt werden könne. Bei der aktuellen Leitlinie handele es sich um eine Darstellung der bisherigen Anwendererfahrungen. Entgegen der Beurteilung des Dr. G, der wegen der großen Menge abzusaugenden Fettgewebes eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit annehme, ergebe sich aus den Aussagen der Leitlinie „Lipödem“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, dass mit der entsprechenden Technik der Liposuktion, wie beim Lipödem üblich, in örtlicher Betäubung in Form der Tumeszenzanästhesie deutlich größere Fettmengen zu entfernen seien als bei kosmetischen Eingriffen. Die besonderen Mittel eines Krankenhauses seien aus medizinischer Sicht bei Anwendung der in den Leitlinien empfohlenen Technik nicht erforderlich.

Von Amts wegen hat das SG sodann ein plastisch-chirurgisches Gutachten von Dr. L, Z, vom 13.03.2013 eingeholt, die sich der Beurteilung des Dr. G vollumfänglich angeschlossen hat.

Durch Urteil vom 02.09.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine stationäre Behandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie des Gesäßes. Zwar handele es sich um eine „neue“ Behandlungsmethode.

Jedoch führe dies nur im Fall einer ambulanten Durchführung der Liposuktion zu einem gesetzlichen Versorgungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im stationären Bereich dürfe gemäß § 137c Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch erst ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses eine ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkasse erbracht werden. Bei der Klägerin sei nach der überzeugenden Beurteilung der Sachverständigen Dr. G sowie Dr. L eine Liposuktion unter stationären Bedingungen notwendig. Eine weitere Gewichtsreduktion, die die Klägerin nach Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits mehrfach versucht und dabei offenbar keine Verbesserung der Lymphproblematik erzielt habe, sei nach Einschätzung von Dr. L nicht geeignet, die Beschwerden entscheidend zu mindern.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 27.09.2013 Berufung eingelegt. Sie macht unter Hinweis auf das Urteil des SG Neubrandenburg vom 18.04.2013 geltend, auch im stationären Bereich bestehe eine Leistungspflicht der Kasse nur unter Beachtung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen. Zudem sei eine zwingende medizinische Erforderlichkeit einer stationären Behandlung bei der Klägerin nicht gegeben. Soweit diese mit der großen Menge des abzusaugenden Fettgewebes begründet werde, sei zu berücksichtigen, dass eine Fettabsaugung auch in mehreren Sitzungen durchgeführt werden könne und somit die Menge des Fettgewebes, die in den einzelnen Sitzungen abgesaugt werde, erheblich reduziert werden könne. Dies sei in der Praxis bei den ambulanten Liposuktionen durchaus üblich. Schließlich sei auch fraglich, ob die konservativen Maßnahmen bei der Klägerin tatsächlich ausgeschöpft seien. Aus dem von der Klägerin selbst dargelegten Maßnahmenkatalog ergebe sich, dass in den vergangenen Jahren keine konsequente Behandlung in Form einer kombinierten physikalischen Entstauungstherapie durchgeführt worden sei.

Der Senat hat das Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 06.10.2011 der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden und Produktbewertung“ des MDK Nordrhein zum Verfahrensgegenstand gemacht und eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L vom 27.06.2014 eingeholt. Diese hat ihre bisherige Beurteilung bestätigt und betont, aus der Anamnese gehe hervor, dass bei der Klägerin bereits 1996 ein chronisches Lymphödem der Beine festgestellt und sowohl stationär als auch ambulant entsprechend therapiert worden sei. Insofern sei von einer Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen auszugehen. Zudem sei mit entsprechender Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen nach der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie lediglich eine Verminderung der Beinvolumina von etwa 12 v. H. zu erzielen. Prinzipiell sei es sicherlich möglich, eine ambulante Fettabsaugung anstelle einer stationären Behandlung durchzuführen, wenn die Fettabsaugung in mehreren Sitzungen erfolge. Dies sei jedoch weder für den Behandler noch dem Patienten wirklich zumutbar. Die stationäre Aufnahme nach der Behandlung an den Beinen für eine Nacht stelle mehr eine Sicherheitsmaßnahme dar, weil eine erhöhte Thrombosegefahr bestehe und eine Schmerztherapie leichter durchzuführen sei. Zudem seien die Patienten immer durch die zurücklaufende Tumeszenzlösung sehr beunruhigt. Es sei eindeutig zu bejahen, dass es sich bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode handele. Insoweit sei auf die in der S1-Leitlinie zitierten Studien zu verweisen.

Der Senat hat den „Ergänzenden Begutachtungsleitfaden Maßstäbe zur einheitlichen Begutachtung bei Kostenübernahmeanträgen für eine Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 11.10.2013 zum Verfahrensgegenstand gemacht sowie aus einem anhängigen Parallelrechtsstreit das Gutachten der Ärztin im MDK Dr. N vom 04.11.2014 beigezogen. Das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ hat er den Beteiligten zugänglich gemacht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hebt hervor, die Sachverständige Dr. L habe in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme eindrucksvoll die Unbegründetheit der Argumentation der Beklagten bestätigt. Der Befund habe sich zwischenzeitlich weiter verschlechtert, wie sich auch aus einem aktuellen Attest von Dr. L vom 16.01.2015 ergebe. Das beigezogene Gutachten von Dr. N betreffe eine völlig andersartige Fallgestaltung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.


Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu gewähren.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Liposuktionsbehandlung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V scheitert dabei schon daran, dass es sich bei der nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen enthaltenen Maßnahme um eine neue Behandlungsmethode handelt, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden darf, wenn der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGB V entsprechende Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat, woran es bei der Liposuktion fehlt.

Auch für die - vorliegend streitgegenständliche - stationäre Liposuktionsbehandlung gilt derzeit nichts anderes. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Wie die übrigen Behandlungsformen müssen auch solche im Krankenhaus den in §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen diese den Stand der medizinischen Erkenntnisse.

Diese den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien entnommenen Einschränkungen beachtet das SG nicht, wenn es unter Verweis auf § 137c SGB V wesentlich auch darauf abstellt, dass für den stationären Bereich ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn der GBA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung erfordert vielmehr auch dann, wenn der GBA nicht über die Zulässigkeit der Behandlungsmethode im Krankenhaus entschieden hat, dass die Methode dem Qualitätsgebot des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse oder den Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung genügt. Denn trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von § 135 Abs. 1 SGB V einerseits, § 137c Abs. 1 SGB V andererseits ist die Methodenbewertung im SGB V prinzipiell bereichsübergreifend angelegt. Die Regelung des § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft.

Zur Überzeugung des Senats können derzeit zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen gemacht werden. Es fehlen weiterhin wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode. Dies ergibt sich aus dem Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 06.10.2011. Nach eingehender Recherche der einschlägigen Publikationen ist die Expertengruppe zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Dass sich in diesem Erkenntnisstand zwischenzeitlich wesentliche Änderungen ergeben‚ haben, vermag der Senat nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht zu erkennen. Die Sachverständige Dr. L hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27.06.2014 speziell auch zu dieser Frage zwar behauptet, bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems handele es sich um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode. Zur Untermauerung dieser These hat sie sich jedoch lediglich auf die der S 1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zugrunde liegende Studienlage sowie Veröffentlichungen aus der Zeit bis 2011 gestützt. Mit der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie hat sich die Expertengruppe jedoch explizit auseinandergesetzt und diese als nicht evidenzbasiert bezeichnet. Denn als Belege für den Nutzen führt die Leitlinie im Wesentlichen Ergebnisse von Registernachbeobachtungen und kleineren Fallserien an. Da die Expertengruppe 7 im Grundsatzgutachten vom 06.10.2011 eine Aktualisierung spätestens im Jahre 2013 vorgesehen hatte, hat der Senat hierzu den ergänzenden Begutachtungsleitfaden vom 11.10.2013, herausgegeben vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V., beigezogen, in dem einleitend betont wird, dass die sozialmedizinische Empfehlung des SEG 7-Gutachtens weiterhin Gültigkeit habe, da seit der Erstellung keine Änderungen bezüglich der medizinischen Grundlagen, der Studienlage oder der relevanten gesetzlichen Bestimmungen eingetreten seien. Schließlich ergibt sich aus dem vom Senat aus einem Parallelrechtsstreit beigezogenen MDK-Gutachten von Dr. N vom 04.11.2014, dass die aktuelle Recherche der Gutachterin in der medizinisch-wissenschaftlichen Datenbank PubMed nach randomisierten, kontrollierten Studien unter dem Stichwort: „liposuction AND lipedema“ keine spezifischen Treffer ergeben hat. Insofern ergibt sich auch aus dem Umstand, dass zwischenzeitlich der GBA am 22.05.2014 beschlossen hat, den Antrag der Patientenvertretung nach § 140 f SGB V vom 20.03.2014 auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß § 135 Abs. 1 und § 137 c SGB V anzunehmen, das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung zu beauftragen, keine abweichende Beurteilung des Erkenntnisstandes. Wie Dr. N im Gutachten vom 04.11.2014 aufgezeigt hat, stützt sich der Antrag der Patientenvertretung im Wesentlichen ebenfalls auf die bekannten Studien bzw. Nachbeobachtungen aus der Zeit bis 2011 und führt keine neuen randomisierten und kontrollierten Studien auf. Bestätigt wird diese Beurteilung schließlich durch die wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen und den Beteiligten zugänglich gemachte Aktualisierung des Primärgutachtens der SEG 7 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 15.01.2015. Hierin hat die SEG 7 im Einzelnen überzeugend dargelegt, dass die zwei zwischenzeitlich identifizierten kontrollierten Studien, welche die Liposuktion bei sekundären Lymphödem der Arme nach Brustkrebstherapie bzw. zur Schmerztherapie bei Lipomatasis dolorosa untersuchen, erhebliche methodische sowie zum Teil inhaltliche Limitationen haben und unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie berichten.

Der Senat ist nicht gehindert, seiner Entscheidung die überzeugenden Feststellungen in den Gutachten des MDK zugrunde zu legen. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben gemäß § 275 Abs. 5 SGB V nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden.

Fehlt mithin ein wissenschaftlicher Beleg der Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems, so kommt auch im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung jedenfalls derzeit die Erbringung einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht.

Darüber hinaus ist zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin das Vorliegen eines Lipödems, das von den Befürwortern als Indikation für die Liposuktionsbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung angeführt wird, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Der Sachverständige Dr. G hat insoweit in seinem Gutachten bei der Darlegung des Krankheitsverlaufs ausgeführt, es habe sich „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, zugleich aber eingeschränkt, das als weitere relevante Diagnose eine koinzidente Adipositas per magna bestehe, die die Einordnung des Beschwerdebildes „schwieriger“ machte. Die eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion hat er „unter der Prämisse“ gestellt, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zugrunde liegt. Diese Ausführungen machen deutlich, dass auch Dr. G nicht zweifelsfrei vom Vorliegen eines Lipödems bei der Klägerin ausgeht. Aus den knappen Ausführungen der Sachverständigen Dr. L, es sei „von einem Lipolymphödem mit Schwerpunkt der unteren Extremitäten auszugehen“ ergeben sich keine weitergehenden Erkenntnisse. Die Gutachter des MDK Dr. G./Dr. K haben demgegenüber aufgrund des bei der persönlichen Untersuchung am 25.09.2012 bei der Klägerin erhobenen Befundes herausgearbeitet, dass die Diagnose Lipödem nicht eindeutig gestellt werden kann. So bestanden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch war ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Zu Recht heben die Gutachter hervor, dass eine gesicherte Diagnose Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sein muss.

Selbst Dr. G hat darüber hinaus betont, dass auch aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion Vorrang vor einer durchzuführenden operativen Liposuktionsbehandlung haben müsse. Die Klägerin wiegt nach ihren in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben bei einer Größe von 1,58 m 100 kg, was einem BMI von 40 kg/m² entspricht. Das von Dr. G vor einer Liposuktion geforderte Zielgewicht - vgl. hierzu auch das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015, S. 40 Nr. 8.2.3 - hat sie bei weitem nicht erreicht. Auch der Gesichtspunkt einer vorrangigen Gewichtsreduzierung spricht mithin gegen die Notwendigkeit einer Liposuktionsbehandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Schließlich hat die Sachverständige Dr. L in ihrer ergänzenden Stellungnahme den Einwand der Beklagten bestätigt, dass bei der Klägerin - wie auch von Dr. G./Dr. K im MDK-Gutachten vom 25.09.2012 hervorgehoben - die Liposuktion prinzipiell sukzessiv ambulant erfolgen könnte. Für ihre Aussage, sie halte diese Frage jedoch für akademisch, weil die ambulante Behandlung weder dem Behandler noch dem Patienten zumutbar sei, ist sie eine überzeugende Begründung schuldig geblieben. Soweit Dr. L im Attest vom 16.01.2015 auf die „bei dieser Art von Eingriffen immer [bestehende] Gefahr einer postoperativen Kreislaufregulation oder einer Embolie“ verweist, ist dem entgegen zu halten, dass die ambulante Durchführung der Liposuktionsbehandlung weit verbreitet ist.

Gesetze

Gesetze

10 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 39 Krankenhausbehandlung


(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 275 Begutachtung und Beratung


(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,1.bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfu

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137c Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Unte

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Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 05. Feb. 2015 - L 5 KR 228/13

bei uns veröffentlicht am 05.02.2015

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird n

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Versicherungsrecht

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Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung einer stationären Liposuktion.

2

Die 1980 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte gestützt auf ein Attest der Ärztin für Plastische und Handchirurgie Dr. D vom 06.11.2010 im November 2010 eine Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes, die nach Auffassung von Dr. D aufgrund des hohen Risikos einer Thromboembolie stationär mit mindestens drei Operationen durchgeführt werden müsse. Bei idiopathischem Lymphödem seit dem 16. Lebensjahr mit kontinuierlicher ärztlicher Behandlung bestehe eine klinisch altersuntypische Fettansammlung im Bereich beider Beine und des Gesäßes im Sinne eines Lipödems. Der Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr. K führte im Gutachten vom 28.12.2010 aus, bei vorhandener ausgeprägter Adipositas mit einem BMI von knapp 37 kg/m2 ergebe sich anhand der Fotodokumentation kein entstellender körperlicher Befund. Eine Indikation zu einer Fettabsaugung liege nicht vor. Angezeigt seien vielmehr eine konsequente Gewichtsreduktion sowie eine konservative Behandlung des Lymphödems mit regelmäßiger Lymphdrainage und Kompressionstherapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2011 den Leistungsantrag ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest ihrer Hausärztin G vom 28.02.2011 vor, die ausführte, bei der Klägerin bestehe seit dem 16. Lebensjahr ein ideopathisches chronisches Lymphödem. Sie erhalte seit dem 18. Lebensjahr immer wieder Lymphdrainagen, wodurch sich eine leichte Besserung habe erzielen lassen. Seit etwa einem dreiviertel Jahr könne jedoch schmerzbedingt eine Lymphdrainage nicht mehr durchgeführt werden. Im MDK-Gutachten vom 19.04.2011 verblieb Dr. G bei der bisherigen Beurteilung, dass eine entsprechende Gewichtsreduktion maßgeblich und vorrangig sei und zudem eine Bewegungstherapie sowie konservative Behandlung bei Verdacht auf Lipolymphödem der Beine angezeigt sei. Zudem handele es sich bei der Liposuktion beim Lipolymphödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Die Durchführung einer Liposuktion der Oberschenkel und des Gesäßes, wie hier beabsichtigt, erfordere nicht die besonderen Mittel eines Krankenhauses. Sie werde von den meisten Anwendern auch ambulant erbracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.

3

Am 22.07.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, von ihren behandelnden Ärzten sei in Anbetracht der jahrelangen ergebnislos gebliebenen Lymphdrainagebehandlungen sowie Kompressionsbehandlungen und Bandagierung des Bewegungsapparats eine stationäre Fettabsaugung der Oberschenkel und des Gesäßes dringend empfohlen worden. Nur hierdurch könne ein verbesserter Lymphabfluss erreicht werden.

4

Das SG hat Befundberichte von Dr. D vom 10.11.2011, die die medizinische Notwendigkeit für eine Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie am Gesäß verneint hat, Dr. G vom 28.11.2011, die die Notwendigkeit einer - grundsätzlich ambulant durchführbaren – Liposuktion bestätigt hat, und des Gefäßchirurgen Dr. E vom 22.12.2011, der zur Notwendigkeit einer Liposuktion auf Dr. D verwiesen hat, eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG von Dr. G, M, ein chirurgisches Gutachten vom 16.08.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein schwer adipöser Ernährungszustand vor. Darüber hinaus finde sich eine disproportionierte Volumenvermehrung an allen vier körpernahen Extremitäten (Oberarme, Oberschenkel) sowie dem Gesäß. Auffällig sei eine asymmetrische Volumenvermehrung zu Gunsten der linken Körperseite. Im Zusammenschluss mit den anamnestischen Daten liege die Vermutung nahe, dass sich auf dem Boden eines seit 1996 bekannten, primären Lymphödems und einer sekundären, linksbetonten Lymphabflussstörung nach Tumor- und Lymphknoten-Exstirpation in der linken Leiste (1999) eine zentral betonte, körpernahe Lipohypertrophie der Extremitäten entwickelt habe. Unter konservativer Entstauungs- und Kompressions-Therapie habe sich mit großer Wahrscheinlichkeit nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, das schmerzbedingt einer entstauenden Therapie nur noch eingeschränkt zugänglich sei. Als weitere relevante Diagnose bestehe eine koinzidente Adipositas per magna, die die Einordnung des Beschwerdebildes schwieriger mache. Eine Liposuktion ermögliche durch die Reduktion des Fettvolumens eine Verringerung des Druckes auf die abführenden Lymph- und Blutgefäße, so dass sich nach Absaugung des Fettgewebes mit Hilfe entstauender Maßnahmen und Kompressionsbehandlung (spezielle Kompressionswäsche) die Ödemkomponente verbessern lasse. Aus diesen Gründen und unter der Prämisse, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zu Grunde liege, bestehe aus seiner Sicht eine eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion im vorliegenden Fall. Da zusätzlich ein primäres Lymphödem mit sekundärer Abflussbehinderung sowie eine Adipositas per magna vorhanden seien, sei jedoch eine alleinige Liposuktion nicht zielführend. Vielmehr müssten gewichtsreduzierende Maßnahmen sowie die klassische manuelle Lymphdrainage ergänzend angewandt werden. Bei der Klägerin sei zu erwarten, dass zur Erreichung eines zufriedenstellenden Ergebnisses so große Mengen Fettgewebes abgesaugt werden müssten, dass eine ambulante Behandlung, wie sie bei einer Vielzahl von (mit dem vorliegenden Fall keinesfalls vergleichbaren) ästhetischen Eingriffen Gang und Gäbe sei, aus seiner Sicht nicht vertretbar sei. Die seit 1996 kontinuierlich, anfangs mit gutem Erfolg, durchgeführte antiödematöse Behandlung sei zwischenzeitlich aufgrund der Schmerzhaftigkeit nicht mehr konsequent einsetzbar. Nicht vollständig ausgeschöpft worden sei aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion. Hier könne seines Erachtens in gewissen Grenzen – die echte Lipo-Hypertrophie spreche nicht auf Gewichtsreduktionen an – eine Verbesserung des Befundes erreicht werden. Zumindest würde der Druck auf die Ausflussbahnen durch Reduktion der diätetisch beeinflussbaren Fettzellen vermindert und die Abflusssituation verbessert.

5

Zu dem Gutachten hat die Beklagte ein nach persönlicher Untersuchung der Klägerin erstelltes MDK-Gutachten von Dr. G /Dr. K vom 25.09.2012 vorgelegt, die hervorgehoben haben, weder für eine Adipositas noch für ein Lymphödem stelle eine Fettabsaugung die Therapie der Wahl dar. Die Kriterien zur Diagnosestellung eines Lipödems seien bei der Klägerin aufgrund des von ihnen, den Gutachtern, erhobenen Untersuchungsbefundes nicht erfüllt. Es bestünden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch sei ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Eine gesicherte Diagnose sei aber Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem handele es sich bei der Liposuktion bei Lipödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Vergleichsstudien zur konservativen und operativen Therapie seien nicht vorhanden. Ferner sei unklar, ob prinzipiell durch die frühzeitige Fettreduzierung auch der Progredienz des Lipödems entgegengewirkt werden könne. Bei der aktuellen Leitlinie handele es sich um eine Darstellung der bisherigen Anwendererfahrungen. Entgegen der Beurteilung des Dr. G, der wegen der großen Menge abzusaugenden Fettgewebes eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit annehme, ergebe sich aus den Aussagen der Leitlinie „Lipödem“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, dass mit der entsprechenden Technik der Liposuktion, wie beim Lipödem üblich, in örtlicher Betäubung in Form der Tumeszenzanästhesie deutlich größere Fettmengen zu entfernen seien als bei kosmetischen Eingriffen. Die besonderen Mittel eines Krankenhauses seien aus medizinischer Sicht bei Anwendung der in den Leitlinien empfohlenen Technik nicht erforderlich.

6

Von Amts wegen hat das SG sodann ein plastisch-chirurgisches Gutachten von Dr. L, Z, vom 13.03.2013 eingeholt, die sich der Beurteilung des Dr. G vollumfänglich angeschlossen hat.

7

Durch Urteil vom 02.09.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine stationäre Behandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie des Gesäßes. Zwar handele es sich um eine „neue“ Behandlungsmethode. Jedoch führe dies nur im Fall einer ambulanten Durchführung der Liposuktion zu einem gesetzlichen Versorgungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im stationären Bereich dürfe gemäß § 137c Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erst ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) eine ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden. Bei der Klägerin sei nach der überzeugenden Beurteilung der Sachverständigen Dr. G sowie Dr. L eine Liposuktion unter stationären Bedingungen notwendig. Eine weitere Gewichtsreduktion, die die Klägerin nach Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits mehrfach versucht und dabei offenbar keine Verbesserung der Lymphproblematik erzielt habe, sei nach Einschätzung von Dr. L nicht geeignet, die Beschwerden entscheidend zu mindern.

8

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 27.09.2013 Berufung eingelegt. Sie macht unter Hinweis auf das Urteil des SG Neubrandenburg vom 18.04.2013 (S 14 KR 11/12) geltend, auch im stationären Bereich bestehe eine Leistungspflicht der Kasse nur unter Beachtung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen. Zudem sei eine zwingende medizinische Erforderlichkeit einer stationären Behandlung bei der Klägerin nicht gegeben. Soweit diese mit der großen Menge des abzusaugenden Fettgewebes begründet werde, sei zu berücksichtigen, dass eine Fettabsaugung auch in mehreren Sitzungen durchgeführt werden könne und somit die Menge des Fettgewebes, die in den einzelnen Sitzungen abgesaugt werde, erheblich reduziert werden könne. Dies sei in der Praxis bei den ambulanten Liposuktionen durchaus üblich. Schließlich sei auch fraglich, ob die konservativen Maßnahmen bei der Klägerin tatsächlich ausgeschöpft seien. Aus dem von der Klägerin selbst dargelegten Maßnahmenkatalog ergebe sich, dass in den vergangenen Jahren keine konsequente Behandlung in Form einer kombinierten physikalischen Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie und Hautpflege) durchgeführt worden sei.

9

Der Senat hat das Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 06.10.2011 der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden und Produktbewertung“ des MDK Nordrhein zum Verfahrensgegenstand gemacht und eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L vom 27.06.2014 eingeholt. Diese hat ihre bisherige Beurteilung bestätigt und betont, aus der Anamnese gehe hervor, dass bei der Klägerin bereits 1996 ein chronisches Lymphödem der Beine festgestellt und sowohl stationär als auch ambulant entsprechend therapiert worden sei. Insofern sei von einer Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen auszugehen. Zudem sei mit entsprechender Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen nach der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie lediglich eine Verminderung der Beinvolumina von etwa 12 v.H. zu erzielen. Prinzipiell sei es sicherlich möglich, eine ambulante Fettabsaugung anstelle einer stationären Behandlung durchzuführen, wenn die Fettabsaugung in mehreren Sitzungen erfolge. Dies sei jedoch weder für den Behandler noch dem Patienten wirklich zumutbar. Die stationäre Aufnahme nach der Behandlung an den Beinen für eine Nacht stelle mehr eine Sicherheitsmaßnahme dar, weil eine erhöhte Thrombosegefahr bestehe und eine Schmerztherapie leichter durchzuführen sei. Zudem seien die Patienten immer durch die zurücklaufende Tumeszenzlösung sehr beunruhigt. Es sei eindeutig zu bejahen, dass es sich bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode handele. Insoweit sei auf die in der S1-Leitlinie zitierten Studien zu verweisen.

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Der Senat hat den „Ergänzenden Begutachtungsleitfaden Maßstäbe zur einheitlichen Begutachtung bei Kostenübernahmeanträgen für eine Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 11.10.2013 zum Verfahrensgegenstand gemacht sowie aus einem anhängigen Parallelrechtsstreit das Gutachten der Ärztin im MDK Dr. N vom 04.11.2014 beigezogen. Das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ hat er den Beteiligten zugänglich gemacht.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hebt hervor, die Sachverständige Dr. L habe in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme eindrucksvoll die Unbegründetheit der Argumentation der Beklagten bestätigt. Der Befund habe sich zwischenzeitlich weiter verschlechtert, wie sich auch aus einem aktuellen Attest von Dr. L vom 16.01.2015 ergebe. Das beigezogene Gutachten von Dr. N betreffe eine völlig andersartige Fallgestaltung.

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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte (§§ 143 ff SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu gewähren.

18

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Liposuktionsbehandlung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V scheitert dabei schon daran, dass es sich bei der nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthaltenen Maßnahme um eine neue Behandlungsmethode handelt, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden darf, wenn der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGB V entsprechende Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat, woran es bei der Liposuktion fehlt (vgl. BSG 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R, juris).

19

Auch für die - vorliegend streitgegenständliche - stationäre Liposuktionsbehandlung gilt derzeit nichts anderes. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Wie die übrigen Behandlungsformen müssen auch solche im Krankenhaus den in §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen diese den Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. zum Ganzen BSG 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R m.w.N., juris; kritisch Felix, MedR 2014, 283 ff).

20

Diese den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien entnommenen Einschränkungen beachtet das SG nicht, wenn es unter Verweis auf § 137c SGB V wesentlich auch darauf abstellt, dass für den stationären Bereich ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn der GBA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung erfordert vielmehr auch dann, wenn der GBA nicht über die Zulässigkeit der Behandlungsmethode im Krankenhaus entschieden hat, dass die Methode dem Qualitätsgebot des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse oder den Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung genügt. Denn trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von § 135 Abs. 1 SGB V einerseits, § 137c Abs. 1 SGB V andererseits ist die Methodenbewertung im SGB V prinzipiell bereichsübergreifend angelegt (vgl. BSG 06.05.2009 – B 6 A 1/08 R, juris). Die Regelung des § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft (BSG 28.07.2008 – B 1 KR 5/08 R, juris Rn 52).

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Zur Überzeugung des Senats können derzeit zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen gemacht werden. Es fehlen weiterhin wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode. Dies ergibt sich aus dem Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 06.10.2011. Nach eingehender Recherche der einschlägigen Publikationen ist die Expertengruppe zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Dass sich in diesem Erkenntnisstand zwischenzeitlich wesentliche Änderungen ergeben‚ haben, vermag der Senat nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht zu erkennen. Die Sachverständige Dr. L hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27.06.2014 speziell auch zu dieser Frage zwar behauptet, bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems handele es sich um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode. Zur Untermauerung dieser These hat sie sich jedoch lediglich auf die der S 1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zu Grunde liegende Studienlage sowie Veröffentlichungen aus der Zeit bis 2011 gestützt. Mit der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie hat sich die Expertengruppe jedoch explizit auseinandergesetzt und diese als nicht evidenzbasiert bezeichnet. Denn als Belege für den Nutzen führt die Leitlinie im Wesentlichen Ergebnisse von Registernachbeobachtungen und kleineren Fallserien an. Da die Expertengruppe 7 im Grundsatzgutachten vom 06.10.2011 (Ziffer 12) eine Aktualisierung spätestens im Jahre 2013 vorgesehen hatte, hat der Senat hierzu den ergänzenden Begutachtungsleitfaden vom 11.10.2013, herausgegeben vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V., beigezogen, in dem einleitend betont wird, dass die sozialmedizinische Empfehlung des SEG 7-Gutachtens weiterhin Gültigkeit habe, da seit der Erstellung keine Änderungen bezüglich der medizinischen Grundlagen, der Studienlage oder der relevanten gesetzlichen Bestimmungen eingetreten seien. Schließlich ergibt sich aus dem vom Senat aus einem Parallelrechtsstreit beigezogenen MDK-Gutachten von Dr. N vom 04.11.2014, dass die aktuelle Recherche der Gutachterin in der medizinisch-wissenschaftlichen Datenbank PubMed nach randomisierten, kontrollierten Studien unter dem Stichwort: „liposuction AND lipedema“ keine spezifischen Treffer ergeben hat. Insofern ergibt sich auch aus dem Umstand, dass zwischenzeitlich der GBA am 22.05.2014 beschlossen hat, den Antrag der Patientenvertretung nach § 140 f SGB V vom 20.03.2014 auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß § 135 Abs. 1 und § 137 c SGB V anzunehmen, das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung zu beauftragen, keine abweichende Beurteilung des Erkenntnisstandes. Wie Dr. N im Gutachten vom 04.11.2014 aufgezeigt hat, stützt sich der Antrag der Patientenvertretung im Wesentlichen ebenfalls auf die bekannten Studien bzw. Nachbeobachtungen aus der Zeit bis 2011 und führt keine neuen randomisierten und kontrollierten Studien auf. Bestätigt wird diese Beurteilung schließlich durch die wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen und den Beteiligten zugänglich gemachte (s.http://www.sindbad-mds.de/infomed/sindbad.nsf/002568A2003D5BAE/20B52FBDE168255FC125795A003AF75D?OpenDocument) Aktualisierung des Primärgutachtens der SEG 7 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 15.01.2015. Hierin hat die SEG 7 im Einzelnen überzeugend dargelegt, dass die zwei zwischenzeitlich identifizierten kontrollierten Studien, welche die Liposuktion bei sekundären Lymphödem der Arme nach Brustkrebstherapie bzw. zur Schmerztherapie bei Lipomatasis dolorosa untersuchen, erhebliche methodische sowie zum Teil inhaltliche Limitationen haben und unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie berichten.

22

Der Senat ist nicht gehindert, seiner Entscheidung die überzeugenden Feststellungen in den Gutachten des MDK zu Grunde zu legen. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben gemäß § 275 Abs. 5 SGB V nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (vgl. BSG 23.12.2004 – 1 KR 84/04 B, juris; 14.12.2000 – B 3 P 5/00 R, juris).

23

Fehlt mithin ein wissenschaftlicher Beleg der Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems, so kommt auch im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung jedenfalls derzeit die Erbringung einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht (ebenso bereits LSG Baden-Württemberg 27.04.2012 – L 4 KR 595/11, juris; 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11, juris; Sächsisches LSG 16.01.2014 – L 1 KR 229/10, juris, LSG Nordrhein-Westfalen 16.01.2014 – L 16 KR 558/13, juris; a.A. Hessisches LSG 05.02.2013 - L 1 KR 391/12).

24

Darüber hinaus ist zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin das Vorliegen eines Lipödems, das von den Befürwortern als Indikation für die Liposuktionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angeführt wird, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Der Sachverständige Dr. G hat insoweit in seinem Gutachten bei der Darlegung des Krankheitsverlaufs ausgeführt, es habe sich „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, zugleich aber eingeschränkt, das als weitere relevante Diagnose eine koinzidente Adipositas per magna bestehe, die die Einordnung des Beschwerdebildes „schwieriger“ machte. Die eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion hat er „unter der Prämisse“ gestellt, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zu Grunde liegt. Diese Ausführungen machen deutlich, dass auch Dr. G nicht zweifelsfrei vom Vorliegen eines Lipödems bei der Klägerin ausgeht. Aus den knappen Ausführungen der Sachverständigen Dr. L, es sei „von einem Lipolymphödem mit Schwerpunkt der unteren Extremitäten auszugehen“ ergeben sich keine weitergehenden Erkenntnisse. Die Gutachter des MDK Dr. G /Dr. K haben demgegenüber auf Grund des bei der persönlichen Untersuchung am 25.09.2012 bei der Klägerin erhobenen Befundes herausgearbeitet, dass die Diagnose Lipödem nicht eindeutig gestellt werden kann. So bestanden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch war ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Zu Recht heben die Gutachter hervor, dass eine gesicherte Diagnose Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sein muss.

25

Selbst Dr. G hat darüber hinaus betont, dass auch aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion Vorrang vor einer durchzuführenden operativen Liposuktionsbehandlung haben müsse. Die Klägerin wiegt nach ihren in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben bei einer Größe von 1,58 m 100 kg, was einem BMI von 40 kg/m² entspricht. Das von Dr. G vor einer Liposuktion geforderte Zielgewicht (BMI kleiner/gleich 30 kg/m²) – vgl. hierzu auch das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015, S. 40 Nr. 8.2.3 – hat sie bei weitem nicht erreicht. Auch der Gesichtspunkt einer vorrangigen Gewichtsreduzierung spricht mithin gegen die Notwendigkeit einer Liposuktionsbehandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

26

Schließlich hat die Sachverständige Dr. L in ihrer ergänzenden Stellungnahme den Einwand der Beklagten bestätigt, dass bei der Klägerin – wie auch von Dr. G /Dr. K im MDK-Gutachten vom 25.09.2012 hervorgehoben – die Liposuktion prinzipiell sukzessiv ambulant erfolgen könnte. Für ihre Aussage, sie halte diese Frage jedoch für akademisch, weil die ambulante Behandlung weder dem Behandler noch dem Patienten zumutbar sei, ist sie eine überzeugende Begründung schuldig geblieben. Soweit Dr. L im Attest vom 16.01.2015 auf die „bei dieser Art von Eingriffen immer [bestehende] Gefahr einer postoperativen Kreislaufregulation oder einer Embolie“ verweist, ist dem entgegen zu halten, dass die ambulante Durchführung der Liposuktionsbehandlung weit verbreitet ist.

27

Die Berufung der Beklagten hat nach alledem Erfolg.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

29

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.