Gesellschaftsrecht: Zum Antrag auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten eines Aufsichtsratsmitglieds

published on 24/04/2014 12:51
Gesellschaftsrecht: Zum Antrag auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten eines Aufsichtsratsmitglieds
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Ein Vorstandsmitglied kann u.U. nicht aus Gründen vom Aufsichtrat abberufen werden, die auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhen dem unsachliche Erwägungen zugrunde liegen.
Das OLG München hat in seinem Urteil vom 16.10.2013 (Az.: 7 U 3018/13) folgendes entschieden:

Für einen gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats im Wege der einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag eines Mitglieds des Vorstands auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Aufsichtsrat betreffend die Abberufung nach § 84 AktG gewährt diese Bestimmung keinen Anspruch.

Da das Einwirken auf das Abstimmungsverhalten nur eines Mitglieds des Aufsichtsrats nicht geeignet ist, einen mehrheitlichen Beschluss zu verhindern, kann mit dem Antrag effektiver Rechtsschutz nicht erreicht werden.


Gründe:

Die Parteien streiten im Wege der einstweiligen Verfügung um die Berechtigung, die Vorstandsstellung des Verfügungsklägers zu widerrufen.

Der Kläger, Vorstand der a. A. S. AG, eines nicht börsennotiertes Softwareunternehmens, begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Verfügungsbeklagten, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Gesellschaft, zu untersagen, für den Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied, für eine vorläufige Amtsenthebung als Vorstand der Gesellschaft und für die Kündigung seines Vorstandsanstellungsvertrags aus wichtigem Grund zu stimmen.

Das Landgericht hat am 12.12.2012 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Nachdem der Beklagte hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, hat es nach mündlicher Verhandlung vom 06.06.2013 die einstweilige Verfügung durch Endurteil im Wesentlichen aufrecht erhalten, allerdings mit der Maßgabe, dass die im ursprünglichen Beschluss genannten Maßnahmen, insbesondere der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied nicht auf im einzelnen dargelegte Sachverhalte gestützt werden darf.

Das Landgericht hat seine Entscheidung maßgeblich damit begründet, dass dem Kläger ein Verfügungsanspruch zusteht, da er einen Anspruch darauf habe, nicht aus Gründen vom Aufsichtrat abberufen zu werden, die auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhen, soweit diesem unsachliche Erwägungen i. S. d. § 84 Abs. 3 S. 2, 2. Hs AktG zugrunde liegen. Es sah die Gründe, aus denen die Hauptversammlung dem Kläger durch Beschluss das Vertrauen entzogen hat, als offenbar unsachlich an, wobei es im Einzelnen auf diese Gründe einging. Da nach dem Beschluss der Hauptversammlung über den Vertrauensentzug die naheliegende Gefahr bestehe, dass der Aufsichtsrat zumindest mehrheitlich zeitnah die Abberufung beschließen werde und dem Kläger aus dem Verlust der Organstellung bis zu einer erfolgreichen Hauptsacheentscheidung faktisch nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, bejahte es die Voraussetzungen für einen einstweiligen Rechtsschutz. Der Verfügungsgrund sei auch nicht deshalb entfallen, weil der Kläger zu lange zugewartet habe.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe und die tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der einwendet, dass das landgerichtliche Urteil offen lasse, warum einstweiliger Rechtsschutz nur gegen ein Mitglied der Aufsichtsrats begehrt wird. Der Beklagte verneint zudem unter Verweis auf die Norm des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG grundsätzlich einstweiligen Rechtsschutz bei Abberufung eines Vorstandsmitglieds. Außerdem wendet er sich gegen die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Hauptversammlungsbeschluss über die Vertrauensentziehung auf unsachlichen Erwägungen beruhte. Auch ein Verfügungsgrund läge nicht vor, es handle sich um einen unzulässigen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats, wenn sich der Antrag nur gegen eins von drei Aufsichtsratsmitgliedern richte. Außerdem mangele es an der Dringlichkeit.

Der Beklagte beantragt daher die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Berufung. Er hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend. Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden lässt der Kläger vortragen, dass die Passivlegitimation des Beklagten zu bejahen sei. Effektiver Rechtsschutz gebiete es, in die Willensbildung eines Gesellschaftsorgans einzugreifen. Da die Abberufung durch den Beschluss des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG sofort wirksam werde, bestehe ein Recht, durch Eingriff in das Abstimmungsverhalten einen - wie vorliegend - sittenwidrigen Beschluss zu verhindern. Die herrschende Rechtsprechung zur GmbH sei auf Aktiengesellschaften entsprechend anwendbar.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.

Die zulässige Berufung des Beklagten erweist sich in der Sache als erfolgreich.
Dem Kläger steht ein Recht, dem Beklagten als Vorstand des Aufsichtsrats im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu untersagen, für den Widerruf der Bestellung, für eine vorläufige Amtsenthebung und die Kündigung des Vorstandsdienstvertrags des Klägers im Aufsichtsrat zu stimmen, nicht zu.

Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gibt es nicht, insbesondere kann der Kläger einen Anspruch nicht auf § 84 AktG stützen.

Da es an der Passivlegitimation des Beklagten fehlt, er mithin nicht richtiger Anspruchsgegner ist, kommt es auf die Frage, ob der in der Hauptversammlung der Gesellschaft gefasste Beschluss über den Entzug des Vertrauens gegenüber dem Kläger auf unsachlichen Gründen fußt und ob ein Verfügungsgrund vorliegt, nicht an. Ebenso kann letztlich dahingestellt bleiben, ob einstweiliger Rechtsschutz angesichts des Wortlauts des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG grundsätzlich in Betracht kommt, soweit das Fehlen eines wichtigen Grundes für den Widerruf der Bestellung geltend gemacht wird.

Selbst wenn man im Ausgangspunkt dem Landgericht zustimmen sollte, dass die Untersagung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens mit den Mitteln einer einstweiligen Verfügung in Ausnahmefällen statthaft ist, in denen auf andere Art und Weise effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet werden kann, und hierfür überaus strenge Anforderungen aufstellt, die sich daraus rechtfertigen, dass fehlerhafte Beschlüsse zu vollendeten Tatsachen führen und Folgen zeitigen, die mit den Mitteln nachgehenden Rechtsschutzes nicht mehr hinreichend beseitigt werden können , kann das vorliegende Begehren des Klägers keinen Erfolg haben.

Der Kläger richtet seinen Antrag nämlich lediglich gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft. Angesichts der Tatsache, dass das Einwirken auf das Abstimmungsverhalten eines Mitglieds des Aufsichtsrats nicht geeignet ist, einen mehrheitlichen Beschluss zu verhindern, kann der Kläger mit seinem Antrag effektiven Rechtsschutz, d. h. die Verhinderung des Aufsichtsratsbeschlusses, nicht erreichen. Sollte dem Beklagten die Abstimmung, wie beantragt, untersagt werden, hindert dies die mindestens zwei weiteren Aufsichtsratsmitglieder nämlich nicht, mehrheitlich für die Abberufung des Klägers etc. zu stimmen.

Hinzu kommt, dass, da für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern nach § 84 Abs. 1 S. 1 AktG der Aufsichtsrat, und zwar der Gesamtaufsichtsrat zuständig ist, als "das getreuliche Gegenstück" zur Bestellung der Gesamtaufsichtsrat auch für den Widerruf zuständig ist. Die Zuständigkeit für den Widerruf liegt somit beim Aufsichtsrat und damit dem Gremium und Organ der Gesellschaft, der/das durch Beschluss entscheidet, § 108 Abs. 1 AktG. Einen Anspruch auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gegen lediglich ein Mitglied des Aufsichtsrats kann der Kläger unter Berufung auf effektiven Rechtsschutz nicht herleiten. Dem stehen - entgegen der Auffassung des Klägervertreters - auch nicht Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten, die ein bestimmtes Abstimmungsverhalten einzelner, personalisierter Mitaktionäre in der Hauptversammlung zum Gegenstand hatten , entgegen. In den vom Kläger zitierten Entscheidungen war das Rechtsverhältnis der Aktionäre untereinander, die der gesellschafterlichen Treuepflicht unterliegen, betroffen. Eine vergleichbare Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger als Vorstandsmitglied und einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats besteht jedoch nicht.

Da der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit zur Entscheidung berufen ist, könnte sich ein Anspruch des Klägers allenfalls gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, § 112 AktG, richten.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine entsprechende Anwendbarkeit der im Bereich des GmbH-Rechts ergangenen Entscheidungen berufen. Dem GmbH-Recht ist ein dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft entsprechendes Organ fremd. Den vom Kläger herangezogenen Entscheidungen lagen zudem nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde.

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(1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens

Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluß. (2) Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, durch die Satzung bestimmt werden. Ist sie weder gesetzlich noch durch die Satzung geregelt, so ist der Aufs
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(1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt.

(2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen.

(3) Ein Mitglied eines Vorstands, der aus mehreren Personen besteht, hat das Recht, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann. Macht ein Vorstandsmitglied von diesem Recht Gebrauch, muss der Aufsichtsrat die Bestellung dieses Vorstandsmitglieds

1.
im Fall des Mutterschutzes widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Absatz 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes genannten Schutzfristen zusichern,
2.
in den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten entsprechend dem Verlangen des Vorstandsmitglieds zusichern; der Aufsichtsrat kann von dem Widerruf der Bestellung absehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
In den in Satz 2 Nummer 2 genannten Fällen kann der Aufsichtsrat die Bestellung des Vorstandsmitglieds auf dessen Verlangen mit Zusicherung der Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu zwölf Monaten widerrufen. Das vorgesehene Ende der vorherigen Amtszeit bleibt auch als Ende der Amtszeit nach der Wiederbestellung bestehen. Im Übrigen bleiben die Regelungen des Absatzes 1 unberührt. Die Vorgabe des § 76 Absatz 2 Satz 2, dass der Vorstand aus mindestens zwei Personen zu bestehen hat, gilt während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 auch dann als erfüllt, wenn diese Vorgabe ohne den Widerruf eingehalten wäre. Ein Unterschreiten der in der Satzung festgelegten Mindestzahl an Vorstandsmitgliedern ist während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 unbeachtlich. § 76 Absatz 3a und § 393a Absatz 2 Nummer 1 finden auf Bestellungen während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 keine Anwendung, wenn das Beteiligungsgebot ohne den Widerruf eingehalten wäre. § 88 ist während des Zeitraums nach den Sätzen 2 oder 3 entsprechend anzuwenden.

(4) Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Dies gilt auch für den vom ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. Der Widerruf ist wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften.

(5) Die Vorschriften des Montan-Mitbestimmungsgesetzes über die besonderen Mehrheitserfordernisse für einen Aufsichtsratsbeschluß über die Bestellung eines Arbeitsdirektors oder den Widerruf seiner Bestellung bleiben unberührt.

(1) Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluß.

(2) Die Beschlußfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist, durch die Satzung bestimmt werden. Ist sie weder gesetzlich noch durch die Satzung geregelt, so ist der Aufsichtsrat nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er nach Gesetz oder Satzung insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. In jedem Fall müssen mindestens drei Mitglieder an der Beschlußfassung teilnehmen. Der Beschlußfähigkeit steht nicht entgegen, daß dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder als die durch Gesetz oder Satzung festgesetzte Zahl angehören, auch wenn das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis nicht gewahrt ist.

(3) Abwesende Aufsichtsratsmitglieder können dadurch an der Beschlußfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen, daß sie schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen. Die schriftlichen Stimmabgaben können durch andere Aufsichtsratsmitglieder überreicht werden. Sie können auch durch Personen, die nicht dem Aufsichtsrat angehören, übergeben werden, wenn diese nach § 109 Abs. 3 zur Teilnahme an der Sitzung berechtigt sind.

(4) Schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sind vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats nur zulässig, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht.

Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.